Shadow Falls Camp Band 1: Geboren um Mitternacht
Roman
C.C. Hunter lebt in Springs, Texas in den USA, wo sie zurzeit den zweiten Band der Shadow Falls Camp-Serie, 'Erwacht zur Dämmerung', schreibt.
In Kylies Leben läuft gerade alles schief. Und dann schickt ihre Mutter sie auch...
In Kylies Leben läuft gerade alles schief. Und dann schickt ihre Mutter sie auch...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Shadow Falls Camp Band 1: Geboren um Mitternacht “
C.C. Hunter lebt in Springs, Texas in den USA, wo sie zurzeit den zweiten Band der Shadow Falls Camp-Serie, 'Erwacht zur Dämmerung', schreibt.
In Kylies Leben läuft gerade alles schief. Und dann schickt ihre Mutter sie auch noch in ein Sommercamp. Doch Shadow Falls ist kein normales Camp. Denn hier gibt es Vampire, Werwölfe, Hexen und Feen. Kylie ist geschockt: Hat sie wirklich übernatürliche Kräfte?
In Kylies Leben läuft gerade alles schief. Und dann schickt ihre Mutter sie auch noch in ein Sommercamp. Doch Shadow Falls ist kein normales Camp. Denn hier gibt es Vampire, Werwölfe, Hexen und Feen. Kylie ist geschockt: Hat sie wirklich übernatürliche Kräfte?
Klappentext zu „Shadow Falls Camp Band 1: Geboren um Mitternacht “
Für alle Fans von 'House of Night': Im Shadow Falls Sommercamp lernen Werwölfe, Vampire, Hexen, Feen und Gestaltwandler mit ihren übernatürlichen Kräften umzugehen.In Kylies Leben geht alles schief: Ihre Eltern lassen sich scheiden, ihr Freund hat Schluss gemacht, und ihre Mutter schickt sie auch noch in ein Sommercamp. Doch Shadow Falls ist anders: Hierher kommt nur, wer übernatürliche Kräfte hat - Feen, Hexen, Vampire, Gestaltwandler und Werwölfe. Auch Kylie soll besondere Fähigkeiten haben - wenn sie nur wüsste, welche ...
Doch plötzlich wird das Camp bedroht. Nur, wenn sie alle ihre besonderen Kräfte gemeinsam einsetzen, werden sie die übermächtigen Feinde besiegen können.
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Shadow Falls Camp Band 1: Geboren um Mitternacht “
Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht von C. C. Hunter3. Kapitel
... mehr
Drei Tage später stand Kylie mit dem Koffer in der Hand auf dem Parkplatz des YMCA-Jugendclubs. Dort parkten gleich mehrere Busse des Camps, die die jugendlichen Übeltäter abholten. Sie konnte es verdammt nochmal nicht fassen, dass sie wirklich hier war.
Ihre Mom zog das wirklich durch.
Und ihr Dad ließ wirklich zu, dass sie es tat.
Kylie, die noch nie mehr als zwei Schluck Bier getrunken, noch nie geraucht hatte - weder Zigaretten noch Joints -, und keine Drogen genommen hatte, sollte in irgend so ein Camp für schwererziehbare Jugendliche geschickt werden.
Ihre Mutter kam auf sie zu und berührte sie am Arm. »Ich glaube, du wirst aufgerufen.«
Ihre Mutter konnte sie offenbar gar nicht schnell genug loswerden. Kylie zog ihren Arm zurück. Sie war so wütend und verletzt, dass sie gar nicht mehr wusste, wie sie sich verhalten sollte. Sie hatte gebettelt, gefleht und geweint - nichts hatte geholfen. Sie würde fahren müssen. Sie hasste es, aber sie konnte nichts dagegen tun.
Ohne ein Wort zu sagen und fest entschlossen, nicht vor den Dutzenden anderer Jugendlichen zu weinen, richtete sich Kylie auf und ging auf den Bus zu, vor dem eine Frau stand und ein Schild mit der Aufschrift Shadow Falls Camp in die Höhe hielt.
O Mann. Wo würde sie nur landen?
Als Kylie den Bus betrat, hoben die acht oder neun anderen, die schon auf ihren Plätzen saßen, die Köpfe und starrten sie an. Sie verspürte ein ungutes Gefühl, und es fröstelte sie. Noch nie hatte sie so einen starken Drang verspürt, einfach nur wegzulaufen. Sie zwang sich, nicht die Flucht zu ergreifen, dann begegnete sie den Blicken dieser ... O Gott, ihr fiel kein anderes Wort ein als ... Freaks?
Ein Mädchen hatte die Haare in drei verschiedenen Farben gefärbt - Pink, Grasgrün und Pechschwarz. Ein anderes Mädchen trug nur Schwarz -- schwarzen Lippenstift, schwarzen Lidschatten, schwarze Hosen und ein schwarzes langärmeliges Oberteil. War der Gothic-Look nicht längst out? Wo hatte die denn ihre Mode-Tipps her? Hatte sie nicht gelesen, dass Farben wieder in waren? Dass Blau das neue Schwarz war? Und dann dieser Junge weiter vorne im Bus. Er hatte beide Augenbrauen gepierct. Kylie beugte sich vor, um aus dem Fenster nach ihrer Mutter zu suchen. Wenn ihre Mutter diese Typen sah, würde sie bestimmt einsehen, dass Kylie hier nicht hingehörte. »Setz dich«, sagte eine Stimme hinter ihr.
Kylie drehte sich herum, und vor ihr stand die Busfahrerin. Vorher war es ihr gar nicht so aufgefallen, aber jetzt bemerkte sie, dass selbst die Busfahrerin etwas Seltsames an sich hatte. Das lila-graue Haar war auf ihrem Kopf hoch aufgesteckt wie ein Football-Helm. Kylie konnte ihr nicht mal verdenken, dass sie sich die Haare hochtoupierte, denn die Frau war klein. Elfenhaft klein. Kylie schielte zu den Füßen hinunter, wo sie schon fast damit rechnete, ein Paar spitze grüne Stiefel vorzufinden. Aber nein: keine grünen Schuhe.
Dann schoss ihr Blick nach vorn. Wie wollte diese Frau eigentlich den Bus fahren?
»Auf geht's«, sagte die Frau bestimmt. »Ich muss euch Kids zum Mittagessen abliefern, also los.«
Da alle außer Kylie bereits Platz genommen hatten, ging sie davon aus, dass sie gemeint war. Sie ging weiter in den Bus hinein und hatte dabei das dumpfe Gefühl, dass ab jetzt ihr Leben nie wieder so sein würde wie zuvor.
»Du kannst neben mir sitzen«, sagte ein Junge. Er hatte lockige, blonde Haare, sogar noch blonder als Kylies, aber seine Augen, die sie fixierten, waren so dunkel, dass sie schwarz wirkten. Er klopfte auf den Sitz neben sich. Kylie bemühte sich, den Jungen nicht anzustarren, aber irgendetwas an dieser Kombination aus Dunkel und Hell fühlte sich falsch an. Dann zog er eine Augenbraue hoch, als ob ... als ob sich neben ihn zu setzen bedeuten würde, dass etwas zwischen ihnen laufen könnte oder so.
»Schon okay.« Kylie ging ein paar Schritte weiter und schleifte ihren Koffer hinter sich her. Er blieb an der Sitzreihe des blonden Jungen hängen, und Kylie drehte sich zurück, um ihn loszumachen.
Ihre Blicke trafen sich, und Kylie stockte der Atem. Der blonde Junge hatte jetzt ... grüne Augen. Helle, sehr hellgrüne Augen. Wie war das möglich?
Sie schluckte und schaute auf seine Hände. Vielleicht hatte er dort ein Kontaktlinsendöschen und gerade die Linsen gewechselt. Kein Döschen.
Er hob wieder seine Augenbrauen, und als sie bemerkte, dass sie ihn anstarrte, riss sie schnell ihren Koffer los.
Sie nahm sich zusammen und ging weiter zu der Sitzreihe, die sie für sich ausgeguckt hatte. Bevor sie sich hinsetzte, fiel ihr Blick auf einen anderen Jungen hinten im Bus. Er saß allein und hatte hellbraunes, gescheiteltes Haar, das ihm über die dunklen Brauen fiel und fast in den grünen Augen hing. Normale grüne Augen, aber durch das blassblaue T-Shirt, das er trug, fielen sie mehr auf.
Er nickte ihr zu. Nichts Seltsames, Gott sei Dank. Wenigstens war noch ein normaler Mensch außer ihr im Bus.
Sie setzte sich und schaute ein weiteres Mal zu dem blonden Typ. Aber er sah nicht mehr in ihre Richtung, so dass sie nicht erkennen konnte, ob sich seine Augenfarbe schon wieder verändert hatte. Was sie aber sah, war, dass das Mädchen mit den dreifarbigen Haaren etwas in der Hand hielt.
Kylie stockte erneut der Atem. Das Mädchen hatte eine Kröte. Keinen Frosch - mit einem Frosch wäre sie noch irgendwie klargekommen -, sondern eine Kröte. Eine riesige, eklige Kröte. Welches Mädchen hatte drei verschiedene Haarfarben und nahm eine Kröte mit ins Camp? Mann, vielleicht war das so eine Drogenkröte, an der man lecken konnte und davon high wurde. Sie hatte das mal im Fernsehen in einem dieser blöden Krimis gesehen, aber sie dachte immer, dass sei erfunden. Sie wusste nicht, was schlimmer war: an einer Kröte zu lecken, um high zu werden, oder eine Kröte mit sich herumzutragen, nur um seltsam zu sein.
Sie hievte ihren Koffer auf den Sitz neben sich, damit bloß niemand auf den Gedanken kam, sich zu ihr zu setzen.
Kylie seufzte und schaute aus dem Fenster.
Der Bus war inzwischen losgefahren, obwohl es Kylie immer noch ein Rätsel war, wie die Fahrerin überhaupt das Gaspedal erreichen konnte.
»Hast du schon gehört, wie die anderen uns nennen?« Die Stimme kam aus der Sitzreihe des Krötenmädchens.
Kylie ging nicht davon aus, dass sie mit ihr redete, schaute aber dennoch zu ihr rüber. Das Mädchen sah sie an, also war sie wohl doch gemeint.
»Wer sind denn ›die anderen‹?«, fragte Kylie und versuchte, weder zu freundlich noch zu patzig zu klingen. Das Letzte, was sie wollte, war, diese Freaks gegen sich aufzubringen.
»Die in den anderen Camps. Es gibt etwa sechs Camps im Umkreis von fünf Kilometern.« Mit beiden Händen strich sie sich die mehrfarbigen Haare zurück und hielt sie so für ein paar Sekunden. Plötzlich merkte Kylie, dass das Mädchen ihre Kröte nicht mehr hatte. Und Kylie sah auch keinen Käfig oder irgendetwas anderes, wo sie sie hineingetan haben konnte.
Na toll. Wahrscheinlich würde ihr gleich eine riesige Drogen-Kröte in den Schoß hüpfen. Kröten an sich fand sie gar nicht so eklig, sie sollten sie bloß nicht anspringen.
»Sie nennen uns Knochenköpfe«, sagte das Mädchen. »Warum denn?« Kylie zog die Beine auf den Sitz, für den Fall, dass eine Kröte vorbeihüpfen sollte.
»Das Camp hieß früher Bone Creek Camp«, erklärte das Mädchen. »Wegen der Dinosaurierknochen, die man dort gefunden hat.«
»Ha«, sagte der blonde Junge. »Sie haben uns auch einfach nur ›Knochen‹ genannt.«
Vereinzeltes Gelächter kam aus den anderen Sitzreihen. »Was ist denn daran lustig?«, fragte das Gothic- Girl mit einer so todernsten Stimme, dass Kylie schauderte.
»Du weißt nicht, was ein Knochen ist?«, fragte der Blonde. »Wenn du dich zu mir setzt, zeige ich es dir.« Er drehte sich um, und Kylie sah wieder in seine Augen. Verdammt nochmal. Sie waren jetzt golden. Kontaktlinsen, dachte Kylie. Er musste irgendwelche komischen Kontaktlinsen tragen, die seine Augenfarbe veränderten.
Das Gothic-Girl stand auf und machte Anstalten, zu dem Blonden rüberzugehen. »Mach das nicht«, sagte das Kröten-Mädchen ohne Kröte warnend und stand auf. Sie lehnte sich über den Gang und flüsterte dem Gothic-Girl etwas ins Ohr.
»Iiih.« Das Gothic-Girl ließ sich zurück in den Sitz fallen. Dann sah sie zum blonden Jungen hinüber und zeigte mit einem schwarzlackierten Fingernagel auf ihn. »Leg dich lieber nicht mit mir an. Ich esse Dinge, die größer sind als du, wenn es dunkel ist.«
»Hat jemand was von Dunkelheit gesagt?«, kam es aus dem hinteren Teil des Busses.
Kylie drehte den Kopf, um zu sehen, wer da gesprochen hatte.
Ein anderes Mädchen, das Kylie noch gar nicht bemerkt hatte, hatte sich auf seinem Sitz aufgerichtet. Sie hatte rabenschwarze Haare und trug eine fast genauso dunkle Sonnenbrille. Was sie jedoch wirklich unnormal aussehen ließ, war ihre Hautfarbe. Sie war weiß, kreideweiß.
»Wisst ihr, wieso sie das Camp in ›Shadow Falls‹ umbenannt haben?«, fragte das Krötenmädchen. »Nein«, antwortete jemand aus dem vorderen Teil des Busses.
»Wegen der Indianersage. Die besagt nämlich, dass man die Schatten der Todesengel tanzen sehen kann, wenn man in der Dämmerung unten an den Wasserfällen steht.«
Tanzende Todesengel? Was war nur los mit diesen Leuten?
Kylie lehnte sich in ihrem Sitz zurück. War das nur ein blöder Albtraum? Sie schob sich noch tiefer ins Polster des Sitzes und versuchte, sich auf das Aufwachen zu konzentrieren, so wie es ihr Dr. Day gezeigt hatte.
Konzentrier dich. Sie atmete tief durch die Nase ein, dann durch den Mund aus. Dabei sagte sie sich immer wieder: Es ist nur ein Traum, es ist nicht echt, es ist nicht echt.
Entweder schlief sie gar nicht, oder ihre Konzentration war in den falschen Bus eingestiegen. Und in dem säße sie, verdammt nochmal, jetzt auch am liebsten. Sie konnte immer noch nicht fassen, wo sie gelandet war. Sie schaute sich um. Der Blonde sah sie an, und seine Augen waren wieder schwarz.
Gruselig. Kam das alles denn niemandem sonst hier komisch vor?
Sie drehte sich in ihrem Sitz herum zu dem Jungen, den sie als am normalsten eingeschätzt hatte. Seine hellgrünen Augen, die sie an Treys Augen erinnerten, erwiderten ihren Blick, und er zuckte mit den Schultern. Sie wusste nicht, was das Schulterzucken bedeutete, aber er schien nicht wirklich beeindruckt von all dem. Was ihn eigentlich auch schon wieder fast genauso seltsam erscheinen ließ wie die anderen. Kylie drehte sich wieder herum und nahm ihr Handy aus der Tasche, um Sara eine SMS zu schreiben. Hilfe! Sitze in einem Bus voller Freaks. Mega-Freaks.
Auf die Antwort musste Kylie nicht lange warten: Nein, du musst MIR helfen. Ich glaube, ich bin schwanger.
4. Kapitel
»Oh, verdammt.« Kylie starrte die SMS an, als ob sie dadurch wieder verschwinden würde oder als ob plötzlich ein War nur Spaß darunter erscheinen könnte. Nichts. Sie verschwand nicht, und es erschien auch kein Zusatz. Das war kein Witz.
Aber jetzt mal im Ernst. Sara konnte nicht schwanger sein. Das passierte einem Mädchen wie ihr einfach nicht. Klugen Mädchen ... Mädchen, die ... O Mann. Wie konnte sie nur so denken? Das konnte absolut jedem passieren, der ungeschützten Sex hatte. Oder Sex mit einem schlechten Kondom.
Wie hatte sie diesen kurzen Film vergessen können, den sie in der Schule nur hatte sehen dürfen, nachdem ihre Mutter einen Zettel unterschrieben hatte. Oder die Broschüren, die ihre Mutter mitgebracht und ihr einfach aufs Kissen gelegt hatte ...
Die Heftchen waren ein echter Stimmungskiller gewesen. Sie war an dem Abend von einem der heißesten Dates mit Trey heimgekommen, noch ganz high von seinen Küssen und seinen Zärtlichkeiten. Und was fand sie auf ihrem Kopfkissen? Statistiken über ungewollte Schwangerschaften und genauso ungewollte Geschlechtskrankheiten. Und ihre Mutter wusste genau, dass sie vor dem Schlafen immer noch etwas las, um besser einzuschlafen. In dieser Nacht hatte sie jedenfalls keine schönen Träume gehabt. »Schlechte Nachrichten?«, fragte eine Stimme.
Kylie blickte auf und sah, dass sich das Kröten- Mädchen neben sie auf die andere Seite des Ganges gesetzt hatte. Sie zog die Beine hoch und stützte das Kinn auf die Knie.
»Ähm. Ja ... nein. Also ...« Eigentlich lag es Kylie auf der Zunge zu sagen, dass es sie einen Scheißdreck anging, aber es war ihr schon immer schwergefallen, so direkt und dabei vielleicht unhöflich zu sein. Außer jemand wusste genau, wie er sie zur Weißglut bringen konnte, wie zum Beispiel ihre Mutter. Sara nannte diese Unfähigkeit, ihre Meinung zu sagen, Kylies ›Zu-nett-Krankheit‹. Ihre Mutter hätte das sicher gute Erziehung genannt, aber da sie sich so gut darauf verstand, Kylie zur Weißglut zu bringen, fand ihre Mutter Kylies Manieren eher mangelhaft.
Kylie klappte ihr Handy zu, nur für den Fall, dass das Krötenmädchen Supersehkräfte hatte. Andererseits sollte sie sich da doch eher bei jemand anderem Sorgen um Superaugen machen. Ihr Blick wanderte zum Platz des Blonden, der sie schon wieder anstarrte - mit blauen Augen. Okay, zumindest stand fest, dass es nicht noch seltsamer werden konnte.
»Ach, schon gut«, sagte sie und zwang sich, wieder das Krötenmädchen anzuschauen, ohne zu sehr auf deren mehrfarbige Haare zu starren. Der Bus bremste scharf, und Kylies Koffer rutschte vom Sitz. Weil der Blonde sie weiterhin anstarrte und vielleicht den freien Platz als Einladung sehen könnte, sich doch noch zu ihr zu setzen, wechselte Kylie auf den Gangplatz.
»Ich heiße Miranda«, sagte das Mädchen und lächelte sie nun vorsichtig an. Kylie musste feststellen, dass sie, abgesehen von den Haaren und ihrem seltsamen Haustier, ganz normal wirkte.
Kylie stellte sich ebenfalls vor und checkte noch einmal den Fußboden auf vorbeihüpfende Kröten. »Fährst du zum ersten Mal ins Shadow Falls Camp?«, wollte Miranda wissen.
Kylie nickte. »Und du?«, fragte sie aus reiner Höflichkeit. Sie schaute auf ihr Handy, das sie immer noch in der Hand hielt. Sie musste Sara unbedingt zurückschreiben und ihr sagen ... Oh, Mist, was sollte sie ihr eigentlich schreiben? Was simst man denn seiner besten Freundin, die einem gerade gesagt hat, dass sie vielleicht ...
»Schon zum zweiten Mal.« Miranda fuhr sich durch die Haare und drehte sie auf dem Kopf zu einem Knoten. »Obwohl ich nicht verstehe, warum die wollen, dass ich wiederkomme. Ist ja nicht so, als hätte es mir letztes Mal was gebracht ...«
Kylie gab den Versuch auf, sich eine passende SMS für Sara zu überlegen, und schaute in die braunen Augen des Mädchens - die noch nicht ein einziges Mal die Farbe gewechselt hatten. Plötzlich war sie doch neugierig. »Wie ... wie war es? Das Camp, meine ich. Bitte sag, dass es nicht so schlimm ist.«
»Es ist nicht schlimm.« Sie ließ ihr Haar los, so dass es in schwarzen, grünen und pinken Wellen um ihren Kopf fiel. Dann schielte sie in den hinteren Teil des Busses, wo das blasse Mädchen sich aufgesetzt hatte und so aussah, als würde es zuhören. »Außer, du kannst kein Blut sehen«, flüsterte Miranda.
Kylie kicherte und hoffte inständig, Miranda würde mitkichern. Aber nein. Sie lächelte nicht einmal. »Du verarschst mich, oder?« Kylie wurde etwas flau im Magen.
»Nein«, sagte Miranda und sah absolut nicht danach aus, als fände sie das lustig. »Ich übertreibe höchstens etwas.«
Ein lautes Räuspern unterbrach ihr Gespräch. Kylie sah nach vorn, wo die Busfahrerin in den großen Rückspiegel schaute. Komisch, Kylie hatte den Eindruck, dass sie genau sie beide ansah.
»Hör auf womit«, zischte Miranda mit leiser Stimme und hielt sich die Ohren zu. »Ich hab dich nicht eingeladen.«
»Womit aufhören?«, fragte Kylie. Das seltsame Verhalten des Mädchens verwirrte sie. »Und wozu eingeladen?«
Miranda antwortete nicht. Sie warf einen finsteren Blick nach vorn und ließ sich dann zurück auf ihren Platz fallen.
Kylie musste feststellen, dass sie sich geirrt hatte. Es konnte doch noch seltsamer werden.
Und es wurde noch seltsamer.
Nicht schlimm. Außer, du kannst kein Blut sehen. Mirandas Worte drehten sich wie eine CD mit Gruselmusik in Kylies Kopf. Okay, sie hatte zugegeben, dass sie übertrieben hatte, aber auch nur ein bisschen Blut zu verlieren, war schon zu viel für Kylie. In was für eine Hölle hat mich meine Mutter nur geschickt?, fragte sie sich wohl zum hundertsten Mal, seit sie in den Bus eingestiegen war.
In dem Moment vibrierte Kylies Handy. Wieder eine SMS von Sara. Bitte sag jetzt nicht, dass du es mir ja vorhergesagt hast ...
Kylie schob ihre eigenen Probleme zur Seite und versuchte, sich auf ihre beste Freundin zu konzentrieren. In den letzten Monaten war es nicht so super gelaufen zwischen ihnen, aber sie waren immerhin seit der fünften Klasse beste Freundinnen. Sara brauchte sie jetzt.
Kylie fing an zu schreiben. Das würde ich nie tun. Weiß nicht, was ich sagen soll. Bist du okay?? Wissen es deine Eltern? Weißt du, wer der Vater ist? Kylie löschte die letzte Frage. Natürlich wusste Sara, wer der Vater war. Es musste einer der drei Typen sein, oder? Außer, Sara hatte gelogen, was die letzten beiden Dates anging.
O Gott, Kylie machte sich wirklich Sorgen um ihre Freundin. Auch wenn ihre Lebensumstände mit der Scheidung ihrer Eltern, Omas Tod und jetzt dem aufgezwungenen Camp mit den ganzen komischen Leuten nicht gerade super waren, war Sara echt schlimmer dran.
Egal wie schlimm es werden würde - Kylie konnte nach zwei Monaten wieder nach Hause. Bis dahin würde sie hoffentlich darüber hinweg sein, dass ihr Vater sie verlassen und Oma tot war. Und vielleicht würde auch der Stalker über den Sommer das Interesse an ihr verlieren und für immer verschwinden. Sara dagegen würde in wenigen Monaten einen Bauch so groß wie ein Basketball haben.
Kylie fragte sich, ob Sara dann überhaupt in die Schule gehen würde. Sie würde sich so schämen. Für Sara war es das Wichtigste, dazuzugehören. Wenn blauer Lidschatten gerade in war, trug auch Sara blauen Lidschatten. O Mann, sie hatte einmal sogar fast eine Woche die Schule geschwänzt, weil sie einen großen Pickel auf der Nasenspitze hatte. Kylie fand es auch alles andere als cool, mit so einem Ding im Gesicht in die Schule zu gehen, aber, mein Gott, es hatte doch echt jeder einmal einen Pickel.
Aber nicht jede wurde schwanger.
Kylie konnte sich nur schwer vorstellen, was Sara jetzt durchmachte.
Kylie las noch einmal ihren SMS-Text durch, fügte noch ein Herz hinzu und drückte »Senden«. Während sie auf eine Antwort wartete, wurde ihr klar, dass sie noch nie so froh darüber gewesen war, bei Trey standhaft geblieben zu sein, wie in diesem Moment.
»Zehn Minuten Toilettenpause«, rief die Busfahrerin. Kylie blickte von ihrem Handy auf und sah, dass sie vor einer Raststätte angehalten hatten. Sie musste noch gar nicht, aber da sie nicht wusste, wie lange die Fahrt noch dauern würde, ließ sie ihr Handy in ihrer Handtasche verschwinden und stand auf, um mit den anderen den Bus zu verlassen.
Sie war gerade zwei Schritte gegangen, als sich eine Hand auf ihren Arm legte. Eine sehr kalte Hand. Kylie zuckte zusammen und fuhr herum.
Das blasse Mädchen starrte sie an. Oder zumindest nahm sie an, dass sie sie anstarrte. Durch die fast schwarzen Gläser ihrer Sonnenbrille konnte Kylie das nicht so genau erkennen.
»Du bist aber warm«, sagte das Mädchen, fast verwundert.
Kylie zog ihren Arm weg. »Und du bist kalt.«
»Neun Minuten«, bellte die Busfahrerin und trieb sie mit einer Handbewegung zur Eile an.
Kylie drehte sich wieder nach vorn und verließ den Bus. Dabei spürte sie die ganze Zeit den Blick des blassen Mädchens, der sich in ihren Rücken bohrte. Freaks. Sie saß den ganzen Sommer mit Freaks fest. Kalte Freaks. Sie berührte ihren Arm an der Stelle, wo das Mädchen seine Hand hingelegt hatte, und sie hätte schwören können, dass sie immer noch die Kälte spürte.
Als sie fünf Minuten später zum Bus zurückgehen wollte, sah sie ein paar der anderen, die sich Getränke kauften. Das Gothic-Girl stand vorn in der Warteschlange und sah zu ihr rüber. Der Typ mit den vielen Piercings, der vorn im Bus saß, lief an Kylie vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Sie beschloss, sich Kaugummi zu kaufen, fand auch ihre Lieblingssorte und stellte sich in die Schlange. Jemand stellte sich hinter sie, und sie schaute schnell, ob es wieder das blasse Mädchen war. Nein, es war der Typ mit den sanften, grünen Augen und den braunen Haaren - der, der sie an Trey erinnerte.
Ihre Blicke trafen sich.
Und verhakten sich ineinander.
Sie war sich nicht sicher, warum er sie an Trey erinnerte. Okay, die Augen waren ähnlich, aber es war mehr als das. Vielleicht war es auch die Art und Weise, wie sich das T-Shirt über seine Schultern spannte, und dieser Eindruck, den er vermittelte ... irgendwie distanziert. Es war nicht einfach gewesen, Trey näherzukommen. Wenn sie nicht in Physik als seine Laborpartnerin eingeteilt worden wäre - wer weiß, vielleicht wären sie dann nie miteinander ausgegangen.
Das war es wohl. Irgendetwas an diesem Typ strahlte aus, dass es schwer war, an ihn heranzukommen. Vor allem, weil er ja nicht einmal etwas sagte. Sie wollte sich schon wieder umdrehen, da hob er die Augenbrauen wie zu einem leichten Gruß. Sie tat es ihm gleich, hob die Augenbrauen und drehte sich dann weg.
Als sie nach vorn schaute, sah sie Miranda und die Blasse an der Tür stehen und reden. Dabei sahen sie Kylie direkt an.
Toll, jetzt lästerten sie schon über sie, oder was? »Großartig«, murmelte sie vor sich hin.
»Die sind nur neugierig«, flüsterte eine tiefe Stimme so nah an ihrem Ohr, dass sie die Wärme seines Atems an ihrem Hals spürte.
Sie schaute ihn über die Schulter an. Jetzt konnte sie seine Augen erst richtig sehen und stellte fest, dass sie sich geirrt hatte. Das waren nicht Treys Augen. Diese hier hatten goldene Sprenkel um die Pupille herum.
»Worauf denn?«, fragte sie und versuchte, ihn nicht anzustarren.
»Auf dich. Sie sind neugierig auf dich. Vielleicht, wenn du etwas offener wärst ... «
»Offener?« Okay, das reichte ihr jetzt. Sie hatte zu seinen Gunsten angenommen, dass er der Normale war, aber jetzt tat er plötzlich so, als sei sie die Unfreundliche. »Die Einzigen, die mit mir geredet haben, sind der Blonde und Miranda und die andere da.«
Er zog wieder eine Augenbraue hoch. Und aus irgendeinem Grund legte er damit bei ihr den Schalter um. »Hast du nervöse Zuckungen, oder was?«, fuhr sie ihn an, biss sich aber gleich auf die Zunge. Vielleicht besserte sich gerade ihre ›Zu-nett-Krankheit‹. Sara wäre sehr stolz auf sie gewesen. Ihre Mutter dagegen ... wohl eher nicht.
Ihre Mutter.
Auf einmal hatte Kylie das Bild ihrer Mutter vor Augen, wie sie auf dem Parkplatz stand.
»Du weißt es nicht ... oder?«, fragte der Typ, und seine Augen wurden größer, die Goldsprenkel funkelten.
»Was weiß ich nicht?«, gab sie zurück, war aber in Gedanken bei ihrer Mutter und der Tatsache, dass sie sie nicht einmal zum Abschied umarmt hatte. Warum hatte ihre Mutter ihr das angetan? Warum hatten ihre Eltern entschieden, sich zu trennen? Warum musste das alles passieren? Der vertraute Kloß, der ›Muss-gleich-weinen-Kloß‹, bildete sich in ihrem Hals.
Er schaute zur Tür, und Kylie folgte seinem Blick. Miranda und die Blasse standen immer noch da. Waren alle drei schon öfter zusammen im Camp gewesen und waren jetzt eine Clique und sie die Neue? Die Neue, auf der sie jetzt rumhacken konnten?
Die Stimme der Frau hinter der Kasse wurde lauter: »Hey, willst du die Kaugummis jetzt kaufen, oder nicht?«
Kylie drehte sich wieder um und legte ein paar Münzen auf die Theke. Dann ging sie - ohne ihr Wechselgeld. Sie rauschte mit erhobenem Kopf an Miranda und dem anderen Mädchen vorbei. Sie traute sich nicht zu blinzeln, aus Angst, die Bewegung ihrer Lider könnte die Tränen schneller kommen lassen.
Dabei war es gar nicht deren herablassende Art, die sie zum Weinen bringen könnte. Es waren ihre Mutter, ihr Vater, Oma, Trey, der Stalker und jetzt auch noch ihre Sorge um Sara. Kylie war es so was von egal, ob diese Psychos sie mochten oder nicht.
...
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
Drei Tage später stand Kylie mit dem Koffer in der Hand auf dem Parkplatz des YMCA-Jugendclubs. Dort parkten gleich mehrere Busse des Camps, die die jugendlichen Übeltäter abholten. Sie konnte es verdammt nochmal nicht fassen, dass sie wirklich hier war.
Ihre Mom zog das wirklich durch.
Und ihr Dad ließ wirklich zu, dass sie es tat.
Kylie, die noch nie mehr als zwei Schluck Bier getrunken, noch nie geraucht hatte - weder Zigaretten noch Joints -, und keine Drogen genommen hatte, sollte in irgend so ein Camp für schwererziehbare Jugendliche geschickt werden.
Ihre Mutter kam auf sie zu und berührte sie am Arm. »Ich glaube, du wirst aufgerufen.«
Ihre Mutter konnte sie offenbar gar nicht schnell genug loswerden. Kylie zog ihren Arm zurück. Sie war so wütend und verletzt, dass sie gar nicht mehr wusste, wie sie sich verhalten sollte. Sie hatte gebettelt, gefleht und geweint - nichts hatte geholfen. Sie würde fahren müssen. Sie hasste es, aber sie konnte nichts dagegen tun.
Ohne ein Wort zu sagen und fest entschlossen, nicht vor den Dutzenden anderer Jugendlichen zu weinen, richtete sich Kylie auf und ging auf den Bus zu, vor dem eine Frau stand und ein Schild mit der Aufschrift Shadow Falls Camp in die Höhe hielt.
O Mann. Wo würde sie nur landen?
Als Kylie den Bus betrat, hoben die acht oder neun anderen, die schon auf ihren Plätzen saßen, die Köpfe und starrten sie an. Sie verspürte ein ungutes Gefühl, und es fröstelte sie. Noch nie hatte sie so einen starken Drang verspürt, einfach nur wegzulaufen. Sie zwang sich, nicht die Flucht zu ergreifen, dann begegnete sie den Blicken dieser ... O Gott, ihr fiel kein anderes Wort ein als ... Freaks?
Ein Mädchen hatte die Haare in drei verschiedenen Farben gefärbt - Pink, Grasgrün und Pechschwarz. Ein anderes Mädchen trug nur Schwarz -- schwarzen Lippenstift, schwarzen Lidschatten, schwarze Hosen und ein schwarzes langärmeliges Oberteil. War der Gothic-Look nicht längst out? Wo hatte die denn ihre Mode-Tipps her? Hatte sie nicht gelesen, dass Farben wieder in waren? Dass Blau das neue Schwarz war? Und dann dieser Junge weiter vorne im Bus. Er hatte beide Augenbrauen gepierct. Kylie beugte sich vor, um aus dem Fenster nach ihrer Mutter zu suchen. Wenn ihre Mutter diese Typen sah, würde sie bestimmt einsehen, dass Kylie hier nicht hingehörte. »Setz dich«, sagte eine Stimme hinter ihr.
Kylie drehte sich herum, und vor ihr stand die Busfahrerin. Vorher war es ihr gar nicht so aufgefallen, aber jetzt bemerkte sie, dass selbst die Busfahrerin etwas Seltsames an sich hatte. Das lila-graue Haar war auf ihrem Kopf hoch aufgesteckt wie ein Football-Helm. Kylie konnte ihr nicht mal verdenken, dass sie sich die Haare hochtoupierte, denn die Frau war klein. Elfenhaft klein. Kylie schielte zu den Füßen hinunter, wo sie schon fast damit rechnete, ein Paar spitze grüne Stiefel vorzufinden. Aber nein: keine grünen Schuhe.
Dann schoss ihr Blick nach vorn. Wie wollte diese Frau eigentlich den Bus fahren?
»Auf geht's«, sagte die Frau bestimmt. »Ich muss euch Kids zum Mittagessen abliefern, also los.«
Da alle außer Kylie bereits Platz genommen hatten, ging sie davon aus, dass sie gemeint war. Sie ging weiter in den Bus hinein und hatte dabei das dumpfe Gefühl, dass ab jetzt ihr Leben nie wieder so sein würde wie zuvor.
»Du kannst neben mir sitzen«, sagte ein Junge. Er hatte lockige, blonde Haare, sogar noch blonder als Kylies, aber seine Augen, die sie fixierten, waren so dunkel, dass sie schwarz wirkten. Er klopfte auf den Sitz neben sich. Kylie bemühte sich, den Jungen nicht anzustarren, aber irgendetwas an dieser Kombination aus Dunkel und Hell fühlte sich falsch an. Dann zog er eine Augenbraue hoch, als ob ... als ob sich neben ihn zu setzen bedeuten würde, dass etwas zwischen ihnen laufen könnte oder so.
»Schon okay.« Kylie ging ein paar Schritte weiter und schleifte ihren Koffer hinter sich her. Er blieb an der Sitzreihe des blonden Jungen hängen, und Kylie drehte sich zurück, um ihn loszumachen.
Ihre Blicke trafen sich, und Kylie stockte der Atem. Der blonde Junge hatte jetzt ... grüne Augen. Helle, sehr hellgrüne Augen. Wie war das möglich?
Sie schluckte und schaute auf seine Hände. Vielleicht hatte er dort ein Kontaktlinsendöschen und gerade die Linsen gewechselt. Kein Döschen.
Er hob wieder seine Augenbrauen, und als sie bemerkte, dass sie ihn anstarrte, riss sie schnell ihren Koffer los.
Sie nahm sich zusammen und ging weiter zu der Sitzreihe, die sie für sich ausgeguckt hatte. Bevor sie sich hinsetzte, fiel ihr Blick auf einen anderen Jungen hinten im Bus. Er saß allein und hatte hellbraunes, gescheiteltes Haar, das ihm über die dunklen Brauen fiel und fast in den grünen Augen hing. Normale grüne Augen, aber durch das blassblaue T-Shirt, das er trug, fielen sie mehr auf.
Er nickte ihr zu. Nichts Seltsames, Gott sei Dank. Wenigstens war noch ein normaler Mensch außer ihr im Bus.
Sie setzte sich und schaute ein weiteres Mal zu dem blonden Typ. Aber er sah nicht mehr in ihre Richtung, so dass sie nicht erkennen konnte, ob sich seine Augenfarbe schon wieder verändert hatte. Was sie aber sah, war, dass das Mädchen mit den dreifarbigen Haaren etwas in der Hand hielt.
Kylie stockte erneut der Atem. Das Mädchen hatte eine Kröte. Keinen Frosch - mit einem Frosch wäre sie noch irgendwie klargekommen -, sondern eine Kröte. Eine riesige, eklige Kröte. Welches Mädchen hatte drei verschiedene Haarfarben und nahm eine Kröte mit ins Camp? Mann, vielleicht war das so eine Drogenkröte, an der man lecken konnte und davon high wurde. Sie hatte das mal im Fernsehen in einem dieser blöden Krimis gesehen, aber sie dachte immer, dass sei erfunden. Sie wusste nicht, was schlimmer war: an einer Kröte zu lecken, um high zu werden, oder eine Kröte mit sich herumzutragen, nur um seltsam zu sein.
Sie hievte ihren Koffer auf den Sitz neben sich, damit bloß niemand auf den Gedanken kam, sich zu ihr zu setzen.
Kylie seufzte und schaute aus dem Fenster.
Der Bus war inzwischen losgefahren, obwohl es Kylie immer noch ein Rätsel war, wie die Fahrerin überhaupt das Gaspedal erreichen konnte.
»Hast du schon gehört, wie die anderen uns nennen?« Die Stimme kam aus der Sitzreihe des Krötenmädchens.
Kylie ging nicht davon aus, dass sie mit ihr redete, schaute aber dennoch zu ihr rüber. Das Mädchen sah sie an, also war sie wohl doch gemeint.
»Wer sind denn ›die anderen‹?«, fragte Kylie und versuchte, weder zu freundlich noch zu patzig zu klingen. Das Letzte, was sie wollte, war, diese Freaks gegen sich aufzubringen.
»Die in den anderen Camps. Es gibt etwa sechs Camps im Umkreis von fünf Kilometern.« Mit beiden Händen strich sie sich die mehrfarbigen Haare zurück und hielt sie so für ein paar Sekunden. Plötzlich merkte Kylie, dass das Mädchen ihre Kröte nicht mehr hatte. Und Kylie sah auch keinen Käfig oder irgendetwas anderes, wo sie sie hineingetan haben konnte.
Na toll. Wahrscheinlich würde ihr gleich eine riesige Drogen-Kröte in den Schoß hüpfen. Kröten an sich fand sie gar nicht so eklig, sie sollten sie bloß nicht anspringen.
»Sie nennen uns Knochenköpfe«, sagte das Mädchen. »Warum denn?« Kylie zog die Beine auf den Sitz, für den Fall, dass eine Kröte vorbeihüpfen sollte.
»Das Camp hieß früher Bone Creek Camp«, erklärte das Mädchen. »Wegen der Dinosaurierknochen, die man dort gefunden hat.«
»Ha«, sagte der blonde Junge. »Sie haben uns auch einfach nur ›Knochen‹ genannt.«
Vereinzeltes Gelächter kam aus den anderen Sitzreihen. »Was ist denn daran lustig?«, fragte das Gothic- Girl mit einer so todernsten Stimme, dass Kylie schauderte.
»Du weißt nicht, was ein Knochen ist?«, fragte der Blonde. »Wenn du dich zu mir setzt, zeige ich es dir.« Er drehte sich um, und Kylie sah wieder in seine Augen. Verdammt nochmal. Sie waren jetzt golden. Kontaktlinsen, dachte Kylie. Er musste irgendwelche komischen Kontaktlinsen tragen, die seine Augenfarbe veränderten.
Das Gothic-Girl stand auf und machte Anstalten, zu dem Blonden rüberzugehen. »Mach das nicht«, sagte das Kröten-Mädchen ohne Kröte warnend und stand auf. Sie lehnte sich über den Gang und flüsterte dem Gothic-Girl etwas ins Ohr.
»Iiih.« Das Gothic-Girl ließ sich zurück in den Sitz fallen. Dann sah sie zum blonden Jungen hinüber und zeigte mit einem schwarzlackierten Fingernagel auf ihn. »Leg dich lieber nicht mit mir an. Ich esse Dinge, die größer sind als du, wenn es dunkel ist.«
»Hat jemand was von Dunkelheit gesagt?«, kam es aus dem hinteren Teil des Busses.
Kylie drehte den Kopf, um zu sehen, wer da gesprochen hatte.
Ein anderes Mädchen, das Kylie noch gar nicht bemerkt hatte, hatte sich auf seinem Sitz aufgerichtet. Sie hatte rabenschwarze Haare und trug eine fast genauso dunkle Sonnenbrille. Was sie jedoch wirklich unnormal aussehen ließ, war ihre Hautfarbe. Sie war weiß, kreideweiß.
»Wisst ihr, wieso sie das Camp in ›Shadow Falls‹ umbenannt haben?«, fragte das Krötenmädchen. »Nein«, antwortete jemand aus dem vorderen Teil des Busses.
»Wegen der Indianersage. Die besagt nämlich, dass man die Schatten der Todesengel tanzen sehen kann, wenn man in der Dämmerung unten an den Wasserfällen steht.«
Tanzende Todesengel? Was war nur los mit diesen Leuten?
Kylie lehnte sich in ihrem Sitz zurück. War das nur ein blöder Albtraum? Sie schob sich noch tiefer ins Polster des Sitzes und versuchte, sich auf das Aufwachen zu konzentrieren, so wie es ihr Dr. Day gezeigt hatte.
Konzentrier dich. Sie atmete tief durch die Nase ein, dann durch den Mund aus. Dabei sagte sie sich immer wieder: Es ist nur ein Traum, es ist nicht echt, es ist nicht echt.
Entweder schlief sie gar nicht, oder ihre Konzentration war in den falschen Bus eingestiegen. Und in dem säße sie, verdammt nochmal, jetzt auch am liebsten. Sie konnte immer noch nicht fassen, wo sie gelandet war. Sie schaute sich um. Der Blonde sah sie an, und seine Augen waren wieder schwarz.
Gruselig. Kam das alles denn niemandem sonst hier komisch vor?
Sie drehte sich in ihrem Sitz herum zu dem Jungen, den sie als am normalsten eingeschätzt hatte. Seine hellgrünen Augen, die sie an Treys Augen erinnerten, erwiderten ihren Blick, und er zuckte mit den Schultern. Sie wusste nicht, was das Schulterzucken bedeutete, aber er schien nicht wirklich beeindruckt von all dem. Was ihn eigentlich auch schon wieder fast genauso seltsam erscheinen ließ wie die anderen. Kylie drehte sich wieder herum und nahm ihr Handy aus der Tasche, um Sara eine SMS zu schreiben. Hilfe! Sitze in einem Bus voller Freaks. Mega-Freaks.
Auf die Antwort musste Kylie nicht lange warten: Nein, du musst MIR helfen. Ich glaube, ich bin schwanger.
4. Kapitel
»Oh, verdammt.« Kylie starrte die SMS an, als ob sie dadurch wieder verschwinden würde oder als ob plötzlich ein War nur Spaß darunter erscheinen könnte. Nichts. Sie verschwand nicht, und es erschien auch kein Zusatz. Das war kein Witz.
Aber jetzt mal im Ernst. Sara konnte nicht schwanger sein. Das passierte einem Mädchen wie ihr einfach nicht. Klugen Mädchen ... Mädchen, die ... O Mann. Wie konnte sie nur so denken? Das konnte absolut jedem passieren, der ungeschützten Sex hatte. Oder Sex mit einem schlechten Kondom.
Wie hatte sie diesen kurzen Film vergessen können, den sie in der Schule nur hatte sehen dürfen, nachdem ihre Mutter einen Zettel unterschrieben hatte. Oder die Broschüren, die ihre Mutter mitgebracht und ihr einfach aufs Kissen gelegt hatte ...
Die Heftchen waren ein echter Stimmungskiller gewesen. Sie war an dem Abend von einem der heißesten Dates mit Trey heimgekommen, noch ganz high von seinen Küssen und seinen Zärtlichkeiten. Und was fand sie auf ihrem Kopfkissen? Statistiken über ungewollte Schwangerschaften und genauso ungewollte Geschlechtskrankheiten. Und ihre Mutter wusste genau, dass sie vor dem Schlafen immer noch etwas las, um besser einzuschlafen. In dieser Nacht hatte sie jedenfalls keine schönen Träume gehabt. »Schlechte Nachrichten?«, fragte eine Stimme.
Kylie blickte auf und sah, dass sich das Kröten- Mädchen neben sie auf die andere Seite des Ganges gesetzt hatte. Sie zog die Beine hoch und stützte das Kinn auf die Knie.
»Ähm. Ja ... nein. Also ...« Eigentlich lag es Kylie auf der Zunge zu sagen, dass es sie einen Scheißdreck anging, aber es war ihr schon immer schwergefallen, so direkt und dabei vielleicht unhöflich zu sein. Außer jemand wusste genau, wie er sie zur Weißglut bringen konnte, wie zum Beispiel ihre Mutter. Sara nannte diese Unfähigkeit, ihre Meinung zu sagen, Kylies ›Zu-nett-Krankheit‹. Ihre Mutter hätte das sicher gute Erziehung genannt, aber da sie sich so gut darauf verstand, Kylie zur Weißglut zu bringen, fand ihre Mutter Kylies Manieren eher mangelhaft.
Kylie klappte ihr Handy zu, nur für den Fall, dass das Krötenmädchen Supersehkräfte hatte. Andererseits sollte sie sich da doch eher bei jemand anderem Sorgen um Superaugen machen. Ihr Blick wanderte zum Platz des Blonden, der sie schon wieder anstarrte - mit blauen Augen. Okay, zumindest stand fest, dass es nicht noch seltsamer werden konnte.
»Ach, schon gut«, sagte sie und zwang sich, wieder das Krötenmädchen anzuschauen, ohne zu sehr auf deren mehrfarbige Haare zu starren. Der Bus bremste scharf, und Kylies Koffer rutschte vom Sitz. Weil der Blonde sie weiterhin anstarrte und vielleicht den freien Platz als Einladung sehen könnte, sich doch noch zu ihr zu setzen, wechselte Kylie auf den Gangplatz.
»Ich heiße Miranda«, sagte das Mädchen und lächelte sie nun vorsichtig an. Kylie musste feststellen, dass sie, abgesehen von den Haaren und ihrem seltsamen Haustier, ganz normal wirkte.
Kylie stellte sich ebenfalls vor und checkte noch einmal den Fußboden auf vorbeihüpfende Kröten. »Fährst du zum ersten Mal ins Shadow Falls Camp?«, wollte Miranda wissen.
Kylie nickte. »Und du?«, fragte sie aus reiner Höflichkeit. Sie schaute auf ihr Handy, das sie immer noch in der Hand hielt. Sie musste Sara unbedingt zurückschreiben und ihr sagen ... Oh, Mist, was sollte sie ihr eigentlich schreiben? Was simst man denn seiner besten Freundin, die einem gerade gesagt hat, dass sie vielleicht ...
»Schon zum zweiten Mal.« Miranda fuhr sich durch die Haare und drehte sie auf dem Kopf zu einem Knoten. »Obwohl ich nicht verstehe, warum die wollen, dass ich wiederkomme. Ist ja nicht so, als hätte es mir letztes Mal was gebracht ...«
Kylie gab den Versuch auf, sich eine passende SMS für Sara zu überlegen, und schaute in die braunen Augen des Mädchens - die noch nicht ein einziges Mal die Farbe gewechselt hatten. Plötzlich war sie doch neugierig. »Wie ... wie war es? Das Camp, meine ich. Bitte sag, dass es nicht so schlimm ist.«
»Es ist nicht schlimm.« Sie ließ ihr Haar los, so dass es in schwarzen, grünen und pinken Wellen um ihren Kopf fiel. Dann schielte sie in den hinteren Teil des Busses, wo das blasse Mädchen sich aufgesetzt hatte und so aussah, als würde es zuhören. »Außer, du kannst kein Blut sehen«, flüsterte Miranda.
Kylie kicherte und hoffte inständig, Miranda würde mitkichern. Aber nein. Sie lächelte nicht einmal. »Du verarschst mich, oder?« Kylie wurde etwas flau im Magen.
»Nein«, sagte Miranda und sah absolut nicht danach aus, als fände sie das lustig. »Ich übertreibe höchstens etwas.«
Ein lautes Räuspern unterbrach ihr Gespräch. Kylie sah nach vorn, wo die Busfahrerin in den großen Rückspiegel schaute. Komisch, Kylie hatte den Eindruck, dass sie genau sie beide ansah.
»Hör auf womit«, zischte Miranda mit leiser Stimme und hielt sich die Ohren zu. »Ich hab dich nicht eingeladen.«
»Womit aufhören?«, fragte Kylie. Das seltsame Verhalten des Mädchens verwirrte sie. »Und wozu eingeladen?«
Miranda antwortete nicht. Sie warf einen finsteren Blick nach vorn und ließ sich dann zurück auf ihren Platz fallen.
Kylie musste feststellen, dass sie sich geirrt hatte. Es konnte doch noch seltsamer werden.
Und es wurde noch seltsamer.
Nicht schlimm. Außer, du kannst kein Blut sehen. Mirandas Worte drehten sich wie eine CD mit Gruselmusik in Kylies Kopf. Okay, sie hatte zugegeben, dass sie übertrieben hatte, aber auch nur ein bisschen Blut zu verlieren, war schon zu viel für Kylie. In was für eine Hölle hat mich meine Mutter nur geschickt?, fragte sie sich wohl zum hundertsten Mal, seit sie in den Bus eingestiegen war.
In dem Moment vibrierte Kylies Handy. Wieder eine SMS von Sara. Bitte sag jetzt nicht, dass du es mir ja vorhergesagt hast ...
Kylie schob ihre eigenen Probleme zur Seite und versuchte, sich auf ihre beste Freundin zu konzentrieren. In den letzten Monaten war es nicht so super gelaufen zwischen ihnen, aber sie waren immerhin seit der fünften Klasse beste Freundinnen. Sara brauchte sie jetzt.
Kylie fing an zu schreiben. Das würde ich nie tun. Weiß nicht, was ich sagen soll. Bist du okay?? Wissen es deine Eltern? Weißt du, wer der Vater ist? Kylie löschte die letzte Frage. Natürlich wusste Sara, wer der Vater war. Es musste einer der drei Typen sein, oder? Außer, Sara hatte gelogen, was die letzten beiden Dates anging.
O Gott, Kylie machte sich wirklich Sorgen um ihre Freundin. Auch wenn ihre Lebensumstände mit der Scheidung ihrer Eltern, Omas Tod und jetzt dem aufgezwungenen Camp mit den ganzen komischen Leuten nicht gerade super waren, war Sara echt schlimmer dran.
Egal wie schlimm es werden würde - Kylie konnte nach zwei Monaten wieder nach Hause. Bis dahin würde sie hoffentlich darüber hinweg sein, dass ihr Vater sie verlassen und Oma tot war. Und vielleicht würde auch der Stalker über den Sommer das Interesse an ihr verlieren und für immer verschwinden. Sara dagegen würde in wenigen Monaten einen Bauch so groß wie ein Basketball haben.
Kylie fragte sich, ob Sara dann überhaupt in die Schule gehen würde. Sie würde sich so schämen. Für Sara war es das Wichtigste, dazuzugehören. Wenn blauer Lidschatten gerade in war, trug auch Sara blauen Lidschatten. O Mann, sie hatte einmal sogar fast eine Woche die Schule geschwänzt, weil sie einen großen Pickel auf der Nasenspitze hatte. Kylie fand es auch alles andere als cool, mit so einem Ding im Gesicht in die Schule zu gehen, aber, mein Gott, es hatte doch echt jeder einmal einen Pickel.
Aber nicht jede wurde schwanger.
Kylie konnte sich nur schwer vorstellen, was Sara jetzt durchmachte.
Kylie las noch einmal ihren SMS-Text durch, fügte noch ein Herz hinzu und drückte »Senden«. Während sie auf eine Antwort wartete, wurde ihr klar, dass sie noch nie so froh darüber gewesen war, bei Trey standhaft geblieben zu sein, wie in diesem Moment.
»Zehn Minuten Toilettenpause«, rief die Busfahrerin. Kylie blickte von ihrem Handy auf und sah, dass sie vor einer Raststätte angehalten hatten. Sie musste noch gar nicht, aber da sie nicht wusste, wie lange die Fahrt noch dauern würde, ließ sie ihr Handy in ihrer Handtasche verschwinden und stand auf, um mit den anderen den Bus zu verlassen.
Sie war gerade zwei Schritte gegangen, als sich eine Hand auf ihren Arm legte. Eine sehr kalte Hand. Kylie zuckte zusammen und fuhr herum.
Das blasse Mädchen starrte sie an. Oder zumindest nahm sie an, dass sie sie anstarrte. Durch die fast schwarzen Gläser ihrer Sonnenbrille konnte Kylie das nicht so genau erkennen.
»Du bist aber warm«, sagte das Mädchen, fast verwundert.
Kylie zog ihren Arm weg. »Und du bist kalt.«
»Neun Minuten«, bellte die Busfahrerin und trieb sie mit einer Handbewegung zur Eile an.
Kylie drehte sich wieder nach vorn und verließ den Bus. Dabei spürte sie die ganze Zeit den Blick des blassen Mädchens, der sich in ihren Rücken bohrte. Freaks. Sie saß den ganzen Sommer mit Freaks fest. Kalte Freaks. Sie berührte ihren Arm an der Stelle, wo das Mädchen seine Hand hingelegt hatte, und sie hätte schwören können, dass sie immer noch die Kälte spürte.
Als sie fünf Minuten später zum Bus zurückgehen wollte, sah sie ein paar der anderen, die sich Getränke kauften. Das Gothic-Girl stand vorn in der Warteschlange und sah zu ihr rüber. Der Typ mit den vielen Piercings, der vorn im Bus saß, lief an Kylie vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Sie beschloss, sich Kaugummi zu kaufen, fand auch ihre Lieblingssorte und stellte sich in die Schlange. Jemand stellte sich hinter sie, und sie schaute schnell, ob es wieder das blasse Mädchen war. Nein, es war der Typ mit den sanften, grünen Augen und den braunen Haaren - der, der sie an Trey erinnerte.
Ihre Blicke trafen sich.
Und verhakten sich ineinander.
Sie war sich nicht sicher, warum er sie an Trey erinnerte. Okay, die Augen waren ähnlich, aber es war mehr als das. Vielleicht war es auch die Art und Weise, wie sich das T-Shirt über seine Schultern spannte, und dieser Eindruck, den er vermittelte ... irgendwie distanziert. Es war nicht einfach gewesen, Trey näherzukommen. Wenn sie nicht in Physik als seine Laborpartnerin eingeteilt worden wäre - wer weiß, vielleicht wären sie dann nie miteinander ausgegangen.
Das war es wohl. Irgendetwas an diesem Typ strahlte aus, dass es schwer war, an ihn heranzukommen. Vor allem, weil er ja nicht einmal etwas sagte. Sie wollte sich schon wieder umdrehen, da hob er die Augenbrauen wie zu einem leichten Gruß. Sie tat es ihm gleich, hob die Augenbrauen und drehte sich dann weg.
Als sie nach vorn schaute, sah sie Miranda und die Blasse an der Tür stehen und reden. Dabei sahen sie Kylie direkt an.
Toll, jetzt lästerten sie schon über sie, oder was? »Großartig«, murmelte sie vor sich hin.
»Die sind nur neugierig«, flüsterte eine tiefe Stimme so nah an ihrem Ohr, dass sie die Wärme seines Atems an ihrem Hals spürte.
Sie schaute ihn über die Schulter an. Jetzt konnte sie seine Augen erst richtig sehen und stellte fest, dass sie sich geirrt hatte. Das waren nicht Treys Augen. Diese hier hatten goldene Sprenkel um die Pupille herum.
»Worauf denn?«, fragte sie und versuchte, ihn nicht anzustarren.
»Auf dich. Sie sind neugierig auf dich. Vielleicht, wenn du etwas offener wärst ... «
»Offener?« Okay, das reichte ihr jetzt. Sie hatte zu seinen Gunsten angenommen, dass er der Normale war, aber jetzt tat er plötzlich so, als sei sie die Unfreundliche. »Die Einzigen, die mit mir geredet haben, sind der Blonde und Miranda und die andere da.«
Er zog wieder eine Augenbraue hoch. Und aus irgendeinem Grund legte er damit bei ihr den Schalter um. »Hast du nervöse Zuckungen, oder was?«, fuhr sie ihn an, biss sich aber gleich auf die Zunge. Vielleicht besserte sich gerade ihre ›Zu-nett-Krankheit‹. Sara wäre sehr stolz auf sie gewesen. Ihre Mutter dagegen ... wohl eher nicht.
Ihre Mutter.
Auf einmal hatte Kylie das Bild ihrer Mutter vor Augen, wie sie auf dem Parkplatz stand.
»Du weißt es nicht ... oder?«, fragte der Typ, und seine Augen wurden größer, die Goldsprenkel funkelten.
»Was weiß ich nicht?«, gab sie zurück, war aber in Gedanken bei ihrer Mutter und der Tatsache, dass sie sie nicht einmal zum Abschied umarmt hatte. Warum hatte ihre Mutter ihr das angetan? Warum hatten ihre Eltern entschieden, sich zu trennen? Warum musste das alles passieren? Der vertraute Kloß, der ›Muss-gleich-weinen-Kloß‹, bildete sich in ihrem Hals.
Er schaute zur Tür, und Kylie folgte seinem Blick. Miranda und die Blasse standen immer noch da. Waren alle drei schon öfter zusammen im Camp gewesen und waren jetzt eine Clique und sie die Neue? Die Neue, auf der sie jetzt rumhacken konnten?
Die Stimme der Frau hinter der Kasse wurde lauter: »Hey, willst du die Kaugummis jetzt kaufen, oder nicht?«
Kylie drehte sich wieder um und legte ein paar Münzen auf die Theke. Dann ging sie - ohne ihr Wechselgeld. Sie rauschte mit erhobenem Kopf an Miranda und dem anderen Mädchen vorbei. Sie traute sich nicht zu blinzeln, aus Angst, die Bewegung ihrer Lider könnte die Tränen schneller kommen lassen.
Dabei war es gar nicht deren herablassende Art, die sie zum Weinen bringen könnte. Es waren ihre Mutter, ihr Vater, Oma, Trey, der Stalker und jetzt auch noch ihre Sorge um Sara. Kylie war es so was von egal, ob diese Psychos sie mochten oder nicht.
...
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
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Autoren-Porträt von C. C. Hunter
Hunter, C.C.Schon als Kind liebte C.C. Hunter Glühwürmchen, lief am liebsten barfuß und rettete mögliche Märchenprinzen in Form von Fröschen vor ihren Brüdern. Auch wenn sie heute meist Schuhe trägt, ist sie immer noch von Glühwürmchen fasziniert. Sie rettet inzwischen nicht mehr nur Frösche, sondern auch andere Tiere, und hat einen Märchenprinzen gefunden. Mit ihm, drei Katzen und einem Hund lebt sie in Texas - und wenn sie nicht gerade liest, schreibt oder Zeit mit ihrer Familie verbringt, fotografiert sie gerne. Hamer, TanjaTanja Hamer, Jahrgang 1980, hat ihr Anglistikstudium in Mainz absolviert und arbeitet seit 2012 als selbständige Übersetzerin. Sie lebt mit ihrer Familie in München.
Bibliographische Angaben
- Autor: C. C. Hunter
- 2012, 8. Aufl., 512 Seiten, Maße: 12,5 x 20,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Hamer, Tanja
- Übersetzer: Tanja Hamer
- Verlag: Fischer FJB
- ISBN-10: 384142127X
- ISBN-13: 9783841421272
- Erscheinungsdatum: 19.06.2012
Rezension zu „Shadow Falls Camp Band 1: Geboren um Mitternacht “
Mitarbeitertipp von Astrid Weninger aus der Weltbild Redaktion:Fantasy Fans aufgepasst! Hier handelt es sich um den absolut mitreißenden Auftakt zur fünfteiligen Fantasy Serie rund um das Shadow Falls Camp und die 16-jährige Kylie, die von ihrer Mutter unfreiwillig in das Sommercamp Shadow Falls für schwierige Jugendliche geschickt wird. Dort angekommen lernt sie schnell, dass es sich eigentlich um ein Camp für übernatürliche Wesen handelt und es jetzt ihre Aufgabe ist, herauszufinden, wer oder was sie eigentlich wirklich ist. Ungemein spannend, witzig und flüssig erzählt ist dieses Buch ein absoluter Pageturner, den ich kaum aus der Hand legen konnte. Klare Kaufempfehlung für alle Fantasy-Liebhaber!
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