Seidenwind - Töchter des Monsuns
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Produktinformationen zu „Seidenwind - Töchter des Monsuns “
Klappentext zu „Seidenwind - Töchter des Monsuns “
Lakshmi verlebt eine glückliche Kindheit in ihrer Heimat Ceylon. Doch ihre Familie ist bitterarm, und schon mit vierzehn Jahren wird Lakshmi verheiratet mit einem Fremden, der ihr ein Leben in Wohlstand verspricht. Fern ihrer Heimat nimmt sie ihr Leben tatkräftig in die Hand, denn sie ist gütig und stark. Doch vermag sie auch der Prophezeiung eines Wahrsagers zu trotzen, der ihr schreckliche Schicksalsschläge vorausgesagt hat?
Lese-Probe zu „Seidenwind - Töchter des Monsuns “
Töchter des Monsuns von Rani ManickaTeil 1
SIE BLIEBEN IN DER FINSTERNIS
Lakshmi
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Ich kam 1916 in Ceylon zur Welt, zu einer Zeit, als die Geister wie Menschen auf der Erde umhergingen. Bevor sie sich, verschreckt vom grellen elektrischen Licht und vom Tosen der Zivilisation, in die tiefsten Wälder zurückzogen. Sie wohnten in riesigen Bäumen, die von kühlem, blaugrünem Schatten erfüllt waren. In der von Sonnen- und Schattenflecken betupften Stille konnte man den Arm ausstrecken und ihre stumme Anwesenheit fast spüren, ihr Verlangen nach einer körperlichen Gestalt. Wenn wir uns bei der Durchquerung des Dschungels erleichtern mussten, sagten wir ein Gebet und baten die Geister um Nachsicht, dass unsere Ausscheidungen den Boden berührten, denn sie waren schnell beleidigt. Durchbrach jemand die Mauer ihrer Einsamkeit, so diente ihnen das als Vorwand, in den Störenfried einzudringen und dann in seinem Körper auf seinen Beinen umherzulaufen.
Mutter erzählte, dass ihre Schwester einmal von einem solchen Geist in die Irre geführt und besessen worden war. Man schickte nach einem heiligen Mann, der zwei Dörfer entfernt wohnte, um den Geist auszutreiben. Der Mann hatte viele merkwürdig verschlungene Perlenketten und getrocknete Wurzeln um den Hals als Beweis seiner Furcht erregenden Kräfte. Die einfachen Dorfbewohner umringten ihn neugierig. Um den bösen Geist auszutreiben, begann er, mit einem langen, dünnen Stock auf meine Tante einzuschlagen, wobei er immer wieder fragte: «Was willst du?»
Das friedliche Dorf hallte wider von ihrem angstvollen Geschrei, doch unbeeindruckt fuhr er fort, ihren armen Körper zu prügeln, bis ihr das Blut in Strömen herunterlief.
«Sie bringen sie um», heulte meine Großmutter, die von drei angewiderten, aber zugleich faszinierten Frauen festgehalten wurde. Ohne sie zu beachten, befühlte der Geisterbeschwörer die bleiche rosa Narbe, die sein Gesicht von oben nach unten durchzog, und lief weiter in engen Kreisen um das am Boden kauernde Mädchen herum. Immer wieder murmelte er düster die Frage: «Was willst du?», bis sie schließlich schrie, dass sie eine Frucht wolle.
«Frucht? Was für eine Frucht?», fragte er streng und blieb vor dem schluchzenden Mädchen stehen.
Plötzlich ging eine erschreckende Veränderung mit ihr vor. Verschlagen blickte das kleine Gesicht zu ihm auf, vielleicht war da sogar ein Anflug von Wahnsinn in dem Grinsen, das sich langsam und mit unbeschreiblicher Obszönität auf den kindlichen Lippen ausbreitete. Scheu zeigte sie auf ihre jüngere Schwester, meine Mutter.
«Das ist die Frucht, die ich will», sagte sie mit unverkennbar männlicher Stimme.
Die einfache Dorfbevölkerung keuchte vor Schreck. Wie nicht weiter ausgeführt werden muss, opferte der hoch gewachsene Mann meine Mutter nicht dem bösen Geist, da sie der erklärte Liebling ihres Vaters war. Der Geist musste sich mit fünf Zitronen zufrieden geben, die ihm aufgeschnitten ins Gesicht geschleudert wurden, mit klatschenden Güssen geweihten Wassers und einer erstickenden Myrrhewolke.
Als ich ganz klein war, saß ich oft still bei meiner Mutter auf dem Schoß und lauschte ihrer Stimme, wenn sie sich an bessere Zeiten erinnerte. Meine Mutter stammte aus einer Familie mit so viel Geld und Einfluss, dass ihre englische Großmutter, Mrs Armstrong, ausgewählt worden war, um Königin Victoria persönlich die behandschuhte Hand zu drücken und ein Blumensträußchen zu überreichen. Meine Mutter war halb taub zur Welt gekommen, aber ihr Vater hatte ihr die Lippen an die Stirn gedrückt und unermüdlich mit ihr geredet, bis sie sprechen lernte. Mit sechzehn war sie schön wie ein Wolkenmädchen. Von nah und fern trafen in dem stattlichen Haus in Colombo Heiratsanträge ein, doch sie verliebte sich in den Geruch der Gefahr. Der Blick ihrer mandelförmigen Augen blieb an einem charmanten Schurken hängen.
Eines Nachts kletterte sie aus dem Fenster und an dem Niembaum hinunter, an dem ihr Vater eine dornige Bougainvillea hatte emporranken lassen, damit kein Mann auf die Idee kam, auf den Baum zu klettern und so an das Fenster seiner Tochter zu gelangen. Als hätten seine lauteren Absichten die Pflanze gedüngt, wuchs und wuchs sie, bis der gesamte von Blüten leuchtende Baum ein Wahrzeichen wurde, das schon aus einer Entfernung von vielen Meilen zu sehen war. Doch Großvater hatte nicht mit der Entschlossenheit seines Kindes gerechnet.
In jener mondbeschienenen Nacht zerfetzten die Dornen wie mit ausgestreckten Krallen ihre dicken Kleider, rissen sie an den Haaren und bohrten sich tief in ihr Fleisch. Doch sie konnten sie nicht zurückhalten. Unten wartete der Mann, den sie liebte. Als sie schließlich vor ihm stand, brannte jedes Fleckchen ihrer Haut, als stünde es in Flammen. Schweigend führte der Schatten sie fort, doch bei jedem Schritt war es, als bohrten sich Messer in ihre Füße. Wegen der schrecklichen Schmerzen bat sie ihn, sich ausruhen zu dürfen, doch der stumme Schatten hob sie hoch und trug sie davon. Geborgen im warmen Rund seiner Arme blickte sie zurück auf ihr Heim, das sich groß und dunkel vor dem hellen Nachthimmel abzeichnete, und sah ihre eigenen blutigen Fußabdrücke, die vom Baum wegführten, die Zeichen ihres Verrats. Da weinte sie, weil sie wusste, dass dies ihrem Vater das Herz brechen würde.
Bei Tagesanbruch heirateten die Liebenden in einem kleinen Tempel in einem fremden Dorf. In dem folgenden bitteren Familienstreit verbot der Bräutigam, mein Vater, der niemand anders als der grollende Sohn eines Dienstboten meines Großvaters war, meiner Mutter, ihre Angehörigen je wieder zu sehen. Erst als mein Vater weiße Asche im Wind war, kehrte sie zum Haus ihrer Familie zurück, doch da war ihre Mutter bereits eine vom Verlust meines Großvaters ergraute Witwe.
Nach seinem herzlosen Verbot brachte mein Vater meine Mutter in unser rückständiges kleines Dorf, weit weg von Colombo. Er verkaufte einen Teil ihres Schmucks, kaufte etwas Land und baute ihr ein winziges Haus. Doch die frische Luft und die Segnungen des Ehelebens sagten dem Frischvermählten nicht zu, und so war er bald verschwunden. Weggelockt von den Großstadtlichtern, angezogen vom Genuss billigen Alkohols, der von bunt angemalten Freudenmädchen ausgeschenkt wurde, und benebelt vom Geruch, der einem aufgefächerten Kartenspiel entströmt. Jedes Mal, wenn er zurückkam, brachte er seiner jungen Frau Einmachgläser voll in Alkohol eingelegter Lügen mit. Aus unerfindlichen Gründen glaubte er, dass sie Gefallen an ihnen finden würde. Meiner Mutter blieben nur die Erinnerungen und ich. Ihre Erinnerungen waren Kostbarkeiten, die sie jeden Abend hervorholte. Zuerst wusch sie den Staub der Jahre mit ihren Tränen ab und polierte sie dann mit dem Tuch der Reue. Wenn sie schließlich ihren wundervollen Glanz wiederhatten, zeigte sie mir ihre Schätze, damit ich sie bewundern konnte, bevor sie sie vorsichtig in die goldene Schatulle in ihrem Kopf zurücklegte.
Ihrem Mund entströmten Traumbilder einer Vergangenheit voller Reichtum und Ansehen mit Heerscharen ergebener Diener, von Schimmeln gezogenen, prächtigen Kutschen und Eisentruhen voller Gold und Geschmeide. Wie konnte ich mir, auf dem Betonboden unserer winzigen Hütte sitzend, ein Haus, das so hoch auf einem Hügel lag, dass ganz Colombo vom Balkon aus zu überblicken war, auch nur vorstellen, oder eine Küche, die so riesig war, dass unser gesamtes Häuschen hineinpasste?
Meine Mutter erzählte mir, dass ihrem Vater die Freudentränen das Gesicht herunterliefen, als er sie zum ersten Mal auf dem Arm hielt und ihre ungewöhnlich helle Haut und die dichten, schwarzen Haare sah. Er hielt das kleine Bündel ganz nah an sein Gesicht und war eine ganze Weile zu nichts anderem fähig, als den süßlichen Geruch des Neugeborenen einzuatmen. Dann stürmte er in den Stall, wobei sein veshti, das weiße Lendentuch, gegen seine starken, braunen Beine schlug, sprang auf seinen Lieblingshengst und galoppierte in einer Staubwolke davon. Er kehrte mit den zwei größten Smaragden zurück, die man im Dorf jemals erblickt hatte, und überreichte sie seiner Frau als kleine Gegenleistung für das unglaubliche Wunder. Sie ließ diamantenbesetzte Ohrringe aus ihnen fertigen, ohne die sie fortan nie mehr gesehen wurde.
Die berühmten Smaragde habe ich nie zu Gesicht bekommen, aber ich besitze noch das von einem Fotografen aufgenommene Schwarzweißbild einer traurig aussehenden Frau, die steif vor einem laienhaft gemalten Hintergrund, einer Kokospalme an einem Strand, steht. Ich betrachte sie oft, lange nach ihrem Tode, festgehalten auf einem Stück Papier.
Meine Mutter sagte, dass sie geweint habe, als ich auf die Welt kam und sie sah, dass ich nur ein Mädchen war, un- d mein angewiderter Vater verschwand, um weitere Lügen einzuwecken. Er kam erst zwei Jahre später wieder, wie immer sturz. betrunken.
Trotz allem habe ich immer noch sehr deutliche Erinnerungen an ein Dorfleben, das so glücklich und unbeschwert war, dass kein Tag meines Erwachsenendaseins vergeht, an dem ich nicht mit bittersüßem Verlangen daran zurückdenke. Ich weiß nicht, wie ich dir beschreiben soll, wie sehr ich diese sorgenfreien Tage vermisse, als ich, Mutters einziges Kind, ihr Sonne, Mond, Sternenhimmel und Herz zugleich war. Als ich so geliebt und verwöhnt wurde, dass sie mich zum Essen überreden musste. Als Mutter mit einem Teller in der Hand aus dem Haus kam und das Dorf nach mir absuchte, damit sie mich eigenhändig füttern konnte. Und das alles, damit etwas so Langweilig; es wie Essen meine Spiele nicht unterbrach.
Wie sollte ich mich nicht nach jenen Tagen sehnen, in denen die Sonne das ganze Jahr über meine Spielkameradin war und mich nussbraun brannte. In denen Mutter den süßen Regen im Fass hinterm Haus sammelte und die Luft so sauber war, dass das Gras grün roch. Eine unschuldige Zeit, in der die staubigen, ungepflasterten Straßen von schiefen Kokospalmen gesäumt und von einfachen Dörflern mit rot gefärbten Zähnen und unbekümmertem Lachen auf altersschwachen Fahrrädern bevölkert waren. In der das Grundstück hinter jedem Haus den Supermarkt ersetzte, eine geschlachtete Ziege für acht Haushalte reichte und man im Dorf noch nichts von der Erfindung des Kühlschranks ahnte. In der Mütter nur die Götter i t den weißen Wolken am Himmel zum Kinderhüten brauchten, um über die am Wasserfall spielenden Kinder zu wachen.
Ja, ich erinnere mich an Ceylon, als es das verzaubertste, schönste Land der Welt war.
Ich saugte an den Brüsten meiner Mutter, bis ich fast sieben war, rannte ungebändigt mit meinen Spielkameraden umher, bis Hunger oder Durst mich überfielen und ich zurück in die Kühle des Hauses lief, wo ich ungeduldig nach meiner Mutter rief. Was immer sie gerade tat, ich schob ihren Sari beiseite und rundete die Lippen um die weichen, karamellbraunen Hügel. Mit Kopf und Schultern kroch ich in die Sicherheit ihres groben Baumwollsaris, ihren unverkennbaren Geruch, die unschuldige Liebe der Milch, die in meinen Mund floss, den warmen Trost der sanften Sauggeräusche im Schutz ihres Körpers. Sosehr sich die späteren grausamen Jahre auch bemühten, sie haben es nicht geschafft, mir die Erinnerungen an diesen Geschmack, diesen Geruch zu rauben.
Viele Jahre lang mochte ich weder Reis noch Gemüse essen und ernährte mich lieber von süßer Muttermilch und gelben Mangos. Mein Onkel war eine Art Mangohändler, und die Früchte standen kistenweise in der Vorratskammer hinter unserem Haus herum. Ein magerer Mahut auf einem Elefanten lieferte sie ab, wo sie dann darauf warteten, von einem anderen Ma-hut abgeholt zu werden. Doch in der Zwischenzeit kletterte ich auf die Obstkisten und saß im Schneidersitz oben auf den Mangos, ohne jede Furcht vor den Spinnen und Skorpionen, die stets darin lauerten. Selbst als ich von einem Tausendfüßler gebissen wurde und vier Tage lang blau angelaufen war, konnte mich das nicht fern halten. Mich hat immer schon der blinde Drang angetrieben, barfuß steinige Wege zu gehen. «Komm zurück», schrie es mir von allen Seiten zu. Doch ich biss die Zähne zusammen und marschierte mit blutenden, aufgerissenen Füßen in die entgegengesetzte Richtung.
Wild und unerzogen riss ich die Schale mit den Zähnen von dem saftigen, safrangelben Fruchtfleisch der Mangos. Das ist eines der lebendigsten Bilder, die mir noch vor Augen stehen. Ich ganz allein im kühlen Halbdunkel unserer Vorratskammer, hoch oben auf den Kisten, wie mir der klebrige, süß-warme Saft die Arme und Beine herunterläuft, während ich mir den Bauch mit der Ware meines Onkels voll schlage.
Im Gegensatz zu den Jungen brauchten die Mädchen damals nicht zur Schule zu gehen, und abgesehen von den zwei Stunden am Abend, in denen meine Mutter mir Lesen, Schreiben und Rechnen beibrachte, durfte ich meist unbeaufsichtigt herumrennen. Das heißt, bis zum Alter von vierzehn Jahren, als der erste Tropfen Monatsblut mich urplötzlich und zutiefst verstörend zur erwachsenen Frau machte.
Die erste Woche über wurde ich in einem kleinen Zimmer mit zugenagelten Fenstern eingeschlossen. Das war damals so Sitte, da keine auf ihr Ansehen bedachte Familie das Risiko eingehen wollte, dass abenteuerlustige Jungen in die Kokospalmen stiegen, um einen Blick auf die neu entdeckten, verborgenen Reize der Töchter zu werfen. Während meiner Haftzeit war ich gezwungen, rohe Eier, Sesamöl und ein Sammelsurium bitterer Kräuter herunterzuschlucken. Tränen halfen nichts. Wenn Mutter mit ihrem höllischen Gebräu erschien, brachte sie einen Stock mit, den sie auch bereit war zu benutzen, wie ich schnell zu meiner großen. Verblüffung lernte. Zum Nachmittagstee wurde mir statt ihrer köstlichen süßen Küchlein eine halbe Kokosnussschale gereicht, die randvoll mit heißen, in Mengen des verhassten Sesamöls weich gekochten Auberginen war.
«Iss es heiß», riet Mutter mir, bevor sie die Tür hinter sich abschloss. In einem Anfall störrischen Widerwillens ließ ich es absichtlich kalt werden. Zwischen den Fingern ließ sich das kalte, schleimige Fleisch der Auberginen gut zerdrücken, doch im Mund war es widerlich, als müsse man tote Raupen schlucken. Bevor die Haft im kleinen Zimmer vorbei war, müssen an die sechsunddreißig rohe Eier, etliche Flaschen Sesamöl und ein ganzer Korb voller Auberginen meine Speiseröhre heruntergerutscht sein.
Danach wurde ich einfach im- Haus eingesperrt und musste weibliche Tätigkeiten erlernen. Für mich war es eine traurige Verwandlung. Man kann nicht in Worte fassen, wie tief mich der Verlust der sonnendurchglühten Erde unter den Füßen traf. Wie eine Gefangene saß ich da und starrte sehnsüchtig aus den kleinen Fenstern. Mein langes, verfilztes Haar wurde gekämmt, geflochten und in eine glatte Schlange auf meinem Rücken verwandelt, und meine Haut wurde plötzlich als zu sonnengebräunt verurteilt. Mein wahrer Wert, entschied meine Mutter, läge in meiner Haut. Anders als sie war ich keine indische Schönheit, doch in einem Land kaffeebrauner Menschen war ich eine Tasse Tee mit viel Milch. Eine geschätzte, wertvolle Hautfarbe. Eine Hautfarbe, die an einer Ehefrau sehr begehrt, bei einer Schwiegertochter begrüßt und bei Enkelkindern liebevoll gepriesen werden würde.
Plötzlich begannen unbekannte Damen mittleren Alters bei uns zu Hause aufzutauchen. Ich wurde aufs Feinste herausgeputzt und ihnen vorgeführt. Sie hatten alle den verschlagenen Blick von Diamantenkäuferinnen in einem Juwelierladen. Ihre bohrenden Knopfaugen suchten mich ohne das geringste Anzeichen von Scham nach Makeln ab.
Eines heißen Nachmittags, nachdem Mutter große Mengen rosa Stoffs um meinen steifen, unbeholfenen Körper drapiert, gezupft und gerollt, meine Haare mit rosa Rosen aus dem Garten geschmückt und mich mit kostbaren, in stumpfes Gelbgold gefassten Steinen behängt hatte, stand ich mürrisch am Fenster und grübelte darüber nach, wie schnell und vollständig sich mein Leben verändert hatte. In einem Tag. Nein, weniger. Und ohne jede Vorwarnung.
Draußen raschelte der Wind im Limonenbaum, und eine Brise wehte in mein Zimmer, spielte mit den Locken an meinen Schläfen und blies mir sanft ins Ohr. Ich kannte es gut, dieses Lüftchen. Es war so blau und vorwitzig wie Gott Krishna als kleines Kind. Wenn wir im Wald hinter Rameshs Haus vom höchsten Felsen in den Wasserfall sprangen, kam er immer als Erster in dem eiskalten Wasser an. Weil er mogelt. Seine Füße berühren das dunkelgrüne, samtige Moos auf den Felsen nicht. Er lachte mir ins Ohr. «Komm mit», klingelte seine Stimme fröhlich. Er kitzelte mich an der Nase und flog hinaus.
Ich lehnte mich aus dem Fenster und verdrehte den dünnen Hals, so gut ich konnte, doch für mich waren das glitzernde Wasser und der frische, blaue Wind auf immer verloren. Sie gehörten einem barfüßigen, lachenden Kind in einem schmutzigen Kleidchen.
Während ich dastand und meinem Kummer nachhing, sah ich, dass ein Pferdewagen vor unserem Haus zum Stehen kam. Räder knarrten im trockenen Staub. Eine beleibte Frau in einem dunkelblauen Sari und Sandälchen, die zu zierlich für ihre Figur waren, wuchtete sich heraus. Ihre dunklen Augen musterten unser kleines Haus und ärmliches Anwesen mit heimlicher Genugtuung. Befremdet starrte ich die Frau an, bis ihr verschlagenes Gesicht hinter den Bougainvilleabüschen, die den Weg zu unserer Haustür säumten, verschwand. Mutters sanfte Stimme, die sie hereinbat, schwebte in mein Zimmer. Ich hielt das Ohr an die Zimmertür gedrückt und lauschte der Stimme der Fremden. Ihr melodiöser Klang passte nicht zu den kleinen, gerissenen Augen und den schmalen, zusammengepressten Lippen.
In diesem Augenblick rief meine Mutter mich herein, damit ich den Tee servierte, den sie für unseren Gast zubereitet hatte. Sobald ich die Schwelle des vorderen Zimmers erreicht hatte, in dem Mutter Besuch empfing, spürte ich den schnellen, abschätzenden Blick der Fremden auf mir. Wieder schien es, als sei sie mit dem zufrieden, was sich ihrem suchenden Blick bot. Ihre Lippen verzogen sich zu einem warmen Lächeln. Wenn ich den selbstgefälligen, siegessicheren Blick nicht gesehen hätte, den sie auf unsere ärmliche Behausung geworfen hatte, hätte ich sie nun tatsächlich für die bewundernde Tante gehalten, als die Mutter sie lächelnd vorstellte. Keusch senkte ich den Blick, wie ich es in Gegenwart wohlmeinender Erwachsener und adleräugiger Diamantenkäuferinnen zu tun hatte.
«Komm, setz dich zu mir», rief Tante Pani leise und klopfte neben sich auf die Bank. Wie ich bemerkte, trug sie nicht den roten Kum-Kum-Punkt der verheirateten Frauen auf der Stirn, sondern einen schwarzen Punkt, was hieß, dass sie unverheiratet war. Vorsichtig ging ich auf sie zu, damit ich nicht wegen der sechs Meter Stoff, in die ich eingewickelt war, stolperte, meine Mutter demütigte und der eleganten Dame Grund zum Lachen gab.
«Was für ein hübsches Mädchen du bist!», rief sie mit ihrer klangvollen Stimme.
Stumm sah ich sie aus dem Augenwinkel an und verspürte eine unerklärlich starke Abneigung. Ihre Haut war faltenlos und sorgfältig gepudert, ihr Haar roch nach süßem Jasmin, und doch erschien sie mir in meinem behüteten Reich wie eine Ratten fressende Schlangenfrau. Etwas, das wie dickflüssiger Teer aus den Bäumen tropft und sich als lautloses Band in die Schlafzimmer schlängelt, schwarz und beutehungrig. Eine fette, mit Ringen behängte Hand verschwand in einer kleinen, perlenbestickten Handtasche und kam mit einer eingewickelten Süßigkeit wieder zum Vorschein. Solche Mitbringsel gab es nur selten im Dorf. Ich entschied, dass nicht alle Schlangenfrauen giftig waren. Sie streckte mir den Köder hin. Es war eine Prüfung. Ich enttäuschte meine aufmerksame Mutter nicht, indem ich es mir schnappte. Erst als Mutter lächelte und nickte, fasste ich nach der kostbaren Gabe. Unsere Hände berührten sich nur kurz. Ihre waren kalt und feucht. Unsere Blicke trafen sich. Sie sah schnell weg. Ich hatte die Schlange niedergestarrt. Ich wurde zurück in mein Zimmer geschickt. Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, wickelte ich die Süßigkeit aus und aß das Bestechungsgeschenk der Schlange. Es schmeckte köstlich.
Die Unbekannte blieb nicht lange, und Mutter kam bald zu mir ins Zimmer. Sie half mir bei der schwierigen Aufgabe, mich aus den langen Bahnen kostbaren Stoffs zu befreien, faltete den Sari und legte ihn sorgfältig weg.
«Lakshmi, ich habe einen Heiratsantrag für dich angenommen», sagte sie zu dem gefalteten Sari. «Einen sehr guten Antrag. Er entstammt einer besseren Kaste als wir. Und er wohnt in einem reichen Land, das Malaya heißt.»
Ich war sprachlos. Ich starrte sie ungläubig an. Ein Heiratsantrag, der mich von meiner Mutter wegreißen würde? Ich hatte schon von Malaya gehört. Es war Tausende von Meilen weit weg. Tränen schossen mir in die Augen. Ich war noch nie von meiner Mutter getrennt gewesen.
Nie.
Nie. Nie.
Ich rannte zu ihr, zog ihr Gesicht zu meinem herunter und drückte ihr die Lippen auf die Stirn.
«Warum kann ich nicht jemanden heiraten, der in Sangra wohnt?», fragte ich ungläubig.
Ihre schönen Augen waren feucht. Sie wirkte wie ein Pelikan, der die eigene Brust mit den Krallen aufreißt, um seine Jungen zu füttern. «Du bist ein Glückskind. Du wirst mit deinem Mann in ein Land reisen, in dem das Geld auf der Straße liegt. Tante Pani sagt, dass dein zukünftiger Ehemann sehr reich ist und du wie eine Königin leben wirst, genau wie deine Großmutter. Du wirst nicht so leben müssen wie ich. Er ist kein Trunkenbold und Spieler wie dein Vater.»
«Wie kannst du es nur ertragen, mich wegzuschicken?», flüsterte ich und fühlte mich betrogen.
In ihren Augen waren überwältigende Liebe und Schmerz zu sehen. Das Leben hatte mich noch nicht gelehrt, dass die Liebe eines Kindes nie so groß sein kann wie der Schmerz einer Mutter. Er ist schneidend und tief, doch jede Mutter kennt ihn.
«Ohne dich bin ich ganz allein», schluchzte ich.
«Nein, das bist du nicht, denn dein Ehemann ist Witwer und hat zwei Kinder, die neun und zehn Jahre alt sind. Da wirst du genug Beschäftigung und eine Menge Gesellschaft haben.»
Verunsichert runzelte ich die Stirn. Seine Kinder waren fast so alt wie ich. «Wie alt ist er?»
«Er ist siebenunddreißig», sagte meine Mutter energisch und drehte mich um, damit sie den letzten Haken an meiner Bluse öffnen konnte.
Ich entwand mich ihr und sah ihr ins Gesicht. «Aber, Ama, dann ist er noch älter als du!»
«Kann sein, aber er wird dir ein guter Ehemann sein. Tante Pani sagt, dass er nicht nur eine, sondern sogar mehrere goldene Uhren besitzt. Er hat ausreichend Zeit gehabt, ein riesiges Vermögen anzuhäufen, und ist so reich, dass er nicht einmal eine Mitgift verlangt. Er ist ihr Vetter, sie muss es also wissen. Ich habe einen schrecklichen Fehler begangen, und jetzt sorge ich dafür, dass es dir nicht ergehen wird wie mir. Aus dir soll mehr werden. Mehr als aus mir. Ich werde mich sofort daranmachen, eine Schmuckschatulle für dich herzurichten.»
Ich starrte meine Mutter stumm an. Sie hatte sich entschieden. Mein Schicksal war besiegelt.
Die fünfhundert brennenden Öllampen bei der Hochzeit meiner Großmutter vor fast fünfzig Jahren wurden fünf verschwenderische Tage voller Lustbarkeiten lang von der aufgehenden Sonne überrascht, doch meine Feier sollte nur einen Tag dauern. Die Hochzeitsvorbereitungen hielten alle einen ganzen Monat lang auf Trab, und trotz meiner anfänglichen Befürchtungen freundete ich mich allmählich mit der Vorstellung von einem geheimnisvollen Ehemann an, der mich wie eine Königin behandeln würde. Auch die Aussicht, Herrin über meine beiden neuen Stiefkinder zu spielen, gefiel mir. Vielleicht würde es ja wirklich ein wunderbares Abenteuer werden. In meiner blühenden Fantasie kam Mutter mich einmal im Monat besuchen, und ich fuhr vielleicht zweimal pro Jahr mit dem Schiff nach Hause. Ein gut aussehender Fremder lächelte mich zärtlich an und überschüttete mich mit Geschenken. Scheu senkte ich den Kopf, während tausend romantische, halb bekleidete Träume durch meinen albernen, schamgeröteten Backfischkopf rasten. Natürlich hatten sie nichts mit dem Geschlechtsakt zu tun. Niemand, den ich kannte, redete oder wusste auch nur von solchen Dingen. Der geheimnisvolle Vorgang, bei dem Kinder gemacht wurden, beunruhigte mich nicht. Mit ihren kleinen Lockenköpfen würden sie auftauchen, wenn die Zeit dafür reif war.
...
Übersetzung: Anke Caroline Burger
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Ich kam 1916 in Ceylon zur Welt, zu einer Zeit, als die Geister wie Menschen auf der Erde umhergingen. Bevor sie sich, verschreckt vom grellen elektrischen Licht und vom Tosen der Zivilisation, in die tiefsten Wälder zurückzogen. Sie wohnten in riesigen Bäumen, die von kühlem, blaugrünem Schatten erfüllt waren. In der von Sonnen- und Schattenflecken betupften Stille konnte man den Arm ausstrecken und ihre stumme Anwesenheit fast spüren, ihr Verlangen nach einer körperlichen Gestalt. Wenn wir uns bei der Durchquerung des Dschungels erleichtern mussten, sagten wir ein Gebet und baten die Geister um Nachsicht, dass unsere Ausscheidungen den Boden berührten, denn sie waren schnell beleidigt. Durchbrach jemand die Mauer ihrer Einsamkeit, so diente ihnen das als Vorwand, in den Störenfried einzudringen und dann in seinem Körper auf seinen Beinen umherzulaufen.
Mutter erzählte, dass ihre Schwester einmal von einem solchen Geist in die Irre geführt und besessen worden war. Man schickte nach einem heiligen Mann, der zwei Dörfer entfernt wohnte, um den Geist auszutreiben. Der Mann hatte viele merkwürdig verschlungene Perlenketten und getrocknete Wurzeln um den Hals als Beweis seiner Furcht erregenden Kräfte. Die einfachen Dorfbewohner umringten ihn neugierig. Um den bösen Geist auszutreiben, begann er, mit einem langen, dünnen Stock auf meine Tante einzuschlagen, wobei er immer wieder fragte: «Was willst du?»
Das friedliche Dorf hallte wider von ihrem angstvollen Geschrei, doch unbeeindruckt fuhr er fort, ihren armen Körper zu prügeln, bis ihr das Blut in Strömen herunterlief.
«Sie bringen sie um», heulte meine Großmutter, die von drei angewiderten, aber zugleich faszinierten Frauen festgehalten wurde. Ohne sie zu beachten, befühlte der Geisterbeschwörer die bleiche rosa Narbe, die sein Gesicht von oben nach unten durchzog, und lief weiter in engen Kreisen um das am Boden kauernde Mädchen herum. Immer wieder murmelte er düster die Frage: «Was willst du?», bis sie schließlich schrie, dass sie eine Frucht wolle.
«Frucht? Was für eine Frucht?», fragte er streng und blieb vor dem schluchzenden Mädchen stehen.
Plötzlich ging eine erschreckende Veränderung mit ihr vor. Verschlagen blickte das kleine Gesicht zu ihm auf, vielleicht war da sogar ein Anflug von Wahnsinn in dem Grinsen, das sich langsam und mit unbeschreiblicher Obszönität auf den kindlichen Lippen ausbreitete. Scheu zeigte sie auf ihre jüngere Schwester, meine Mutter.
«Das ist die Frucht, die ich will», sagte sie mit unverkennbar männlicher Stimme.
Die einfache Dorfbevölkerung keuchte vor Schreck. Wie nicht weiter ausgeführt werden muss, opferte der hoch gewachsene Mann meine Mutter nicht dem bösen Geist, da sie der erklärte Liebling ihres Vaters war. Der Geist musste sich mit fünf Zitronen zufrieden geben, die ihm aufgeschnitten ins Gesicht geschleudert wurden, mit klatschenden Güssen geweihten Wassers und einer erstickenden Myrrhewolke.
Als ich ganz klein war, saß ich oft still bei meiner Mutter auf dem Schoß und lauschte ihrer Stimme, wenn sie sich an bessere Zeiten erinnerte. Meine Mutter stammte aus einer Familie mit so viel Geld und Einfluss, dass ihre englische Großmutter, Mrs Armstrong, ausgewählt worden war, um Königin Victoria persönlich die behandschuhte Hand zu drücken und ein Blumensträußchen zu überreichen. Meine Mutter war halb taub zur Welt gekommen, aber ihr Vater hatte ihr die Lippen an die Stirn gedrückt und unermüdlich mit ihr geredet, bis sie sprechen lernte. Mit sechzehn war sie schön wie ein Wolkenmädchen. Von nah und fern trafen in dem stattlichen Haus in Colombo Heiratsanträge ein, doch sie verliebte sich in den Geruch der Gefahr. Der Blick ihrer mandelförmigen Augen blieb an einem charmanten Schurken hängen.
Eines Nachts kletterte sie aus dem Fenster und an dem Niembaum hinunter, an dem ihr Vater eine dornige Bougainvillea hatte emporranken lassen, damit kein Mann auf die Idee kam, auf den Baum zu klettern und so an das Fenster seiner Tochter zu gelangen. Als hätten seine lauteren Absichten die Pflanze gedüngt, wuchs und wuchs sie, bis der gesamte von Blüten leuchtende Baum ein Wahrzeichen wurde, das schon aus einer Entfernung von vielen Meilen zu sehen war. Doch Großvater hatte nicht mit der Entschlossenheit seines Kindes gerechnet.
In jener mondbeschienenen Nacht zerfetzten die Dornen wie mit ausgestreckten Krallen ihre dicken Kleider, rissen sie an den Haaren und bohrten sich tief in ihr Fleisch. Doch sie konnten sie nicht zurückhalten. Unten wartete der Mann, den sie liebte. Als sie schließlich vor ihm stand, brannte jedes Fleckchen ihrer Haut, als stünde es in Flammen. Schweigend führte der Schatten sie fort, doch bei jedem Schritt war es, als bohrten sich Messer in ihre Füße. Wegen der schrecklichen Schmerzen bat sie ihn, sich ausruhen zu dürfen, doch der stumme Schatten hob sie hoch und trug sie davon. Geborgen im warmen Rund seiner Arme blickte sie zurück auf ihr Heim, das sich groß und dunkel vor dem hellen Nachthimmel abzeichnete, und sah ihre eigenen blutigen Fußabdrücke, die vom Baum wegführten, die Zeichen ihres Verrats. Da weinte sie, weil sie wusste, dass dies ihrem Vater das Herz brechen würde.
Bei Tagesanbruch heirateten die Liebenden in einem kleinen Tempel in einem fremden Dorf. In dem folgenden bitteren Familienstreit verbot der Bräutigam, mein Vater, der niemand anders als der grollende Sohn eines Dienstboten meines Großvaters war, meiner Mutter, ihre Angehörigen je wieder zu sehen. Erst als mein Vater weiße Asche im Wind war, kehrte sie zum Haus ihrer Familie zurück, doch da war ihre Mutter bereits eine vom Verlust meines Großvaters ergraute Witwe.
Nach seinem herzlosen Verbot brachte mein Vater meine Mutter in unser rückständiges kleines Dorf, weit weg von Colombo. Er verkaufte einen Teil ihres Schmucks, kaufte etwas Land und baute ihr ein winziges Haus. Doch die frische Luft und die Segnungen des Ehelebens sagten dem Frischvermählten nicht zu, und so war er bald verschwunden. Weggelockt von den Großstadtlichtern, angezogen vom Genuss billigen Alkohols, der von bunt angemalten Freudenmädchen ausgeschenkt wurde, und benebelt vom Geruch, der einem aufgefächerten Kartenspiel entströmt. Jedes Mal, wenn er zurückkam, brachte er seiner jungen Frau Einmachgläser voll in Alkohol eingelegter Lügen mit. Aus unerfindlichen Gründen glaubte er, dass sie Gefallen an ihnen finden würde. Meiner Mutter blieben nur die Erinnerungen und ich. Ihre Erinnerungen waren Kostbarkeiten, die sie jeden Abend hervorholte. Zuerst wusch sie den Staub der Jahre mit ihren Tränen ab und polierte sie dann mit dem Tuch der Reue. Wenn sie schließlich ihren wundervollen Glanz wiederhatten, zeigte sie mir ihre Schätze, damit ich sie bewundern konnte, bevor sie sie vorsichtig in die goldene Schatulle in ihrem Kopf zurücklegte.
Ihrem Mund entströmten Traumbilder einer Vergangenheit voller Reichtum und Ansehen mit Heerscharen ergebener Diener, von Schimmeln gezogenen, prächtigen Kutschen und Eisentruhen voller Gold und Geschmeide. Wie konnte ich mir, auf dem Betonboden unserer winzigen Hütte sitzend, ein Haus, das so hoch auf einem Hügel lag, dass ganz Colombo vom Balkon aus zu überblicken war, auch nur vorstellen, oder eine Küche, die so riesig war, dass unser gesamtes Häuschen hineinpasste?
Meine Mutter erzählte mir, dass ihrem Vater die Freudentränen das Gesicht herunterliefen, als er sie zum ersten Mal auf dem Arm hielt und ihre ungewöhnlich helle Haut und die dichten, schwarzen Haare sah. Er hielt das kleine Bündel ganz nah an sein Gesicht und war eine ganze Weile zu nichts anderem fähig, als den süßlichen Geruch des Neugeborenen einzuatmen. Dann stürmte er in den Stall, wobei sein veshti, das weiße Lendentuch, gegen seine starken, braunen Beine schlug, sprang auf seinen Lieblingshengst und galoppierte in einer Staubwolke davon. Er kehrte mit den zwei größten Smaragden zurück, die man im Dorf jemals erblickt hatte, und überreichte sie seiner Frau als kleine Gegenleistung für das unglaubliche Wunder. Sie ließ diamantenbesetzte Ohrringe aus ihnen fertigen, ohne die sie fortan nie mehr gesehen wurde.
Die berühmten Smaragde habe ich nie zu Gesicht bekommen, aber ich besitze noch das von einem Fotografen aufgenommene Schwarzweißbild einer traurig aussehenden Frau, die steif vor einem laienhaft gemalten Hintergrund, einer Kokospalme an einem Strand, steht. Ich betrachte sie oft, lange nach ihrem Tode, festgehalten auf einem Stück Papier.
Meine Mutter sagte, dass sie geweint habe, als ich auf die Welt kam und sie sah, dass ich nur ein Mädchen war, un- d mein angewiderter Vater verschwand, um weitere Lügen einzuwecken. Er kam erst zwei Jahre später wieder, wie immer sturz. betrunken.
Trotz allem habe ich immer noch sehr deutliche Erinnerungen an ein Dorfleben, das so glücklich und unbeschwert war, dass kein Tag meines Erwachsenendaseins vergeht, an dem ich nicht mit bittersüßem Verlangen daran zurückdenke. Ich weiß nicht, wie ich dir beschreiben soll, wie sehr ich diese sorgenfreien Tage vermisse, als ich, Mutters einziges Kind, ihr Sonne, Mond, Sternenhimmel und Herz zugleich war. Als ich so geliebt und verwöhnt wurde, dass sie mich zum Essen überreden musste. Als Mutter mit einem Teller in der Hand aus dem Haus kam und das Dorf nach mir absuchte, damit sie mich eigenhändig füttern konnte. Und das alles, damit etwas so Langweilig; es wie Essen meine Spiele nicht unterbrach.
Wie sollte ich mich nicht nach jenen Tagen sehnen, in denen die Sonne das ganze Jahr über meine Spielkameradin war und mich nussbraun brannte. In denen Mutter den süßen Regen im Fass hinterm Haus sammelte und die Luft so sauber war, dass das Gras grün roch. Eine unschuldige Zeit, in der die staubigen, ungepflasterten Straßen von schiefen Kokospalmen gesäumt und von einfachen Dörflern mit rot gefärbten Zähnen und unbekümmertem Lachen auf altersschwachen Fahrrädern bevölkert waren. In der das Grundstück hinter jedem Haus den Supermarkt ersetzte, eine geschlachtete Ziege für acht Haushalte reichte und man im Dorf noch nichts von der Erfindung des Kühlschranks ahnte. In der Mütter nur die Götter i t den weißen Wolken am Himmel zum Kinderhüten brauchten, um über die am Wasserfall spielenden Kinder zu wachen.
Ja, ich erinnere mich an Ceylon, als es das verzaubertste, schönste Land der Welt war.
Ich saugte an den Brüsten meiner Mutter, bis ich fast sieben war, rannte ungebändigt mit meinen Spielkameraden umher, bis Hunger oder Durst mich überfielen und ich zurück in die Kühle des Hauses lief, wo ich ungeduldig nach meiner Mutter rief. Was immer sie gerade tat, ich schob ihren Sari beiseite und rundete die Lippen um die weichen, karamellbraunen Hügel. Mit Kopf und Schultern kroch ich in die Sicherheit ihres groben Baumwollsaris, ihren unverkennbaren Geruch, die unschuldige Liebe der Milch, die in meinen Mund floss, den warmen Trost der sanften Sauggeräusche im Schutz ihres Körpers. Sosehr sich die späteren grausamen Jahre auch bemühten, sie haben es nicht geschafft, mir die Erinnerungen an diesen Geschmack, diesen Geruch zu rauben.
Viele Jahre lang mochte ich weder Reis noch Gemüse essen und ernährte mich lieber von süßer Muttermilch und gelben Mangos. Mein Onkel war eine Art Mangohändler, und die Früchte standen kistenweise in der Vorratskammer hinter unserem Haus herum. Ein magerer Mahut auf einem Elefanten lieferte sie ab, wo sie dann darauf warteten, von einem anderen Ma-hut abgeholt zu werden. Doch in der Zwischenzeit kletterte ich auf die Obstkisten und saß im Schneidersitz oben auf den Mangos, ohne jede Furcht vor den Spinnen und Skorpionen, die stets darin lauerten. Selbst als ich von einem Tausendfüßler gebissen wurde und vier Tage lang blau angelaufen war, konnte mich das nicht fern halten. Mich hat immer schon der blinde Drang angetrieben, barfuß steinige Wege zu gehen. «Komm zurück», schrie es mir von allen Seiten zu. Doch ich biss die Zähne zusammen und marschierte mit blutenden, aufgerissenen Füßen in die entgegengesetzte Richtung.
Wild und unerzogen riss ich die Schale mit den Zähnen von dem saftigen, safrangelben Fruchtfleisch der Mangos. Das ist eines der lebendigsten Bilder, die mir noch vor Augen stehen. Ich ganz allein im kühlen Halbdunkel unserer Vorratskammer, hoch oben auf den Kisten, wie mir der klebrige, süß-warme Saft die Arme und Beine herunterläuft, während ich mir den Bauch mit der Ware meines Onkels voll schlage.
Im Gegensatz zu den Jungen brauchten die Mädchen damals nicht zur Schule zu gehen, und abgesehen von den zwei Stunden am Abend, in denen meine Mutter mir Lesen, Schreiben und Rechnen beibrachte, durfte ich meist unbeaufsichtigt herumrennen. Das heißt, bis zum Alter von vierzehn Jahren, als der erste Tropfen Monatsblut mich urplötzlich und zutiefst verstörend zur erwachsenen Frau machte.
Die erste Woche über wurde ich in einem kleinen Zimmer mit zugenagelten Fenstern eingeschlossen. Das war damals so Sitte, da keine auf ihr Ansehen bedachte Familie das Risiko eingehen wollte, dass abenteuerlustige Jungen in die Kokospalmen stiegen, um einen Blick auf die neu entdeckten, verborgenen Reize der Töchter zu werfen. Während meiner Haftzeit war ich gezwungen, rohe Eier, Sesamöl und ein Sammelsurium bitterer Kräuter herunterzuschlucken. Tränen halfen nichts. Wenn Mutter mit ihrem höllischen Gebräu erschien, brachte sie einen Stock mit, den sie auch bereit war zu benutzen, wie ich schnell zu meiner großen. Verblüffung lernte. Zum Nachmittagstee wurde mir statt ihrer köstlichen süßen Küchlein eine halbe Kokosnussschale gereicht, die randvoll mit heißen, in Mengen des verhassten Sesamöls weich gekochten Auberginen war.
«Iss es heiß», riet Mutter mir, bevor sie die Tür hinter sich abschloss. In einem Anfall störrischen Widerwillens ließ ich es absichtlich kalt werden. Zwischen den Fingern ließ sich das kalte, schleimige Fleisch der Auberginen gut zerdrücken, doch im Mund war es widerlich, als müsse man tote Raupen schlucken. Bevor die Haft im kleinen Zimmer vorbei war, müssen an die sechsunddreißig rohe Eier, etliche Flaschen Sesamöl und ein ganzer Korb voller Auberginen meine Speiseröhre heruntergerutscht sein.
Danach wurde ich einfach im- Haus eingesperrt und musste weibliche Tätigkeiten erlernen. Für mich war es eine traurige Verwandlung. Man kann nicht in Worte fassen, wie tief mich der Verlust der sonnendurchglühten Erde unter den Füßen traf. Wie eine Gefangene saß ich da und starrte sehnsüchtig aus den kleinen Fenstern. Mein langes, verfilztes Haar wurde gekämmt, geflochten und in eine glatte Schlange auf meinem Rücken verwandelt, und meine Haut wurde plötzlich als zu sonnengebräunt verurteilt. Mein wahrer Wert, entschied meine Mutter, läge in meiner Haut. Anders als sie war ich keine indische Schönheit, doch in einem Land kaffeebrauner Menschen war ich eine Tasse Tee mit viel Milch. Eine geschätzte, wertvolle Hautfarbe. Eine Hautfarbe, die an einer Ehefrau sehr begehrt, bei einer Schwiegertochter begrüßt und bei Enkelkindern liebevoll gepriesen werden würde.
Plötzlich begannen unbekannte Damen mittleren Alters bei uns zu Hause aufzutauchen. Ich wurde aufs Feinste herausgeputzt und ihnen vorgeführt. Sie hatten alle den verschlagenen Blick von Diamantenkäuferinnen in einem Juwelierladen. Ihre bohrenden Knopfaugen suchten mich ohne das geringste Anzeichen von Scham nach Makeln ab.
Eines heißen Nachmittags, nachdem Mutter große Mengen rosa Stoffs um meinen steifen, unbeholfenen Körper drapiert, gezupft und gerollt, meine Haare mit rosa Rosen aus dem Garten geschmückt und mich mit kostbaren, in stumpfes Gelbgold gefassten Steinen behängt hatte, stand ich mürrisch am Fenster und grübelte darüber nach, wie schnell und vollständig sich mein Leben verändert hatte. In einem Tag. Nein, weniger. Und ohne jede Vorwarnung.
Draußen raschelte der Wind im Limonenbaum, und eine Brise wehte in mein Zimmer, spielte mit den Locken an meinen Schläfen und blies mir sanft ins Ohr. Ich kannte es gut, dieses Lüftchen. Es war so blau und vorwitzig wie Gott Krishna als kleines Kind. Wenn wir im Wald hinter Rameshs Haus vom höchsten Felsen in den Wasserfall sprangen, kam er immer als Erster in dem eiskalten Wasser an. Weil er mogelt. Seine Füße berühren das dunkelgrüne, samtige Moos auf den Felsen nicht. Er lachte mir ins Ohr. «Komm mit», klingelte seine Stimme fröhlich. Er kitzelte mich an der Nase und flog hinaus.
Ich lehnte mich aus dem Fenster und verdrehte den dünnen Hals, so gut ich konnte, doch für mich waren das glitzernde Wasser und der frische, blaue Wind auf immer verloren. Sie gehörten einem barfüßigen, lachenden Kind in einem schmutzigen Kleidchen.
Während ich dastand und meinem Kummer nachhing, sah ich, dass ein Pferdewagen vor unserem Haus zum Stehen kam. Räder knarrten im trockenen Staub. Eine beleibte Frau in einem dunkelblauen Sari und Sandälchen, die zu zierlich für ihre Figur waren, wuchtete sich heraus. Ihre dunklen Augen musterten unser kleines Haus und ärmliches Anwesen mit heimlicher Genugtuung. Befremdet starrte ich die Frau an, bis ihr verschlagenes Gesicht hinter den Bougainvilleabüschen, die den Weg zu unserer Haustür säumten, verschwand. Mutters sanfte Stimme, die sie hereinbat, schwebte in mein Zimmer. Ich hielt das Ohr an die Zimmertür gedrückt und lauschte der Stimme der Fremden. Ihr melodiöser Klang passte nicht zu den kleinen, gerissenen Augen und den schmalen, zusammengepressten Lippen.
In diesem Augenblick rief meine Mutter mich herein, damit ich den Tee servierte, den sie für unseren Gast zubereitet hatte. Sobald ich die Schwelle des vorderen Zimmers erreicht hatte, in dem Mutter Besuch empfing, spürte ich den schnellen, abschätzenden Blick der Fremden auf mir. Wieder schien es, als sei sie mit dem zufrieden, was sich ihrem suchenden Blick bot. Ihre Lippen verzogen sich zu einem warmen Lächeln. Wenn ich den selbstgefälligen, siegessicheren Blick nicht gesehen hätte, den sie auf unsere ärmliche Behausung geworfen hatte, hätte ich sie nun tatsächlich für die bewundernde Tante gehalten, als die Mutter sie lächelnd vorstellte. Keusch senkte ich den Blick, wie ich es in Gegenwart wohlmeinender Erwachsener und adleräugiger Diamantenkäuferinnen zu tun hatte.
«Komm, setz dich zu mir», rief Tante Pani leise und klopfte neben sich auf die Bank. Wie ich bemerkte, trug sie nicht den roten Kum-Kum-Punkt der verheirateten Frauen auf der Stirn, sondern einen schwarzen Punkt, was hieß, dass sie unverheiratet war. Vorsichtig ging ich auf sie zu, damit ich nicht wegen der sechs Meter Stoff, in die ich eingewickelt war, stolperte, meine Mutter demütigte und der eleganten Dame Grund zum Lachen gab.
«Was für ein hübsches Mädchen du bist!», rief sie mit ihrer klangvollen Stimme.
Stumm sah ich sie aus dem Augenwinkel an und verspürte eine unerklärlich starke Abneigung. Ihre Haut war faltenlos und sorgfältig gepudert, ihr Haar roch nach süßem Jasmin, und doch erschien sie mir in meinem behüteten Reich wie eine Ratten fressende Schlangenfrau. Etwas, das wie dickflüssiger Teer aus den Bäumen tropft und sich als lautloses Band in die Schlafzimmer schlängelt, schwarz und beutehungrig. Eine fette, mit Ringen behängte Hand verschwand in einer kleinen, perlenbestickten Handtasche und kam mit einer eingewickelten Süßigkeit wieder zum Vorschein. Solche Mitbringsel gab es nur selten im Dorf. Ich entschied, dass nicht alle Schlangenfrauen giftig waren. Sie streckte mir den Köder hin. Es war eine Prüfung. Ich enttäuschte meine aufmerksame Mutter nicht, indem ich es mir schnappte. Erst als Mutter lächelte und nickte, fasste ich nach der kostbaren Gabe. Unsere Hände berührten sich nur kurz. Ihre waren kalt und feucht. Unsere Blicke trafen sich. Sie sah schnell weg. Ich hatte die Schlange niedergestarrt. Ich wurde zurück in mein Zimmer geschickt. Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, wickelte ich die Süßigkeit aus und aß das Bestechungsgeschenk der Schlange. Es schmeckte köstlich.
Die Unbekannte blieb nicht lange, und Mutter kam bald zu mir ins Zimmer. Sie half mir bei der schwierigen Aufgabe, mich aus den langen Bahnen kostbaren Stoffs zu befreien, faltete den Sari und legte ihn sorgfältig weg.
«Lakshmi, ich habe einen Heiratsantrag für dich angenommen», sagte sie zu dem gefalteten Sari. «Einen sehr guten Antrag. Er entstammt einer besseren Kaste als wir. Und er wohnt in einem reichen Land, das Malaya heißt.»
Ich war sprachlos. Ich starrte sie ungläubig an. Ein Heiratsantrag, der mich von meiner Mutter wegreißen würde? Ich hatte schon von Malaya gehört. Es war Tausende von Meilen weit weg. Tränen schossen mir in die Augen. Ich war noch nie von meiner Mutter getrennt gewesen.
Nie.
Nie. Nie.
Ich rannte zu ihr, zog ihr Gesicht zu meinem herunter und drückte ihr die Lippen auf die Stirn.
«Warum kann ich nicht jemanden heiraten, der in Sangra wohnt?», fragte ich ungläubig.
Ihre schönen Augen waren feucht. Sie wirkte wie ein Pelikan, der die eigene Brust mit den Krallen aufreißt, um seine Jungen zu füttern. «Du bist ein Glückskind. Du wirst mit deinem Mann in ein Land reisen, in dem das Geld auf der Straße liegt. Tante Pani sagt, dass dein zukünftiger Ehemann sehr reich ist und du wie eine Königin leben wirst, genau wie deine Großmutter. Du wirst nicht so leben müssen wie ich. Er ist kein Trunkenbold und Spieler wie dein Vater.»
«Wie kannst du es nur ertragen, mich wegzuschicken?», flüsterte ich und fühlte mich betrogen.
In ihren Augen waren überwältigende Liebe und Schmerz zu sehen. Das Leben hatte mich noch nicht gelehrt, dass die Liebe eines Kindes nie so groß sein kann wie der Schmerz einer Mutter. Er ist schneidend und tief, doch jede Mutter kennt ihn.
«Ohne dich bin ich ganz allein», schluchzte ich.
«Nein, das bist du nicht, denn dein Ehemann ist Witwer und hat zwei Kinder, die neun und zehn Jahre alt sind. Da wirst du genug Beschäftigung und eine Menge Gesellschaft haben.»
Verunsichert runzelte ich die Stirn. Seine Kinder waren fast so alt wie ich. «Wie alt ist er?»
«Er ist siebenunddreißig», sagte meine Mutter energisch und drehte mich um, damit sie den letzten Haken an meiner Bluse öffnen konnte.
Ich entwand mich ihr und sah ihr ins Gesicht. «Aber, Ama, dann ist er noch älter als du!»
«Kann sein, aber er wird dir ein guter Ehemann sein. Tante Pani sagt, dass er nicht nur eine, sondern sogar mehrere goldene Uhren besitzt. Er hat ausreichend Zeit gehabt, ein riesiges Vermögen anzuhäufen, und ist so reich, dass er nicht einmal eine Mitgift verlangt. Er ist ihr Vetter, sie muss es also wissen. Ich habe einen schrecklichen Fehler begangen, und jetzt sorge ich dafür, dass es dir nicht ergehen wird wie mir. Aus dir soll mehr werden. Mehr als aus mir. Ich werde mich sofort daranmachen, eine Schmuckschatulle für dich herzurichten.»
Ich starrte meine Mutter stumm an. Sie hatte sich entschieden. Mein Schicksal war besiegelt.
Die fünfhundert brennenden Öllampen bei der Hochzeit meiner Großmutter vor fast fünfzig Jahren wurden fünf verschwenderische Tage voller Lustbarkeiten lang von der aufgehenden Sonne überrascht, doch meine Feier sollte nur einen Tag dauern. Die Hochzeitsvorbereitungen hielten alle einen ganzen Monat lang auf Trab, und trotz meiner anfänglichen Befürchtungen freundete ich mich allmählich mit der Vorstellung von einem geheimnisvollen Ehemann an, der mich wie eine Königin behandeln würde. Auch die Aussicht, Herrin über meine beiden neuen Stiefkinder zu spielen, gefiel mir. Vielleicht würde es ja wirklich ein wunderbares Abenteuer werden. In meiner blühenden Fantasie kam Mutter mich einmal im Monat besuchen, und ich fuhr vielleicht zweimal pro Jahr mit dem Schiff nach Hause. Ein gut aussehender Fremder lächelte mich zärtlich an und überschüttete mich mit Geschenken. Scheu senkte ich den Kopf, während tausend romantische, halb bekleidete Träume durch meinen albernen, schamgeröteten Backfischkopf rasten. Natürlich hatten sie nichts mit dem Geschlechtsakt zu tun. Niemand, den ich kannte, redete oder wusste auch nur von solchen Dingen. Der geheimnisvolle Vorgang, bei dem Kinder gemacht wurden, beunruhigte mich nicht. Mit ihren kleinen Lockenköpfen würden sie auftauchen, wenn die Zeit dafür reif war.
...
Übersetzung: Anke Caroline Burger
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
... weniger
Bibliographische Angaben
- 512 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- ISBN-10:
- ISBN-13: 4026411116129
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