Schwesterherz
Central Park, N.Y., 5:45 a.m.: Victoria stolpert beim Joggen fast über eine bewusstlose Frau, die sie als ihre Schwester Audrey erkennt. Während Victoria Hilfe holt, verschwindet Audrey. Victoria macht sich auf die Suche und stößt auf ein dunkles Familiengeheimnis.
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Produktinformationen zu „Schwesterherz “
Central Park, N.Y., 5:45 a.m.: Victoria stolpert beim Joggen fast über eine bewusstlose Frau, die sie als ihre Schwester Audrey erkennt. Während Victoria Hilfe holt, verschwindet Audrey. Victoria macht sich auf die Suche und stößt auf ein dunkles Familiengeheimnis.
Lese-Probe zu „Schwesterherz “
Schwesterherz von Andrea Kane1
Central Park, New York City Samstag, 15. April - 6.15 Uhr
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Sie kamen immer näher. Sie konnte es spüren.
Wie ein gehetztes Tier fuhr sie herum, wich zurück vor der drohenden Gefahr. Sie kauerte sich in den Schatten der Bäume, suchte mit panischen Blicken den Weg ab, während die Angst in ihr tobte.
Nichts.
Sie rannte weiter. Ihr. Körper war schweißüberströmt. Sie stolperte und wäre fast gestürzt. Mühsam fand sie das Gleichgewicht, keuchend, weil ihre Lungen nicht genug Sauersto aufnahmen, um ihr rasendes Herz zu versorgen. Sie blieb stehen, unfähig noch einen Schritt zu tun, dann stolperte sie atemlos weiter den schmalen Fußpfad entlang.
Sie hatte keine Sekunde zu verlieren.
Das Tageslicht verdrängte allmählich die Nacht, die New Yorker Skyline wurde bereits sichtbar.
Bald würde man sie entdecken, so viel war gewiss.
Selbst der bevorstehende Regenschauer würde sie nicht schützen. Sie waren ihr gefolgt. Sie wussten genau, wo sie suchen mussten und wonach. Ihr hellgelber Kittel leuchtete von weitem. Sie würden sie finden. Sie würden sie bestrafen. Davor hatte sie Angst. Aber noch mehr Angst hatte sie vor dem, was mit ihr geschah.
Sie war verzweifelt. Sie brauchte Hilfe. Jetzt. Ehe es zu spät war.
Sie musste zu ihrer Schwester.
Die ersten Tropfen fielen, angenehme Kühle auf ihrer überhitzten Haut. Doch die Erleichterung war nur kurz. Die Tropfen gingen über in ein gleichmäßiges Nieseln, durchweichten ihr Hemd, bis es an ihrer Haut klebte.
Ihre Zähne schlugen aufeinander.
Ihre Glieder wurden schwer, ihre Knie gaben nach.
Taumelnd versuchte sie, an einem Baumstamm Halt zu fi nden. Sie kämpfte gegen die Übelkeit und gegen das Schwindelgefühl, kni die Augen zusammen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und neue Kraft.
Es war sinnlos. Ihr Körper verlor den Kampf. Ihr Herz zersprang fast. Sie hatte keine Energie, um weiterzurennen. Und sie wusste nicht, wo sie hinrennen sollte.
Ihre Schwester. Sie war ihre einzige Chance.
Wieso ist sie nicht hier?, dachte sie verzweifelt. Erneut suchte sie den Park ab, dabei konnten ihre Augen kaum noch etwas erkennen. Wo ist sie bloß?
Der Weg war verlassen. Der Regen fiel nun in einem dünnen stetigen Strom. Vielleicht war sie im Bett geblieben. Vielleicht hatte der Regen sie abgehalten. Vielleicht war dieser ganze verzweifelte Versuch sinnlos gewesen.
In dem Fall wäre alles vorbei. Es war leicht, sie in dem menschenleeren Park zu finden. Zu fangen. Endgültig einzusperren.
Sie würden jede Sekunde hier sein.
Panik erfüllte sie.
Blind vor Angst stolperte sie den Weg entlang, nicht sicher, wohin sie lief, nur getrieben von dem Willen zu überleben.
In der Ferne knackte ein Zweig.
Hinter der Biegung hörte sie rhythmische Schritte. Tap. Tap. Es waren Schritte, ganz sicher. Sie hatte sie sich nicht eingebildet. Nicht die raschen Schritte ihrer Verfolger, sondern das regelmäßige Traben eines Joggers. Die Schritte kamen näher - nicht hinter ihr, sondern von vorn. Sie wurden lauter, dann vernahm sie auch das Keuchen eines Läufers oder einer Läuferin.
Lieber Gott, lass sie es sein.
Schwarze Schatten tanzten vor ihren Augen. Ihr Herzschlag hatte sich inzwischen so weit beschleunigt, dass sie ihre Atmung nicht mehr beherrschen konnte. Sie zitterte am ganzen Körper. Bitte, fl ehte sie im Stillen. Bitte.
Ein Farbfl eck.
Rot. Ein roter Jogging-Anzug mit weißen Streifen an den Beinen - ihr Geschenk für ihre Schwester an ihrem letzten Geburtstag.
Gott sei Dank.
Sie warf sich nach vorn, in dem verzweifelten Wunsch gesehen zu werden, aber ihre Glieder versagten. Der Boden kam ihr entgegen. Sie spürte ihn hart an der Schulter, dann am Rücken. Ein Stock stach ihr in den Arm.
Regentropfen schlugen ihr ins Gesicht. Eine Hand wischte sie sanft fort.
Wie aus großer Ferne hörte sie die vertraute Stimme ihren Namen rufen. Sie öffnete die Augen, aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte nichts erkennen. Nur Schwärze.
Ihre Lippen bewegten sich, und sie hörte ihr eigenes zerrissenes Keuchen. Oder nicht? Sie sprach. Aber wieso konnte sie sich dann nicht hören?
Wieder versuchte sie es. Ihre Lippen formten die Ziffern. Aber die Dunkelheit legte sich wie eine Decke über sie und erstickte jeden Laut.
2
Victoria Kensington hätte ihren Wecker an diesem Morgen fast ignoriert.
Sie hatte eine arbeitsreiche Woche hinter sich. Drei neue Mandantinnen, alles Scheidungsfälle, emotional aufgewühlte, von ihren Männern ausgebeutete Frauen.
Da war zum Beispiel Faye Larimore, Opfer der Trunkenheitsanfälle ihres Mannes. Oder Marlene Scallery, eine emotional missbrauchte 32-jährige Frau, die sich endlich ein Herz gefasst, ihre zwei Kinder genommen und ihren Mann verlassen hatte. Schließlich Doris Webster, der klassische Fall einer Frau in den besten Jahren, die sich fünfunddreißig Jahre für Mann und Kinder aufgeopfert hatte, ihre eigene Identität zu Gunsten ihres Mannes aufgegeben hatte, um ihn voll und ganz bei seiner erfolgreichen Karriere unterstützen zu können, nur damit er sie schließlich wie ein Stück Müll entsorgte und mit ihrem gemeinsamen Bankkonto sowie seiner 23-jährigen Assistentin durchbrannte.
Die Welt mochte wesentlich kultivierter sein, aber die Menschen änderten sich nicht. Vor allem solcher Abschaum wie diese Männer. Sie wurden nur noch schlimmer.
Victoria hatte bei jeder neuen Mandantin erst einmal Stunden gebraucht, um sie zu trösten und ihnen gut zuzureden, ehe sie überhaupt auf ihre gesetzlich verankerten Rechte zu sprechen kommen konnte. Es waren Stunden, die sie gern opferte und niemals in Rechnung stellen würde, so sehr ihre junge Anwaltskanzlei das Geld auch brauchen konnte. Sie, Megan Stone und Paul London waren sich da einig. Es war einer der Gründe, weshalb sie die Kanzlei gegründet hatten - um Menschen zu vertreten, deren Schicksal ihnen am Herzen lag, ungeachtet des möglichen finanziellen Gewinns. Sie hatten das jahrelang geplant, während ihres Jurastudiums und auch danach kaum von etwas anderem gesprochen. Selbst als zunächst jeder von ihnen einen Job in einer anderen Kanzlei angenommen und hart gearbeitet hatte, um sich einen Namen zu machen, hatten sie sich jede Woche zu einem Drink bei Hurley's getroffen und ihr gemeinsames Projekt auf einer Papierserviette entworfen.
Es war ein altruistischer Traum, das wussten sie nur zu gut. Aber sie waren fest entschlossen, diesen Traum zu verwirklichen.
Und nun hatten sie, nachdem sie sich drei Jahre lang angepasst hatten, genügend Geld gespart, sich einen guten Ruf erworben und genug Mandanten gesichert, um es alleine wagen zu können.
Die Anwaltskanzlei London, Kensington & Stone war im letzten Herbst gegründet worden. Die Büroräume waren bescheiden - eine Etage eines kleinen Backsteinhauses nördlich von Midtown, die sie zu einem Spottpreis hatten mieten können, nur weil sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen waren. Bescheiden oder nicht - sie hatten eine durchaus respektable Anzahl Mandanten an Land gezogen. Das Unternehmen begann sich gerade zu tragen - ganz knapp, aber für jeden der Partner blieb am Ende des Monats ein kleines Sümmchen übrig, mit dem man sich über Wasser halten konnte.
Sie, Paul und Meg hatten sich jeder auf einen ganz speziellen Mandantentypen spezialisiert.
Paul kümmerte sich hauptsächlich um gefährdete Unternehmen, die von Leuten mit guten Ideen, aber leeren Geldbörsen geführt wurden.
Meg vertrat ältere Menschen, die mehr Ängste und Fragen hatten als Vermögen.
Und sie?
Sie war zuständig für emotional verstümmelte Frauen. Und auch ohne Therapeut konnte man leicht erraten wieso.
Vor allem, wenn man wusste, wie sie aufgewachsen war.
Nach letzter Woche war es nicht verwunderlich, dass sie unruhig schlief und von unangenehmen Träumen verfolgt wurde. Sie war erschöpft und hatte den Kopf voll von den Sorgen und Nöten ihrer neuen Mandantinnen.
Zum Ausgleich hatte sie vor allem ihre regelmäßige Joggingrunde. Sie lief jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag, schon seit ihrem Jura-Studium an der Columbia University. Joggen machte ihren Kopf frei, und hinterher fühlte sie sich wie neugeboren.
Andererseits brauchte sie dringend Schlaf. Endlich war Samstag. Die Kanzlei war geschlossen. Den hässlichen grauen Wolken vor ihrem Fenster nach zu urteilen, würde es innerhalb der nächsten Stunde ziemlich feucht draußen werden. Bis sie ihre drei Kilometer hinter sich hatte und wieder in ihrer Wohnung war, würde sie vermutlich völlig durchnässt sein.
Die Argumente, die dafür sprachen, einfach weiterzuschlafen, waren überwältigend.
Aber sie schlief ja nicht. Sie lag wach - hellwach - im Bett und überlegte hin und her, ob sie aufstehen sollte oder nicht.
Diese Energie konnte sie ebenso gut sinnvoll nutzen.
Also stellte sie den Wecker aus, zog sich ihre Joggingklamotten und Schuhe an und ging zur Tür.
Sie verließ das Haus um 5.45 Uhr, wie immer. Der kurze Weg zum Central Park war wie immer am frühen Samstagmorgen ruhig, wegen des schlechten Wetters vielleicht noch ruhiger als sonst. Auf der East 82. Straße tröpfelte der Verkehr vor sich hin. Nur vereinzelt waren Fußgänger unterwegs; sie hielten kurz an, um sich eine Zeitung zu kaufen, oder verschwanden auf einen ersten, dringend benötigten Kaffee in einem Coffeeshop. Ab und zu sah man ein paar Hundebesitzer, die ihre Vierbeiner ausführten. Ungeduldig traten sie von einem Fuß auf den anderen, während die Vierbeiner an jedem Baum, jedem Hydranten, jedem Straßenschild anhielten und schnüffelten. Niemand war nach Trödeln zu Mute; alle hatten es eilig, schnell wieder nach Hause zu kommen.
Aus gutem Grund.
Der Himmel würde seine Schleusen gleich öffnen.
Ein feiner Nieselregen hatte bereits eingesetzt, als Victoria den Parkeingang an der 79. Straße erreicht hatte. Sie verschwendete keine Zeit fürs Aufwärmen, dehnte bloß ein paar Muskeln, dann trabte sie los.
Es dauerte nicht lange, bis sie den Rhythmus gefunden hatte, der ihren Körper trainierte und ihren Kopf entspannte. Ganz allmählich fielen die Puzzleteile des gestrigen Termins, die sie geplagt hatten, an ihren Platz, und ihr wurde klar, was sie zu tun hatte. Ihre innere Anspannung löste sich und wurde mit den ersten dickeren Regentropfen weggespült.
Sie lief gerade um die erste Wegbiegung, als sie etwas Gelbes aufblitzen sah.
Überrascht blieb sie stehen, als eine Frau in einem zitronenfarbenen Krankenhaus-Hemd auf sie zuwankte und kurz vor ihr zusammenbrach. Das Haar hing ihr wirr ins Gesicht, mit einem schmerzerfüllten Laut bäumte sie sich auf und streckte den Arm nach Victoria aus, als wollte sie sich an ihr festklammern. Dann fiel ihr Arm herab, und sie blieb bewegungslos liegen.
Victoria bückte sich über die Gestalt, strich ihr das Haar aus dem Gesicht - und schrie auf, als sie sah, wer es war. »Audrey! «
Alles in Victoria wurde kalt und taub. Audrey - wie konnte das sein? Audrey war doch in Italien. Nein, diese Frau konnte nicht Audrey sein. Nicht nur weil sie hier in New York war, sondern weil sie gar nicht aussah wie Audrey. Diese Frau war merkwürdig aufgedunsen, ihre Haut war fahl, sie hatte die Augen weit aufgerissen, ohne dass sie etwas zu erkennen schien.
Victoria starrte in das Gesicht der Frau; dann dämmerte ihr die schreckliche Wahrheit, und ihr wurde übel. Die Züge dieser Frau waren verzerrt, ja. Aber es war ganz sicher Audrey. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr, irgendetwas hatte ihr Äußeres völlig entstellt. Sie atmete rasselnd, ihre Brust hob und senkte sich mit jedem keuchenden Atemzug.
Victorias Kehle war vor Entsetzen wie zugeschnürt. »Audrey! « Sie berührte die Wange ihrer Schwester, wischte den Regen von ihrer Haut.
Daraufhin bewegten sich zögernd Audreys Lippen. »Fü ... fü ... fünf ... null ... vier ... null ... null«, stammelte sie, und ihre Stimme war ebenso verzerrt wie ihr Gesicht. »Ge ... fahr.«
Sie sank zurück, bewusstlos.
Panikerfüllt riss Victoria den Kopf hoch und sah sich um, in der verzweifelten Hoffnung, jemanden zu entdecken, der ihr helfen könnte.
Es war niemand da.
Leise fluchend unternahm sie zwei Versuche, ihre Schwester aufzuheben, die jedoch beide scheiterten. Nach Audreys stoßweisem Atmen zu urteilen, hatte sie keine Zeit zu verlieren. Sie brauchte dringend einen Arzt.
Victoria sprang auf, wölbte die Hände vor den Mund und schrie um Hilfe. Sie wartete, betete, dass jemand antworten möge. Aber nichts regte sich.
Sie taxierte ihre Umgebung, entschied dann, dass es am besten wäre, sich auf die Suche nach einem der Polizisten zu machen, die regelmäßig durch den Park patrouillierten. Es war schrecklich für sie, Audrey allein zu lassen, selbst für ein paar Minuten, aber sie musste einen Krankenwagen holen. Die öffentlichen Telefone waren zu weit weg, außerdem funktionierten sie nie.
Sie warf einen letzten besorgten Blick auf ihre Schwester, dann rannte sie los, um Hilfe zu holen.
Es dauerte zehn Minuten, bis sie einen Polizisten gefunden hatte, und weitere fünf - angesichts ihres aufgelösten Erscheinungsbildes und der abenteuerlichen Geschichte über eine Schwester, die angeblich aus dem Nichts aufgetaucht und dann vor ihren Füßen bewusstlos zusammengebrochen war -, um den Beamten davon zu überzeugen, dass sie nicht verrückt war oder völlig überspannt. Schließlich begleitete er sie an die Stelle, wo sie Audrey zurückgelassen hatte.
Ihre Schwester war nicht mehr da.
»Hier ist niemand«, stellte der Polizist mit Nachdruck fest, als würde Victoria das nichts selbst sehen. Doch sie war viel zu erstaunt und entsetzt, um etwas zu erwidern.
Wo war Audrey?
Sie rannte los, durchforstete die nähere Umgebung. Nichts. Keinerlei Hinweis darauf, dass hier noch vor wenigen Minuten jemand gewesen war.
»Hören Sie, Lady, ich weiß nicht, wen Sie hier gesehen haben ... «
»Sie war hier.« Victoria wirbelte herum, das Kinn energisch emporgereckt.
»Gut. Jetzt ist sie es aber nicht mehr. Also muss sie sich besser gefühlt haben, aufgestanden und nach Hause gegangen sein.«
»Sie war bewusstlos.« Victoria zog die Spange fester, mit der sie ihre schwarze Haarmähne zusammenhielt. Sie rieb sich den Nacken, ihr Blick glitt über den Boden, die Angst schnürte ihr die Kehle noch enger zu. »Es ist unmöglich, dass sie aufgestanden, geschweige denn nach Hause gegangen ist.«
Der Beamte kniff misstrauisch die Augen zusammen und sah sie mit einem Gesichtsausdruck an, den Victoria nur allzu gut kannte.
»Ich stehe nicht unter Drogen, Officer«, versicherte sie ihm mit fester Stimme. »Ich bin Anwältin. Mein Name ist Victoria Kensington. Und ich schwöre Ihnen, meine Schwester ist genau an dieser Stelle vor meinen Augen zusammengebrochen. Sie war bewusstlos, als ich losgelaufen bin, um Sie zu suchen.«
Offenbar war der Polizist mit dem ersten Teil ihrer Geschichte zufrieden, mit dem zweiten jedoch nicht. »Sind Sie denn sicher, dass das die richtige Stelle ist?«
»Absolut. Ich kenne den Central Park wie meine Westentasche. Ich jogge hier dreimal in der Woche - immer zur selben Zeit, immer dieselbe Strecke.«
»Mit Ihrer Schwester?«
»Nein. Allein. Aber sie wusste das. Sie muss hergekommen sein, um mich zu treffen.« Victoria kämpfte gegen die ansteigende Panik. Ich muss sie finden. Und wenn Sie mir nicht dabei helfen, dann werde ich den Park eben allein umkrempeln.«
Er kratzte sich am Kopf. »Wenn es Ihre Schwester war, warum sehen Sie nicht in ihrer Wohnung nach? Vielleicht ist sie ja doch nach Hause gegangen. Vor allem wenn es ihr so schlecht ging, wie Sie sagen.«
Victoria verkniff sich jegliche Erklärung. Es war sinnlos, ihm zu sagen, dass Audrey nicht zu Hause sein konnte, dass ihr Zuhause gar nicht in New York war, schon seit Jahren nicht mehr. Und es war ganz sicher auch sinnlos, ihm zu sagen, dass sie eine Art Krankenhaushemd getragen und dass sie aufgedunsen und entstellt ausgesehen hatte, nicht bloß krank. Das würde ihn nur in seiner Ansicht bestätigen, dass sie entweder log oder vollkommen durchgeknallt war.
Und sie würde Zeit verlieren. Kostbare Zeit, die sie dazu nutzen konnte, ihre Schwester zu suchen.
»Danke, Officer. Das werde ich tun.«
Sie drehte sich um und rannte davon.
...
Übersetzung: Barbara Ritterbach
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Sie kamen immer näher. Sie konnte es spüren.
Wie ein gehetztes Tier fuhr sie herum, wich zurück vor der drohenden Gefahr. Sie kauerte sich in den Schatten der Bäume, suchte mit panischen Blicken den Weg ab, während die Angst in ihr tobte.
Nichts.
Sie rannte weiter. Ihr. Körper war schweißüberströmt. Sie stolperte und wäre fast gestürzt. Mühsam fand sie das Gleichgewicht, keuchend, weil ihre Lungen nicht genug Sauersto aufnahmen, um ihr rasendes Herz zu versorgen. Sie blieb stehen, unfähig noch einen Schritt zu tun, dann stolperte sie atemlos weiter den schmalen Fußpfad entlang.
Sie hatte keine Sekunde zu verlieren.
Das Tageslicht verdrängte allmählich die Nacht, die New Yorker Skyline wurde bereits sichtbar.
Bald würde man sie entdecken, so viel war gewiss.
Selbst der bevorstehende Regenschauer würde sie nicht schützen. Sie waren ihr gefolgt. Sie wussten genau, wo sie suchen mussten und wonach. Ihr hellgelber Kittel leuchtete von weitem. Sie würden sie finden. Sie würden sie bestrafen. Davor hatte sie Angst. Aber noch mehr Angst hatte sie vor dem, was mit ihr geschah.
Sie war verzweifelt. Sie brauchte Hilfe. Jetzt. Ehe es zu spät war.
Sie musste zu ihrer Schwester.
Die ersten Tropfen fielen, angenehme Kühle auf ihrer überhitzten Haut. Doch die Erleichterung war nur kurz. Die Tropfen gingen über in ein gleichmäßiges Nieseln, durchweichten ihr Hemd, bis es an ihrer Haut klebte.
Ihre Zähne schlugen aufeinander.
Ihre Glieder wurden schwer, ihre Knie gaben nach.
Taumelnd versuchte sie, an einem Baumstamm Halt zu fi nden. Sie kämpfte gegen die Übelkeit und gegen das Schwindelgefühl, kni die Augen zusammen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und neue Kraft.
Es war sinnlos. Ihr Körper verlor den Kampf. Ihr Herz zersprang fast. Sie hatte keine Energie, um weiterzurennen. Und sie wusste nicht, wo sie hinrennen sollte.
Ihre Schwester. Sie war ihre einzige Chance.
Wieso ist sie nicht hier?, dachte sie verzweifelt. Erneut suchte sie den Park ab, dabei konnten ihre Augen kaum noch etwas erkennen. Wo ist sie bloß?
Der Weg war verlassen. Der Regen fiel nun in einem dünnen stetigen Strom. Vielleicht war sie im Bett geblieben. Vielleicht hatte der Regen sie abgehalten. Vielleicht war dieser ganze verzweifelte Versuch sinnlos gewesen.
In dem Fall wäre alles vorbei. Es war leicht, sie in dem menschenleeren Park zu finden. Zu fangen. Endgültig einzusperren.
Sie würden jede Sekunde hier sein.
Panik erfüllte sie.
Blind vor Angst stolperte sie den Weg entlang, nicht sicher, wohin sie lief, nur getrieben von dem Willen zu überleben.
In der Ferne knackte ein Zweig.
Hinter der Biegung hörte sie rhythmische Schritte. Tap. Tap. Es waren Schritte, ganz sicher. Sie hatte sie sich nicht eingebildet. Nicht die raschen Schritte ihrer Verfolger, sondern das regelmäßige Traben eines Joggers. Die Schritte kamen näher - nicht hinter ihr, sondern von vorn. Sie wurden lauter, dann vernahm sie auch das Keuchen eines Läufers oder einer Läuferin.
Lieber Gott, lass sie es sein.
Schwarze Schatten tanzten vor ihren Augen. Ihr Herzschlag hatte sich inzwischen so weit beschleunigt, dass sie ihre Atmung nicht mehr beherrschen konnte. Sie zitterte am ganzen Körper. Bitte, fl ehte sie im Stillen. Bitte.
Ein Farbfl eck.
Rot. Ein roter Jogging-Anzug mit weißen Streifen an den Beinen - ihr Geschenk für ihre Schwester an ihrem letzten Geburtstag.
Gott sei Dank.
Sie warf sich nach vorn, in dem verzweifelten Wunsch gesehen zu werden, aber ihre Glieder versagten. Der Boden kam ihr entgegen. Sie spürte ihn hart an der Schulter, dann am Rücken. Ein Stock stach ihr in den Arm.
Regentropfen schlugen ihr ins Gesicht. Eine Hand wischte sie sanft fort.
Wie aus großer Ferne hörte sie die vertraute Stimme ihren Namen rufen. Sie öffnete die Augen, aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte nichts erkennen. Nur Schwärze.
Ihre Lippen bewegten sich, und sie hörte ihr eigenes zerrissenes Keuchen. Oder nicht? Sie sprach. Aber wieso konnte sie sich dann nicht hören?
Wieder versuchte sie es. Ihre Lippen formten die Ziffern. Aber die Dunkelheit legte sich wie eine Decke über sie und erstickte jeden Laut.
2
Victoria Kensington hätte ihren Wecker an diesem Morgen fast ignoriert.
Sie hatte eine arbeitsreiche Woche hinter sich. Drei neue Mandantinnen, alles Scheidungsfälle, emotional aufgewühlte, von ihren Männern ausgebeutete Frauen.
Da war zum Beispiel Faye Larimore, Opfer der Trunkenheitsanfälle ihres Mannes. Oder Marlene Scallery, eine emotional missbrauchte 32-jährige Frau, die sich endlich ein Herz gefasst, ihre zwei Kinder genommen und ihren Mann verlassen hatte. Schließlich Doris Webster, der klassische Fall einer Frau in den besten Jahren, die sich fünfunddreißig Jahre für Mann und Kinder aufgeopfert hatte, ihre eigene Identität zu Gunsten ihres Mannes aufgegeben hatte, um ihn voll und ganz bei seiner erfolgreichen Karriere unterstützen zu können, nur damit er sie schließlich wie ein Stück Müll entsorgte und mit ihrem gemeinsamen Bankkonto sowie seiner 23-jährigen Assistentin durchbrannte.
Die Welt mochte wesentlich kultivierter sein, aber die Menschen änderten sich nicht. Vor allem solcher Abschaum wie diese Männer. Sie wurden nur noch schlimmer.
Victoria hatte bei jeder neuen Mandantin erst einmal Stunden gebraucht, um sie zu trösten und ihnen gut zuzureden, ehe sie überhaupt auf ihre gesetzlich verankerten Rechte zu sprechen kommen konnte. Es waren Stunden, die sie gern opferte und niemals in Rechnung stellen würde, so sehr ihre junge Anwaltskanzlei das Geld auch brauchen konnte. Sie, Megan Stone und Paul London waren sich da einig. Es war einer der Gründe, weshalb sie die Kanzlei gegründet hatten - um Menschen zu vertreten, deren Schicksal ihnen am Herzen lag, ungeachtet des möglichen finanziellen Gewinns. Sie hatten das jahrelang geplant, während ihres Jurastudiums und auch danach kaum von etwas anderem gesprochen. Selbst als zunächst jeder von ihnen einen Job in einer anderen Kanzlei angenommen und hart gearbeitet hatte, um sich einen Namen zu machen, hatten sie sich jede Woche zu einem Drink bei Hurley's getroffen und ihr gemeinsames Projekt auf einer Papierserviette entworfen.
Es war ein altruistischer Traum, das wussten sie nur zu gut. Aber sie waren fest entschlossen, diesen Traum zu verwirklichen.
Und nun hatten sie, nachdem sie sich drei Jahre lang angepasst hatten, genügend Geld gespart, sich einen guten Ruf erworben und genug Mandanten gesichert, um es alleine wagen zu können.
Die Anwaltskanzlei London, Kensington & Stone war im letzten Herbst gegründet worden. Die Büroräume waren bescheiden - eine Etage eines kleinen Backsteinhauses nördlich von Midtown, die sie zu einem Spottpreis hatten mieten können, nur weil sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen waren. Bescheiden oder nicht - sie hatten eine durchaus respektable Anzahl Mandanten an Land gezogen. Das Unternehmen begann sich gerade zu tragen - ganz knapp, aber für jeden der Partner blieb am Ende des Monats ein kleines Sümmchen übrig, mit dem man sich über Wasser halten konnte.
Sie, Paul und Meg hatten sich jeder auf einen ganz speziellen Mandantentypen spezialisiert.
Paul kümmerte sich hauptsächlich um gefährdete Unternehmen, die von Leuten mit guten Ideen, aber leeren Geldbörsen geführt wurden.
Meg vertrat ältere Menschen, die mehr Ängste und Fragen hatten als Vermögen.
Und sie?
Sie war zuständig für emotional verstümmelte Frauen. Und auch ohne Therapeut konnte man leicht erraten wieso.
Vor allem, wenn man wusste, wie sie aufgewachsen war.
Nach letzter Woche war es nicht verwunderlich, dass sie unruhig schlief und von unangenehmen Träumen verfolgt wurde. Sie war erschöpft und hatte den Kopf voll von den Sorgen und Nöten ihrer neuen Mandantinnen.
Zum Ausgleich hatte sie vor allem ihre regelmäßige Joggingrunde. Sie lief jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag, schon seit ihrem Jura-Studium an der Columbia University. Joggen machte ihren Kopf frei, und hinterher fühlte sie sich wie neugeboren.
Andererseits brauchte sie dringend Schlaf. Endlich war Samstag. Die Kanzlei war geschlossen. Den hässlichen grauen Wolken vor ihrem Fenster nach zu urteilen, würde es innerhalb der nächsten Stunde ziemlich feucht draußen werden. Bis sie ihre drei Kilometer hinter sich hatte und wieder in ihrer Wohnung war, würde sie vermutlich völlig durchnässt sein.
Die Argumente, die dafür sprachen, einfach weiterzuschlafen, waren überwältigend.
Aber sie schlief ja nicht. Sie lag wach - hellwach - im Bett und überlegte hin und her, ob sie aufstehen sollte oder nicht.
Diese Energie konnte sie ebenso gut sinnvoll nutzen.
Also stellte sie den Wecker aus, zog sich ihre Joggingklamotten und Schuhe an und ging zur Tür.
Sie verließ das Haus um 5.45 Uhr, wie immer. Der kurze Weg zum Central Park war wie immer am frühen Samstagmorgen ruhig, wegen des schlechten Wetters vielleicht noch ruhiger als sonst. Auf der East 82. Straße tröpfelte der Verkehr vor sich hin. Nur vereinzelt waren Fußgänger unterwegs; sie hielten kurz an, um sich eine Zeitung zu kaufen, oder verschwanden auf einen ersten, dringend benötigten Kaffee in einem Coffeeshop. Ab und zu sah man ein paar Hundebesitzer, die ihre Vierbeiner ausführten. Ungeduldig traten sie von einem Fuß auf den anderen, während die Vierbeiner an jedem Baum, jedem Hydranten, jedem Straßenschild anhielten und schnüffelten. Niemand war nach Trödeln zu Mute; alle hatten es eilig, schnell wieder nach Hause zu kommen.
Aus gutem Grund.
Der Himmel würde seine Schleusen gleich öffnen.
Ein feiner Nieselregen hatte bereits eingesetzt, als Victoria den Parkeingang an der 79. Straße erreicht hatte. Sie verschwendete keine Zeit fürs Aufwärmen, dehnte bloß ein paar Muskeln, dann trabte sie los.
Es dauerte nicht lange, bis sie den Rhythmus gefunden hatte, der ihren Körper trainierte und ihren Kopf entspannte. Ganz allmählich fielen die Puzzleteile des gestrigen Termins, die sie geplagt hatten, an ihren Platz, und ihr wurde klar, was sie zu tun hatte. Ihre innere Anspannung löste sich und wurde mit den ersten dickeren Regentropfen weggespült.
Sie lief gerade um die erste Wegbiegung, als sie etwas Gelbes aufblitzen sah.
Überrascht blieb sie stehen, als eine Frau in einem zitronenfarbenen Krankenhaus-Hemd auf sie zuwankte und kurz vor ihr zusammenbrach. Das Haar hing ihr wirr ins Gesicht, mit einem schmerzerfüllten Laut bäumte sie sich auf und streckte den Arm nach Victoria aus, als wollte sie sich an ihr festklammern. Dann fiel ihr Arm herab, und sie blieb bewegungslos liegen.
Victoria bückte sich über die Gestalt, strich ihr das Haar aus dem Gesicht - und schrie auf, als sie sah, wer es war. »Audrey! «
Alles in Victoria wurde kalt und taub. Audrey - wie konnte das sein? Audrey war doch in Italien. Nein, diese Frau konnte nicht Audrey sein. Nicht nur weil sie hier in New York war, sondern weil sie gar nicht aussah wie Audrey. Diese Frau war merkwürdig aufgedunsen, ihre Haut war fahl, sie hatte die Augen weit aufgerissen, ohne dass sie etwas zu erkennen schien.
Victoria starrte in das Gesicht der Frau; dann dämmerte ihr die schreckliche Wahrheit, und ihr wurde übel. Die Züge dieser Frau waren verzerrt, ja. Aber es war ganz sicher Audrey. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr, irgendetwas hatte ihr Äußeres völlig entstellt. Sie atmete rasselnd, ihre Brust hob und senkte sich mit jedem keuchenden Atemzug.
Victorias Kehle war vor Entsetzen wie zugeschnürt. »Audrey! « Sie berührte die Wange ihrer Schwester, wischte den Regen von ihrer Haut.
Daraufhin bewegten sich zögernd Audreys Lippen. »Fü ... fü ... fünf ... null ... vier ... null ... null«, stammelte sie, und ihre Stimme war ebenso verzerrt wie ihr Gesicht. »Ge ... fahr.«
Sie sank zurück, bewusstlos.
Panikerfüllt riss Victoria den Kopf hoch und sah sich um, in der verzweifelten Hoffnung, jemanden zu entdecken, der ihr helfen könnte.
Es war niemand da.
Leise fluchend unternahm sie zwei Versuche, ihre Schwester aufzuheben, die jedoch beide scheiterten. Nach Audreys stoßweisem Atmen zu urteilen, hatte sie keine Zeit zu verlieren. Sie brauchte dringend einen Arzt.
Victoria sprang auf, wölbte die Hände vor den Mund und schrie um Hilfe. Sie wartete, betete, dass jemand antworten möge. Aber nichts regte sich.
Sie taxierte ihre Umgebung, entschied dann, dass es am besten wäre, sich auf die Suche nach einem der Polizisten zu machen, die regelmäßig durch den Park patrouillierten. Es war schrecklich für sie, Audrey allein zu lassen, selbst für ein paar Minuten, aber sie musste einen Krankenwagen holen. Die öffentlichen Telefone waren zu weit weg, außerdem funktionierten sie nie.
Sie warf einen letzten besorgten Blick auf ihre Schwester, dann rannte sie los, um Hilfe zu holen.
Es dauerte zehn Minuten, bis sie einen Polizisten gefunden hatte, und weitere fünf - angesichts ihres aufgelösten Erscheinungsbildes und der abenteuerlichen Geschichte über eine Schwester, die angeblich aus dem Nichts aufgetaucht und dann vor ihren Füßen bewusstlos zusammengebrochen war -, um den Beamten davon zu überzeugen, dass sie nicht verrückt war oder völlig überspannt. Schließlich begleitete er sie an die Stelle, wo sie Audrey zurückgelassen hatte.
Ihre Schwester war nicht mehr da.
»Hier ist niemand«, stellte der Polizist mit Nachdruck fest, als würde Victoria das nichts selbst sehen. Doch sie war viel zu erstaunt und entsetzt, um etwas zu erwidern.
Wo war Audrey?
Sie rannte los, durchforstete die nähere Umgebung. Nichts. Keinerlei Hinweis darauf, dass hier noch vor wenigen Minuten jemand gewesen war.
»Hören Sie, Lady, ich weiß nicht, wen Sie hier gesehen haben ... «
»Sie war hier.« Victoria wirbelte herum, das Kinn energisch emporgereckt.
»Gut. Jetzt ist sie es aber nicht mehr. Also muss sie sich besser gefühlt haben, aufgestanden und nach Hause gegangen sein.«
»Sie war bewusstlos.« Victoria zog die Spange fester, mit der sie ihre schwarze Haarmähne zusammenhielt. Sie rieb sich den Nacken, ihr Blick glitt über den Boden, die Angst schnürte ihr die Kehle noch enger zu. »Es ist unmöglich, dass sie aufgestanden, geschweige denn nach Hause gegangen ist.«
Der Beamte kniff misstrauisch die Augen zusammen und sah sie mit einem Gesichtsausdruck an, den Victoria nur allzu gut kannte.
»Ich stehe nicht unter Drogen, Officer«, versicherte sie ihm mit fester Stimme. »Ich bin Anwältin. Mein Name ist Victoria Kensington. Und ich schwöre Ihnen, meine Schwester ist genau an dieser Stelle vor meinen Augen zusammengebrochen. Sie war bewusstlos, als ich losgelaufen bin, um Sie zu suchen.«
Offenbar war der Polizist mit dem ersten Teil ihrer Geschichte zufrieden, mit dem zweiten jedoch nicht. »Sind Sie denn sicher, dass das die richtige Stelle ist?«
»Absolut. Ich kenne den Central Park wie meine Westentasche. Ich jogge hier dreimal in der Woche - immer zur selben Zeit, immer dieselbe Strecke.«
»Mit Ihrer Schwester?«
»Nein. Allein. Aber sie wusste das. Sie muss hergekommen sein, um mich zu treffen.« Victoria kämpfte gegen die ansteigende Panik. Ich muss sie finden. Und wenn Sie mir nicht dabei helfen, dann werde ich den Park eben allein umkrempeln.«
Er kratzte sich am Kopf. »Wenn es Ihre Schwester war, warum sehen Sie nicht in ihrer Wohnung nach? Vielleicht ist sie ja doch nach Hause gegangen. Vor allem wenn es ihr so schlecht ging, wie Sie sagen.«
Victoria verkniff sich jegliche Erklärung. Es war sinnlos, ihm zu sagen, dass Audrey nicht zu Hause sein konnte, dass ihr Zuhause gar nicht in New York war, schon seit Jahren nicht mehr. Und es war ganz sicher auch sinnlos, ihm zu sagen, dass sie eine Art Krankenhaushemd getragen und dass sie aufgedunsen und entstellt ausgesehen hatte, nicht bloß krank. Das würde ihn nur in seiner Ansicht bestätigen, dass sie entweder log oder vollkommen durchgeknallt war.
Und sie würde Zeit verlieren. Kostbare Zeit, die sie dazu nutzen konnte, ihre Schwester zu suchen.
»Danke, Officer. Das werde ich tun.«
Sie drehte sich um und rannte davon.
...
Übersetzung: Barbara Ritterbach
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
... weniger
Autoren-Porträt von Andrea Kane
Mit ihrem ersten romantischen Thriller landete Andrea Kane im Jahr 2000 auf Anhieb auf der Bestsellerliste der New York Times. Heute erscheinen die Bücher der erfolgreichen Autorin in 16 Ländern. Andrea Kane lebt mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in New Jersey.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andrea Kane
- 560 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 386800582X
- ISBN-13: 9783868005820
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