Solang es Träume gibt
Das Schicksal einer ostpreußischen Gräfin
1869: Leopold von Troyenfeld heiratet die Russin Natascha. Schon bald gibt er sich dem Glücksspiel hin. Eine arrangierte Heirat seiner Tochter Feodora soll Leopold vor dem Ruin retten. Doch Feodora kämpft für ihre Träume.
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Produktinformationen zu „Solang es Träume gibt “
1869: Leopold von Troyenfeld heiratet die Russin Natascha. Schon bald gibt er sich dem Glücksspiel hin. Eine arrangierte Heirat seiner Tochter Feodora soll Leopold vor dem Ruin retten. Doch Feodora kämpft für ihre Träume.
Lese-Probe zu „Solang es Träume gibt “
Solang es Träume gibt von Maja Schulze-Lackner1869
Carla von Harvich kuschelte sich, den warmen Schal fest um die schmalen Schultern gezogen, in ihren Sessel vor dem brennenden Kamin, die zierlichen Füße auf einem mit Petit-Point-Stickerei bezogenen Fußbänkchen. Ihr gegenüber saß ihr Mann Hanno in seinem Lieblingsfauteuil, in der einen Hand den Cognacschwenker und in der anderen die geliebte Havanna. Zu seinen Füßen lag Willi, sein Jagdhund. Franz, der alte Diener, hatte mehrere Petroleumlampen angezündet und sich dann leise zurückgezogen. Es war still in der behaglichen Bibliothek, nur das Knistern der trockenen Holzscheite und der pfeifende Ostwind, der an den Fensterläden rüttelte, waren zu hören. Ab und an gab Willi ein zufriedenes Schmatzen von sich.
Das Ehepaar hing seinen Gedanken nach. Hanno betrachtete seine Frau, die mit geschlossenen Augen vor sich hin träumte. Ein leises Lächeln umspielte ihre zarten blassroten Lippen. Offensichtlich waren es erfreuliche Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen. Sie sieht immer noch reizend aus, meine Carla, dachte er zufrieden. Gottlob war sie auch nach fünfundzwanzig Jahren Ehe nicht zu einer Matrone mutiert wie so viele Frauen seiner Freunde. Er hasste dicke Frauen! Carlas dunkle, zu einer Hochfrisur aufgesteckten Haare durchzogen feine graue Strähnen, und wenn sie lachte, bildeten sich um ihre veilchenblauen Augen kleine Fältchen. Ansonsten sah man ihr die dreiundvierzig Jahre nicht an.
»Würdest du Schröder bitten, die Fensterläden zu befestigen«, unterbrach Carla, ohne die Augen zu öffnen, die Stille. »Der grässliche Wind wird sie uns noch abreißen.«
Schröder war der Verwalter ihres Gutes Buchenhain, Hannos Elternhaus, auf dem sie nun seit zwei Jahren wieder lebten, nachdem er seine Diplomatenlaufbahn beendet
... mehr
hatte.
»Ich werde es ihm gleich morgen früh sagen, Liebes, ich habe sowieso noch einiges mit ihm zu besprechen.« Hanno nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarre. »Danach fahre ich nach Königsberg. Ich habe einen Termin bei der Bank, und anschließend treffe ich Kölichen zum Mittagessen im Berliner Hof.« Horst Kölichen war ein alter Studienfreund von Hanno und seit vielen Jahren sein Anwalt. »Möchtest du nicht mitkommen?«
»Ich weiß nicht ...« Carla fröstelte. »Das Wetter ist schrecklich ungemütlich.«
Über Nacht war es Herbst geworden. Schon seit Tagen zogen die Vögel in großen Formationen gen Süden, und die riesigen alten Buchen, die dem Gut seinen Namen gegeben hatten, waren schon fast ohne Laub. Bald würden sie ganz kahl sein, und nicht lange danach der endlose ostpreußische Winter beginnen. Dann versank das Land im Schnee und das gesellschaftliche Leben in wochenlangem Tiefschlaf. Erst zu den Sau- und Hasenjagden würde es für kurze Zeit wieder erwachen.
Vielleicht sollte ich Hanno morgen doch begleiten, überlegte Carla schläfrig. Aber dann schweiften ihre Gedanken in die Vergangenheit, als ihr Mann als Diplomat des preußischen Königs in südlichen Ländern stationiert war. Rom, Madrid, Malta - herrlich war es dort gewesen, aufregend und fast immer warm. Und doch hatte sie manchmal Heimweh nach Ostpreußen verspürt, dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen war, vor allem nach dem Wechsel der Jahreszeiten, die nirgends so elementar und gewaltig über das Land hereinbrachen wie dort. Sie liebte das Frühjahr, das sich mit wilden Stürmen ankündigte und den Schnee in kurzer Zeit schmelzen ließ. Bald darauf kamen die Vögel aus dem Süden zurück, erst die Kiebitze und Stare, dann die Störche. Im Wald roch es nach Frühling, und das lichte Grün der Linden und Birken warf seine ersten Schatten. Wie sich die südlichen Landschaften mit ihren Zypressen, Pinien und Olivenbäumen von der endlosen ostpreußischen Weite mit den wogenden Feldern, durchsetzt mit Mohn- und Kornblumen, den Lindenalleen und Birkenhainen unterschieden! Ja, so manches Mal hatte sie sich danach gesehnt. Und doch war es ihr nicht leicht gefallen, nach den vielen Jahren im Ausland, dem abwechslungsreichen Leben an den Botschaften mit seinen Empfängen und großen Gesellschaften, nach Buchenhain zurückzukehren und fortan ein beschauliches Leben zu führen. Die Rückkehr war einfach zu plötzlich gekommen. Hannos älterer Bruder sollte das Gut übernehmen, aber er war im preußisch-österreichischen Krieg gefallen, kurz vor dem Prager Frieden im August 1866. Bald darauf war sein Vater gestorben, und so hatte Hanno überstürzt seinen Abschied genommen. »Ich muss mich um das Gut kümmern«, hatte er Carla erklärt, »sonst geht dort alles zugrunde.«
»Aber du bist doch kein Landwirt, du bist Diplomat! « Carla war fassungslos gewesen. »Wie willst du denn das riesige Gut bewirtschaften? Davon verstehst du doch gar nichts.«
»Erst mal ist es wichtig, dass ich da bin. Und dann werde ich einen fähigen Verwalter suchen. Danach sehen wir weiter.«
Mit Schröder hatte Hanno bald den richtigen Mann gefunden, und zu Carlas Enttäuschung lehnte er alle Anfragen des diplomatischen Corps, ob er nicht in seine frühere Position zurückkehren wolle, freundlich, aber bestimmt ab. »Vielleicht später einmal«, sagte er. Im Moment war er nicht gewillt, sein beschauliches Leben wieder aufzugeben. Er liebte die Jagd, das Whist-Spiel mit seinen Freunden und hin und wieder einen Theater- oder Opernbesuch in Königsberg. Carla musste sich fügen.
»Hast du etwas von Leopold gehört?«, fragte Hanno.
»Er ist schon wieder in St. Petersburg.« Carla war aufgestanden, um ein Holzscheit nachzulegen. »Keine Ahnung, was er da dauernd macht. Wenn ich ihn frage, tut er schrecklich geheimnisvoll.«
Leopold Graf von Troyenfeld war Carlas jüngerer Bruder. Schloss Troyenfeld lag unweit von Buchenhain, mit einem schnellen Pferd war es einen zwanzigminütigen Ritt entfernt. Hier waren sie und Leopold aufgewachsen. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hatte Carla deren Stelle eingenommen. Obwohl nur fünf Jahre älter als ihr Bruder, fühlte sie sich seitdem für ihn verantwortlich.
»Dein Bruder ist achtunddreißig, er muss dir ja nun wirklich nicht alles erzählen.« Hanno lachte.
»Ich finde, er sollte endlich heiraten«, sagte Carla. »Troyenfeld braucht einen Erben, und überhaupt ...« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Er sitzt da so allein in dem großen Schloss ...«
»Allein! Dass ich nicht lache. Soweit ich weiß, hat er ständig Gäste, das Schloss ist voll mit Freunden und schönen Frauen. Er genießt sein Leben.« Hanno goss sich noch einen Cognac ein. »Du solltest aufhören, dich ständig um ihn zu sorgen. Du bist wirklich wie eine Glucke.«
»Ich weiß, du hast ja recht.« Carla seufzte tief. »Aber ich kann einfach nicht anders.«
Hanno lächelte milde. Sie waren kinderlos geblieben, zu Carlas großem Kummer, und nun lebte sie ihren ganzen Mutterinstinkt an ihrem kleinen Bruder aus.
»Ich finde wirklich, Leopold sollte langsam zur Vernunft kommen. Was sind denn das überhaupt für Frauen, die sich da bei ihm herumtreiben? Zur Ehefrau taugt doch da garantiert keine.« Carla verzog das Gesicht.
Hanno antwortete nicht darauf. Er wusste, diese Diskussionen führten zu nichts. Natürlich hatte er von den wilden Festen gehört, die sein Schwager in seinem Schloss feierte. Das Personal redete, und Franz war sein verlässlichster Informant. Aber er hütete sich, seiner Frau davon zu erzählen. Sollte Leopold doch sein Leben genießen! Er, Hanno, hatte vollstes Verständnis dafür. Um das Thema zu beenden, sagte er: »Nun lass ihn, deinen Bruder. Irgendwann wird er schon die Richtige finden.«
Dabei war sich Hanno gar nicht so sicher. Vor Kurzem erst hatte Leopold mit ihm gesprochen. »Warum soll ich heiraten. Die Welt ist voll von schönen Frauen. Und um mich herum sehe ich lauter unglückliche Ehepaare. Außer euch natürlich ... Also, warum soll ich mir das antun? Nur um einen Erben zu produzieren? Das hat ja wirklich noch Zeit.« Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt gewesen.
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Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2009 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG,
Bergisch Gladbach
»Ich werde es ihm gleich morgen früh sagen, Liebes, ich habe sowieso noch einiges mit ihm zu besprechen.« Hanno nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarre. »Danach fahre ich nach Königsberg. Ich habe einen Termin bei der Bank, und anschließend treffe ich Kölichen zum Mittagessen im Berliner Hof.« Horst Kölichen war ein alter Studienfreund von Hanno und seit vielen Jahren sein Anwalt. »Möchtest du nicht mitkommen?«
»Ich weiß nicht ...« Carla fröstelte. »Das Wetter ist schrecklich ungemütlich.«
Über Nacht war es Herbst geworden. Schon seit Tagen zogen die Vögel in großen Formationen gen Süden, und die riesigen alten Buchen, die dem Gut seinen Namen gegeben hatten, waren schon fast ohne Laub. Bald würden sie ganz kahl sein, und nicht lange danach der endlose ostpreußische Winter beginnen. Dann versank das Land im Schnee und das gesellschaftliche Leben in wochenlangem Tiefschlaf. Erst zu den Sau- und Hasenjagden würde es für kurze Zeit wieder erwachen.
Vielleicht sollte ich Hanno morgen doch begleiten, überlegte Carla schläfrig. Aber dann schweiften ihre Gedanken in die Vergangenheit, als ihr Mann als Diplomat des preußischen Königs in südlichen Ländern stationiert war. Rom, Madrid, Malta - herrlich war es dort gewesen, aufregend und fast immer warm. Und doch hatte sie manchmal Heimweh nach Ostpreußen verspürt, dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen war, vor allem nach dem Wechsel der Jahreszeiten, die nirgends so elementar und gewaltig über das Land hereinbrachen wie dort. Sie liebte das Frühjahr, das sich mit wilden Stürmen ankündigte und den Schnee in kurzer Zeit schmelzen ließ. Bald darauf kamen die Vögel aus dem Süden zurück, erst die Kiebitze und Stare, dann die Störche. Im Wald roch es nach Frühling, und das lichte Grün der Linden und Birken warf seine ersten Schatten. Wie sich die südlichen Landschaften mit ihren Zypressen, Pinien und Olivenbäumen von der endlosen ostpreußischen Weite mit den wogenden Feldern, durchsetzt mit Mohn- und Kornblumen, den Lindenalleen und Birkenhainen unterschieden! Ja, so manches Mal hatte sie sich danach gesehnt. Und doch war es ihr nicht leicht gefallen, nach den vielen Jahren im Ausland, dem abwechslungsreichen Leben an den Botschaften mit seinen Empfängen und großen Gesellschaften, nach Buchenhain zurückzukehren und fortan ein beschauliches Leben zu führen. Die Rückkehr war einfach zu plötzlich gekommen. Hannos älterer Bruder sollte das Gut übernehmen, aber er war im preußisch-österreichischen Krieg gefallen, kurz vor dem Prager Frieden im August 1866. Bald darauf war sein Vater gestorben, und so hatte Hanno überstürzt seinen Abschied genommen. »Ich muss mich um das Gut kümmern«, hatte er Carla erklärt, »sonst geht dort alles zugrunde.«
»Aber du bist doch kein Landwirt, du bist Diplomat! « Carla war fassungslos gewesen. »Wie willst du denn das riesige Gut bewirtschaften? Davon verstehst du doch gar nichts.«
»Erst mal ist es wichtig, dass ich da bin. Und dann werde ich einen fähigen Verwalter suchen. Danach sehen wir weiter.«
Mit Schröder hatte Hanno bald den richtigen Mann gefunden, und zu Carlas Enttäuschung lehnte er alle Anfragen des diplomatischen Corps, ob er nicht in seine frühere Position zurückkehren wolle, freundlich, aber bestimmt ab. »Vielleicht später einmal«, sagte er. Im Moment war er nicht gewillt, sein beschauliches Leben wieder aufzugeben. Er liebte die Jagd, das Whist-Spiel mit seinen Freunden und hin und wieder einen Theater- oder Opernbesuch in Königsberg. Carla musste sich fügen.
»Hast du etwas von Leopold gehört?«, fragte Hanno.
»Er ist schon wieder in St. Petersburg.« Carla war aufgestanden, um ein Holzscheit nachzulegen. »Keine Ahnung, was er da dauernd macht. Wenn ich ihn frage, tut er schrecklich geheimnisvoll.«
Leopold Graf von Troyenfeld war Carlas jüngerer Bruder. Schloss Troyenfeld lag unweit von Buchenhain, mit einem schnellen Pferd war es einen zwanzigminütigen Ritt entfernt. Hier waren sie und Leopold aufgewachsen. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hatte Carla deren Stelle eingenommen. Obwohl nur fünf Jahre älter als ihr Bruder, fühlte sie sich seitdem für ihn verantwortlich.
»Dein Bruder ist achtunddreißig, er muss dir ja nun wirklich nicht alles erzählen.« Hanno lachte.
»Ich finde, er sollte endlich heiraten«, sagte Carla. »Troyenfeld braucht einen Erben, und überhaupt ...« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Er sitzt da so allein in dem großen Schloss ...«
»Allein! Dass ich nicht lache. Soweit ich weiß, hat er ständig Gäste, das Schloss ist voll mit Freunden und schönen Frauen. Er genießt sein Leben.« Hanno goss sich noch einen Cognac ein. »Du solltest aufhören, dich ständig um ihn zu sorgen. Du bist wirklich wie eine Glucke.«
»Ich weiß, du hast ja recht.« Carla seufzte tief. »Aber ich kann einfach nicht anders.«
Hanno lächelte milde. Sie waren kinderlos geblieben, zu Carlas großem Kummer, und nun lebte sie ihren ganzen Mutterinstinkt an ihrem kleinen Bruder aus.
»Ich finde wirklich, Leopold sollte langsam zur Vernunft kommen. Was sind denn das überhaupt für Frauen, die sich da bei ihm herumtreiben? Zur Ehefrau taugt doch da garantiert keine.« Carla verzog das Gesicht.
Hanno antwortete nicht darauf. Er wusste, diese Diskussionen führten zu nichts. Natürlich hatte er von den wilden Festen gehört, die sein Schwager in seinem Schloss feierte. Das Personal redete, und Franz war sein verlässlichster Informant. Aber er hütete sich, seiner Frau davon zu erzählen. Sollte Leopold doch sein Leben genießen! Er, Hanno, hatte vollstes Verständnis dafür. Um das Thema zu beenden, sagte er: »Nun lass ihn, deinen Bruder. Irgendwann wird er schon die Richtige finden.«
Dabei war sich Hanno gar nicht so sicher. Vor Kurzem erst hatte Leopold mit ihm gesprochen. »Warum soll ich heiraten. Die Welt ist voll von schönen Frauen. Und um mich herum sehe ich lauter unglückliche Ehepaare. Außer euch natürlich ... Also, warum soll ich mir das antun? Nur um einen Erben zu produzieren? Das hat ja wirklich noch Zeit.« Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt gewesen.
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Copyright der Originalausgabe © 2009 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG,
Bergisch Gladbach
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Bibliographische Angaben
- Autor: Maja Schulze-Lackner
- 2009, 364 Seiten, Maße: 14,3 x 22 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828994962
- ISBN-13: 9783828994966
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