Showdown
Der Kampf um Europa und unser Geld. Wie Sie am besten durch die Krise kommen
Als "Mr. Dax" ist Dirk Müller einer der renommiertesten Börsenexperten. Hier spricht er Klartext und präsentiert das Ergebnis jahrelanger Recherchen: In der unübersichtlichen Wirtschaftkrise spielt sich ein Krimi ab, in dem es um...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Showdown “
Als "Mr. Dax" ist Dirk Müller einer der renommiertesten Börsenexperten. Hier spricht er Klartext und präsentiert das Ergebnis jahrelanger Recherchen: In der unübersichtlichen Wirtschaftkrise spielt sich ein Krimi ab, in dem es um nichts weniger geht als um Zugang zu Bodenschätzen, um Währungsrecht und um politische Dominanz. Ein Krimi, in dem die Reichen absurd reich sind und der Rest immer ärmer wird. Dazu: Die besten Tipps, wie Sie Ihr Geld am besten durch die Krise bringen.
"Showdown macht aus der Euro-Krise einen Krimi der Weltpolitik."
WIRTSCHAFTSWOCHE
Klappentext zu „Showdown “
Dirk Müller - "Mr. Dax", Bestsellerautor, Deutschlands populärster Wirtschaftserklärer - schildert den zweiten Akt des Währungs- und Wirtschaftsdramas, das seinen Schauplatz längst von den USA nach Europa verlagert hat. Er rekapituliert die fundamentalen Fehlentscheidungen bei der Konstruktion des Euro, zeigt auf, welche Triebkräfte am Werk waren, wer Profit daraus zog und wer heute ein massives Interesse am Zerfall eines starken europäischen Währungs- und Wirtschaftsraumes hat. Denn die aktuelle Krise ist nicht nur das Ergebnis maßloser Staatsschulden, sie ist auch Ausdruck eines amerikanisch-europäischen Wirtschaftskrieges, der hinter den Kulissen tobt. Müller zeigt, welche Möglichkeiten Europa und Deutschland offenstehen, er benennt Chancen und Gefahren.
Lese-Probe zu „Showdown “
Showdown von Dirk MüllerShowdown - der entscheidende Machtkampf. Einen besseren Titel für das Buch hätten wir in diesen Tagen kaum finden können. Er beschreibt exakt die aktuelle Entwicklung nicht nur in Europa. Da wir so sehr mit unseren hauseigenen Problemen rund um die Eurozone beschäftigt sind, übersehen wir gelegentlich, in welchem großen Gesamtzusammenhang sich diese Ereignisse abspielen. Die ganze Welt befindet sich in einer entscheidenden Phase. Die wirtschaftlichen Achsen und mit ihnen die Machtachsen verschieben sich, und niemand weiß zuverlässig vorherzusagen, wo sie sich am Ende auspendeln werden. Viele glauben zu beobachten, dass sich diese Achsen vom Westen um das große Zentrum USA nach Osten in Richtung des Kristallisationskerns China verschieben werden. Aber ist wirklich anzunehmen, dass Amerika da einfach zusieht, wie die Macht nach China wechselt? Ist es nicht naiv, anzunehmen, dass die USA sich auf den Standpunkt zurückziehen: »Wir haben hundert Jahre Spaß gehabt, jetzt sind die Chinesen auch mal dran, das ist nur fair!«? Die Welt wird neu sortiert. Wir befinden uns mitten im Qualifying um die Poleposition.
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Jetzt entscheidet sich, wer in den nächsten Jahrzehnten die Welt dominieren wird. Und dieses Qualifikationsrennen wird mit allen Mitteln und maximaler Härte gefahren. Wer beim Überholvorgang im Weg steht, wird gnadenlos an die Bande gedrückt. Seit Anbeginn der Zivilisation versucht jede Großmacht alles in ihrer Macht Stehende, um ihre Dominanz zu erweitern oder zumindest zu erhalten. Hierzu wird jede militärische, politische, mediale und geheimdienstliche Option ausgeschöpft. Wie realistisch ist es, anzunehmen, dass in einer solchen heißen Phase der Bereich Wirtschaft - das Herz-Kreislauf- System unserer Welt - ausgeklammert bliebe? Die Armeen werden auf diesem Schlachtfeld »Finanzhäuser« genannt. Statt einer Flotte kommen Ratingagenturen, Notenbanken und Währungsorganisationen zum Einsatz. Die realen Armeen sind jedoch auch heute noch das letzte Mittel, wenn die anderen Einheiten in ihrer Wirkung versagt haben. Fällt Ihnen auf, dass »epochale Ereignisse« rund um den Globus sich häufen, und zwar in atemberaubender Geschwindigkeit?
In Nordafrika wurden binnen Monaten reihenweise Regime hinweggefegt, die seit Jahrzehnten stabil im Sattel saßen. Der Nahe Osten entwickelt sich vom Pulverfass zum Inferno, Japan und China stehen sich feindselig gegenüber wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, und Europa rauscht im Höllentempo in eine Situation, die wir noch vor zwei Jahren für unvorstellbar hielten. Ist es nicht schon ein deutliches Signal, dass die Schweizer Armee im Herbst 2012 militärische Übungen zur Abwehr von Flüchtlingsströmen aus Europa abhält? Wir stehen vor jenem Showdown, an dessen Ende die Entscheidung fällt, wer künftig die Welt anführt und wer auf den Plätzen landet. Vor diesem Hintergrund müssen wir alle größeren Entwicklungen dieser Zeit betrachten. Machen wir nicht den Fehler, alle Themen rund um Euro, Europa, China und Amerika nur durch die Brille der Wirtschaft zu sehen. Es geht in dieser Phase der Weltgeschichte um grundlegende geostrategische Interessen der verschiedensten Spieler. Der große Croupier greift in dieser Zeit wesentlich häufiger als sonst in die Rouletteschale und schubst die Kugel, wenn ihm das zu erwartende Ergebnis nicht gefällt. Diese Erkenntnis und der stete Blick auf die geostrategischen Interessen gilt es zwingend im Auge zu behalten, wenn wir die aktuellen und anstehenden Entwicklungen verstehen wollen. Stellen Sie sich bei allen neuen Entwicklungen stets die Frage: Cui bono? - Wem nutzt es?
Doch beginnen wir unsere Betrachtung rund um die Welt vor der eigenen Haustür. Europa steht am Scheideweg und wir, seine Bürger, mit beiden Beinen im Morast. Wenn Sie auf einen Sumpf zukommen, haben Sie in der Regel die Möglichkeit, rechts oder links um den Sumpf herumzugehen. Die dümmste Idee wäre es, aus Bequemlichkeit den vermeintlich kürzesten Weg geradeaus durch ebenjenen Sumpf einzuschlagen. Europa steht vor derselben Entscheidung, doch leider können wir uns bislang weder für rechts noch für links entscheiden und marschieren, lautstark debattierend, weiter geradeaus. Dass dies in einer Tragödie enden muss, ist jedem objektiven Beobachter klar, aber das Rufen und Mahnen bleibt ungehört in der lautstarken Diskussion. Internationale Banken und Spekulanten, aber auch Großmächte mit eigener Interessenlage sitzen bereits wie die Geier auf den umstehenden Bäumen und wetzen die Schnäbel. Sie alle freuen sich auf die leckere Mahlzeit, die ihnen hier angerichtet wird. Der größte Hemmschuh und somit auch das umstrittenste Thema im europäischen Einigungsprozess ist der Euro. Sein Sinn oder Unsinn wird allerorten heiß diskutiert, und fragt man die Menschen auf der Straße, so sind sie hin- und hergerissen. Die einen sind strikte Euro-Gegner, die anderen finden ihn eigentlich ganz gut, die richtigen Hintergründe des Euro versteht niemand so recht, und das macht es schwer, eine klare Position zu beziehen. Folglich ranken sich viele Mythen und Behauptungen um jenen Euro. Wenn man die aktuellen Entwicklungen in Europa verstehen möchte, ist es ungeheuer wichtig, die Zusammenhänge des Euro zu kennen. Aber der Reihe nach, und dazu beginnen wir am besten ganz vorne.
Als vor 13,7 Milliarden Jahren der Urknall ... Stopp! Ganz so weit vorne zu beginnen würde dann doch die Kapazitäten dieses Buches sprengen, obwohl wir uns ja eigentlich schon an diese astronomischen Zahlen gewöhnt haben. Also spulen wir vor auf das Jahr 1989 nach Christus. Eine sensationelle Situation hatte sich ergeben. Der Kalte Krieg war gewonnen, das sowjetische Imperium zog sich immer weiter auf sein Kerngebiet zurück, und als Nebenprodukt ergab sich die historische Chance, einen dunklen Fleck vom ach so schmuddeligen Kleid der deutschen Geschichte zu entfernen. Für einen kurzen Moment öffnete sich ein Zeitfenster, und es bestand die einmalige Gelegenheit, die jahrzehntelange gewaltsame und künstliche Aufteilung eines Volkes rückgängig zu machen. Die deutsche Teilung konnte aufgehoben werden. Die Wiedervereinigung war zum Greifen nahe. Die Sowjets, die diese Teilung zu verantworten hatten, waren einverstanden. Wir lagen uns am Brandenburger Tor in den Armen, begrüßten hupend und winkend jeden Trabi, der uns auf der westdeutschen Autobahn begegnete, und waren davon überzeugt, dass die westlichen Alliierten mit ebenso großer Begeisterung und wehenden Fahnen mit uns diese Wiedervereinigung feiern würden. Doch da erlebten wir plötzlich eine schockierende Ernüchterung. Nicht die Sowjets waren der große Hemmschuh, sondern ausgerechnet diejenigen, von denen wir die ganze Zeit annahmen, dass sie in allen Belangen unsere Freunde und Waffenbrüder seien. Die Franzosen stellten sich als der größte Felsblock auf dem Weg zur ersten gesamtdeutschen Fanmeile am Brandenburger Tor heraus. Was mag wohl im Kopf des französischen Präsidenten Mitterrand vorgegangen sein, als der amerikanische Präsident Ronald Reagan am 12. Juni 1987 in seiner legendären Rede vor dem Brandenburger Tor rief: »Mr. Gorbachev, come here to this gate! Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!« Mag er gedacht haben: Um Gottes willen! Nur das nicht!? - Wir werden es wohl nie erfahren. Was sich aber dann in den Verhandlungstagen um die deutsche Wiedervereinigung abspielte, das erfahren wir inzwischen durch Zeitzeugen, die damals dabei waren und heute - mit entsprechendem zeitlichem Abstand - freier reden können.
Die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens waren keineswegs begeistert von einer deutschen Wiedervereinigung. Die damalige britische Regierungschefin Margaret Thatcher, die »Eiserne Lady«, erklärte, dass Deutschland seit den Zeiten Bismarcks ein unberechenbarer Faktor in Europa sei und ein wiedervereinigtes Deutschland erneute Risiken für ein friedliches Europa mit sich brächte. Sie wird zitiert mit den Worten: »Wir haben Deutschland zweimal besiegt, und jetzt sind sie schon wieder da!« Erst das klare Bekenntnis der USA zu einem einzigen Deutschland hat Großbritannien am Ende einlenken lassen, um es sich mit dem großen Bruder nicht zu verscherzen. Für die USA war eine Erweiterung der NATO und der eigenen Einflusssphäre in Richtung Moskau eine zu verlockende Aussicht, als dass man all das innereuropäischen Bedenkenträgern hätte überlassen dürfen. Zu diesen Bedenkenträgern gehörten in vorderster Front eben auch unsere direkten Nachbarn, die Franzosen. Wenige Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs war das Misstrauen gegen den einstigen Erzfeind trotz aller Waldspaziergänge und Saumagenessen mit dem »großen und bekennenden Europäer« Helmut Kohl längst noch nicht ausgeräumt. Es wird der lange zuvor vom französischen Literaturnobelpreisträgers François Mauriac geprägte Satz überliefert, der die Befindlichkeit vieler Franzosen und anderer Europäer in jenen Tagen nur zu gut wiedergibt: »Ich liebe Deutschland. Ich liebe es so sehr, dass ich zufrieden bin, dass es zwei davon gibt.« Nach den dramatischen und sich überschlagenden Ereignissen um den Mauerfall 1989, von dem jeder gleichermaßen überrascht war, folgten in den kommenden Monaten die Gespräche und Verhandlungen über die weitere politische Entwicklung Deutschlands.
Da hier viele internationale Interessen eingebunden waren, liefen die wichtigsten Verhandlungen in den sogenannten Zwei-plus-Vier-Gesprächen ab. Hier saßen die beiden deutschen Staaten (Bundesrepublik Deutschland + Deutsche Demokratische Republik) und die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs (Sowjetunion, USA, Frankreich und Großbritannien) mit am Tisch. Als sich auch noch Italien und die Niederlande mit einmischen wollten, soll der heute legendäre Außenminister Hans-Dietrich Genscher (genau, der mit dem gelben Pullunder) seinen niederländischen Amtskollegen mit den Worten »You are not part of the game« (ihr seid nicht Teil des Spiels) aus den Gesprächen ausgeschlossen haben. Die Franzosen bestanden am Ende darauf, einer Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten nur zuzustimmen, wenn Deutschland sich für alle Zeiten und unwiderruflich in das europäische Haus integrieren würde. Dazu fand Kohl sich bereit. Er war schon früh ein Verfechter einer echten europäischen Union: eines Verbunds mit gemeinsamer Außen- und Finanzpolitik und in vielen Punkten aneinander angepassten Systemen. Doch das war den Franzosen wieder zu viel Gekuschel. Schließlich sollte sich ja niemand über Gebühr in die inneren Angelegenheiten der Grande Nation einmischen.
Für Frankreich gab es nur eine Lösung: eine gemeinsame Währung, den Euro - aber das bitte ohne politische Mitsprache. Dass so etwas von vornherein zum Scheitern verurteilt sein muss, dürfte jedem klar sein, der sich ein wenig mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen beschäftigt, zu denen wir im Laufe der nächsten Seiten noch kommen werden. Man muss schon Traumtänzer oder Politiker sein, um ein solches Konstrukt für sinnvoll zu erachten. Vermutlich genügt auch das noch nicht, und man braucht einen politischen Traumtänzer dafür. Es gab nämlich sehr wohl Politiker, die diese drohenden Konsequenzen realistisch heraufziehen sahen. Ebenjener Helmut Kohl war gezwungen, sehenden Auges eine Entscheidung mit langfristig katastrophalen Folgen zu treffen. Dass er sich über die Folgen einer zu frühen Währungsunion im Klaren war, zeigt noch Monate nach Inkrafttreten des Zweiplus- Vier-Vertrags seine Rede im Deutschen Bundestag vom 6. November 1991: »Man kann dies nicht oft genug sagen. Die Politische Union ist das unerlässliche Gegenstück zur Wirtschafts- und Währungsunion. Die jüngere Geschichte, und zwar nicht nur die Deutschlands, lehrt uns, dass die Vorstellung, man könne eine Wirtschafts- und Währungsunion ohne Politische Union auf Dauer erhalten, abwegig ist.« Doch Kohl fand damit kaum Gehör. Mitterrand bestand auf seinen Bedingungen: »Ihr bekommt die Wiedervereinigung nur, wenn ihr auf die D-Mark verzichtet.« Kohl befand sich nun vor der schweren Entscheidung: Wiedervereinigung und dafür die Deutsche Mark aufgeben oder auf die Mark bestehen und die Wiedervereinigung gefährden. Wir alle wissen, wie er sich entschieden hat. Vermutlich hätten wir weit höhere Preise für diese Wiedervereinigung bezahlt, weswegen es auch müßig ist, über diesen Konstruktionsfehler aus längst vergangenen Tagen zu streiten. Umso mehr verwundert es aber, dass immer wieder der eine oder andere Politiker diesen Zusammenhang zwischen Euro und Wiedervereinigung bestreitet - aus welchen Gründen auch immer.
Wer aber noch auf eine endgültige Bestätigung dieser Verkettung von offizieller Seite wartete, der bekam sie im August 2011, als sich Robert Zoellick während einer öffentlichen Rede im australischen Sydney in bis dato so noch nicht gehörter Klarheit dazu äußerte. Robert Zoellick war von 2007 bis 2012 Präsident der Weltbank. Viel interessanter für uns ist jedoch seine Rolle als Chefunterhändler der USA während der Zwei-plus-Vier-Gespräche, in denen die deutsche Wiedervereinigung ausgehandelt wurde. 1992 wurde er dafür von Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Der Mann sollte also wissen, was damals wirklich gesprochen wurde, er war ja schließlich dabei. Zoellick erklärte, es gebe keinen Zweifel daran, dass der Euro das Ergebnis der deutsch-französischen Spannungen im Vorfeld der Wiedervereinigung war mit dem Ziel, Mitterrands Sorgen vor einem allzu mächtigen Deutschland zu zerstreuen. Nach Zoellicks Worten war der Euro ganz offenkundig ein Beiprodukt der deutschen Wiedervereinigung. »Es war sehr klar, dass die europäische Einheitswährung aus den französisch- deutschen Spannungen vor der Wiedervereinigung resultierte und dazu gedacht war, Mitterrands Angst vor einem allzu mächtigen Deutschland zu beruhigen.« Im persönlichen Gespräch bestätigte mir ein damals beteiligter Minister, dass es genau so war. »Sie werden darüber jedoch niemals ein Dokument finden, denn es gab keines. Es war ein Versprechen zweier Staatsmänner, auf dessen Einhaltung auf diplomatischer Ebene Verlass ist.« Natürlich hatte Helmut Kohl gehofft, dass in den folgenden Jahren noch die so dringend notwendige politische Union folgen würde, bevor die Zerreißkräfte durchschlügen, die eine falsche Währung erzeugt. Dass also die Menschen und ihre Staaten enger zusammenrücken würden, wenn sie erst einmal eine gemeinsame Währung hätten. Aber hier hegte Kohl eine falsche Hoffnung, und es zeigte sich einmal mehr, dass die Politik, solange es irgend geht, den bequemsten Weg wählt. Und diesen bequemen Weg haben die europäischen Politiker mit Wonne gewählt. Der Euro an sich ist gar nicht das Problem, das Problem bestand von Anfang an in einer völlig falschen Reihenfolge in der Konstruktion »Gemeinsames Europa«.
Erst hätte die politische und steuerliche Einigung erfolgen müssen und dann, als Schlussstein im europäischen Haus, der Euro als gemeinsame Währung und Symbol eines einigen Europa. Der Schlussstein im Torbogen hält die gesamte zuvor gebaute Konstruktion zusammen. Setzt man diesen gewölbten Schlussstein jedoch in das Fundament des Bogens ein, wird das ganze Bauwerk misslingen und einstürzen. Es war nicht nur Helmut Kohl, der diesen großen Konstruktionsfehler erkannte. Viele namhafte Ökonomen haben in jenen Gründungsjahren des Euro eindringlich vor den langfristigen Folgen einer verfrühten Währungsunion gewarnt. Hans-Werner Sinn führt in seinem Buch »Die Target-Falle« hierzu den damaligen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer, aber auch Ökonomen wie Milton Friedman, Martin Feldstein und Joachim Starbatty an. Sinn zitiert den Soziologen Ralf Dahrendorf mit den Worten: »Die Währungsunion ist ein großer Irrtum, ein abenteuerliches, waghalsiges und verfehltes Ziel, das Europa nicht eint, sondern spaltet.« Das war 1995. Welch hellsichtige Einschätzung. 1998 gab es einen öffentlichen Aufruf von 155 Ökonomen gegen diese viel zu frühe Einführung des Euro. Sie wurden von den Politikern ebenso arrogant beiseitegewischt wie ein Vorstoß im Sommer 2012, als sich Sinn im Verbund mit weiteren 160 Wirtschaftswissenschaftlern gegen die aktuelle Eurokrisen-Politik aussprach. Möglicherweise wird man auch ihnen in zehn Jahren recht geben, und dann wird ebenfalls wieder jeder von sich behaupten, es gewusst zu haben.
Eine Entschuldigung bei den Geschmähten und der Lächerlichkeit preisgegebenen Männern, die nichts anderes taten, als die Situation richtig einzuschätzen und dies kundzutun, erwartet man bis heute vergebens. Man mag sagen, dass es am Ende doch gar keine Rolle spielt, wo dieser Euro seinen geschichtlichen Ursprung hat. Wir haben ihn jetzt nun mal an der Backe kleben und müssen sehen, wie wir damit klarkommen. Ich denke jedoch, dass es sehr wichtig ist, zu erkennen, dass die Gemeinschaftswährung keine kluge Entscheidung von Wirtschaftsexperten oder Finanzwissenschaftlern war, sondern das genaue Gegenteil. Die Politik hat sich über den wirtschaftlichen Sachverstand hinweggesetzt. Wie immer, wenn so etwas geschieht, führt das über kurz oder lang zu wirtschaftlichen Verwerfungen und Schmerzen für die Gesellschaft. Doch wenn eine politische Entscheidung einmal gefällt ist, dann genügen aller Sachverstand und alle Logik nicht, um diesen falschen Weg zu beenden. Erst die offensichtliche und nicht mehr zu verdrängende Katastrophe führt zu überraschtem Entsetzen und hektischer Aktivität, wobei die Politik so lange wie möglich versucht, keine Fehler einzugestehen und sich irgendwie aus dieser Misere herauszuwurschteln. Manch ein Vertreter der Zunft nimmt sich da sogar gerne die Kinder auf dem Spielplatz als Vorbild, hält sich die Augen zu und ruft: »Wenn ich dich nicht sehe, siehst du mich auch nicht!« In Politikersprache übersetzt heißt das dann: »Eurokrise? Welche Eurokrise? Es gibt keine Eurokrise!« So geäußert von Italiens Ex-Präsident Mario Monti, Bundeskanzlerin Angela Merkel, EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen und so weiter. Bei einer solchen Herangehensweise ist klar, dass man von den Entwicklungen völlig überrascht wird. Das führt zu so ulkigen Einschätzungen wie: »Der Euro hat zehn Jahre toll funktioniert, und so plötzlich wie unerwartet kommen hier Probleme auf, an denen nur die Banken und die Ratingagenturen schuld sind.« Aber schauen wir doch mal, wo das Kernproblem der gemeinsamen Währung liegt.
Jede Wirtschaftsregion (Region mit gemeinschaftlichen Regeln und Zusammenarbeit) braucht die Währung, die zu seiner Leistungsfähigkeit passt. Ansonsten führt es zu schweren Problemen. Was in diesen beiden Sätzen so schrecklich abstrakt klingt, ließ sich wunderbar in einem kleinen realen Experiment an unserer deutschen Südgrenze beobachten. Im Jahr 2008 stand der Euro bei 1,60 Schweizer Franken. Das bedeutet, man musste für einen Euro genau einen Franken und 60 Rappen berappen. In den zehn Jahren zuvor pendelte dieser Wechselkurs gemächlich zwischen 1,45 und 1,70. Die Schweizer Wirtschaft entwickelte sich prächtig, und der Export (vornehmlich in die Eurozone) lief glänzend. Doch Ende 2008, Anfang 2009 fingen die Menschen in der Eurozone an, ihrer Währung zu misstrauen. Wie immer in solchen Zeiten sucht man nach Sicherheit, und dann fällt einem sogleich die Trutzburg in den Alpen ein. Die politisch stabile Schweiz mit den sicheren Banken und den vertrauenerweckenden Fränkli, seit vielen Jahrzehnten Inbegriff der Stabilität. In der Folge kauften viele EUROpäer jene Franken und gaben dafür nur allzu gerne ihre Euros her. Wie immer, wenn viele das Gleiche wollen, steigt der Preis. Der Franken wurde immer beliebter und somit immer teurer. Man bekam für einen Euro nur noch 1,40 SFr. (Schweizer Franken), im Jahr 2010 noch 1,30 SFr. 2011 brachen schließlich alle Dämme. Die Flucht in den Schweizer Franken wurde zur Massenbewegung. Inzwischen verschoben die Griechen riesige Summen in die Alpen, um sich vor einer möglichen Zwangsumstellung auf die Griechische Drachme zu schützen. Auch hier bemühen wir wieder ein Bild vom Kinderspielplatz. Sie kennen diese Wippbalken, die wie eine große Waage funktionieren. Geht es mit dem einen Balkenende nach oben, geht es für den anderen nach unten. Der Euro stürzte ab, und der Schweizer Franken schoss durch die Decke. Diese Decke erreichte er für wenige Tage im August 2011, als es für einen Euro nur noch einen Schweizer Franken gab. An der Börse nennt man diese Situation Parität - Gleichstand. Was aber beim Fußball für eine versöhnliche Feier beider Mannschaften führt, hatte für die Schweizer Wirtschaft schwerwiegende Folgen.
© 2013 Droemer Verlag Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Jetzt entscheidet sich, wer in den nächsten Jahrzehnten die Welt dominieren wird. Und dieses Qualifikationsrennen wird mit allen Mitteln und maximaler Härte gefahren. Wer beim Überholvorgang im Weg steht, wird gnadenlos an die Bande gedrückt. Seit Anbeginn der Zivilisation versucht jede Großmacht alles in ihrer Macht Stehende, um ihre Dominanz zu erweitern oder zumindest zu erhalten. Hierzu wird jede militärische, politische, mediale und geheimdienstliche Option ausgeschöpft. Wie realistisch ist es, anzunehmen, dass in einer solchen heißen Phase der Bereich Wirtschaft - das Herz-Kreislauf- System unserer Welt - ausgeklammert bliebe? Die Armeen werden auf diesem Schlachtfeld »Finanzhäuser« genannt. Statt einer Flotte kommen Ratingagenturen, Notenbanken und Währungsorganisationen zum Einsatz. Die realen Armeen sind jedoch auch heute noch das letzte Mittel, wenn die anderen Einheiten in ihrer Wirkung versagt haben. Fällt Ihnen auf, dass »epochale Ereignisse« rund um den Globus sich häufen, und zwar in atemberaubender Geschwindigkeit?
In Nordafrika wurden binnen Monaten reihenweise Regime hinweggefegt, die seit Jahrzehnten stabil im Sattel saßen. Der Nahe Osten entwickelt sich vom Pulverfass zum Inferno, Japan und China stehen sich feindselig gegenüber wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, und Europa rauscht im Höllentempo in eine Situation, die wir noch vor zwei Jahren für unvorstellbar hielten. Ist es nicht schon ein deutliches Signal, dass die Schweizer Armee im Herbst 2012 militärische Übungen zur Abwehr von Flüchtlingsströmen aus Europa abhält? Wir stehen vor jenem Showdown, an dessen Ende die Entscheidung fällt, wer künftig die Welt anführt und wer auf den Plätzen landet. Vor diesem Hintergrund müssen wir alle größeren Entwicklungen dieser Zeit betrachten. Machen wir nicht den Fehler, alle Themen rund um Euro, Europa, China und Amerika nur durch die Brille der Wirtschaft zu sehen. Es geht in dieser Phase der Weltgeschichte um grundlegende geostrategische Interessen der verschiedensten Spieler. Der große Croupier greift in dieser Zeit wesentlich häufiger als sonst in die Rouletteschale und schubst die Kugel, wenn ihm das zu erwartende Ergebnis nicht gefällt. Diese Erkenntnis und der stete Blick auf die geostrategischen Interessen gilt es zwingend im Auge zu behalten, wenn wir die aktuellen und anstehenden Entwicklungen verstehen wollen. Stellen Sie sich bei allen neuen Entwicklungen stets die Frage: Cui bono? - Wem nutzt es?
Doch beginnen wir unsere Betrachtung rund um die Welt vor der eigenen Haustür. Europa steht am Scheideweg und wir, seine Bürger, mit beiden Beinen im Morast. Wenn Sie auf einen Sumpf zukommen, haben Sie in der Regel die Möglichkeit, rechts oder links um den Sumpf herumzugehen. Die dümmste Idee wäre es, aus Bequemlichkeit den vermeintlich kürzesten Weg geradeaus durch ebenjenen Sumpf einzuschlagen. Europa steht vor derselben Entscheidung, doch leider können wir uns bislang weder für rechts noch für links entscheiden und marschieren, lautstark debattierend, weiter geradeaus. Dass dies in einer Tragödie enden muss, ist jedem objektiven Beobachter klar, aber das Rufen und Mahnen bleibt ungehört in der lautstarken Diskussion. Internationale Banken und Spekulanten, aber auch Großmächte mit eigener Interessenlage sitzen bereits wie die Geier auf den umstehenden Bäumen und wetzen die Schnäbel. Sie alle freuen sich auf die leckere Mahlzeit, die ihnen hier angerichtet wird. Der größte Hemmschuh und somit auch das umstrittenste Thema im europäischen Einigungsprozess ist der Euro. Sein Sinn oder Unsinn wird allerorten heiß diskutiert, und fragt man die Menschen auf der Straße, so sind sie hin- und hergerissen. Die einen sind strikte Euro-Gegner, die anderen finden ihn eigentlich ganz gut, die richtigen Hintergründe des Euro versteht niemand so recht, und das macht es schwer, eine klare Position zu beziehen. Folglich ranken sich viele Mythen und Behauptungen um jenen Euro. Wenn man die aktuellen Entwicklungen in Europa verstehen möchte, ist es ungeheuer wichtig, die Zusammenhänge des Euro zu kennen. Aber der Reihe nach, und dazu beginnen wir am besten ganz vorne.
Als vor 13,7 Milliarden Jahren der Urknall ... Stopp! Ganz so weit vorne zu beginnen würde dann doch die Kapazitäten dieses Buches sprengen, obwohl wir uns ja eigentlich schon an diese astronomischen Zahlen gewöhnt haben. Also spulen wir vor auf das Jahr 1989 nach Christus. Eine sensationelle Situation hatte sich ergeben. Der Kalte Krieg war gewonnen, das sowjetische Imperium zog sich immer weiter auf sein Kerngebiet zurück, und als Nebenprodukt ergab sich die historische Chance, einen dunklen Fleck vom ach so schmuddeligen Kleid der deutschen Geschichte zu entfernen. Für einen kurzen Moment öffnete sich ein Zeitfenster, und es bestand die einmalige Gelegenheit, die jahrzehntelange gewaltsame und künstliche Aufteilung eines Volkes rückgängig zu machen. Die deutsche Teilung konnte aufgehoben werden. Die Wiedervereinigung war zum Greifen nahe. Die Sowjets, die diese Teilung zu verantworten hatten, waren einverstanden. Wir lagen uns am Brandenburger Tor in den Armen, begrüßten hupend und winkend jeden Trabi, der uns auf der westdeutschen Autobahn begegnete, und waren davon überzeugt, dass die westlichen Alliierten mit ebenso großer Begeisterung und wehenden Fahnen mit uns diese Wiedervereinigung feiern würden. Doch da erlebten wir plötzlich eine schockierende Ernüchterung. Nicht die Sowjets waren der große Hemmschuh, sondern ausgerechnet diejenigen, von denen wir die ganze Zeit annahmen, dass sie in allen Belangen unsere Freunde und Waffenbrüder seien. Die Franzosen stellten sich als der größte Felsblock auf dem Weg zur ersten gesamtdeutschen Fanmeile am Brandenburger Tor heraus. Was mag wohl im Kopf des französischen Präsidenten Mitterrand vorgegangen sein, als der amerikanische Präsident Ronald Reagan am 12. Juni 1987 in seiner legendären Rede vor dem Brandenburger Tor rief: »Mr. Gorbachev, come here to this gate! Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!« Mag er gedacht haben: Um Gottes willen! Nur das nicht!? - Wir werden es wohl nie erfahren. Was sich aber dann in den Verhandlungstagen um die deutsche Wiedervereinigung abspielte, das erfahren wir inzwischen durch Zeitzeugen, die damals dabei waren und heute - mit entsprechendem zeitlichem Abstand - freier reden können.
Die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens waren keineswegs begeistert von einer deutschen Wiedervereinigung. Die damalige britische Regierungschefin Margaret Thatcher, die »Eiserne Lady«, erklärte, dass Deutschland seit den Zeiten Bismarcks ein unberechenbarer Faktor in Europa sei und ein wiedervereinigtes Deutschland erneute Risiken für ein friedliches Europa mit sich brächte. Sie wird zitiert mit den Worten: »Wir haben Deutschland zweimal besiegt, und jetzt sind sie schon wieder da!« Erst das klare Bekenntnis der USA zu einem einzigen Deutschland hat Großbritannien am Ende einlenken lassen, um es sich mit dem großen Bruder nicht zu verscherzen. Für die USA war eine Erweiterung der NATO und der eigenen Einflusssphäre in Richtung Moskau eine zu verlockende Aussicht, als dass man all das innereuropäischen Bedenkenträgern hätte überlassen dürfen. Zu diesen Bedenkenträgern gehörten in vorderster Front eben auch unsere direkten Nachbarn, die Franzosen. Wenige Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs war das Misstrauen gegen den einstigen Erzfeind trotz aller Waldspaziergänge und Saumagenessen mit dem »großen und bekennenden Europäer« Helmut Kohl längst noch nicht ausgeräumt. Es wird der lange zuvor vom französischen Literaturnobelpreisträgers François Mauriac geprägte Satz überliefert, der die Befindlichkeit vieler Franzosen und anderer Europäer in jenen Tagen nur zu gut wiedergibt: »Ich liebe Deutschland. Ich liebe es so sehr, dass ich zufrieden bin, dass es zwei davon gibt.« Nach den dramatischen und sich überschlagenden Ereignissen um den Mauerfall 1989, von dem jeder gleichermaßen überrascht war, folgten in den kommenden Monaten die Gespräche und Verhandlungen über die weitere politische Entwicklung Deutschlands.
Da hier viele internationale Interessen eingebunden waren, liefen die wichtigsten Verhandlungen in den sogenannten Zwei-plus-Vier-Gesprächen ab. Hier saßen die beiden deutschen Staaten (Bundesrepublik Deutschland + Deutsche Demokratische Republik) und die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs (Sowjetunion, USA, Frankreich und Großbritannien) mit am Tisch. Als sich auch noch Italien und die Niederlande mit einmischen wollten, soll der heute legendäre Außenminister Hans-Dietrich Genscher (genau, der mit dem gelben Pullunder) seinen niederländischen Amtskollegen mit den Worten »You are not part of the game« (ihr seid nicht Teil des Spiels) aus den Gesprächen ausgeschlossen haben. Die Franzosen bestanden am Ende darauf, einer Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten nur zuzustimmen, wenn Deutschland sich für alle Zeiten und unwiderruflich in das europäische Haus integrieren würde. Dazu fand Kohl sich bereit. Er war schon früh ein Verfechter einer echten europäischen Union: eines Verbunds mit gemeinsamer Außen- und Finanzpolitik und in vielen Punkten aneinander angepassten Systemen. Doch das war den Franzosen wieder zu viel Gekuschel. Schließlich sollte sich ja niemand über Gebühr in die inneren Angelegenheiten der Grande Nation einmischen.
Für Frankreich gab es nur eine Lösung: eine gemeinsame Währung, den Euro - aber das bitte ohne politische Mitsprache. Dass so etwas von vornherein zum Scheitern verurteilt sein muss, dürfte jedem klar sein, der sich ein wenig mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen beschäftigt, zu denen wir im Laufe der nächsten Seiten noch kommen werden. Man muss schon Traumtänzer oder Politiker sein, um ein solches Konstrukt für sinnvoll zu erachten. Vermutlich genügt auch das noch nicht, und man braucht einen politischen Traumtänzer dafür. Es gab nämlich sehr wohl Politiker, die diese drohenden Konsequenzen realistisch heraufziehen sahen. Ebenjener Helmut Kohl war gezwungen, sehenden Auges eine Entscheidung mit langfristig katastrophalen Folgen zu treffen. Dass er sich über die Folgen einer zu frühen Währungsunion im Klaren war, zeigt noch Monate nach Inkrafttreten des Zweiplus- Vier-Vertrags seine Rede im Deutschen Bundestag vom 6. November 1991: »Man kann dies nicht oft genug sagen. Die Politische Union ist das unerlässliche Gegenstück zur Wirtschafts- und Währungsunion. Die jüngere Geschichte, und zwar nicht nur die Deutschlands, lehrt uns, dass die Vorstellung, man könne eine Wirtschafts- und Währungsunion ohne Politische Union auf Dauer erhalten, abwegig ist.« Doch Kohl fand damit kaum Gehör. Mitterrand bestand auf seinen Bedingungen: »Ihr bekommt die Wiedervereinigung nur, wenn ihr auf die D-Mark verzichtet.« Kohl befand sich nun vor der schweren Entscheidung: Wiedervereinigung und dafür die Deutsche Mark aufgeben oder auf die Mark bestehen und die Wiedervereinigung gefährden. Wir alle wissen, wie er sich entschieden hat. Vermutlich hätten wir weit höhere Preise für diese Wiedervereinigung bezahlt, weswegen es auch müßig ist, über diesen Konstruktionsfehler aus längst vergangenen Tagen zu streiten. Umso mehr verwundert es aber, dass immer wieder der eine oder andere Politiker diesen Zusammenhang zwischen Euro und Wiedervereinigung bestreitet - aus welchen Gründen auch immer.
Wer aber noch auf eine endgültige Bestätigung dieser Verkettung von offizieller Seite wartete, der bekam sie im August 2011, als sich Robert Zoellick während einer öffentlichen Rede im australischen Sydney in bis dato so noch nicht gehörter Klarheit dazu äußerte. Robert Zoellick war von 2007 bis 2012 Präsident der Weltbank. Viel interessanter für uns ist jedoch seine Rolle als Chefunterhändler der USA während der Zwei-plus-Vier-Gespräche, in denen die deutsche Wiedervereinigung ausgehandelt wurde. 1992 wurde er dafür von Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Der Mann sollte also wissen, was damals wirklich gesprochen wurde, er war ja schließlich dabei. Zoellick erklärte, es gebe keinen Zweifel daran, dass der Euro das Ergebnis der deutsch-französischen Spannungen im Vorfeld der Wiedervereinigung war mit dem Ziel, Mitterrands Sorgen vor einem allzu mächtigen Deutschland zu zerstreuen. Nach Zoellicks Worten war der Euro ganz offenkundig ein Beiprodukt der deutschen Wiedervereinigung. »Es war sehr klar, dass die europäische Einheitswährung aus den französisch- deutschen Spannungen vor der Wiedervereinigung resultierte und dazu gedacht war, Mitterrands Angst vor einem allzu mächtigen Deutschland zu beruhigen.« Im persönlichen Gespräch bestätigte mir ein damals beteiligter Minister, dass es genau so war. »Sie werden darüber jedoch niemals ein Dokument finden, denn es gab keines. Es war ein Versprechen zweier Staatsmänner, auf dessen Einhaltung auf diplomatischer Ebene Verlass ist.« Natürlich hatte Helmut Kohl gehofft, dass in den folgenden Jahren noch die so dringend notwendige politische Union folgen würde, bevor die Zerreißkräfte durchschlügen, die eine falsche Währung erzeugt. Dass also die Menschen und ihre Staaten enger zusammenrücken würden, wenn sie erst einmal eine gemeinsame Währung hätten. Aber hier hegte Kohl eine falsche Hoffnung, und es zeigte sich einmal mehr, dass die Politik, solange es irgend geht, den bequemsten Weg wählt. Und diesen bequemen Weg haben die europäischen Politiker mit Wonne gewählt. Der Euro an sich ist gar nicht das Problem, das Problem bestand von Anfang an in einer völlig falschen Reihenfolge in der Konstruktion »Gemeinsames Europa«.
Erst hätte die politische und steuerliche Einigung erfolgen müssen und dann, als Schlussstein im europäischen Haus, der Euro als gemeinsame Währung und Symbol eines einigen Europa. Der Schlussstein im Torbogen hält die gesamte zuvor gebaute Konstruktion zusammen. Setzt man diesen gewölbten Schlussstein jedoch in das Fundament des Bogens ein, wird das ganze Bauwerk misslingen und einstürzen. Es war nicht nur Helmut Kohl, der diesen großen Konstruktionsfehler erkannte. Viele namhafte Ökonomen haben in jenen Gründungsjahren des Euro eindringlich vor den langfristigen Folgen einer verfrühten Währungsunion gewarnt. Hans-Werner Sinn führt in seinem Buch »Die Target-Falle« hierzu den damaligen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer, aber auch Ökonomen wie Milton Friedman, Martin Feldstein und Joachim Starbatty an. Sinn zitiert den Soziologen Ralf Dahrendorf mit den Worten: »Die Währungsunion ist ein großer Irrtum, ein abenteuerliches, waghalsiges und verfehltes Ziel, das Europa nicht eint, sondern spaltet.« Das war 1995. Welch hellsichtige Einschätzung. 1998 gab es einen öffentlichen Aufruf von 155 Ökonomen gegen diese viel zu frühe Einführung des Euro. Sie wurden von den Politikern ebenso arrogant beiseitegewischt wie ein Vorstoß im Sommer 2012, als sich Sinn im Verbund mit weiteren 160 Wirtschaftswissenschaftlern gegen die aktuelle Eurokrisen-Politik aussprach. Möglicherweise wird man auch ihnen in zehn Jahren recht geben, und dann wird ebenfalls wieder jeder von sich behaupten, es gewusst zu haben.
Eine Entschuldigung bei den Geschmähten und der Lächerlichkeit preisgegebenen Männern, die nichts anderes taten, als die Situation richtig einzuschätzen und dies kundzutun, erwartet man bis heute vergebens. Man mag sagen, dass es am Ende doch gar keine Rolle spielt, wo dieser Euro seinen geschichtlichen Ursprung hat. Wir haben ihn jetzt nun mal an der Backe kleben und müssen sehen, wie wir damit klarkommen. Ich denke jedoch, dass es sehr wichtig ist, zu erkennen, dass die Gemeinschaftswährung keine kluge Entscheidung von Wirtschaftsexperten oder Finanzwissenschaftlern war, sondern das genaue Gegenteil. Die Politik hat sich über den wirtschaftlichen Sachverstand hinweggesetzt. Wie immer, wenn so etwas geschieht, führt das über kurz oder lang zu wirtschaftlichen Verwerfungen und Schmerzen für die Gesellschaft. Doch wenn eine politische Entscheidung einmal gefällt ist, dann genügen aller Sachverstand und alle Logik nicht, um diesen falschen Weg zu beenden. Erst die offensichtliche und nicht mehr zu verdrängende Katastrophe führt zu überraschtem Entsetzen und hektischer Aktivität, wobei die Politik so lange wie möglich versucht, keine Fehler einzugestehen und sich irgendwie aus dieser Misere herauszuwurschteln. Manch ein Vertreter der Zunft nimmt sich da sogar gerne die Kinder auf dem Spielplatz als Vorbild, hält sich die Augen zu und ruft: »Wenn ich dich nicht sehe, siehst du mich auch nicht!« In Politikersprache übersetzt heißt das dann: »Eurokrise? Welche Eurokrise? Es gibt keine Eurokrise!« So geäußert von Italiens Ex-Präsident Mario Monti, Bundeskanzlerin Angela Merkel, EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen und so weiter. Bei einer solchen Herangehensweise ist klar, dass man von den Entwicklungen völlig überrascht wird. Das führt zu so ulkigen Einschätzungen wie: »Der Euro hat zehn Jahre toll funktioniert, und so plötzlich wie unerwartet kommen hier Probleme auf, an denen nur die Banken und die Ratingagenturen schuld sind.« Aber schauen wir doch mal, wo das Kernproblem der gemeinsamen Währung liegt.
Jede Wirtschaftsregion (Region mit gemeinschaftlichen Regeln und Zusammenarbeit) braucht die Währung, die zu seiner Leistungsfähigkeit passt. Ansonsten führt es zu schweren Problemen. Was in diesen beiden Sätzen so schrecklich abstrakt klingt, ließ sich wunderbar in einem kleinen realen Experiment an unserer deutschen Südgrenze beobachten. Im Jahr 2008 stand der Euro bei 1,60 Schweizer Franken. Das bedeutet, man musste für einen Euro genau einen Franken und 60 Rappen berappen. In den zehn Jahren zuvor pendelte dieser Wechselkurs gemächlich zwischen 1,45 und 1,70. Die Schweizer Wirtschaft entwickelte sich prächtig, und der Export (vornehmlich in die Eurozone) lief glänzend. Doch Ende 2008, Anfang 2009 fingen die Menschen in der Eurozone an, ihrer Währung zu misstrauen. Wie immer in solchen Zeiten sucht man nach Sicherheit, und dann fällt einem sogleich die Trutzburg in den Alpen ein. Die politisch stabile Schweiz mit den sicheren Banken und den vertrauenerweckenden Fränkli, seit vielen Jahrzehnten Inbegriff der Stabilität. In der Folge kauften viele EUROpäer jene Franken und gaben dafür nur allzu gerne ihre Euros her. Wie immer, wenn viele das Gleiche wollen, steigt der Preis. Der Franken wurde immer beliebter und somit immer teurer. Man bekam für einen Euro nur noch 1,40 SFr. (Schweizer Franken), im Jahr 2010 noch 1,30 SFr. 2011 brachen schließlich alle Dämme. Die Flucht in den Schweizer Franken wurde zur Massenbewegung. Inzwischen verschoben die Griechen riesige Summen in die Alpen, um sich vor einer möglichen Zwangsumstellung auf die Griechische Drachme zu schützen. Auch hier bemühen wir wieder ein Bild vom Kinderspielplatz. Sie kennen diese Wippbalken, die wie eine große Waage funktionieren. Geht es mit dem einen Balkenende nach oben, geht es für den anderen nach unten. Der Euro stürzte ab, und der Schweizer Franken schoss durch die Decke. Diese Decke erreichte er für wenige Tage im August 2011, als es für einen Euro nur noch einen Schweizer Franken gab. An der Börse nennt man diese Situation Parität - Gleichstand. Was aber beim Fußball für eine versöhnliche Feier beider Mannschaften führt, hatte für die Schweizer Wirtschaft schwerwiegende Folgen.
© 2013 Droemer Verlag Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
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Autoren-Porträt von Dirk Müller
Müller, DirkDirk Müller wird oft als "das Gesicht der Börse" bezeichnet. Nach dem Abitur und einer Bankausbildung begann 1992 seine Karriere an der Frankfurter Börse. Zunächst arbeitete er als Rentenhändler für verschiedene Unternehmen, bevor er 1998 amtlich vereidigter Kursmaklerstellvertreter und später Skontroführer wurde. Sein Wissen und seine Erfahrung werden allseits geschätzt; er ist ein gefragter Experte bei der Presse und im Fernsehen.
Autoren-Interview mit Dirk Müller
Warum heißt Ihr neues Buch „Showdown" - es ist ja ein Begriff aus dem Pokerspiel, der so viel bedeutet wie „die Karten offen auf den Tisch" legen?Dirk Müller: Das trifft es schon ein wenig, aber mehr noch denke ich dabei an den klassischen Showdown im Western. Es geht darum, dass gerade im Moment, während wir hier sprechen, sich die Machtachsen verschieben oder besser gesagt die Großmächte der Welt sich um die zukünftige wirtschaftliche Führungsposition streiten.
Und spielt Europa in diesem „Spiel der Großen" auch eine wichtige Rolle?
Europa kann sogar der lachende Dritte sein, wenn wir (Europäer) es nur richtig anpacken. Leider machen wir diesbezüglich gerade sehr viele Fehler. Wir lassen uns aktuell unsere Aktionen und Maßnahmen leider von externen Mächten diktieren. Die richtigen Maßnahmen für ein starkes Europa sind sicherlich nicht, mit dem Flammenschwert in Form von extremen Sparkursen unsere Wirtschaft abzuwürgen. Hierfür gibt es konkrete und vor allem sehr konstruktive Möglichkeiten, die ich in „Showdown" auch ausführlich beschreibe.
Wo und wie lange haben Sie dafür recherchiert?
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Dirk Müller: Ich arbeite ja seit Jahren im Finanzsektor, der bekanntlich mit dem politischen Bereich eng verbunden ist. Auch hierdurch habe ich ein großes und starkes Netzwerk aufgebaut. Wenn Sie so wollen, arbeite ich seit Beginn der Euro-Krise an diesem Buch. Ich habe das Glück, Einblick in viele Dinge zu haben, spreche mit vielen Menschen in hohen und höchsten Positionen. All das habe ich zusammengetragen zu einem großen Ganzen, dass ich auch in „Showdown" klar, verständlich und unterhaltsam zusammengetragen habe. Das Ganze liest sich eigentlich mehr wie ein spannender Wirtschaftskrimi - gewürzt mit einigen unterhaltsamen Anekdoten, Hintergrundinformationen und Exkursen.
Sie waren in Griechenland, um vor Ort mit unterschiedlichen Menschen zu sprechen und ihre Sicht auf die brisante Lage zu hören?
Dirk Müller: Ja, ich wollte mir ein eigenes, unabhängiges Bild von der Lage vor Ort machen. Nur so kann man auch mit Gewissheit sagen, dass man weiß, wovon man schreibt. Wir hatten dort die Möglichkeit, mit vielen verschiedenen Menschen aus ganz unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und Lebenssituationen sprechen zu können. So haben wir z.B. mit der ehemaligen Außenministerin Bakojannis, Geologen des griechischen geologischen Institutes, dem Microsoftchef für Zypern und Malta gesprochen, aber eben auch mit Lehrern, dem Inhaber eines Jachtclubs, mit den Betreibern einer Suppenküche und mit illegalen Einwanderern. Nur so kann man sich ein Gesamtbild machen. Und die Lage ist sehr ernst. Der griechische Ministerpräsident Samaras hat kürzlich gesagt, dass er Griechenland in „Weimarer Verhältnissen " sieht. Da kann ich nicht widersprechen. Aber: Griechenland ist nicht allein schuld an seiner Situation, sondern ist sowohl gefangen zwischen den Machtkämpfen um Rohstoff der Großmächte als auch dem Einfluss einer falschen Währung.
Auf Ihrer Website cashkurs.com gibt es zu Ihrer Reise auch Filme?
Das ist richtig. Wir hatten ein Kamerateam dabei, welches die Interviews und Gespräche dort aufgezeichnet hat, aber auch alleine unterwegs war und viele Eindrücke von Athen sammeln konnte. Herausgekommen sind wirklich tolle Dokumentationsfilme. An dieser Stelle nochmals vielen Dank und großes Kompliment an das Filmteam.
Sie schreiben in Ihrem Buch von „mehr und direkterer Demokratie". Wie ist das gemeint?
Dirk Müller: Es herrscht seit Jahren eine steigende Wahlverdrossenheit bei den Bürgern. Das hat meiner Meinung nach wenig mit Desinteresse zu tun, sondern viel mehr damit, nur einmal alle paar Jahre eine Stimme abgeben zu können, die eigentlich auch nicht wirklich gehört wird. Heute gibt es mit dem Internet so viele Möglichkeiten, schnell und effizient einzugreifen und seine Meinung zu sagen. Ich denke, dies möchten die Menschen viel stärker nutzen. Man will direkt zu Themen und Situationen gefragt werden und entscheiden bzw. beeinflussen können. Das heißt, die Menschen können sich an der aktuellen Politik direkt beteiligen, und eine halbe Stunde später schon wieder auf dem Fußballplatz stehen. Und wir sind heute auch technisch in der Lage, das organisieren zu können. Wir sind auf dem Weg zu einer dezentralen Weltordnung. Dezentrale Informationsverteilung (Internet), dezentrale Energiegewinnung (Solardächer und intelligente Stromnetze), dezentral vernetzte Arbeitswelten und eben dezentrale Politik, in der die Menschen eine echte realtime-Mitsprache haben.
Nun sind Sie ja auch vom Euro nicht wirklich begeistert - was wäre für Sie eine Alternative? Was halten Sie zum Beispiel von regionalen Währungen?
Dirk Müller: Vorweg. Ich bin begeisterter Europäer! Wichtig ist mir klarzustellen, dass Europa nicht gleich der „Euro" ist. Ganz im Gegenteil, man kann sogar fast sagen: „Wer für den Euro in seiner jetzigen Form ist, ist gegen Europa!" Eine klare Kernaussage meines neuen Buches „Showdown" ist - der Euro kann, so wie er heute ist, nicht funktionieren. Und ich zeige genau auf, warum er nicht funktionieren kann. Der Euro in seiner heutigen Form schnürt vielen Staaten praktisch den Atem ab, weil er für deren Wirtschaftsleistung einfach viel zu stark, für andere wie Deutschland zu schwach ist, was die Kaufkraft der Bürger schwächt. Die Schwankungen von Währungen untereinander haben vor allem eine Ausgleichsfunktion zwischen den Staaten. Z.B. haben Staaten mit einer etwas schwächeren Wirtschaftsleistung auch eine etwas schwächere Währung, hierdurch wird es für die anderen Staaten wieder interessanter, dort einzukaufen. In Europa brauchen wir eigentlich auch eine solche Vielfalt, um leben können. Wir brauchen kein gleichgeschaltetes Europa, wo alle im Gleichschritt marschieren - wir brauchen ein buntes Europa. Wie ein gesunder Mischwald: da wächst auch der eine schneller und der andere wird höher. Von dieser Unterschiedlichkeit profitieren am Ende alle. Und das ist gut so, das müssen wir schützen. Und fördern. Das geht aber nur, wenn man jedem seine Geschwindigkeit lässt, und das geht nur über unterschiedliche Währungen. Mehr zu diesem Thema und natürlich auch Alternativen und Lösungsmodelle gibt es in „Showdown" zu lesen.
Herr Müller Sie haben einmal gesagt, dass Sie als Kind Mathematik langweilig fanden. Ist das immer noch so?
Dirk Müller: Ja, ich finde die wissenschaftliche Mathematik als Selbstzweck auch heute noch langweilig. Allerdings gehört natürlich ein solides mathematisches Grundwissen zu meinem Beruf dazu. Für mich muss Mathematik einen praktischen Sinn haben - Mathematik wird spannend und interessant, wenn sich Zusammenhänge ergeben, wenn sie zu Erklärungen führt. Das ist das Problem der Mathematik in der Schule: das ist oft zu theoretisch. Solange sie mich weiter bringt, mag ich Mathematik.
Finanzthemen sind ja genau deshalb für viele Menschen ein Buch mit sieben Siegeln, weil es ihnen zu viel um Zahlen geht. Bei Ihnen ist das anders. Sie erklären mit vielen sehr unterhaltsamen Beispielen. Manchmal liest sich Ihr Buch fast wie ein „Reality Wirtschaftskrimi". War das Absicht?
Dirk Müller: Absolut. Wirtschaft darf Spaß machen. Denn Wirtschaft ist ja etwas ganz Praktisches und etwas was jeden Tag um uns herum passiert. Mein Ziel ist es, dass die Menschen sagen können: „Ach ja, jetzt hab ich es verstanden!". Denn nur so kann ich auch auf die Situationen reagieren und habe die Chance das Beste daraus zu machen. Denn Wirtschaft ist wie ein Krimi -es geht hier nicht um Zahlen, sondern um politische Machenschaften, um Geheimdienste, es geht darum, wie ein Land destabilisiert werden kann, fast wie in einem Krimi von John Grisham. Ist aber viel spannender, weil es dabei auch noch unser aller Alltag betrifft. Man muss eben deutlich benennen, was genau passiert. Dann macht das höllisch Spaß.
Wirtschaft ist also keine Geheimwissenschaft?
Dirk Müller: Auf keinen Fall!
Ihr Lieblingsfilm ist „Wall Street", die Geschichte des fiesen Börsenmaklers Gordon Gekko - was haben Sie mit ihm gemeinsam, bzw. was unterscheidet Sie beide?
Dirk Müller: Ich hoffe wir haben nichts gemeinsam! Ich bin zwar auch mit Herzblut Börsianer, aber einer der alten Schule, denn die Börse war früher ein unglaublich ehrenhafter Ort. Mit sehr viel Moral und sehr viel hanseatischer Kaufmannsehre. Man hat sich einfach nicht gegenseitig über den Tisch gezogen. Ich war ja amtlich vereidigter Kursmakler, meine Aufgabe war es, faire Kurse zu ermitteln. Käufer und Verkäufer gleichermaßen so zu behandeln, dass keiner benachteiligt wird. Ich musste die absolute Neutralität und die Fairness wahren. Dafür stand früher auch die Börse: für einen fairen Austausch von Interessen. Das hat sich heute leider in vielerlei Hinsicht geändert. Und ich rede immer noch das Wort für diese sinnvolle Finanzwelt, die eine produktive Aufgabe hat, aber auch gegen die Exzesse, die gesellschaftsschädigend sind.
Das hört sich sehr schön an - gibt es denn Hoffnung, dass das realisierbar ist?
Dirk Müller: Auf alle Fälle! Wir leben in der besten aller Welten, denn es gab nie eine bessere Zeit: Hygiene, Demokratie, Erziehung, Frauenrechte, Meinungsfreiheit, technische Möglichkeiten... Es gibt keine Zeit, in der ich lieber gelebt hätte. Das ist so, weil die Generationen vor uns in kleinen Schritten die Welt immer besser gemacht haben. Das sollten wir fortführen, damit die nach uns mal sagen: ja, das haben die gut gemacht.
Was würden Sie denn in der aktuellen Situation den Lesern für Ihre persönliche Finanzsituation raten?
Dirk Müller: Aktuell gibt es eigentlich nur einen Kurs den man einschlagen kann. Die Zeiten sind momentan so unsicher, dass es nicht darum gehen sollte, eine möglichst höhe Rendite zu machen, sondern der „Werterhalt" im Vordergrund steht. Und hier ist aktuell die beste Lösung in Sachwerte zu gehen. Also z.B. substanzstarke Aktien und diese in kritischen Marktphasen dann auch noch gegen Verluste abzusichern.
Es ist wichtig zu erkennen, dass die Lösung in Sachwerten liegt. Es geht nicht darum, das Geld zu horten, sondern das Geheimnis besteht darin, das Geld auszugeben und zu investieren. Es ist nicht derjenige das Problem, der viel Geld verdient, es ist der das Problem, der das Geld nicht ausgibt. Denn den vielen Schulden in Europa steht die exakt gleiche Menge an Geldguthaben gegenüber. Wenn das Geld immer wieder ausgegeben worden wäre und investiert worden wäre, dann gäbe es die aktuellen Probleme gar nicht. Es wurde ja dem System schlicht entzogen und muss nun rückgeführt werden. Also, Geld ausgeben ist eine gute Sache.
Zum Beispiel für die Bücher von Dirk Müller! Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.
Dirk Müller: Ich arbeite ja seit Jahren im Finanzsektor, der bekanntlich mit dem politischen Bereich eng verbunden ist. Auch hierdurch habe ich ein großes und starkes Netzwerk aufgebaut. Wenn Sie so wollen, arbeite ich seit Beginn der Euro-Krise an diesem Buch. Ich habe das Glück, Einblick in viele Dinge zu haben, spreche mit vielen Menschen in hohen und höchsten Positionen. All das habe ich zusammengetragen zu einem großen Ganzen, dass ich auch in „Showdown" klar, verständlich und unterhaltsam zusammengetragen habe. Das Ganze liest sich eigentlich mehr wie ein spannender Wirtschaftskrimi - gewürzt mit einigen unterhaltsamen Anekdoten, Hintergrundinformationen und Exkursen.
Sie waren in Griechenland, um vor Ort mit unterschiedlichen Menschen zu sprechen und ihre Sicht auf die brisante Lage zu hören?
Dirk Müller: Ja, ich wollte mir ein eigenes, unabhängiges Bild von der Lage vor Ort machen. Nur so kann man auch mit Gewissheit sagen, dass man weiß, wovon man schreibt. Wir hatten dort die Möglichkeit, mit vielen verschiedenen Menschen aus ganz unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und Lebenssituationen sprechen zu können. So haben wir z.B. mit der ehemaligen Außenministerin Bakojannis, Geologen des griechischen geologischen Institutes, dem Microsoftchef für Zypern und Malta gesprochen, aber eben auch mit Lehrern, dem Inhaber eines Jachtclubs, mit den Betreibern einer Suppenküche und mit illegalen Einwanderern. Nur so kann man sich ein Gesamtbild machen. Und die Lage ist sehr ernst. Der griechische Ministerpräsident Samaras hat kürzlich gesagt, dass er Griechenland in „Weimarer Verhältnissen " sieht. Da kann ich nicht widersprechen. Aber: Griechenland ist nicht allein schuld an seiner Situation, sondern ist sowohl gefangen zwischen den Machtkämpfen um Rohstoff der Großmächte als auch dem Einfluss einer falschen Währung.
Auf Ihrer Website cashkurs.com gibt es zu Ihrer Reise auch Filme?
Das ist richtig. Wir hatten ein Kamerateam dabei, welches die Interviews und Gespräche dort aufgezeichnet hat, aber auch alleine unterwegs war und viele Eindrücke von Athen sammeln konnte. Herausgekommen sind wirklich tolle Dokumentationsfilme. An dieser Stelle nochmals vielen Dank und großes Kompliment an das Filmteam.
Sie schreiben in Ihrem Buch von „mehr und direkterer Demokratie". Wie ist das gemeint?
Dirk Müller: Es herrscht seit Jahren eine steigende Wahlverdrossenheit bei den Bürgern. Das hat meiner Meinung nach wenig mit Desinteresse zu tun, sondern viel mehr damit, nur einmal alle paar Jahre eine Stimme abgeben zu können, die eigentlich auch nicht wirklich gehört wird. Heute gibt es mit dem Internet so viele Möglichkeiten, schnell und effizient einzugreifen und seine Meinung zu sagen. Ich denke, dies möchten die Menschen viel stärker nutzen. Man will direkt zu Themen und Situationen gefragt werden und entscheiden bzw. beeinflussen können. Das heißt, die Menschen können sich an der aktuellen Politik direkt beteiligen, und eine halbe Stunde später schon wieder auf dem Fußballplatz stehen. Und wir sind heute auch technisch in der Lage, das organisieren zu können. Wir sind auf dem Weg zu einer dezentralen Weltordnung. Dezentrale Informationsverteilung (Internet), dezentrale Energiegewinnung (Solardächer und intelligente Stromnetze), dezentral vernetzte Arbeitswelten und eben dezentrale Politik, in der die Menschen eine echte realtime-Mitsprache haben.
Nun sind Sie ja auch vom Euro nicht wirklich begeistert - was wäre für Sie eine Alternative? Was halten Sie zum Beispiel von regionalen Währungen?
Dirk Müller: Vorweg. Ich bin begeisterter Europäer! Wichtig ist mir klarzustellen, dass Europa nicht gleich der „Euro" ist. Ganz im Gegenteil, man kann sogar fast sagen: „Wer für den Euro in seiner jetzigen Form ist, ist gegen Europa!" Eine klare Kernaussage meines neuen Buches „Showdown" ist - der Euro kann, so wie er heute ist, nicht funktionieren. Und ich zeige genau auf, warum er nicht funktionieren kann. Der Euro in seiner heutigen Form schnürt vielen Staaten praktisch den Atem ab, weil er für deren Wirtschaftsleistung einfach viel zu stark, für andere wie Deutschland zu schwach ist, was die Kaufkraft der Bürger schwächt. Die Schwankungen von Währungen untereinander haben vor allem eine Ausgleichsfunktion zwischen den Staaten. Z.B. haben Staaten mit einer etwas schwächeren Wirtschaftsleistung auch eine etwas schwächere Währung, hierdurch wird es für die anderen Staaten wieder interessanter, dort einzukaufen. In Europa brauchen wir eigentlich auch eine solche Vielfalt, um leben können. Wir brauchen kein gleichgeschaltetes Europa, wo alle im Gleichschritt marschieren - wir brauchen ein buntes Europa. Wie ein gesunder Mischwald: da wächst auch der eine schneller und der andere wird höher. Von dieser Unterschiedlichkeit profitieren am Ende alle. Und das ist gut so, das müssen wir schützen. Und fördern. Das geht aber nur, wenn man jedem seine Geschwindigkeit lässt, und das geht nur über unterschiedliche Währungen. Mehr zu diesem Thema und natürlich auch Alternativen und Lösungsmodelle gibt es in „Showdown" zu lesen.
Herr Müller Sie haben einmal gesagt, dass Sie als Kind Mathematik langweilig fanden. Ist das immer noch so?
Dirk Müller: Ja, ich finde die wissenschaftliche Mathematik als Selbstzweck auch heute noch langweilig. Allerdings gehört natürlich ein solides mathematisches Grundwissen zu meinem Beruf dazu. Für mich muss Mathematik einen praktischen Sinn haben - Mathematik wird spannend und interessant, wenn sich Zusammenhänge ergeben, wenn sie zu Erklärungen führt. Das ist das Problem der Mathematik in der Schule: das ist oft zu theoretisch. Solange sie mich weiter bringt, mag ich Mathematik.
Finanzthemen sind ja genau deshalb für viele Menschen ein Buch mit sieben Siegeln, weil es ihnen zu viel um Zahlen geht. Bei Ihnen ist das anders. Sie erklären mit vielen sehr unterhaltsamen Beispielen. Manchmal liest sich Ihr Buch fast wie ein „Reality Wirtschaftskrimi". War das Absicht?
Dirk Müller: Absolut. Wirtschaft darf Spaß machen. Denn Wirtschaft ist ja etwas ganz Praktisches und etwas was jeden Tag um uns herum passiert. Mein Ziel ist es, dass die Menschen sagen können: „Ach ja, jetzt hab ich es verstanden!". Denn nur so kann ich auch auf die Situationen reagieren und habe die Chance das Beste daraus zu machen. Denn Wirtschaft ist wie ein Krimi -es geht hier nicht um Zahlen, sondern um politische Machenschaften, um Geheimdienste, es geht darum, wie ein Land destabilisiert werden kann, fast wie in einem Krimi von John Grisham. Ist aber viel spannender, weil es dabei auch noch unser aller Alltag betrifft. Man muss eben deutlich benennen, was genau passiert. Dann macht das höllisch Spaß.
Wirtschaft ist also keine Geheimwissenschaft?
Dirk Müller: Auf keinen Fall!
Ihr Lieblingsfilm ist „Wall Street", die Geschichte des fiesen Börsenmaklers Gordon Gekko - was haben Sie mit ihm gemeinsam, bzw. was unterscheidet Sie beide?
Dirk Müller: Ich hoffe wir haben nichts gemeinsam! Ich bin zwar auch mit Herzblut Börsianer, aber einer der alten Schule, denn die Börse war früher ein unglaublich ehrenhafter Ort. Mit sehr viel Moral und sehr viel hanseatischer Kaufmannsehre. Man hat sich einfach nicht gegenseitig über den Tisch gezogen. Ich war ja amtlich vereidigter Kursmakler, meine Aufgabe war es, faire Kurse zu ermitteln. Käufer und Verkäufer gleichermaßen so zu behandeln, dass keiner benachteiligt wird. Ich musste die absolute Neutralität und die Fairness wahren. Dafür stand früher auch die Börse: für einen fairen Austausch von Interessen. Das hat sich heute leider in vielerlei Hinsicht geändert. Und ich rede immer noch das Wort für diese sinnvolle Finanzwelt, die eine produktive Aufgabe hat, aber auch gegen die Exzesse, die gesellschaftsschädigend sind.
Das hört sich sehr schön an - gibt es denn Hoffnung, dass das realisierbar ist?
Dirk Müller: Auf alle Fälle! Wir leben in der besten aller Welten, denn es gab nie eine bessere Zeit: Hygiene, Demokratie, Erziehung, Frauenrechte, Meinungsfreiheit, technische Möglichkeiten... Es gibt keine Zeit, in der ich lieber gelebt hätte. Das ist so, weil die Generationen vor uns in kleinen Schritten die Welt immer besser gemacht haben. Das sollten wir fortführen, damit die nach uns mal sagen: ja, das haben die gut gemacht.
Was würden Sie denn in der aktuellen Situation den Lesern für Ihre persönliche Finanzsituation raten?
Dirk Müller: Aktuell gibt es eigentlich nur einen Kurs den man einschlagen kann. Die Zeiten sind momentan so unsicher, dass es nicht darum gehen sollte, eine möglichst höhe Rendite zu machen, sondern der „Werterhalt" im Vordergrund steht. Und hier ist aktuell die beste Lösung in Sachwerte zu gehen. Also z.B. substanzstarke Aktien und diese in kritischen Marktphasen dann auch noch gegen Verluste abzusichern.
Es ist wichtig zu erkennen, dass die Lösung in Sachwerten liegt. Es geht nicht darum, das Geld zu horten, sondern das Geheimnis besteht darin, das Geld auszugeben und zu investieren. Es ist nicht derjenige das Problem, der viel Geld verdient, es ist der das Problem, der das Geld nicht ausgibt. Denn den vielen Schulden in Europa steht die exakt gleiche Menge an Geldguthaben gegenüber. Wenn das Geld immer wieder ausgegeben worden wäre und investiert worden wäre, dann gäbe es die aktuellen Probleme gar nicht. Es wurde ja dem System schlicht entzogen und muss nun rückgeführt werden. Also, Geld ausgeben ist eine gute Sache.
Zum Beispiel für die Bücher von Dirk Müller! Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Dirk Müller
- 2013, 272 Seiten, Maße: 13,3 x 20,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426276054
- ISBN-13: 9783426276051
- Erscheinungsdatum: 02.05.2013
Rezension zu „Showdown “
"'Showdown' macht aus der Euro-Krise einen Krimi der Weltpolitik." -- Wirtschaftswoche, 26.04.2013"Dirk Müller bringt die Sache auf den Punkt. Es geht längst nicht mehr nur um eine Staatsschuldenkrise. Es tobt ein Wirtschaftskrieg um Europa und Deutschland. Ein Augenöffner. Wenn Dirk Müller das Buch nicht geschrieben hätte, hätte ich vielleicht selber zu Feder gegriffen. Aber hier sind die wahren Hintergründe hervorragend erklärt." -- Dr. Max Otte, 18.04.2013
"Er ist einer der wenigen, die verständlich und kritisch über die globalen Finanzmärkte reden. (...) Dirk Müller spricht Klartext. Auch wenn einige seiner Thesen ein wenig verschwörungstheoretisch klingen. Und er will aufrütteln, die Bürger motivierenn, sich einzumischen in eine Welt, in der die Reichen absurd reich und der Rest immer ärmer wird." -- hr online, 02.05.2013
"Ein populärer Börsenmakler mit einem praktischen Rezept" -- Deutschlandradio, 28.04.2013
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