Shutter Island
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Wird Daniels sie überhaupt je wieder verlassen?
Shutter Island von Dennis Lehane
LESEPROBE
Teddy Daniels Vater war Fischer. 1931 verlor er seinSchiff an die Bank, da war Teddy elf, und den Rest seines Lebens heuerte er aufanderen Booten an oder löschte Fracht an den Docks, wenn es auf den Schiffennichts für ihn zu tun gab. Über lange Zeiträume war er morgens um zehn zurück,saß im Sessel, betrachtete seine Hände und redete zuweilen leise mit sichselbst, die Augen groß und dunkel. Als kleinen Jungen hatte er Teddy mit zu denInseln genommen, aber Teddy war zu klein, um auf dem Boot eine große Hilfe zusein. Er hatte nur die Leinen entwirrt und die Haken gelöst. Mehrmals hatte ersich geschnitten. Blutstropfen standen auf seinen Fingerkuppen undverschmierten seine Handflächen. Im Dunkeln waren sie aufgebrochen, und dieaufgehende Sonne schob sich, gleich kaltem Elfenbein, aus dem Wasser. Zusammengekauerttraten die Inseln aus der Dämmerung, als seien sie bei etwas Verbotenem ertapptworden. Am Strand einer Insel sah Teddy kleine, pastellfarbene Hütten, aufeiner anderen ein verfallendes Kalksteingebäude. Sein Vater zeigte ihm dasGefängnis auf Deer Island und die imposante Festung auf Georges Island. In denhohen Bäumen von Thompson Island saßen unzählige Vögel, ihr Gezwitscher war einSturm aus Hagel- und Glassplittern. Shutter Island lag weiter draußen, hinterden anderen Inseln, als sei sie von einer spanischen Galeone über Bord geworfenworden. Damals, im Frühjahr 1928, war sie sich selbst überlassen, wurde vonGrün überwuchert. Die Festung auf dem höchsten Punkt der Insel erstickte unterKletterpflanzen und einer Moosschicht. »Wieso heißt sie Shutter Island?«,fragte Teddy. Sein Vater zuckte mit den Achseln. »Du immer mit deinen Fragen.Musst ständig fragen.« »Und, warum heißt sie so?« »Manche Sachen bekommeneinfach einen Namen, und so heißen sie dann. Wahrscheinlich von Piraten.« »Piraten?«Das hörte sich gut an. Teddy konnte sie sich vorstellen: große Männer mitAugenklappen, Stulpenstiefeln und blitzenden Schwertern. »Hier haben sich diePiraten damals versteckt«, sagte sein Vater. Mit einer ausholenden Handbewegungwischte er über den Horizont. »Auf diesen Inseln. Sich selbst - und ihr Gold.« Teddysah Münzen vor sich, die aus Schatztruhen quollen. Später dann wurde ihmschlecht, und er übergab sich mehrmals heftig, schleuderte dunkles Erbrochenesüber die Reling ins Wasser. Sein Vater war erstaunt, weil Teddy erst nachmehreren Stunden schlecht geworden war. Das Meer war längst wieder glatt undglitzerte in seiner Ruhe. Sein Vater sagte: »Schon in Ordnung. Ist ja deinerstes Mal. Brauchst dich nicht zu schämen.« Teddy nickte und wischte sich denMund mit dem Tuch ab, das sein Vater ihm reichte. Sein Vater sagte: »Manchmalschaukelt es nur leicht, und man merkt es erst, wenn es einem hochkommt.« ErneutesNicken. Teddy konnte seinem Vater nicht sagen, dass es nicht das Schaukeln war,das ihm den Magen umgedreht hatte. Es war das Wasser. Es umgab sie in allenHimmelsrichtungen, erstreckte sich so weit, dass nichts mehr von der Welt übrigwar. So weit, dass Teddy glaubte, es könne den Himmel verschlucken. Bis dahinhatte er nicht gewusst, dass sie so allein waren. Mit triefenden, rotunterlaufenen Augen schaute er zu seinem Vater auf. Der sagte: »Das wird schonwieder«, und Teddy versuchte zu lächeln. Im Sommer 38 lief sein Vater miteinem Bostoner Walfänger aus und kam nicht mehr zurück. Im darauf folgenden Frühlingwurden Teile des Schiffes in Teddys Heimatstadt Hull an den Strand gespült. EinStück vom Kiel, ein Kocher mit dem eingravierten Namen des Kapitäns im Fuß, Konservenmit Tomaten- und Kartoffelsuppe, ein paar verformte, durchlöcherteHummerfallen. Die Trauerfeier für die vier Fischer wurde in der St. Theresa sChurch abgehalten, die ihren Rücken gegen ebenjenes Meer stemmte, das ihr schonso viele Gemeindemitglieder genommen hatte, und Teddy stand neben seiner Mutterund lauschte den Lobreden auf den Kapitän, den Steuermann und den Dritten imBunde, einen alten Seebär namens Gil Restak, der mit zerschmetterter Ferse undhässlichen Bildern im Kopf aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt war undseitdem die Kneipen von Hull terrorisiert hatte. Doch im Tode, hatte einer derbetroffenen Barkeeper gesagt, sei alles vergeben. Der Schiffsbesitzer, NikosCosta, gestand, dass er Teddys Vater kaum gekannt habe, dass er ihn in letzterMinute angeheuert habe, weil ein Crewmitglied vom Lastwagen gefallen war undsich das Bein gebrochen hatte. Dennoch, der Kapitän hätte anerkennend von ihmgesprochen, jeder in der Stadt wüsste, dass er ordentlich arbeitete. Und wardas nicht das höchste Lob, das man einem Mann zollen konnte? Dort in der Kirchedachte Teddy zurück an jenen Tag auf dem Boot seines Vaters, denn sie waren niewieder gemeinsam hinausgefahren. Sein Vater hatte es ihm immer wieder versprochen,aber Teddy wusste, er sagte es nur, um seinen Sohn nicht zu demütigen. Nie hattesein Vater ein Wort darüber verloren, was an jenem Tag geschehen war, aber auf demHeimweg an all den Inseln vorbei, Shutter Island hinter ihnen, Thompson Islandnoch voraus, die Silhouette der Stadt so klar und deutlich sichtbar, dass manglaubte, man könne die Gebäude an ihren Spitzen hochheben, da hatten sie sicheinen Blick zugeworfen. »Das ist das Meer«, hatte sein Vater gesagt, als siegegen das Heck gelehnt standen, und Teddy dabei leicht über den Rückengestrichen. »Manche Männer lässt es nicht mehr los. Andere lässt es nicht ansich heran.« Und seinem Blick hatte Teddy entnommen, zu welcher Kategorie ereines Tages gehören würde. (...)
© Ullstein Buchverlage
Übersetzung: Andrea Fischer
- Autor: Dennis Lehane
- 2005, 363 Seiten, Maße: 11,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Fischer, Andrea
- Übersetzer: Andrea Fischer
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548261949
- ISBN-13: 9783548261942
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