Spuren der Hoffnung / O'Dwyer Trilogie Bd.1
Roman. Deutsche Erstausgabe
„Spuren der Hoffnung” – der erste Teil von Nora Roberts’ O’Dwyer-Trilogie!
"Ein packendes Gefühlsdrama." (PUBLISHERS WEEKLY)
Winter 1263. Nahe beim Schatten des Schlosses, tief im...
lieferbar
versandkostenfrei
Buch (Kartoniert)
11.00 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Spuren der Hoffnung / O'Dwyer Trilogie Bd.1 “
„Spuren der Hoffnung” – der erste Teil von Nora Roberts’ O’Dwyer-Trilogie!
"Ein packendes Gefühlsdrama." (PUBLISHERS WEEKLY)
Winter 1263. Nahe beim Schatten des Schlosses, tief im grünen Wald, führte Sorcha ihre Kinder durch die Dunkelheit nach Hause. Die beiden jüngsten ritten auf dem stämmigen Pony, wobei sich der Kopf der knapp dreijährigen Teagan bei jedem Schritt des Pferdes hob und senkte. Sie ist müde, dachte Sorcha, nach der aufregenden Imbolgfeier, den Freudenfeuern und dem Festmahl... (Nora Roberts: Spuren der Hoffnung)
Was in der Vorgeschichte von „Spuren der Hoffnung“ so beschaulich beginnt, erfährt schon bald eine dramatische Wendung. Und so lastet ein dunkles Geheimnis über die Jahrhunderte auf der Familie.
Bis Iona sich auf die Suche nach der Geschichte ihrer Vorfahren macht. Von Baltimore aus reist sie ins sagenumwobene County Mayo. Dort trifft sie den attraktiven Boyle, der ihr Arbeit auf seinem Gestüt anbietet. Bald verbindet die beiden mehr als ihre Leidenschaft für Pferde. Doch ihr Glück droht durch ein altes Familiengeheimnis zerstört zu werden...
Es klingt, als wäre die Geschichte ihrer Schriftsteller-Karriere einem ihrer eigenen Romane entnommen: Nora Roberts entdeckte ihre Leidenschaft fürs Schreiben in einem Blizzard. 1979 hielt sie einer jener eisigen nordamerikanischen Schneestürme in ihrem Haus in Maryland fest. Sie musste sich beschäftigen – und schrieb ihren ersten Roman: „Rote Rosen für Delia“ (im Original „Irish Thoroughbred“). Heute kennen Millionen Menschen weltweit die dunklen Familiengeheimnisse der O’Haras, der Donovans, der MacKades und vieler anderer (die Gesamtauflage von Nora Roberts Büchern liegt bei rund 280 Millionen Exemplaren!). „Spuren der Hoffnung“ zum Beispiel ist der erste Teil der O’Dwyer-Trilogie. Übrigens: Sehr erfolreich ist Nora Roberts auch mit ihren Kriminalromanen. Kennen Sie nicht? Vielleicht, weil sie diese unter dem Namen J.D. Robb veröffentlichte...
Bestellen Sie „Spuren der Hoffnung” von Nora Roberts jetzt als Taschenbuch schnell und bequem online bei Weltbild!
Klappentext zu „Spuren der Hoffnung / O'Dwyer Trilogie Bd.1 “
Iona verlässt Baltimore, um sich im sagenumwobenen County Mayo auf die Suche nach ihren Vorfahren zu machen. Als sie den attraktiven Boyle trifft, bietet er ihr an, auf seinem Gestüt zu arbeiten. Schnell spüren beide, dass sie mehr verbindet als die gemeinsame Leidenschaft für Pferde. Doch dann droht ein dunkles Familiengeheimnis das Glück der beiden zu zerstören.Lese-Probe zu „Spuren der Hoffnung / O'Dwyer Trilogie Bd.1 “
Spuren der Hoffnung von Nora Roberts1
Winter 1263
Nahe beim Schatten des Schlosses, tief im grünen Wald, führte Sorcha ihre Kinder durch die Dunkelheit nach Hause. Die beiden jüngsten ritten auf dem stämmigen Pony, wobei sich der Kopf der knapp dreijährigen Teagan bei jedem Schritt des Pferdes hob und senkte. Sie ist müde, dachte Sorcha, nach der aufregenden Imbolgfeier, den Freudenfeuern und dem Festmahl. »Pass auf deine Schwester auf, Eamon.«
Für den fünfjährigen Eamon bestand das Aufpassen darin, dass er die kleine Schwester mal kurz knuffte, bevor er weiter an den Bannocks knabberte, die seine Mutter am Morgen gebacken hatte.
»Gleich bist du daheim im Bettchen«, beschwichtigte Sorcha, als Teagan quengelte. »Wir sind bald da.« Sie war zu lange auf der Lichtung geblieben, dachte sie jetzt. Und auch wenn an Imbolg die ersten Regungen im Bauch von Mutter Erde gefeiert wurden, brach die Winternacht zu rasch und abrupt herein. Es war bislang ein schlimmer Winter gewesen, mit klirrend kaltem Wind, Schneetreiben und Eisregen. Der Nebel hielt sich seit Monaten, wabernd und wallend zog er Schleier vor Sonne und Mond. Zu oft hatte sie in diesem Wind, diesem Nebel ihren Namen vernommen - ein Lockruf, dem Folge zu leisten sie sich weigerte. Zu oft hatte sie in dieser Welt aus Weiß und Grau das Dunkel gesehen. Sie wollte damit nichts zu schaffen haben. Ihr Mann hatte sie angefleht, die Kinder zu nehmen und bei seiner Fine, der Sippe, zu bleiben, während er seine Kämpfe führte.
... mehr
Als Frau des Cennfine, des Clanchefs, öffneten sich ihr alle Türen. Doch sie brauchte ihren Wald, ihre Hütte, ihr Heim. Sie brauchte ihren Freiraum wie die Luft zum Atmen. Stets kümmerte sie sich um die Ihren, um Heim und Herd, um ihre Hexenkunst und ihre Pflichten. Und vor allem um die wundervollen Kinder, die sie und Daithi bekommen hatten. Sie fürchtete sich nicht vor der Nacht. Sie war als die »Dunkle Hexe« bekannt, und ihre Macht war groß. Doch gerade jetzt war sie nur eine Frau, die ihren Mann vermisste, sich nach seiner Wärme sehnte, nach dem schönen, straffen Körper, der sich im kalten, einsamen Dunkel an den ihren drängte. Was kümmerte sie der Krieg? Was die Gier und die ehrgeizigen Ziele all der Kleinkönige? Sie wollte ihren Mann heil und gesund zurückhaben. Wenn er heimkam, würden sie noch ein Baby machen, und sie würde wieder ein Leben in sich spüren. Immer noch betrauerte sie jenes Leben, das sie in einer furchtbar schwarzen Nacht verloren hatte, in der die ersten Winterwinde wie ein Weinen durch ihren Wald gefahren waren. Wie viele hatte sie geheilt? Wie viele hatte sie gerettet? Und doch, als das Blut aus ihr geflossen, als dieses zarte Leben zerronnen war, hatte keine Magie, kein Opfer, kein Handel mit den Göttern es retten können. Natürlich wusste sie, dass es leichter war, andere zu heilen als sich selbst. Und die Götter waren launisch wie ein flatterhaftes junges Ding im Mai.
»Schau mal!« Brannaugh, mit sieben Jahren ihre Älteste, sprang vom Weg, den großen Hund der Familie dicht auf den Fersen. »Der Schwarzdorn blüht! Das ist ein Zeichen.«
Jetzt erkannte sie es auch, den Hauch cremeweißer Blüten zwischen dem Gewirr aus schwarzen Zweigen. Ihr erster, bitterer Gedanke war, dass ihr Schoß leer blieb, während Brighid, die Göttin der Fruchtbarkeit, die Erde segnete. Dann sah sie zu, wie ihre Tochter, ihr erster Stolz, mit scharfem Blick und rosigen Wangen durch den Schnee wirbelte. Sie war gesegnet, ermahnte sich Sorcha, dreifach gesegnet.
»Das ist ein Zeichen, Ma.« Brannaughs dunkles Haar flog bei jeder Drehung, während sie das Gesicht dem schwindenden Licht entgegenhob. »Dass der Frühling kommt.«
»Ja, das ist es. Ein gutes Zeichen.« Genau wie der trübe Tag, an dem die alte Hexe Cailleach ohne helles Sonnenlicht kein Feuerholz fand. Der Frühling würde zeitig kommen, so sagte es die Legende. Der Schwarzdorn blühte üppig und lockte die Blumen, es ihm gleichzutun. Sorcha sah die Hoffnung in den Augen ihres Kindes, so wie sie sie beim Freudenfeuer in anderen Augen gesehen und in den Stimmen gehört hatte. Und sie suchte in ihrem Inneren nach einem Fünkchen Hoffnung - doch sie fand nichts als Furcht. Heute Abend würde er wiederkommen - sie konnte ihn schon spüren. Lauernd, abwartend, Ränke schmiedend. Hinein, dachte sie, schnell hinein in die Hütte hinter die verriegelte Tür, wo sie ihre Amulette ausgelegt hatte, um ihre Kinder zu beschützen. Um sich selbst zu beschützen. Sie schnalzte mit der Zunge, um das Pony anzutreiben, und pfiff nach dem Hund. »Komm jetzt, Brannaugh, deine Schwester schläft schon fast.«
»Im Frühling kommt Da nach Hause.«
Obwohl ihr das Herz immer noch schwer war, lächelte Sorcha und nahm Brannaughs Hand. »So ist es, zu Bealtaine kommt euer Vater nach Hause, und dann feiern wir ein großes Fest.«
»Kann ich ihn heute Abend sehen, mit dir? Im Feuer?«
»Es gibt noch viel zu tun. Vor dem Schlafengehen müssen die Tiere versorgt werden.«
»Nur ganz kurz?« Brannaugh hob das Gesicht zu Sorcha, ihre rauchgrauen Augen bettelten. »Ich will ihn nur ganz kurz sehen, dann kann ich träumen, er wäre wieder zu Hause.«
Genau wie sie selbst, dachte Sorcha, und nun kam ihr Lächeln von Herzen. »Ganz kurz, m'inion, meine Tochter, wenn die Arbeit getan ist.«
»Und du nimmst deine Medizin.«
Sorcha runzelte die Stirn. »Ja? Sehe ich so aus, als ob ich sie bräuchte?«
»Du bist immer noch blass, Ma.« Brannaughs Stimme übertönte den Wind.
»Nur ein klein wenig müde, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Nun halt deine Schwester fest, Eamon! Alastar riecht, dass es nach Hause geht, und Teagan fällt gleich runter.«
»Sie reitet besser als Eamon«, beruhigte sie Brannaugh, »und auch besser als ich.«
»Ja, das Pferd ist ihr Talisman, aber sie schläft gleich ein auf seinem Rücken.«
Der Weg machte eine Biegung; die Hufe des Ponys klangen laut auf dem gefrorenen Boden, während es auf den Stall neben der Hütte zu trottete.
»Eamon, kümmere dich um Alastar, gib ihm heute Abend eine extra Schaufel Körner. Du hast dich auch satt gegessen, oder?«, sagte sie, als ihr Sohn zu maulen begann. Er grinste ihr zu, hinreißend wie ein Sommermorgen, und obwohl er flink wie ein Wiesel absitzen konnte, streckte er die Arme aus. Er war schon immer verschmust gewesen, dachte Sorcha und drückte ihn an sich, als sie ihn herunterhob. Brannaugh brauchte sie nicht aufzufordern, ihre Arbeit zu erledigen. Das Mädchen führte den Haushalt schon fast so gut wie die Mutter selbst.
Sorcha nahm Teagan auf den Arm und murmelte beruhigend auf sie ein, während sie die Kleine in die Hütte trug. »Zeit für süße Träume, Liebes.«
»Ich bin ein Pony, und ich galoppiere den ganzen Tag.«
»O ja, das allerschönste Pony und das allerschnellste.«
Aufgrund ihrer langen Abwesenheit glomm das Feuer nur noch und vermochte kaum, die Kälte zu vertreiben. Als sie ihre Jüngste zum Bett trug, streckte Sorcha eine Hand zur Feuerstelle aus.
Die Flammen loderten auf, züngelten über die Asche. Sorcha legte Teagan in die Nische, strich ihr das Haar glatt - sonnenblond wie das ihres Vaters - und wartete, bis ihr die Augen - tief und dunkel wie die ihrer Mutter - zufielen.
»Hab nur süße Träume«, murmelte sie und berührte das Amulett, das sie über den Betten ihrer Kinder aufgehängt hatte. »Wohlbehalten durch die Nacht. Das, was du bist und was du siehst, werde durch das Dunkel zum Licht gebracht.«
Sie küsste die zarte Wange. Als sie sich aufrichtete, ließ ein Ziehen in ihrem Bauch sie aufstöhnen. Der Schmerz kam und ging, wurde jedoch stärker, je länger der Winter anhielt. Also würde sie den Rat ihrer Tochter befolgen und sich einen Heiltrank brauen. »Brighid, an diesem deinem Tag hilf mir, gesund zu werden. Ich habe drei Kinder, die mich brauchen. Ich kann sie nicht alleinlassen.«
Sie verließ die schlafende Teagan und ging, um den älteren Kindern bei der Hausarbeit zu helfen. Als die Nacht hereinbrach, zu rasch, zu früh, verschloss sie die Tür, bevor sie ihr abendliches Ritual mit Eamon wiederholte.
»Ich bin überhaupt nicht müde«, behauptete dieser, obwohl ihm die Augen zufielen.
»Oh, das sehe ich. Ich sehe, dass du putzmunter bist. Fliegst du heute Nacht wieder, Mhic, mein Sohn?«
»Ja, hoch in den Himmel. Bringst du mir morgen noch mehr bei? Kann ich in der Frühe Roibeard mit hinausnehmen?«
»Sowohl als auch. Der Habicht gehört dir, du siehst ihn, du kennst ihn und fühlst ihn. Und jetzt schlaf.« Sie wuschelte ihm durch das rindenbraune Haar und küsste ihm die Augen zu, die wild und blau waren wie die seines Vaters.
Als sie vom Dachboden herunterkam, fand sie Brannaugh schon am Feuer sitzen, mit dem Hund, der ihr gehörte. Sie sah aus wie das blühende Leben und strotzte - der Göttin sei Dank - vor Gesundheit und jener Kraft, die sie noch nicht ganz beherrschte oder verstand. Sorcha betete, dass dafür genug Zeit blieb.
»Ich hab den Trank gemacht«, sagte Brannaugh. »Genau wie du es mir gezeigt hast. Wenn du ihn getrunken hast, geht es dir bestimmt besser.«
»Sorgst du jetzt für mich, mo chroi, mein Herz?« Lächelnd nahm Sorcha den Trank, schnupperte daran, nickte. »Dafür hast du ein Händchen, eindeutig. Die Heilkunst ist eine starke Gabe. Damit bist du willkommen und wirst gebraucht, wo immer du auch hingehst.«
»Ich will nirgendwo hingehen. Ich will hier bei dir und Da sein und bei Eamon und Teagan, für immer.«
»Eines Tages schaust du vielleicht über unseren Wald hinaus. Und du wirst einen Mann haben.«
Brannaugh schnaubte. »Ich will keinen Mann. Was soll ich mit einem Mann?«
»Ach, das ist eine Geschichte für ein andermal.« Sorcha setzte sich zu ihrer Tochter ans Feuer, legte ein breites Schultertuch um sie beide und schlürfte ihren Trank. Als Brannaugh ihre Hand berührte, drehte sie sie um und verschränkte die Finger mit denen ihrer Tochter. »Also gut, aber nur einen Augenblick. Du brauchst deinen Schlaf.«
»Kann ich es machen? Kann ich die Vision kommen lassen?«
»Na, dann schau mal, was du kannst. Tu, was du willst. Sieh ihn, Brannaugh, den Mann, von dem du abstammst. Es ist Liebe, die ihn herbringt.«
Sorcha schaute zu, wie der Rauch aufwirbelte, die Flammen aufflackerten und sich wieder beruhigten. Gut, dachte sie beeindruckt. Das Mädchen lernte rasch. In den Höhlungen und Senken der Flamme versuchte das Bild, Gestalt anzunehmen. Ein Feuer in einem Feuer. Silhouetten, Bewegungen und einen Moment lang das Gemurmel weit entfernter Stimmen. Sie sah den intensiven Ausdruck im Gesicht ihrer Tochter, die feinen Schweißperlen, die sich durch die Anstrengung bildeten. Zu viel, dachte sie, für so einen jungen Menschen.
»Komm«, sagte sie ruhig. »Wir machen es zusammen.«
Sie ließ ihre Kraft wirken, vereinte sie mit der Brannaughs. Ein kurzes Brausen, ein Rauchwirbel, ein Funkensprühen. Dann Stille. Und da war er, der Mann, nach dem sie sich beide sehnten. Er saß an einem anderen Feuer in einem Steinkreis. Sein helles Haar fiel geflochten über den dunklen Umhang, der um die breiten Schultern lag. Die dealg - die Nadel seines Rangs -, die daran steckte, glitzerte im Schein der Flammen. Die Brosche, die sie für ihn in Feuer und Magie geschmiedet hatte - der Hund, der Hengst, der Habicht.
»Er wirkt erschöpft«, sagte Brannaugh und lehnte den Kopf an den Arm der Mutter. »So gut wie er sieht kein anderer Mann aus.«
»So ist er. Gut aussehend, stark und tapfer.« Oh, wie sie sich nach ihm sehnte.
»Kannst du sehen, wann er nach Hause kommt?«
»Man kann nicht alles sehen. Vielleicht bekomme ich ein Zeichen, wenn er sich nähert. Aber heute Abend sehen wir, dass er heil und gesund ist, und das genügt.«
»Er denkt an dich.« Brannaugh blickte ihrer Mutter ins Gesicht. »Das spüre ich. Kann er fühlen, dass wir an ihn denken?«
»Er hat die Gabe nicht, aber er hat das Herz, die Liebe. Also spürt er es vielleicht. So, und jetzt ab ins Bett. Ich komme gleich nach.«
»Der Schwarzdorn blüht, und die alte Hexe hat die Sonne heute nicht gesehen. Er kommt bald nach Hause.« Brannaugh stand auf und gab ihrer Mutter einen Kuss. Der Hund kraxelte mit ihr die Leiter hinauf.
Allein betrachtete Sorcha ihren Geliebten im Feuer. Und allein weinte sie.
Als sie ihre Tränen trocknete, hörte sie wieder den Lockruf. Er werde sie trösten, sie wärmen - so klangen seine verführerischen Lügen. Er werde ihr alles geben, was sie sich wünsche, und noch mehr. Sie brauche sich ihm nur hinzugeben.
»Ich werde Euch nie gehören.«
Doch, das werdet Ihr. Ihr seid schon mein. Kommt jetzt und entdeckt all die Freuden, all den Ruhm. Die Macht.
»Niemals bekommt Ihr mich oder das, was ich in mir trage.«
Nun veränderte sich das Bild im Feuer, und er erschien in den Flammen - Cabhan, dessen Macht und Ziele finsterer waren als die Winternacht. Der sie wollte, ihren Leib, ihre Seele, ihre Hexenkraft. Der Zauberer begehrte sie, denn sie spürte sein Verlangen wie schweißnasse Hände auf ihrer Haut. Doch mehr noch, das wusste sie, begehrte er ihre Gabe. Seine Gier danach hing schwer in der Luft.
In den Flammen lächelte er, so gut aussehend, so unbarmherzig.
Ich kriege Euch, Sorcha die Dunkle. Euch und alles, was Ihr seid. Wir sind füreinander bestimmt. Wir sind gleich.
Nein, dachte sie, wir sind nicht gleich, sondern wie Tag und Nacht, Hell und Dunkel, die sich nur in Schatten vereinen.
So allein seid Ihr und tragt so eine Last. Euer Mann lässt Euch ein kaltes Bett zurück. Kommt, wärmt Euch in meinem, spürt die Hitze, lasst sie mit mir entstehen. Gemeinsam beherrschen wir die Welt.
Sorchas Kräfte ließen nach, das Ziehen in ihr verwandelte sich in Schmerzen. Sie stand auf und ließ den warmen Wind durch ihr Haar wehen. Ließ die Kraft in sich strömen, bis sie aus ihr strahlte. Und sah in den Flammen das heiße Verlangen in Cabhans Antlitz.
Das ist es, was er will, dachte sie, die Herrlichkeit, die durch mein Blut strömt. Und die wird er nie bekommen.
»Kennet mich, spürt meine Macht, damals, heute, Tag und Nacht. Dunkles Begehren bietet Ihr mir, in Rauch und Feuer erscheint Ihr hier. Verraten soll ich Blut, Kind und Mann, alles beherrschen, nehm ich Euch nur an. Meine Antwort kommt geschwind durch das Meer und den Wind. Erhebt euch, Jungfer, Mutter, Alte, zu drei'n, wie ich es will, so möge es sein.«
Sie warf die Arme wirbelnd in die Luft, ließ der weiblichen Wut freien Lauf und schleuderte den Zorn in Richtung von Cabhans Herzschlag. Sie empfand ein jähes, wildes Lustgefühl, als sie ihn vor Wut und Schmerz schreien hörte und beides auf seinem Gesicht in den Flammen aufflackern sah ...
Dann war das Feuer nur noch ein Feuer, das zur Nacht heruntergebrannt war und doch durch seine Wärme ein wenig gegen die bittere Kälte half. Ihre Hütte war nur noch eine Hütte, still und dunkel. Und sie war nur eine Frau, allein mit ihren schlafenden Kindern.
Sie sank auf den Stuhl und schlang einen Arm um das Ziehen in ihrem Bauch. Cabhan war fort, vorerst. Doch ihre Angst blieb, die Angst vor ihm und davor, dass sie, wenn kein Zaubertrank oder Gebet ihren Leib heilte, ihre Kinder mutterlos zurücklassen würde.
Schutzlos.
Als sie erwachte, hatte sich ihre Jüngste bei ihr zusammengerollt. Sie suchte Trost, selbst als Sorcha sich umdrehte, um aufzustehen. »Ma, Ma, bleib hier.«
»Na komm, mein Sonnenschein. Ich habe zu tun. Und du solltest eigentlich in deinem Bett liegen.«
»Der böse Mann war da. Er hat meine Ponys getötet.«
Panik schloss sich um Sorchas Herz wie eine Faust. Cabhan rührte ihre Kinder an - ihren Leib, ihren Geist, ihre Seele? Unsagbare Angst, unsagbarer Zorn stiegen in ihr auf.
»Nur ein Traum, Kleines.« Sie zog Teagan an sich, wiegte und beruhigte sie. »Nur ein Traum.«
Doch Träume waren mächtig und gefährlich.
»Meine Ponys haben geschrien, und ich konnte sie nicht retten. Er hat sie angezündet, und sie haben geschrien. Alastar ist gekommen und hat den bösen Mann umgeworfen. Dann bin ich auf Alastar weggeritten, aber ich konnte die Ponys nicht retten. Ich hab Angst vor dem bösen Mann in dem Traum.«
»Er tut dir nichts. Ich lasse nicht zu, dass er dir jemals etwas tut. Und es waren nur Traumponys.« Mit fest geschlossenen Augen küsste Sorcha Teagans helles, zerzaustes Haar, ihre Wangen. »Wir träumen von noch mehr Ponys. Von grünen und blauen.«
»Grüne Ponys!«
»O ja, grün wie die Hügel.« Sorcha knuddelte Teagan und hob eine Hand, ließ ihren Finger kreisen, schneller, immer schneller, bis lauter Ponys - blaue, grüne, rote, gelbe - über ihren Köpfen in der Luft tanzten. Als sie ihre Jüngste kichern hörte, verbannte Sorcha ihre Ängste, ihre Wut, sperrte sie entschlossen weg. Er würde ihren Kindern niemals etwas antun. Eher würde sie ihn umbringen und sich selbst auch, bevor sie das zuließe.
»Jetzt alle Ponys ran an den Hafer! Und du kommst mit mir, dann frühstücken wir auch.«
»Gibt es Honig?«
»Ja.« Sorcha musste lächeln. »Für brave Mädchen gibt es Honig.«
»Ich bin brav!«
»Du bist der allerliebste, allersüßeste Schatz.«
Sie nahm Teagan auf den Arm, und ihre Kleine klammerte sich an sie, flüsterte ihr ins Ohr: »Der böse Mann hat gesagt, mich holt er als Erstes, weil ich am jüngsten und schwach bin.«
»Er holt dich niemals, das schwöre ich dir bei meinem Leben. «
Sorcha hielt Teagan ein wenig von sich weg, sodass ihre Tochter in ihren Augen sehen konnte, dass sie die Wahrheit sagte. »Ich schwöre es dir. Und, mein Liebes, schwach bist du nicht und wirst es auch nie sein.«
Dann schürte sie das Feuer, ließ Honig auf das Brot fließen, machte Kräutertee und Hafer. Sie alle würden Kraft brauchen für das, was sie an diesem Tag vorhatte. Was sie tun musste.
Ihr Junge kam vom Dachboden herunter, die Haare vom Schlaf verwuschelt. Er rieb sich die Augen und schnüffelte in der Luft wie ein Hund. »Ich hab mit dem schwarzen Zauberer gekämpft. Ich bin nicht weggelaufen.«
Sorchas Herz begann in ihrer Brust zu rasen. »Du hast geträumt. Erzähl mir davon.«
»Ich war an der Biegung des Flusses, wo unser Boot liegt, und er ist gekommen, und ich wusste gleich, dass er ein Zauberer ist, ein schwarzer, weil sein Herz schwarz ist.«
»Sein Herz.«
»Ich konnte in sein Herz sehen, obwohl er irgendwie so freundlich gelächelt und mir Honigkuchen angeboten hat. ›Hier, Junge‹, hat er gesagt, ›ich hab was Feines für dich.‹ Aber der Kuchen war innen voller Würmer und schwarzem Blut. Ich habe gemerkt, dass er vergiftet war.«
»Du hast ihm ins Herz gesehen und in den Kuchen, in deinem Traum.«
»Ja, ehrlich.«
»Ich glaube dir.« Also steckte in ihrem kleinen Mann mehr, als sie gedacht hatte.
»Ich hab zu ihm gesagt: ›Esst den Kuchen selbst, denn es ist der Tod in Eurer Hand.‹ Aber er hat ihn weggeworfen, und die Würmer sind herausgekrochen und zu Asche verbrannt. Dann wollte er mich im Fluss ertränken, aber ich hab mit Steinen nach ihm geschmissen. Dann ist Roibeard gekommen.«
»Hast du den Habicht im Traum gerufen?«
»Ich hab mir gewünscht, er wäre da, und auf einmal kam er und fuhr die Klauen aus. Dann ist der schwarze Zauberer weggegangen, wie Rauch im Wind. Und ich bin in meinem Bett aufgewacht.«
Sorcha zog den Jungen an sich, strich ihm übers Haar. Sie hatte ihre Wut auf Cabhan losgelassen, daher hatte er versucht, sich an ihre Kinder heranzumachen. »Du bist tapfer, Eamon. Jetzt komm frühstücken. Wir müssen die Tiere versorgen.«
Sorcha ging auf Brannaugh zu, die am Fuß der Leiter stand. »Und du auch.«
»Er ist in meinen Traum gekommen. Er hat gesagt, er macht mich zu seiner Braut. Er ... hat versucht, mich anzufassen. Hier.« Blass bedeckte Brannaugh ihre Brust mit den Händen. »Und hier.« Sie legte die Hände an ihren Schritt. Zitternd presste sie das Gesicht an ihre Mutter, die sie umarmte. »Ich hab ihn verbrannt. Ich weiß nicht, wie, aber ich hab seine Finger verbrannt. Er hat mich verflucht und die Hände zu Fäusten geballt. Kathel ist gekommen, aufs Bett gesprungen und hat geknurrt und geschnappt. Dann war der Mann weg. Aber er hat versucht, mich anzufassen, und er hat gesagt, er macht mich zu seiner Braut, aber ...«
Mit der Angst erwachte Sorchas Zorn. »Das wird er niemals tun. Das schwöre ich. Er wird dich niemals anrühren. Und jetzt iss. Esst alle. Es gibt viel zu tun.«
Sorcha schickte die Kinder hinaus, um den Tieren Futter und Wasser zu geben, die Boxen auszumisten und die Kuh zu melken.
Als sie allein war, bereitete sie sich vor, suchte ihre Gerätschaften zusammen. Die Schüssel, die Glocken, die Kerzen, das heilige Messer und den Kessel. Sie wählte die Kräuter aus, die sie gezogen und getrocknet hatte. Und die drei Kupferarmbänder, die Daithi ihr vor langer Zeit auf einem Sommerjahrmarkt gekauft hatte. Sie ging nach draußen, atmete die Luft tief ein und hob die Arme, um den Wind zu wecken.
Sie rief den Habicht. Er kam mit einem Schrei, der über die Bäume und die dahinter liegenden Hügel hallte, dass die Diener im Schloss am Fluss die Augen zum Himmel wandten. Seine Schwingen, weit ausgebreitet, fingen den Schein der Wintersonne ein.
Sorcha hob den Arm, sodass die gefährlichen Klauen sich um ihren Lederhandschuh krallten. Sie sah in die Augen des Habichts, und er in ihre. »Flink und weise, stark und furchtlos. Du gehörst Eamon, aber auch mir. Du dienst allem, was von mir kommt. Die meinen dienen allem, was von dir kommt. Ich brauche dich, und ich bitte dich um dies für meinen Sohn, für deinen Herrn und Diener.«
Sie zeigte ihm das Messer; sein Blick blieb unverwandt fest. »Roibeard, ich bitte dich um ein Gut, aus deiner Brust dreimal einen Tropfen Blut. Um eine Feder aus deinen Schwingen, dafür will ich deinen Ruhm besingen. Damit mein Sohn bewahrt wird vor Wehe - dies geschehe.«
Sie stach den Habicht und hielt das Fläschchen bereit, um die drei Tropfen aufzufangen. Dann riss sie ihm eine einzelne Feder aus. »Meinen Dank«, raunte sie. »Bleib noch in der Nähe.«
Er erhob sich von ihrer Hand, schwebte jedoch nur zum Ast eines Baumes hinauf. Dort schloss er die Schwingen und sah ihr aufmerksam zu.
Sie pfiff nach dem Hund. Kathel schaute sie vertrauensvoll an. »Du gehörst Brannaugh, aber auch mir«, begann sie und wieder holte das Ritual, fing die drei Blutstropfen auf und zupfte ein paar Haare aus dem Fell an der Flanke.
Zuletzt ging sie in den Stall, mitten hinein ins Gelächter ihrer Kinder, die dort bei der Arbeit waren. Das verlieh ihr Kraft. Sie strich dem Pony mit der Hand über das Gesicht.
Als Teagan das Messer sah, stürzte sie herbei. »Nicht!«
»Ich tue ihm nicht weh. Er gehört dir, aber auch mir. Er dient allem, was von mir kommt und von dir, so wie du allem dienst, was von ihm kommt. Ich brauche dich, Alastar, und ich bitte dich um dies für meine Tochter, für deine Herrin und Dienerin.«
»Schneide ihn nicht. Bitte!«
»Nur ein Piks, ein Kratzer, und nur, wenn er einwilligt. Alastar, ich bitte dich um ein Gut, aus deiner Brust dreimal einen Tropfen Blut. Aus deiner Mähne etwas Haar, und ich will singen deinen Ruhm, fürwahr. Damit meine Tochter bewahrt wird vor Wehe - dies geschehe. Nur drei Tropfen«, sagte Sorcha ruhig, während sie das Pony mit der Spitze des Messers stach. »Nur ein wenig von seiner Mähne. So ist es gut.« Obwohl Alastar ganz still stand, mit weisem, ruhigem Blick, legte Sorcha die Hände auf den kleinen, oberflächlichen Schnitt und ließ ihre Hexenkraft hineinströmen, um ihn zu heilen, weil ihre Tochter so ein weiches Herz hatte.
»Kommt jetzt mit mir, alle drei.« Sorcha hob Teagan auf ihre Hüfte und ging voran zum Haus. »Ihr wisst, was ich bin. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht. Ihr wisst auch, dass ihr die Gabe habt, jeder von euch. Das habe ich euch immer gesagt. Eure Hexenkraft ist noch jung und unschuldig. Eines Tages wird sie stark und mächtig sein. Ihr müsst sie ehren. Ihr dürft sie nicht anwenden, um jemandem zu schaden, denn der Schaden, den ihr jemandem zufügt, wird dreifach auf euch zurückfallen. Die Hexenkraft ist eine Waffe, ja, doch keine, die gegen die Gutartigen, die Schwachen, die Schuldlosen erhoben werden darf. Sie ist eine Gabe und eine Bürde, und ihr alle werdet beides tragen. Ihr alle werdet beides an jene weitergeben, die aus euch hervorgehen. Heute lernt ihr noch mehr. Beherzigt, was ich sage und tue. Schaut zu, hört zu, erkennt.«
Als Erstes wandte sie sich an Brannaugh. »Dein Blut und meins mit dem Blut des Hundes. Blut ist Leben. Es zu verlieren bedeutet den Tod. Drei Tropfen von dir, drei Tropfen von mir, dazu des Hundes Lebenssaft, so erhält der Zauber seine Kraft.«
Ohne zu zögern, legte Brannaugh die Hand in die der Mutter und hielt still, als Sorcha sie mit dem Messer ritzte.
»Mein Junge«, sagte Sorcha zu Eamon. »Drei Tropfen von dir, drei Tropfen von mir, dazu des Habichts Blut, so sind's drei Teile gut.«
Obwohl seine Lippen zitterten, streckte Eamon die Hand aus.
»Und jetzt mein Kleines. Hab keine Angst.« In Teagans Augen standen Tränen, doch sie sah ihre Mutter feierlich an, als sie die Hand ausstreckte.
»Drei Tropfen von dir, drei Tropfen von mir, der Hengst als Führer dazu, so wirkt der Zauber im Nu.«
Sie vermischte das Blut, küsste Teagans kleine Hand. »Na siehst du, schon geschafft.«
Sie hob den Kessel in die Höhe, ließ die Fläschchen in den Beutel an ihrer Taille gleiten. »Bringt den Rest mit. Das hier machen wir am besten draußen.«
Sie wählte ihre Stelle aus, auf festem Boden mit Schneeklumpen im Schatten der Bäume.
»Sollen wir Feuerholz holen?«, fragte Eamon.
»Nicht dafür. Stellt euch hierher, zusammen.« Sorcha ging an ihnen vorbei, rief die Göttin an, die Erde, den Wind, das Wasser und das Feuer. Und zog den Kreis. Die niedrige Flamme flackerte über dem Boden, folgte dem Rund, bis die Enden sich trafen. Und im Inneren stieg die Wärme auf wie der Frühling.
»Dies ist Schutz und gebietet Respekt. Das Böse kann nicht hereinkommen, das Dunkel kann nicht Herr über das Licht werden. Und was in diesem Kreis getan wird, wird um des Guten willen getan. Um der Liebe willen. Zuerst das Wasser, von Meer und Himmel.« Sie legte die Hände zu einer Schale zusammen, öffnete sie über dem Kessel, und Wasser, so blau wie ein sonnenbeschienener See, strömte heraus, strömte hinein. »Und die Erde, unser Land, unsere Herzen.« Sie schnippte mit den Fingern einer Hand, dann mit der anderen, und üppige braune Erde ergoss sich in den Kessel. »Und die Luft, Lied des Windes, Atem des Leibs.« Sorcha breitete die Arme aus und pustete. Wie Musik strömte die Luft zu Erde und Wasser. »Nun das Feuer, Flamme und Wärme, Anfang und Ende.« Sorcha glühte, die Luft um sie herum flimmerte, ihre Augen brannten blau, als sie die Arme in die Luft reckte und die Hände wieder nach unten riss. Im Kessel brach ein Feuer aus, loderte auf, sprühte Funken.
»Diese hat euer Vater mir geschenkt. Sie sind ein Zeichen seiner Liebe und der meinen. Jeder von euch, ihr alle drei, kommt aus dieser Liebe.« Sie warf die drei Kupferarmbänder in die Flammen, rührte um und gab Fell, Haar und Feder hinein, dazu das Blut. »Durch der Göttin Macht und Wort steh ich heut an diesem Ort, dieser Zauber soll bewahren meine Kinder vor Gefahren, und alles, das kommt herfür aus ihnen und aus mir. Der Hengst, der Habicht, der Hund, das Blut schließt ihren Bund, zu schützen und zu dienen immerdar, in Freud und Leid, in Wohl und Gefahr. In Erd, Luft und Meer, in Feuer groß und klein, wie ich es will, so möge es sein.«
Sorcha reckte die Arme in die Luft und wandte ihr Gesicht zum Himmel. Das Feuer schoss hoch auf, rot und golden, im Kern gleißend blau, wirbelte und züngelte es in den kalten Winterhimmel hinauf. Die Erde bebte. Das eisige Wasser des Bachs begann zu tosen. Und der Wind heulte wie ein Wolf auf Beutezug.
Dann beruhigte es sich, erstarb, und es blieben nur die drei Kinder. Einander fest an den Händen haltend beobachteten sie, wie ihre Mutter - nun weiß wie Schnee - schwankte.
Als Brannaugh auf sie zugehen wollte, schüttelte Sorcha den Kopf. »Noch nicht. Hexerei ist Arbeit. Sie gibt, und sie nimmt. Sie muss zu Ende gebracht werden.«
Sie griff in den Kessel, nahm die drei Armbänder heraus. »Für Brannaugh den Hund, für Eamon den Habicht, für Teagan den Hengst.« Sie ließ ein Amulett über den Kopf jedes Kindes gleiten. »Das ist euer Zeichen und Schutz. Er beschützt euch. Ihr müsst ihn immer bei euch tragen. Immer. Der Böse kann euch in eurem Wesen nicht anrühren, wenn ihr euren Schutz habt, wenn ihr an seine Kraft glaubt, an meine und eure eigene. Eines Tages werdet ihr ihn an einen eurer Nachkommen weitergeben. Ihr werdet wissen, an wen. Ihr erzählt euren Kindern die Geschichte und singt die alten Lieder. Ihr nehmt die Gabe und gebt die Gabe.«
Teagan bewunderte ihr Amulett und lächelte, während sie das kleine Oval in der Sonne drehte. »Es ist schön. Es sieht aus wie Alastar.«
»Es stammt von ihm - und von dir und von mir und deinem Vater, deinem Bruder und deiner Schwester. Wie sollte es da nicht schön sein?« Sorcha beugte sich herab, um Teagan auf die Wange zu küssen. »Ich habe so schöne Kinder.«
Sie konnte kaum aufstehen und unterdrückte ein Stöhnen, als Brannaugh ihr auf die Beine half. »Ich muss den Kreis schließen. Wir werden jetzt alles ins Haus bringen.«
»Wir helfen dir«, sagte Eamon und nahm seine Mutter bei der Hand.
Gemeinsam mit ihren Kindern schloss sie den Kreis, ließ sie die Gerätschaften ins Haus bringen.
»Du musst dich ausruhen, setz dich ans Feuer.« Brannaugh zog ihre Mutter zu dem Stuhl. »Ich bereite dir einen Heiltrank.«
»Ja, einen starken. Zeig deinem Bruder und deiner Schwester, wie das gemacht wird.«
Sorcha lächelte, als Teagan ihr ein Schultertuch umlegte, Eamon eine Decke über ihre Knie breitete. Doch als sie die Hand nach der Tasse ausstreckte, die Brannaugh brachte, wehrte ihre Tochter ab und drückte die Haut rings um den Schnitt in ihrer Hand zusammen, bis drei Tropfen Blut in die Tasse tropften. »Blut ist Leben.«
Sorcha seufzte. »So ist es, ja. Danke.« Sie trank den Heiltrank und schlief ein.
2
Eine Woche lang, dann zwei, war sie stark, und ihre Kraft ließ nicht nach. Cabhan versuchte, sie zu brechen, er rannte dagegen an, schlich sich heran, doch Sorcha wehrte ihn ab.
Der Schwarzdorn blühte, auch die Schneeglöckchen, und das Licht kündete schon mehr vom Frühling als vom Winter.
Jeden Abend betrachtete Sorcha Daithi im Feuer. Wenn sie konnte, sprach sie zu ihm, wagte es, ihm ihren Geist zu senden, damit er ihm ihren Geruch, ihre Stimme, ihre Berührung brachte und mit Geruch, Stimme, Berührung des Geliebten zu ihr zurückkehrte.
Um sie so beide zu stärken.
Von Cabhan erzählte sie ihm nichts. Die Hexerei war ihre Welt. Sein Schwert, seine Faust, selbst sein Kriegerherz konnten jemanden wie Cabhan nicht besiegen. Die Hütte, die schon die ihre gewesen war, bevor sie Daithi zum Mann genommen hatte, musste sie allein verteidigen. Die Kinder, die sie zusammen gezeugt hatten, musste sie allein beschützen.
Und dennoch zählte sie die Tage bis Bealtaine, dem Tag, an dem er zu ihr nach Hause kommen würde.
Ihre Kinder gediehen, und sie lernten. Eine innere Stimme drängte Sorcha, ihnen alles, was sie vermochte, so rasch wie möglich beizubringen. Sie zweifelte keinen Augenblick daran.
So brachte sie abends im Schein von Talglicht und Feuer Stunden damit zu, ihre Zaubersprüche, ihre Rezepte, selbst ihre Gedanken aufzuschreiben. Und wenn sie das Heulen des Wolfs oder das Tosen des Windes hörte, beachtete sie es nicht.
Zweimal wurde sie zum Schloss gerufen, um jemanden zu heilen, und nahm ihre Kleinen mit, damit sie mit den anderen Kindern spielen konnten. Auch, um sie bei sich zu haben, damit sie sahen, mit welchem Respekt man der Dunklen Hexe begegnete.
Denn dieser Name und alles, was damit verbunden war, würde ihr Erbe sein.
Doch jedes Mal, wenn sie nach Hause zurückkehrten, benötigte sie einen Heiltrank, um die Kräfte wiederzubeleben, die das Anwenden des Heilzaubers an den Kranken aus ihr herausgesaugt hatte.
So sehr sie sich nach ihrem Mann sehnte und nach der Gesundheit, die sie - so fürchtete sie - niemals ganz wiedererlangen würde, unterrichtete sie ihre Kinder doch täglich in ihrer Kunst. Sie schaute von Weitem zu, wenn Eamon Roibeard rief, der jetzt mehr ihm als ihr gehörte, so wie es sein sollte. Beobachtete voller Stolz, wie ihre Jüngste Alastar ritt, unerschrocken wie ein Krieger. Und sie sah mit Stolz und Sorge zugleich, wie oft Brannaugh und ihr treuer Kathel Streifzüge durch den Wald unternahmen.
Sie hatten die Gabe, aber sie waren auch noch Kinder. Daher sorgte sie dafür, dass es Musik und Spiele gab und sie trotz allem eine möglichst unbeschwerte Kindheit genießen konnten.
Es kamen Besucher zu ihnen, die ein Amulett wollten, eine Salbe, eine Antwort auf eine Frage, die auf Liebe oder ein glückliches Schicksal hofften. Sorcha half, wo sie konnte, und nahm dafür entgegen, was ihr geboten wurde. Und sie behielt die Straße im Blick - obwohl sie wusste, dass es noch Wochen dauerte, bis ihr Geliebter heimkommen würde.
Sie fuhr mit den Kindern auf den Fluss hinaus, in dem kleinen Boot, das ihr Vater gebaut hatte, an einem windstillen Tag, an dem der Himmel mehr blau als grau war.
»Es heißt doch, Hexen können das Wasser nicht überqueren«, verkündete Eamon.
»Heißt es das?« Sorcha lachte und hob das Gesicht der leichten Brise entgegen. »Und doch schippern wir hier wunderbar dahin.«
»Donal hat das gesagt - Donal aus dem Schloss.«
»Wenn er das sagt oder sogar glaubt, heißt das noch lange nicht, dass es die Wahrheit ist.«
»Eamon hat für Donal einen Frosch fliegen lassen. Das war pure Angeberei.«
Eamon warf seiner kleinen Schwester einen finsteren Blick zu und hätte sie obendrein geknufft oder gekniffen, wenn seine Mutter nicht hingeschaut hätte.
»Fliegende Frösche sind vielleicht ganz lustig, aber es ist nicht klug, deine Zauberkraft für Spielereien zu verwenden.«
»Ich habe geübt.«
»Du könntest üben, uns ein paar Fische zum Abendessen zu fangen. Nicht so«, mahnte Sorcha, als ihr Sohn die Hände über das Wasser streckte. »Hexerei ist nicht die Lösung für alles. Ein Mensch muss sich auch ohne sie durchbringen können. Eine Gabe sollte nie für etwas vergeudet werden, was man auch mit Köpfchen oder der Kraft von Händen und Körper erreichen kann.«
»Ich fische gerne.«
»Ich nicht«, stellte Brannaugh fest, während das kleine Boot über den Fluss schaukelte. »Man sitzt da und wartet und wartet. Ich gehe lieber jagen. Dabei ist man im Wald, und es könnte zum Abendessen Kaninchen geben.«
»Das können wir ja morgen machen. Heute Abend versuchen wir es mit Fisch, wenn dein Bruder Glück hat und Geschick beweist. Und dazu gibt es vielleicht eine Kartoffelpastete.«
Gelangweilt gab Brannaugh ihre Angelschnur an ihre Schwester weiter und schaute über das Wasser zum Schloss mit seinen hohen Steinmauern. »Wolltest du nicht dort wohnen, Ma? Ich habe die Frauen reden hören. Sie haben gesagt, wir wären alle willkommen.«
»Wir haben ein Zuhause, und auch wenn es einmal nur eine Hütte war, steht es schon länger als jene Mauern. Es stand schon, als noch die O'Connors regierten, vor dem Hause Burke. Könige und Prinzen kommen und gehen, m'inion, aber ein Zuhause bleibt für immer.«
»Ich finde das Schloss schön, so groß und prächtig, aber unser Wald gefällt mir besser.« Brannaugh lehnte kurz den Kopf an den Arm ihrer Mutter. »Hätten die Burkes uns unser Zuhause wegnehmen können?«
»Sie hätten es versuchen können, doch es war klug von ihnen, die Zauberkraft zu respektieren. Wir stehen nicht auf Kriegsfuß mit ihnen und sie nicht mit uns.«
»Sonst würde Da mit ihnen kämpfen. Und ich auch.« Brannaugh ließ den Blick zu ihrer Mutter schweifen. »Dervla aus dem Schloss hat mit erzählt, dass Cabhan verbannt wurde.«
»Das wusstest du doch schon.«
»Ja, aber sie hat gesagt, er kommt zurück, und er liegt bei den Frauen. Er flüstert ihnen was ins Ohr, und dann denken sie, er wäre ihr richtiger Ehemann. Aber am nächsten Morgen merken sie, was los ist. Dann weinen sie. Dervla sagt, du hast den Frauen Amulette gegeben, um ihn fernzuhalten, aber er hat eins der Küchenmädchen weggelockt, ins Moor. Niemand kann sie finden.«
Sorcha wusste davon, genau wie sie wusste, dass das Küchenmädchen nie mehr gefunden würde. »Er spielt mit ihnen und sucht sich eine schwache Beute, um seinen Hunger zu stillen. Seine Macht ist schwarz und kalt. Das Licht und das Feuer werden ihn stets besiegen.«
»Aber er kommt zurück. Er kratzt an den Fenstern und Türen. «
»Er kann nicht hinein.« Doch Sorcha spürte, wie sie ein kalter Schauer überlief.
In diesem Augenblick stieß Eamon einen Schrei aus, und als er die Angelschnur in die Höhe riss, blitzte silbern ein Fisch in der Sonne.
»Glück und Geschick«, sagte Sorcha lachend, als sie zum Netz griff.
»Ich will auch einen fangen.« Teagan beugte sich eifrig über das Wasser, als suchte sie nach einem ähnlichen Fisch.
»Ich hoffe doch, dass du das schaffst, denn wir brauchen mehr als einen, auch wenn es so ein prächtiger Bursche ist. Gut gemacht, Eamon.«
Sie fingen drei weitere Fische, und wenn Sorcha ihrer Jüngsten ein bisschen half, war es nur Hexerei aus Liebe.
Dann ruderte sie das Boot in der glitzernden Sonne und der leichten Brise zurück, und die Luft war erfüllt von den Stimmen ihrer Kinder. Ein guter, schöner Tag, dachte sie, und der Frühling war so nah, dass sie ihn fast schmecken konnte.
»Lauf schnell nach Hause, Eamon, und nimm die Fische aus. Brannaugh, du kannst die Kartoffeln aufsetzen, und ich kümmere mich um das Boot.«
»Ich bleibe bei dir.« Teagan schob ihre Hand in die der Mutter. »Ich kann dir helfen.«
»Ganz bestimmt, wir müssen nämlich noch Wasser aus dem Bach holen.«
»Mögen die Fische es, wenn wir sie fangen und essen?«
»Das wohl nicht gerade, aber es ist ihre Bestimmung.«
»Warum?«
Warum, dachte Sorcha, während sie das Boot befestigte, das war Teagans erstes Wort gewesen. »Haben nicht die Mächte den Fisch ins Wasser gesetzt und uns die Klugheit gegeben, Netze und Angelschnüre zu machen?«
»Aber bestimmt schwimmen sie lieber, als im Feuer zu braten. «
»Vermutlich. Daher sollten wir achtsam und dankbar sein, wenn wir sie essen.«
»Und wenn wir sie nicht fangen und essen würden?«
»Dann hätten wir ziemlich oft Hunger.«
»Reden die Fische unter Wasser?«
»Hm, also, ich habe mich noch nie mit einem Fisch unterhalten. Komm mal her.« Sorcha zog Teagans Umhang fester um sie. »Es wird kalt.« Sie schaute auf und sah, wie sich Wolken vor die Sonne schoben. »Kann sein, dass es heute Abend Sturm gibt. Sehen wir zu, dass wir nach Hause kommen.«
Als sie sich aufrichtete, kam der Nebel. Grau und schmutzig kroch er wie eine Schlange über den Boden und erstickte den Glanz des Tages.
Es zog kein Sturm auf, begriff Sorcha. Die Bedrohung war bereits da. Sie schob Teagan hinter sich, als Cabhan aus dem Nebel auftauchte. Er trug Schwarz, silberdurchwirkt wie ein sternenübersäter Nachthimmel. Das Haar fiel ihm in Wellen auf die Schultern, ein ebenholzfarbener Rahmen für sein hartes und schönes Gesicht. Aus seinen Augen, finster und abgründig, blitzten Macht und Wollust zugleich, als er sie über Sorcha streifen ließ.
Sie spürte seinen Blick wie dreiste Hände auf ihrer Haut.
Um den Hals trug er einen großen, silbernen Schmuckanhänger, geformt wie eine Sonne, mit einem dicken Edelstein - einem funkelnden roten Auge - in der Mitte. Das war neu, dachte Sorcha. Sie spürte seine schwarze Macht.
»Mylady«, sagte er und verbeugte sich vor ihr.
»Ihr seid hier nicht willkommen.«
»Ich gehe, wohin ich will. Und was sehe ich da, eine Frau und ihr hübsches kleines Kind, ganz allein. Leckerbissen für Räuber und Wölfe. Ihr habt keinen Mann, der dafür sorgt, dass Ihr in Sicherheit seid, Sorcha die Dunkle. Ich werde Euch mein Geleit geben.«
»Ich sorge selbst für meine Sicherheit. Hinfort mit Euch, Cabhan. Hier vergeudet Ihr nur Eure Zeit und Kraft. Einem wie Euch unterwerfe ich mich niemals.«
»Ihr werdet Euch sehr wohl unterwerfen. Euch mir anzuschließen ist Euer Schicksal. Ich habe es im Spiegel gesehen.«
»Ihr seht Lügen und Begierden, nicht Wahrheit oder Schicksal. «
Cabhan lächelte, und wie seine Stimme, so war auch sein Lächeln verführerisch. »Gemeinsam werden wir über dieses Land herrschen und über jedes Land, das wir begehren. Ihr werdet prächtige Gewänder in leuchtenden Farben tragen und Euch mit Juwelen schmücken.«
Er wirbelte die Hände durch die Luft. Teagan schnappte nach Luft, als sie ihre Mutter in das reiche Rot der Königswürde gekleidet sah, funkelnd vor Juwelen, die auch eine goldene Krone besetzten.
Doch ein blitzartiger Ruck aus Sorchas Handgelenk, und sie war wieder in ihre schlichte schwarze Wolle gehüllt. »Eure Farben, Euren Glanz will und brauche ich nicht. Lasst mich und die Meinen in Frieden, oder Ihr bekommt meinen Zorn zu spüren.«
In grausamem Entzücken perlte Cabhans Lachen aus seinem Mund. »Ist es ein Wunder, mein Herz, dass ich keine andere will als Euch? Euer Feuer, Eure Schönheit, Eure Macht, all das ist für mich bestimmt.«
»Ich bin Daithis Frau und werde es immer sein.«
Mit angewidertem Grunzen schnippte Cabhan mit den Fingern. »Daithi sind seine Raubzüge, seine Spiele und seine läppischen kleinen Kriege wichtiger als Ihr oder die Welpen, die Ihr ihm geboren habt. Wie oft hat der Mond schon zu- und wieder abgenommen, seit er das letzte Mal das Bett mit Euch geteilt hat? Euch wird allmählich kalt in der Nacht, Sorcha, das spüre ich. Ich will Euch nie zuvor gekannte Lüste zeigen. Und ich mache mehr aus Euch, als Ihr seid. Ich mache Euch zu einer Göttin.«
Die Angst versuchte, in sie hineinzukriechen wie der Nebel über den Boden. »Eher bringe ich mich um, als dass ich mich von Euch beschlafen lasse. Ihr giert doch nur nach größerer Macht.«
»Und Ihr seid töricht, wenn Ihr Euch verweigert. Gemeinsam vernichten wir alle, die sich uns widersetzen, wir leben wie Götter, sind wie Götter. Und dafür gebe ich Euch, was Euer Herz am meisten begehrt.«
»Ihr kennt mein Herz nicht.«
»Ein Baby in Eurem Bauch, um den Verlust zu ersetzen. Mein Sohn, von Euch geboren. Mächtiger als man je einen gekannt hat oder nach ihm kennen wird.«
Der Schmerz über den Verlust flammte in Sorcha auf - und Furcht, eine schreckliche Furcht, denn sie spürte in sich die kleine Saat des Begehrens dessen, was er ihr anbot. Ein Leben, das in ihr wuchs, stark und leibhaftig.
Als Cabhan diese Furcht spürte, trat er näher. »Ein Sohn«, murmelte er. »Verheißungsvoll in Eurem Schoß, in dem er gedeiht, stark und prächtig geboren wie kein anderer. Gebt mir Eure Hand, Sorcha, und ich schenke Euch, was Euer Herz begehrt. «
Sorcha zitterte einen Augenblick, nur einen Augenblick, denn, oh, bei allen Göttern, sie sehnte sich nach jenem Leben.
Während sie noch zitterte, sprang Teagan hinter ihrem Rock hervor. Sie schleuderte einen Stein, mit dem sie Cabhan an der Schläfe traf. Ein dünner Faden Blut, tief dunkelrot, rann über seine fahle Haut.
Sein Blick wurde grimmig, als er ausholte. Doch bevor sein Schlag treffen konnte, wehrte Sorcha ihn mit der schieren Kraft ihres Willens ab.
Sie zog Teagan hoch, in ihre Arme.
Wind peitschte um sie herum, ein Wind, der ihrer blanken Wut entsprang. »Ich bringe Euch tausendfach um, ich lasse Euch zehntausend Jahre Höllenqualen erleiden, wenn Ihr Euch an meinem Kind vergreift. Das schwöre ich bei allem, was ich bin.«
»Ihr droht mir? Ihr und Euer Balg?« Er heftete den Blick auf Teagans Gesicht, und ein tödliches Lächeln zog über sein Gesicht. »Hübsches kleines Balg. Prächtig wie ein Fisch im Wasser. Soll ich dich fangen und verspeisen?«
Auch wenn Teagan sich zitternd an Sorcha klammerte, kuschte sie nicht vor ihm. »Geh weg!«
In Angst und Zorn brach ihre junge, noch unerprobte Macht aus ihr heraus und traf so zielsicher wie der Stein. Nun rann Blut aus Cabhans Mund, und sein Lächeln wurde zu einem Knurren.
»Erst dich, dann deinen Bruder. Deine Schwester ... Die soll erst noch ein wenig reifen, denn auch sie soll mir Söhne gebären. « Mit einer Fingerspitze verschmierte er das Blut in seinem Gesicht, zog damit ein Kreuz auf dem Amulett. »Ich hätte sie um Euretwillen verschont«, sagte er zu Sorcha. »Nun werdet Ihr sehen, wie sie umkommen.«
Sorcha presste die Lippen an Teagans Ohr. »Er kann dir nichts tun«, begann sie im Flüsterton und sah dann entsetzt mit an, wie Cabhan sich verwandelte. Sein Körper verdrehte sich, waberte wie der Nebel. Das Amulett glühte, der Edelstein drehte sich, bis Cabhans Augen ebenso rot funkelten wie der Stein.
Schwarzes Fell bedeckte seinen Körper. Krallen wuchsen aus seinen Fingern. Und als er wie hingegossen auf den Boden zu wallen schien, warf er den Kopf zurück und heulte.
Vorsichtig stellte Sorcha Teagan hinter sich auf den Boden. »Er kann dir nichts tun.« Sie betete, dass sie recht behielt, dass die Hexenkraft, die sie in das Kupferamulett gegeben hatte, auch gegen diese Art bestehen würde. Denn für diese finstere Kunst hatte Cabhan sicherlich seine Seele eingetauscht.
Der Wolf fletschte die Zähne und sprang.
Sorcha wehrte ihn ab - sie streckte die Hände vor sich, beschwor ihre Kraft herauf, sodass reinweißes Licht aus ihren Handflächen schoss. Als es den Wolf traf, jaulte er auf, beinahe wie ein Mensch. Doch er griff wieder und wieder an, sprang, schnappte, und seine Augen waren die eines wilden Tiers und zugleich grauenhaft menschlich. Die Krallen fuhren aus, verfingen sich in Sorchas Rock, zerfetzten ihn. Dann zerriss Teagans Schrei die Luft.
»Geh weg, geh weg!« Sie bewarf den Wolf mit Steinen, die sich beim Aufprall in Feuerbälle verwandelten, sodass der Nebel nun nach verbranntem Fleisch und Fell roch.
Wieder sprang der Wolf vor, immer noch heulend. Teagan taumelte zurück, als Sorcha nach ihm schlug. Der Umhang des kleinen Mädchens öffnete sich. Aus dem Kupfersymbol, das sie trug, schoss eine blaue Flamme, zielsicher und spitz wie ein Pfeil. Sie traf die Flanke des Wolfs, wo sie ein Zeichen hinterließ, das wie ein Pentagramm geformt war.
Mit einem gequälten Aufheulen wich der Wolf zurück. Während er noch mit den Klauen in die Luft schlug und schnappte, beschwor Sorcha alles, was sie hatte, schleuderte ihr Licht, ihre Hoffnung, ihre Macht von sich.
Die Welt wurde weiß, blendete sie. Verzweifelt tastete sie nach Teagans Hand, als sie auf die Knie fiel.
Der Nebel verzog sich. Von dem Wolf war nichts mehr übrig außer verbrannter Erde in Form seines Körpers.
Weinend klammerte Teagan sich an ihre Mutter, vergrub das Gesicht an ihr - nun war sie nur noch ein Kind, das Angst vor allzu echten Monstern hatte.
»Ist ja gut, er ist weg. Du bist in Sicherheit. Wir müssen nach Hause, mein Liebes.«
Doch Sorcha hatte nicht einmal die Kraft aufzustehen. Sie hätte selbst weinen können, weil sie so erniedrigt worden war. Einst hätte sie die Mächte heraufbeschwören können, um mit ihrem Kind in den Armen durch den Wald zu fliegen. Nun zitterten ihre Lippen, ihr Atem brannte, und ihr Herz schlug so schnell und heftig, dass es in ihren Schläfen hämmerte.
Wenn Cabhan seine Kräfte wieder sammelte, wenn er zurückkam ...
»Lauf schnell nach Hause. Du kennst den Weg. Lauf nach Hause. Ich komme nach.«
»Ich bleibe bei dir.«
»Teagan, tu, was ich dir sage!«
»Nein, nein.« Teagan rieb sich mit den Fingerknöcheln die Augen und schüttelte stur den Kopf. »Komm mit!«
Zähneknirschend schaffte Sorcha es aufzustehen. Doch nach zwei Schritten sank sie wieder auf die Knie. »Ich kann nicht, Kleines. Meine Beine tragen mich nicht.«
»Alastar kann dich tragen. Ich rufe ihn, und dann trägt er uns nach Hause.«
»Kannst du ihn rufen, von so weit weg?«
»Er kommt ganz schnell.«
Teagan stellte sich auf die stämmigen Beinchen und hob die Arme. »Alastar, Alastar, stark und frei, hör mich rufen und komm herbei. Lauf geradewegs, lauf schnell, und sei für die, die dich brauchen, zur Stell'.«
Teagan biss sich auf die Lippe und drehte sich zu ihrer Mutter um. »Brannaugh hat mir bei den Wörtern geholfen. Sind sie gut?«
»Sie sind sehr gut.« Jung, dachte Sorcha. Einfach und rein. »Sag sie noch zweimal. Drei bedeutet starke Hexenkraft.«
Teagan gehorchte und kam dann zurück, um ihrer Mutter übers Haar zu streichen. »Wenn wir zu Hause sind, geht es dir wieder besser. Brannaugh macht dir einen Trank.«
»Ja, bestimmt.« Es war das erste Mal, dass sie ihr Kind anlog, dachte Sorcha. »Such mir einen guten, stabilen Stock. Ich glaube, wenn ich mich darauf stütze, kann ich ein Stück laufen.«
»Alastar kommt.«
Obwohl sie daran zweifelte, nickte Sorcha. »Wir gehen ihm entgegen. Such mir einen festen Stock, Teagan. Wir müssen zu Hause sein, bevor es dunkel wird.«
Gerade als Teagan sich aufrappelte, hörten sie den Hufschlag.
»Er kommt! Alastar, hier sind wir!«
Teagan hatte ihren Führer gerufen, dachte Sorcha, und trotz ihrer Erschöpfung durchzuckte sie heftiger Stolz. Während Teagan dem Pferd entgegenrannte, riss auch Sorcha sich wieder zusammen und stand unter Schmerzen auf.
»Da bist du ja, du Prachtpferd.« Dankbar drückte Sorcha das Gesicht an Alastar, der sie beschnupperte. »Kannst du mir aufsitzen helfen?«, bat sie Teagan.
»Das macht Alastar. Ich hab ihm einen Trick beigebracht. Eigentlich wollte ich ihn aufheben, bis Da nach Hause kommt. Auf die Knie, Alastar!«
Kichernd zeigte Teagan mit der Hand auf den Boden. Das Pferd senkte den Kopf, knickte in den Vorderbeinen ein und kniete sich hin.
»Oh, mein kluges Mädchen!«
»Ist der Trick gut?«
»Wunderbar. Wirklich, ganz wunderbar.«
Sorcha griff in die Mähne und zog sich auf den Rücken des Pferdes. Wieselflink sprang Teagan vor ihr auf.
»Halt dich an mir fest, Ma! Alastar und ich bringen dich nach Hause.«
Sorcha fasste das kleine Mädchen um die Taille und vertraute sich ganz dem Kind und dem Pferd an. Jeder Galoppsprung tat ihr weh, brachte sie jedoch ihrem Zuhause näher. Als sie sich der Lichtung näherten, sah sie ihre älteren Kinder auf sie zurennen, Brannaugh mit dem gezückten Schwert ihres Großvaters, Eamon mit einem Dolch in der Hand.
So tapfer, allzu tapfer.
»Zurück zum Haus jetzt! Lauft zurück!«
»Der Böse ist gekommen«, rief Teagan. »Und er hat sich in einen Wolf verwandelt. Ich habe Steine nach ihm geworfen, Eamon, genau wie du.«
Die Stimmen der Kinder - die Fragen, die Aufregung, die Spuren von Angst - hallten wie ein Echo in Sorchas Kopf. Sie war schweißüberströmt. Noch einmal griff sie in Alastars Mähne, ließ sich zu Boden gleiten. Schwankte, als die Welt grau wurde.
»Mama ist krank. Sie braucht ihren Trank.«
»Geht rein«, brachte Sorcha heraus. »Verriegelt die Tür.«
Sie hörte, wie Brannaugh Anweisungen erteilte, knapp und präzise wie ein Stammeshäuptling - »hol Wasser, schür das Feuer « -, und sie hatte das Gefühl, ins Haus zu schweben, zu ihrem Stuhl, auf dem sie zusammensackte. Ein kalter Lappen auf ihrem Kopf. Ein warmer, starker Trank, der ihre Kehle hinunterrann. Ein Nachlassen der Schmerzen, ein Lichten des Nebels.
»Ruh dich jetzt aus.« Brannaugh strich ihr übers Haar.
»Es geht mir schon besser. Du hast eine große Gabe zu heilen. «
»Teagan hat gesagt, der Wolf ist verbrannt.«
»Nein. Wir haben ihn verletzt, ja, aber er lebt.«
»Wir töten ihn. Wir stellen eine Falle auf und töten ihn.«
»Vielleicht kommt es dazu, wenn ich wieder stärker bin. In ihm steckt mehr als das, was er getan hat, dieses Annehmen einer anderen Gestalt. Ich kann nicht sagen, welchen Preis er für diese Macht bezahlt hat, aber er wird hoch gewesen sein. Deine Schwester hat ihn gebrandmarkt. Hier.« Sorcha umfasste ihre linke Schulter. »In Form eines Pentagramms. Haltet danach Ausschau, seid auf der Hut davor und vor jedem, der dieses Zeichen trägt.«
»In Ordnung. Mach dir jetzt keine Sorgen. Wir bereiten das Abendessen zu, und wenn du gegessen und dich ausgeruht hast, fühlst du dich wieder stärker.«
»Du machst mir ein Amulett. Genau, wie ich es dir sage. Mach es für mich und bring es mir. Das Abendessen kann warten, bis das Amulett fertig ist.«
»Wirst du dadurch stärker?«
»Ja.«
Brannaugh machte das Amulett, und Sorcha hängte es sich um den Hals, über das Herz. Sie flößte sich noch mehr von dem Heiltrank ein, und obwohl sie kaum Appetit hatte, zwang sie sich zu essen.
Sie schlief und träumte, und als sie erwachte, stellte sie fest, dass Brannaugh bei ihr Wache hielt. »Ab ins Bett jetzt. Es ist spät.«
»Wir lassen dich nicht allein. Ich kann dir ins Bett helfen.«
»Ich sitze hier am Feuer.«
»Dann bleibe ich bei dir. Wir wechseln uns ab. Ich wecke Eamon, wenn er dran ist, und Teagan bringt dir den Morgen- trank.«
Zu müde, um Einwände zu erheben, zu stolz, um zu schimpfen, lächelte Sorcha nur. »So wird es also gemacht?«
»Bis es dir wieder richtig gut geht.«
»Es geht mir schon besser. Seine Zauberkraft war so stark, so schwarz. Ich musste alles aufbieten, was ich in mir hatte, und noch mehr, um sie zu brechen. Unsere Teagan, du wärst stolz auf sie. So tapfer und klug war sie. Und du, wie du mit dem Schwert deines Großvaters auf uns zu gerannt bist.«
»Es ist ganz schön schwer.«
Es tat gut zu lachen. »Er war ein großer Mann mit einem roten Bart, so lang wie dein Arm.« Mit einem Seufzer strich Sorcha Brannaugh über den Kopf. »Wenn du nicht zu Bett gehen willst, mach dir ein Lager dort auf dem Boden. Dann schlafen wir beide ein bisschen.«
Als ihr Kind schlief, sprach Sorcha einen Zauber, damit Brannaugh gute, süße Träume hatte.
Dann wandte sie sich dem Feuer zu. Es war höchste Zeit, Daithi nach Hause zu rufen. Sie brauchte sein Schwert und seine Kraft. Sie brauchte ihn.
So öffnete sie dem Feuer ihre Seele, öffnete ihrer Liebe ihr Herz.
Ihr Geist reiste über die Hügel und Felder, durch die Nacht, durch Wälder, über Wasser, in dem der Mond schwamm. Sie flog all die vielen Meilen, die sie trennten, bis zum Lager ihres Clans.
Daithi schlief am Feuer, das Mondlicht hüllte ihn ein wie eine Decke. Als sie sich neben ihm niederließ, hoben sich seine Mundwinkel, und er legte den Arm um sie.
»Du riechst nach Herdfeuern und Waldlichtungen.«
»Du musst unbedingt nach Hause kommen.«
»Bald, a ghrá, meine Geliebte. Zwei Wochen, länger ist es nicht mehr.«
»Morgen musst du losreiten, so schnell du kannst. Mein Herz, mein Krieger.« Sie umschloss sein Gesicht mit den Händen. »Wir brauchen dich.«
»Und ich euch.«
In ihrer Vision rollte er sich auf sie und senkte den Mund auf ihren.
»Nicht fürs Bett, obwohl, oh, ich sehne mich nach dir. Jeden
© 2014 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Als Frau des Cennfine, des Clanchefs, öffneten sich ihr alle Türen. Doch sie brauchte ihren Wald, ihre Hütte, ihr Heim. Sie brauchte ihren Freiraum wie die Luft zum Atmen. Stets kümmerte sie sich um die Ihren, um Heim und Herd, um ihre Hexenkunst und ihre Pflichten. Und vor allem um die wundervollen Kinder, die sie und Daithi bekommen hatten. Sie fürchtete sich nicht vor der Nacht. Sie war als die »Dunkle Hexe« bekannt, und ihre Macht war groß. Doch gerade jetzt war sie nur eine Frau, die ihren Mann vermisste, sich nach seiner Wärme sehnte, nach dem schönen, straffen Körper, der sich im kalten, einsamen Dunkel an den ihren drängte. Was kümmerte sie der Krieg? Was die Gier und die ehrgeizigen Ziele all der Kleinkönige? Sie wollte ihren Mann heil und gesund zurückhaben. Wenn er heimkam, würden sie noch ein Baby machen, und sie würde wieder ein Leben in sich spüren. Immer noch betrauerte sie jenes Leben, das sie in einer furchtbar schwarzen Nacht verloren hatte, in der die ersten Winterwinde wie ein Weinen durch ihren Wald gefahren waren. Wie viele hatte sie geheilt? Wie viele hatte sie gerettet? Und doch, als das Blut aus ihr geflossen, als dieses zarte Leben zerronnen war, hatte keine Magie, kein Opfer, kein Handel mit den Göttern es retten können. Natürlich wusste sie, dass es leichter war, andere zu heilen als sich selbst. Und die Götter waren launisch wie ein flatterhaftes junges Ding im Mai.
»Schau mal!« Brannaugh, mit sieben Jahren ihre Älteste, sprang vom Weg, den großen Hund der Familie dicht auf den Fersen. »Der Schwarzdorn blüht! Das ist ein Zeichen.«
Jetzt erkannte sie es auch, den Hauch cremeweißer Blüten zwischen dem Gewirr aus schwarzen Zweigen. Ihr erster, bitterer Gedanke war, dass ihr Schoß leer blieb, während Brighid, die Göttin der Fruchtbarkeit, die Erde segnete. Dann sah sie zu, wie ihre Tochter, ihr erster Stolz, mit scharfem Blick und rosigen Wangen durch den Schnee wirbelte. Sie war gesegnet, ermahnte sich Sorcha, dreifach gesegnet.
»Das ist ein Zeichen, Ma.« Brannaughs dunkles Haar flog bei jeder Drehung, während sie das Gesicht dem schwindenden Licht entgegenhob. »Dass der Frühling kommt.«
»Ja, das ist es. Ein gutes Zeichen.« Genau wie der trübe Tag, an dem die alte Hexe Cailleach ohne helles Sonnenlicht kein Feuerholz fand. Der Frühling würde zeitig kommen, so sagte es die Legende. Der Schwarzdorn blühte üppig und lockte die Blumen, es ihm gleichzutun. Sorcha sah die Hoffnung in den Augen ihres Kindes, so wie sie sie beim Freudenfeuer in anderen Augen gesehen und in den Stimmen gehört hatte. Und sie suchte in ihrem Inneren nach einem Fünkchen Hoffnung - doch sie fand nichts als Furcht. Heute Abend würde er wiederkommen - sie konnte ihn schon spüren. Lauernd, abwartend, Ränke schmiedend. Hinein, dachte sie, schnell hinein in die Hütte hinter die verriegelte Tür, wo sie ihre Amulette ausgelegt hatte, um ihre Kinder zu beschützen. Um sich selbst zu beschützen. Sie schnalzte mit der Zunge, um das Pony anzutreiben, und pfiff nach dem Hund. »Komm jetzt, Brannaugh, deine Schwester schläft schon fast.«
»Im Frühling kommt Da nach Hause.«
Obwohl ihr das Herz immer noch schwer war, lächelte Sorcha und nahm Brannaughs Hand. »So ist es, zu Bealtaine kommt euer Vater nach Hause, und dann feiern wir ein großes Fest.«
»Kann ich ihn heute Abend sehen, mit dir? Im Feuer?«
»Es gibt noch viel zu tun. Vor dem Schlafengehen müssen die Tiere versorgt werden.«
»Nur ganz kurz?« Brannaugh hob das Gesicht zu Sorcha, ihre rauchgrauen Augen bettelten. »Ich will ihn nur ganz kurz sehen, dann kann ich träumen, er wäre wieder zu Hause.«
Genau wie sie selbst, dachte Sorcha, und nun kam ihr Lächeln von Herzen. »Ganz kurz, m'inion, meine Tochter, wenn die Arbeit getan ist.«
»Und du nimmst deine Medizin.«
Sorcha runzelte die Stirn. »Ja? Sehe ich so aus, als ob ich sie bräuchte?«
»Du bist immer noch blass, Ma.« Brannaughs Stimme übertönte den Wind.
»Nur ein klein wenig müde, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Nun halt deine Schwester fest, Eamon! Alastar riecht, dass es nach Hause geht, und Teagan fällt gleich runter.«
»Sie reitet besser als Eamon«, beruhigte sie Brannaugh, »und auch besser als ich.«
»Ja, das Pferd ist ihr Talisman, aber sie schläft gleich ein auf seinem Rücken.«
Der Weg machte eine Biegung; die Hufe des Ponys klangen laut auf dem gefrorenen Boden, während es auf den Stall neben der Hütte zu trottete.
»Eamon, kümmere dich um Alastar, gib ihm heute Abend eine extra Schaufel Körner. Du hast dich auch satt gegessen, oder?«, sagte sie, als ihr Sohn zu maulen begann. Er grinste ihr zu, hinreißend wie ein Sommermorgen, und obwohl er flink wie ein Wiesel absitzen konnte, streckte er die Arme aus. Er war schon immer verschmust gewesen, dachte Sorcha und drückte ihn an sich, als sie ihn herunterhob. Brannaugh brauchte sie nicht aufzufordern, ihre Arbeit zu erledigen. Das Mädchen führte den Haushalt schon fast so gut wie die Mutter selbst.
Sorcha nahm Teagan auf den Arm und murmelte beruhigend auf sie ein, während sie die Kleine in die Hütte trug. »Zeit für süße Träume, Liebes.«
»Ich bin ein Pony, und ich galoppiere den ganzen Tag.«
»O ja, das allerschönste Pony und das allerschnellste.«
Aufgrund ihrer langen Abwesenheit glomm das Feuer nur noch und vermochte kaum, die Kälte zu vertreiben. Als sie ihre Jüngste zum Bett trug, streckte Sorcha eine Hand zur Feuerstelle aus.
Die Flammen loderten auf, züngelten über die Asche. Sorcha legte Teagan in die Nische, strich ihr das Haar glatt - sonnenblond wie das ihres Vaters - und wartete, bis ihr die Augen - tief und dunkel wie die ihrer Mutter - zufielen.
»Hab nur süße Träume«, murmelte sie und berührte das Amulett, das sie über den Betten ihrer Kinder aufgehängt hatte. »Wohlbehalten durch die Nacht. Das, was du bist und was du siehst, werde durch das Dunkel zum Licht gebracht.«
Sie küsste die zarte Wange. Als sie sich aufrichtete, ließ ein Ziehen in ihrem Bauch sie aufstöhnen. Der Schmerz kam und ging, wurde jedoch stärker, je länger der Winter anhielt. Also würde sie den Rat ihrer Tochter befolgen und sich einen Heiltrank brauen. »Brighid, an diesem deinem Tag hilf mir, gesund zu werden. Ich habe drei Kinder, die mich brauchen. Ich kann sie nicht alleinlassen.«
Sie verließ die schlafende Teagan und ging, um den älteren Kindern bei der Hausarbeit zu helfen. Als die Nacht hereinbrach, zu rasch, zu früh, verschloss sie die Tür, bevor sie ihr abendliches Ritual mit Eamon wiederholte.
»Ich bin überhaupt nicht müde«, behauptete dieser, obwohl ihm die Augen zufielen.
»Oh, das sehe ich. Ich sehe, dass du putzmunter bist. Fliegst du heute Nacht wieder, Mhic, mein Sohn?«
»Ja, hoch in den Himmel. Bringst du mir morgen noch mehr bei? Kann ich in der Frühe Roibeard mit hinausnehmen?«
»Sowohl als auch. Der Habicht gehört dir, du siehst ihn, du kennst ihn und fühlst ihn. Und jetzt schlaf.« Sie wuschelte ihm durch das rindenbraune Haar und küsste ihm die Augen zu, die wild und blau waren wie die seines Vaters.
Als sie vom Dachboden herunterkam, fand sie Brannaugh schon am Feuer sitzen, mit dem Hund, der ihr gehörte. Sie sah aus wie das blühende Leben und strotzte - der Göttin sei Dank - vor Gesundheit und jener Kraft, die sie noch nicht ganz beherrschte oder verstand. Sorcha betete, dass dafür genug Zeit blieb.
»Ich hab den Trank gemacht«, sagte Brannaugh. »Genau wie du es mir gezeigt hast. Wenn du ihn getrunken hast, geht es dir bestimmt besser.«
»Sorgst du jetzt für mich, mo chroi, mein Herz?« Lächelnd nahm Sorcha den Trank, schnupperte daran, nickte. »Dafür hast du ein Händchen, eindeutig. Die Heilkunst ist eine starke Gabe. Damit bist du willkommen und wirst gebraucht, wo immer du auch hingehst.«
»Ich will nirgendwo hingehen. Ich will hier bei dir und Da sein und bei Eamon und Teagan, für immer.«
»Eines Tages schaust du vielleicht über unseren Wald hinaus. Und du wirst einen Mann haben.«
Brannaugh schnaubte. »Ich will keinen Mann. Was soll ich mit einem Mann?«
»Ach, das ist eine Geschichte für ein andermal.« Sorcha setzte sich zu ihrer Tochter ans Feuer, legte ein breites Schultertuch um sie beide und schlürfte ihren Trank. Als Brannaugh ihre Hand berührte, drehte sie sie um und verschränkte die Finger mit denen ihrer Tochter. »Also gut, aber nur einen Augenblick. Du brauchst deinen Schlaf.«
»Kann ich es machen? Kann ich die Vision kommen lassen?«
»Na, dann schau mal, was du kannst. Tu, was du willst. Sieh ihn, Brannaugh, den Mann, von dem du abstammst. Es ist Liebe, die ihn herbringt.«
Sorcha schaute zu, wie der Rauch aufwirbelte, die Flammen aufflackerten und sich wieder beruhigten. Gut, dachte sie beeindruckt. Das Mädchen lernte rasch. In den Höhlungen und Senken der Flamme versuchte das Bild, Gestalt anzunehmen. Ein Feuer in einem Feuer. Silhouetten, Bewegungen und einen Moment lang das Gemurmel weit entfernter Stimmen. Sie sah den intensiven Ausdruck im Gesicht ihrer Tochter, die feinen Schweißperlen, die sich durch die Anstrengung bildeten. Zu viel, dachte sie, für so einen jungen Menschen.
»Komm«, sagte sie ruhig. »Wir machen es zusammen.«
Sie ließ ihre Kraft wirken, vereinte sie mit der Brannaughs. Ein kurzes Brausen, ein Rauchwirbel, ein Funkensprühen. Dann Stille. Und da war er, der Mann, nach dem sie sich beide sehnten. Er saß an einem anderen Feuer in einem Steinkreis. Sein helles Haar fiel geflochten über den dunklen Umhang, der um die breiten Schultern lag. Die dealg - die Nadel seines Rangs -, die daran steckte, glitzerte im Schein der Flammen. Die Brosche, die sie für ihn in Feuer und Magie geschmiedet hatte - der Hund, der Hengst, der Habicht.
»Er wirkt erschöpft«, sagte Brannaugh und lehnte den Kopf an den Arm der Mutter. »So gut wie er sieht kein anderer Mann aus.«
»So ist er. Gut aussehend, stark und tapfer.« Oh, wie sie sich nach ihm sehnte.
»Kannst du sehen, wann er nach Hause kommt?«
»Man kann nicht alles sehen. Vielleicht bekomme ich ein Zeichen, wenn er sich nähert. Aber heute Abend sehen wir, dass er heil und gesund ist, und das genügt.«
»Er denkt an dich.« Brannaugh blickte ihrer Mutter ins Gesicht. »Das spüre ich. Kann er fühlen, dass wir an ihn denken?«
»Er hat die Gabe nicht, aber er hat das Herz, die Liebe. Also spürt er es vielleicht. So, und jetzt ab ins Bett. Ich komme gleich nach.«
»Der Schwarzdorn blüht, und die alte Hexe hat die Sonne heute nicht gesehen. Er kommt bald nach Hause.« Brannaugh stand auf und gab ihrer Mutter einen Kuss. Der Hund kraxelte mit ihr die Leiter hinauf.
Allein betrachtete Sorcha ihren Geliebten im Feuer. Und allein weinte sie.
Als sie ihre Tränen trocknete, hörte sie wieder den Lockruf. Er werde sie trösten, sie wärmen - so klangen seine verführerischen Lügen. Er werde ihr alles geben, was sie sich wünsche, und noch mehr. Sie brauche sich ihm nur hinzugeben.
»Ich werde Euch nie gehören.«
Doch, das werdet Ihr. Ihr seid schon mein. Kommt jetzt und entdeckt all die Freuden, all den Ruhm. Die Macht.
»Niemals bekommt Ihr mich oder das, was ich in mir trage.«
Nun veränderte sich das Bild im Feuer, und er erschien in den Flammen - Cabhan, dessen Macht und Ziele finsterer waren als die Winternacht. Der sie wollte, ihren Leib, ihre Seele, ihre Hexenkraft. Der Zauberer begehrte sie, denn sie spürte sein Verlangen wie schweißnasse Hände auf ihrer Haut. Doch mehr noch, das wusste sie, begehrte er ihre Gabe. Seine Gier danach hing schwer in der Luft.
In den Flammen lächelte er, so gut aussehend, so unbarmherzig.
Ich kriege Euch, Sorcha die Dunkle. Euch und alles, was Ihr seid. Wir sind füreinander bestimmt. Wir sind gleich.
Nein, dachte sie, wir sind nicht gleich, sondern wie Tag und Nacht, Hell und Dunkel, die sich nur in Schatten vereinen.
So allein seid Ihr und tragt so eine Last. Euer Mann lässt Euch ein kaltes Bett zurück. Kommt, wärmt Euch in meinem, spürt die Hitze, lasst sie mit mir entstehen. Gemeinsam beherrschen wir die Welt.
Sorchas Kräfte ließen nach, das Ziehen in ihr verwandelte sich in Schmerzen. Sie stand auf und ließ den warmen Wind durch ihr Haar wehen. Ließ die Kraft in sich strömen, bis sie aus ihr strahlte. Und sah in den Flammen das heiße Verlangen in Cabhans Antlitz.
Das ist es, was er will, dachte sie, die Herrlichkeit, die durch mein Blut strömt. Und die wird er nie bekommen.
»Kennet mich, spürt meine Macht, damals, heute, Tag und Nacht. Dunkles Begehren bietet Ihr mir, in Rauch und Feuer erscheint Ihr hier. Verraten soll ich Blut, Kind und Mann, alles beherrschen, nehm ich Euch nur an. Meine Antwort kommt geschwind durch das Meer und den Wind. Erhebt euch, Jungfer, Mutter, Alte, zu drei'n, wie ich es will, so möge es sein.«
Sie warf die Arme wirbelnd in die Luft, ließ der weiblichen Wut freien Lauf und schleuderte den Zorn in Richtung von Cabhans Herzschlag. Sie empfand ein jähes, wildes Lustgefühl, als sie ihn vor Wut und Schmerz schreien hörte und beides auf seinem Gesicht in den Flammen aufflackern sah ...
Dann war das Feuer nur noch ein Feuer, das zur Nacht heruntergebrannt war und doch durch seine Wärme ein wenig gegen die bittere Kälte half. Ihre Hütte war nur noch eine Hütte, still und dunkel. Und sie war nur eine Frau, allein mit ihren schlafenden Kindern.
Sie sank auf den Stuhl und schlang einen Arm um das Ziehen in ihrem Bauch. Cabhan war fort, vorerst. Doch ihre Angst blieb, die Angst vor ihm und davor, dass sie, wenn kein Zaubertrank oder Gebet ihren Leib heilte, ihre Kinder mutterlos zurücklassen würde.
Schutzlos.
Als sie erwachte, hatte sich ihre Jüngste bei ihr zusammengerollt. Sie suchte Trost, selbst als Sorcha sich umdrehte, um aufzustehen. »Ma, Ma, bleib hier.«
»Na komm, mein Sonnenschein. Ich habe zu tun. Und du solltest eigentlich in deinem Bett liegen.«
»Der böse Mann war da. Er hat meine Ponys getötet.«
Panik schloss sich um Sorchas Herz wie eine Faust. Cabhan rührte ihre Kinder an - ihren Leib, ihren Geist, ihre Seele? Unsagbare Angst, unsagbarer Zorn stiegen in ihr auf.
»Nur ein Traum, Kleines.« Sie zog Teagan an sich, wiegte und beruhigte sie. »Nur ein Traum.«
Doch Träume waren mächtig und gefährlich.
»Meine Ponys haben geschrien, und ich konnte sie nicht retten. Er hat sie angezündet, und sie haben geschrien. Alastar ist gekommen und hat den bösen Mann umgeworfen. Dann bin ich auf Alastar weggeritten, aber ich konnte die Ponys nicht retten. Ich hab Angst vor dem bösen Mann in dem Traum.«
»Er tut dir nichts. Ich lasse nicht zu, dass er dir jemals etwas tut. Und es waren nur Traumponys.« Mit fest geschlossenen Augen küsste Sorcha Teagans helles, zerzaustes Haar, ihre Wangen. »Wir träumen von noch mehr Ponys. Von grünen und blauen.«
»Grüne Ponys!«
»O ja, grün wie die Hügel.« Sorcha knuddelte Teagan und hob eine Hand, ließ ihren Finger kreisen, schneller, immer schneller, bis lauter Ponys - blaue, grüne, rote, gelbe - über ihren Köpfen in der Luft tanzten. Als sie ihre Jüngste kichern hörte, verbannte Sorcha ihre Ängste, ihre Wut, sperrte sie entschlossen weg. Er würde ihren Kindern niemals etwas antun. Eher würde sie ihn umbringen und sich selbst auch, bevor sie das zuließe.
»Jetzt alle Ponys ran an den Hafer! Und du kommst mit mir, dann frühstücken wir auch.«
»Gibt es Honig?«
»Ja.« Sorcha musste lächeln. »Für brave Mädchen gibt es Honig.«
»Ich bin brav!«
»Du bist der allerliebste, allersüßeste Schatz.«
Sie nahm Teagan auf den Arm, und ihre Kleine klammerte sich an sie, flüsterte ihr ins Ohr: »Der böse Mann hat gesagt, mich holt er als Erstes, weil ich am jüngsten und schwach bin.«
»Er holt dich niemals, das schwöre ich dir bei meinem Leben. «
Sorcha hielt Teagan ein wenig von sich weg, sodass ihre Tochter in ihren Augen sehen konnte, dass sie die Wahrheit sagte. »Ich schwöre es dir. Und, mein Liebes, schwach bist du nicht und wirst es auch nie sein.«
Dann schürte sie das Feuer, ließ Honig auf das Brot fließen, machte Kräutertee und Hafer. Sie alle würden Kraft brauchen für das, was sie an diesem Tag vorhatte. Was sie tun musste.
Ihr Junge kam vom Dachboden herunter, die Haare vom Schlaf verwuschelt. Er rieb sich die Augen und schnüffelte in der Luft wie ein Hund. »Ich hab mit dem schwarzen Zauberer gekämpft. Ich bin nicht weggelaufen.«
Sorchas Herz begann in ihrer Brust zu rasen. »Du hast geträumt. Erzähl mir davon.«
»Ich war an der Biegung des Flusses, wo unser Boot liegt, und er ist gekommen, und ich wusste gleich, dass er ein Zauberer ist, ein schwarzer, weil sein Herz schwarz ist.«
»Sein Herz.«
»Ich konnte in sein Herz sehen, obwohl er irgendwie so freundlich gelächelt und mir Honigkuchen angeboten hat. ›Hier, Junge‹, hat er gesagt, ›ich hab was Feines für dich.‹ Aber der Kuchen war innen voller Würmer und schwarzem Blut. Ich habe gemerkt, dass er vergiftet war.«
»Du hast ihm ins Herz gesehen und in den Kuchen, in deinem Traum.«
»Ja, ehrlich.«
»Ich glaube dir.« Also steckte in ihrem kleinen Mann mehr, als sie gedacht hatte.
»Ich hab zu ihm gesagt: ›Esst den Kuchen selbst, denn es ist der Tod in Eurer Hand.‹ Aber er hat ihn weggeworfen, und die Würmer sind herausgekrochen und zu Asche verbrannt. Dann wollte er mich im Fluss ertränken, aber ich hab mit Steinen nach ihm geschmissen. Dann ist Roibeard gekommen.«
»Hast du den Habicht im Traum gerufen?«
»Ich hab mir gewünscht, er wäre da, und auf einmal kam er und fuhr die Klauen aus. Dann ist der schwarze Zauberer weggegangen, wie Rauch im Wind. Und ich bin in meinem Bett aufgewacht.«
Sorcha zog den Jungen an sich, strich ihm übers Haar. Sie hatte ihre Wut auf Cabhan losgelassen, daher hatte er versucht, sich an ihre Kinder heranzumachen. »Du bist tapfer, Eamon. Jetzt komm frühstücken. Wir müssen die Tiere versorgen.«
Sorcha ging auf Brannaugh zu, die am Fuß der Leiter stand. »Und du auch.«
»Er ist in meinen Traum gekommen. Er hat gesagt, er macht mich zu seiner Braut. Er ... hat versucht, mich anzufassen. Hier.« Blass bedeckte Brannaugh ihre Brust mit den Händen. »Und hier.« Sie legte die Hände an ihren Schritt. Zitternd presste sie das Gesicht an ihre Mutter, die sie umarmte. »Ich hab ihn verbrannt. Ich weiß nicht, wie, aber ich hab seine Finger verbrannt. Er hat mich verflucht und die Hände zu Fäusten geballt. Kathel ist gekommen, aufs Bett gesprungen und hat geknurrt und geschnappt. Dann war der Mann weg. Aber er hat versucht, mich anzufassen, und er hat gesagt, er macht mich zu seiner Braut, aber ...«
Mit der Angst erwachte Sorchas Zorn. »Das wird er niemals tun. Das schwöre ich. Er wird dich niemals anrühren. Und jetzt iss. Esst alle. Es gibt viel zu tun.«
Sorcha schickte die Kinder hinaus, um den Tieren Futter und Wasser zu geben, die Boxen auszumisten und die Kuh zu melken.
Als sie allein war, bereitete sie sich vor, suchte ihre Gerätschaften zusammen. Die Schüssel, die Glocken, die Kerzen, das heilige Messer und den Kessel. Sie wählte die Kräuter aus, die sie gezogen und getrocknet hatte. Und die drei Kupferarmbänder, die Daithi ihr vor langer Zeit auf einem Sommerjahrmarkt gekauft hatte. Sie ging nach draußen, atmete die Luft tief ein und hob die Arme, um den Wind zu wecken.
Sie rief den Habicht. Er kam mit einem Schrei, der über die Bäume und die dahinter liegenden Hügel hallte, dass die Diener im Schloss am Fluss die Augen zum Himmel wandten. Seine Schwingen, weit ausgebreitet, fingen den Schein der Wintersonne ein.
Sorcha hob den Arm, sodass die gefährlichen Klauen sich um ihren Lederhandschuh krallten. Sie sah in die Augen des Habichts, und er in ihre. »Flink und weise, stark und furchtlos. Du gehörst Eamon, aber auch mir. Du dienst allem, was von mir kommt. Die meinen dienen allem, was von dir kommt. Ich brauche dich, und ich bitte dich um dies für meinen Sohn, für deinen Herrn und Diener.«
Sie zeigte ihm das Messer; sein Blick blieb unverwandt fest. »Roibeard, ich bitte dich um ein Gut, aus deiner Brust dreimal einen Tropfen Blut. Um eine Feder aus deinen Schwingen, dafür will ich deinen Ruhm besingen. Damit mein Sohn bewahrt wird vor Wehe - dies geschehe.«
Sie stach den Habicht und hielt das Fläschchen bereit, um die drei Tropfen aufzufangen. Dann riss sie ihm eine einzelne Feder aus. »Meinen Dank«, raunte sie. »Bleib noch in der Nähe.«
Er erhob sich von ihrer Hand, schwebte jedoch nur zum Ast eines Baumes hinauf. Dort schloss er die Schwingen und sah ihr aufmerksam zu.
Sie pfiff nach dem Hund. Kathel schaute sie vertrauensvoll an. »Du gehörst Brannaugh, aber auch mir«, begann sie und wieder holte das Ritual, fing die drei Blutstropfen auf und zupfte ein paar Haare aus dem Fell an der Flanke.
Zuletzt ging sie in den Stall, mitten hinein ins Gelächter ihrer Kinder, die dort bei der Arbeit waren. Das verlieh ihr Kraft. Sie strich dem Pony mit der Hand über das Gesicht.
Als Teagan das Messer sah, stürzte sie herbei. »Nicht!«
»Ich tue ihm nicht weh. Er gehört dir, aber auch mir. Er dient allem, was von mir kommt und von dir, so wie du allem dienst, was von ihm kommt. Ich brauche dich, Alastar, und ich bitte dich um dies für meine Tochter, für deine Herrin und Dienerin.«
»Schneide ihn nicht. Bitte!«
»Nur ein Piks, ein Kratzer, und nur, wenn er einwilligt. Alastar, ich bitte dich um ein Gut, aus deiner Brust dreimal einen Tropfen Blut. Aus deiner Mähne etwas Haar, und ich will singen deinen Ruhm, fürwahr. Damit meine Tochter bewahrt wird vor Wehe - dies geschehe. Nur drei Tropfen«, sagte Sorcha ruhig, während sie das Pony mit der Spitze des Messers stach. »Nur ein wenig von seiner Mähne. So ist es gut.« Obwohl Alastar ganz still stand, mit weisem, ruhigem Blick, legte Sorcha die Hände auf den kleinen, oberflächlichen Schnitt und ließ ihre Hexenkraft hineinströmen, um ihn zu heilen, weil ihre Tochter so ein weiches Herz hatte.
»Kommt jetzt mit mir, alle drei.« Sorcha hob Teagan auf ihre Hüfte und ging voran zum Haus. »Ihr wisst, was ich bin. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht. Ihr wisst auch, dass ihr die Gabe habt, jeder von euch. Das habe ich euch immer gesagt. Eure Hexenkraft ist noch jung und unschuldig. Eines Tages wird sie stark und mächtig sein. Ihr müsst sie ehren. Ihr dürft sie nicht anwenden, um jemandem zu schaden, denn der Schaden, den ihr jemandem zufügt, wird dreifach auf euch zurückfallen. Die Hexenkraft ist eine Waffe, ja, doch keine, die gegen die Gutartigen, die Schwachen, die Schuldlosen erhoben werden darf. Sie ist eine Gabe und eine Bürde, und ihr alle werdet beides tragen. Ihr alle werdet beides an jene weitergeben, die aus euch hervorgehen. Heute lernt ihr noch mehr. Beherzigt, was ich sage und tue. Schaut zu, hört zu, erkennt.«
Als Erstes wandte sie sich an Brannaugh. »Dein Blut und meins mit dem Blut des Hundes. Blut ist Leben. Es zu verlieren bedeutet den Tod. Drei Tropfen von dir, drei Tropfen von mir, dazu des Hundes Lebenssaft, so erhält der Zauber seine Kraft.«
Ohne zu zögern, legte Brannaugh die Hand in die der Mutter und hielt still, als Sorcha sie mit dem Messer ritzte.
»Mein Junge«, sagte Sorcha zu Eamon. »Drei Tropfen von dir, drei Tropfen von mir, dazu des Habichts Blut, so sind's drei Teile gut.«
Obwohl seine Lippen zitterten, streckte Eamon die Hand aus.
»Und jetzt mein Kleines. Hab keine Angst.« In Teagans Augen standen Tränen, doch sie sah ihre Mutter feierlich an, als sie die Hand ausstreckte.
»Drei Tropfen von dir, drei Tropfen von mir, der Hengst als Führer dazu, so wirkt der Zauber im Nu.«
Sie vermischte das Blut, küsste Teagans kleine Hand. »Na siehst du, schon geschafft.«
Sie hob den Kessel in die Höhe, ließ die Fläschchen in den Beutel an ihrer Taille gleiten. »Bringt den Rest mit. Das hier machen wir am besten draußen.«
Sie wählte ihre Stelle aus, auf festem Boden mit Schneeklumpen im Schatten der Bäume.
»Sollen wir Feuerholz holen?«, fragte Eamon.
»Nicht dafür. Stellt euch hierher, zusammen.« Sorcha ging an ihnen vorbei, rief die Göttin an, die Erde, den Wind, das Wasser und das Feuer. Und zog den Kreis. Die niedrige Flamme flackerte über dem Boden, folgte dem Rund, bis die Enden sich trafen. Und im Inneren stieg die Wärme auf wie der Frühling.
»Dies ist Schutz und gebietet Respekt. Das Böse kann nicht hereinkommen, das Dunkel kann nicht Herr über das Licht werden. Und was in diesem Kreis getan wird, wird um des Guten willen getan. Um der Liebe willen. Zuerst das Wasser, von Meer und Himmel.« Sie legte die Hände zu einer Schale zusammen, öffnete sie über dem Kessel, und Wasser, so blau wie ein sonnenbeschienener See, strömte heraus, strömte hinein. »Und die Erde, unser Land, unsere Herzen.« Sie schnippte mit den Fingern einer Hand, dann mit der anderen, und üppige braune Erde ergoss sich in den Kessel. »Und die Luft, Lied des Windes, Atem des Leibs.« Sorcha breitete die Arme aus und pustete. Wie Musik strömte die Luft zu Erde und Wasser. »Nun das Feuer, Flamme und Wärme, Anfang und Ende.« Sorcha glühte, die Luft um sie herum flimmerte, ihre Augen brannten blau, als sie die Arme in die Luft reckte und die Hände wieder nach unten riss. Im Kessel brach ein Feuer aus, loderte auf, sprühte Funken.
»Diese hat euer Vater mir geschenkt. Sie sind ein Zeichen seiner Liebe und der meinen. Jeder von euch, ihr alle drei, kommt aus dieser Liebe.« Sie warf die drei Kupferarmbänder in die Flammen, rührte um und gab Fell, Haar und Feder hinein, dazu das Blut. »Durch der Göttin Macht und Wort steh ich heut an diesem Ort, dieser Zauber soll bewahren meine Kinder vor Gefahren, und alles, das kommt herfür aus ihnen und aus mir. Der Hengst, der Habicht, der Hund, das Blut schließt ihren Bund, zu schützen und zu dienen immerdar, in Freud und Leid, in Wohl und Gefahr. In Erd, Luft und Meer, in Feuer groß und klein, wie ich es will, so möge es sein.«
Sorcha reckte die Arme in die Luft und wandte ihr Gesicht zum Himmel. Das Feuer schoss hoch auf, rot und golden, im Kern gleißend blau, wirbelte und züngelte es in den kalten Winterhimmel hinauf. Die Erde bebte. Das eisige Wasser des Bachs begann zu tosen. Und der Wind heulte wie ein Wolf auf Beutezug.
Dann beruhigte es sich, erstarb, und es blieben nur die drei Kinder. Einander fest an den Händen haltend beobachteten sie, wie ihre Mutter - nun weiß wie Schnee - schwankte.
Als Brannaugh auf sie zugehen wollte, schüttelte Sorcha den Kopf. »Noch nicht. Hexerei ist Arbeit. Sie gibt, und sie nimmt. Sie muss zu Ende gebracht werden.«
Sie griff in den Kessel, nahm die drei Armbänder heraus. »Für Brannaugh den Hund, für Eamon den Habicht, für Teagan den Hengst.« Sie ließ ein Amulett über den Kopf jedes Kindes gleiten. »Das ist euer Zeichen und Schutz. Er beschützt euch. Ihr müsst ihn immer bei euch tragen. Immer. Der Böse kann euch in eurem Wesen nicht anrühren, wenn ihr euren Schutz habt, wenn ihr an seine Kraft glaubt, an meine und eure eigene. Eines Tages werdet ihr ihn an einen eurer Nachkommen weitergeben. Ihr werdet wissen, an wen. Ihr erzählt euren Kindern die Geschichte und singt die alten Lieder. Ihr nehmt die Gabe und gebt die Gabe.«
Teagan bewunderte ihr Amulett und lächelte, während sie das kleine Oval in der Sonne drehte. »Es ist schön. Es sieht aus wie Alastar.«
»Es stammt von ihm - und von dir und von mir und deinem Vater, deinem Bruder und deiner Schwester. Wie sollte es da nicht schön sein?« Sorcha beugte sich herab, um Teagan auf die Wange zu küssen. »Ich habe so schöne Kinder.«
Sie konnte kaum aufstehen und unterdrückte ein Stöhnen, als Brannaugh ihr auf die Beine half. »Ich muss den Kreis schließen. Wir werden jetzt alles ins Haus bringen.«
»Wir helfen dir«, sagte Eamon und nahm seine Mutter bei der Hand.
Gemeinsam mit ihren Kindern schloss sie den Kreis, ließ sie die Gerätschaften ins Haus bringen.
»Du musst dich ausruhen, setz dich ans Feuer.« Brannaugh zog ihre Mutter zu dem Stuhl. »Ich bereite dir einen Heiltrank.«
»Ja, einen starken. Zeig deinem Bruder und deiner Schwester, wie das gemacht wird.«
Sorcha lächelte, als Teagan ihr ein Schultertuch umlegte, Eamon eine Decke über ihre Knie breitete. Doch als sie die Hand nach der Tasse ausstreckte, die Brannaugh brachte, wehrte ihre Tochter ab und drückte die Haut rings um den Schnitt in ihrer Hand zusammen, bis drei Tropfen Blut in die Tasse tropften. »Blut ist Leben.«
Sorcha seufzte. »So ist es, ja. Danke.« Sie trank den Heiltrank und schlief ein.
2
Eine Woche lang, dann zwei, war sie stark, und ihre Kraft ließ nicht nach. Cabhan versuchte, sie zu brechen, er rannte dagegen an, schlich sich heran, doch Sorcha wehrte ihn ab.
Der Schwarzdorn blühte, auch die Schneeglöckchen, und das Licht kündete schon mehr vom Frühling als vom Winter.
Jeden Abend betrachtete Sorcha Daithi im Feuer. Wenn sie konnte, sprach sie zu ihm, wagte es, ihm ihren Geist zu senden, damit er ihm ihren Geruch, ihre Stimme, ihre Berührung brachte und mit Geruch, Stimme, Berührung des Geliebten zu ihr zurückkehrte.
Um sie so beide zu stärken.
Von Cabhan erzählte sie ihm nichts. Die Hexerei war ihre Welt. Sein Schwert, seine Faust, selbst sein Kriegerherz konnten jemanden wie Cabhan nicht besiegen. Die Hütte, die schon die ihre gewesen war, bevor sie Daithi zum Mann genommen hatte, musste sie allein verteidigen. Die Kinder, die sie zusammen gezeugt hatten, musste sie allein beschützen.
Und dennoch zählte sie die Tage bis Bealtaine, dem Tag, an dem er zu ihr nach Hause kommen würde.
Ihre Kinder gediehen, und sie lernten. Eine innere Stimme drängte Sorcha, ihnen alles, was sie vermochte, so rasch wie möglich beizubringen. Sie zweifelte keinen Augenblick daran.
So brachte sie abends im Schein von Talglicht und Feuer Stunden damit zu, ihre Zaubersprüche, ihre Rezepte, selbst ihre Gedanken aufzuschreiben. Und wenn sie das Heulen des Wolfs oder das Tosen des Windes hörte, beachtete sie es nicht.
Zweimal wurde sie zum Schloss gerufen, um jemanden zu heilen, und nahm ihre Kleinen mit, damit sie mit den anderen Kindern spielen konnten. Auch, um sie bei sich zu haben, damit sie sahen, mit welchem Respekt man der Dunklen Hexe begegnete.
Denn dieser Name und alles, was damit verbunden war, würde ihr Erbe sein.
Doch jedes Mal, wenn sie nach Hause zurückkehrten, benötigte sie einen Heiltrank, um die Kräfte wiederzubeleben, die das Anwenden des Heilzaubers an den Kranken aus ihr herausgesaugt hatte.
So sehr sie sich nach ihrem Mann sehnte und nach der Gesundheit, die sie - so fürchtete sie - niemals ganz wiedererlangen würde, unterrichtete sie ihre Kinder doch täglich in ihrer Kunst. Sie schaute von Weitem zu, wenn Eamon Roibeard rief, der jetzt mehr ihm als ihr gehörte, so wie es sein sollte. Beobachtete voller Stolz, wie ihre Jüngste Alastar ritt, unerschrocken wie ein Krieger. Und sie sah mit Stolz und Sorge zugleich, wie oft Brannaugh und ihr treuer Kathel Streifzüge durch den Wald unternahmen.
Sie hatten die Gabe, aber sie waren auch noch Kinder. Daher sorgte sie dafür, dass es Musik und Spiele gab und sie trotz allem eine möglichst unbeschwerte Kindheit genießen konnten.
Es kamen Besucher zu ihnen, die ein Amulett wollten, eine Salbe, eine Antwort auf eine Frage, die auf Liebe oder ein glückliches Schicksal hofften. Sorcha half, wo sie konnte, und nahm dafür entgegen, was ihr geboten wurde. Und sie behielt die Straße im Blick - obwohl sie wusste, dass es noch Wochen dauerte, bis ihr Geliebter heimkommen würde.
Sie fuhr mit den Kindern auf den Fluss hinaus, in dem kleinen Boot, das ihr Vater gebaut hatte, an einem windstillen Tag, an dem der Himmel mehr blau als grau war.
»Es heißt doch, Hexen können das Wasser nicht überqueren«, verkündete Eamon.
»Heißt es das?« Sorcha lachte und hob das Gesicht der leichten Brise entgegen. »Und doch schippern wir hier wunderbar dahin.«
»Donal hat das gesagt - Donal aus dem Schloss.«
»Wenn er das sagt oder sogar glaubt, heißt das noch lange nicht, dass es die Wahrheit ist.«
»Eamon hat für Donal einen Frosch fliegen lassen. Das war pure Angeberei.«
Eamon warf seiner kleinen Schwester einen finsteren Blick zu und hätte sie obendrein geknufft oder gekniffen, wenn seine Mutter nicht hingeschaut hätte.
»Fliegende Frösche sind vielleicht ganz lustig, aber es ist nicht klug, deine Zauberkraft für Spielereien zu verwenden.«
»Ich habe geübt.«
»Du könntest üben, uns ein paar Fische zum Abendessen zu fangen. Nicht so«, mahnte Sorcha, als ihr Sohn die Hände über das Wasser streckte. »Hexerei ist nicht die Lösung für alles. Ein Mensch muss sich auch ohne sie durchbringen können. Eine Gabe sollte nie für etwas vergeudet werden, was man auch mit Köpfchen oder der Kraft von Händen und Körper erreichen kann.«
»Ich fische gerne.«
»Ich nicht«, stellte Brannaugh fest, während das kleine Boot über den Fluss schaukelte. »Man sitzt da und wartet und wartet. Ich gehe lieber jagen. Dabei ist man im Wald, und es könnte zum Abendessen Kaninchen geben.«
»Das können wir ja morgen machen. Heute Abend versuchen wir es mit Fisch, wenn dein Bruder Glück hat und Geschick beweist. Und dazu gibt es vielleicht eine Kartoffelpastete.«
Gelangweilt gab Brannaugh ihre Angelschnur an ihre Schwester weiter und schaute über das Wasser zum Schloss mit seinen hohen Steinmauern. »Wolltest du nicht dort wohnen, Ma? Ich habe die Frauen reden hören. Sie haben gesagt, wir wären alle willkommen.«
»Wir haben ein Zuhause, und auch wenn es einmal nur eine Hütte war, steht es schon länger als jene Mauern. Es stand schon, als noch die O'Connors regierten, vor dem Hause Burke. Könige und Prinzen kommen und gehen, m'inion, aber ein Zuhause bleibt für immer.«
»Ich finde das Schloss schön, so groß und prächtig, aber unser Wald gefällt mir besser.« Brannaugh lehnte kurz den Kopf an den Arm ihrer Mutter. »Hätten die Burkes uns unser Zuhause wegnehmen können?«
»Sie hätten es versuchen können, doch es war klug von ihnen, die Zauberkraft zu respektieren. Wir stehen nicht auf Kriegsfuß mit ihnen und sie nicht mit uns.«
»Sonst würde Da mit ihnen kämpfen. Und ich auch.« Brannaugh ließ den Blick zu ihrer Mutter schweifen. »Dervla aus dem Schloss hat mit erzählt, dass Cabhan verbannt wurde.«
»Das wusstest du doch schon.«
»Ja, aber sie hat gesagt, er kommt zurück, und er liegt bei den Frauen. Er flüstert ihnen was ins Ohr, und dann denken sie, er wäre ihr richtiger Ehemann. Aber am nächsten Morgen merken sie, was los ist. Dann weinen sie. Dervla sagt, du hast den Frauen Amulette gegeben, um ihn fernzuhalten, aber er hat eins der Küchenmädchen weggelockt, ins Moor. Niemand kann sie finden.«
Sorcha wusste davon, genau wie sie wusste, dass das Küchenmädchen nie mehr gefunden würde. »Er spielt mit ihnen und sucht sich eine schwache Beute, um seinen Hunger zu stillen. Seine Macht ist schwarz und kalt. Das Licht und das Feuer werden ihn stets besiegen.«
»Aber er kommt zurück. Er kratzt an den Fenstern und Türen. «
»Er kann nicht hinein.« Doch Sorcha spürte, wie sie ein kalter Schauer überlief.
In diesem Augenblick stieß Eamon einen Schrei aus, und als er die Angelschnur in die Höhe riss, blitzte silbern ein Fisch in der Sonne.
»Glück und Geschick«, sagte Sorcha lachend, als sie zum Netz griff.
»Ich will auch einen fangen.« Teagan beugte sich eifrig über das Wasser, als suchte sie nach einem ähnlichen Fisch.
»Ich hoffe doch, dass du das schaffst, denn wir brauchen mehr als einen, auch wenn es so ein prächtiger Bursche ist. Gut gemacht, Eamon.«
Sie fingen drei weitere Fische, und wenn Sorcha ihrer Jüngsten ein bisschen half, war es nur Hexerei aus Liebe.
Dann ruderte sie das Boot in der glitzernden Sonne und der leichten Brise zurück, und die Luft war erfüllt von den Stimmen ihrer Kinder. Ein guter, schöner Tag, dachte sie, und der Frühling war so nah, dass sie ihn fast schmecken konnte.
»Lauf schnell nach Hause, Eamon, und nimm die Fische aus. Brannaugh, du kannst die Kartoffeln aufsetzen, und ich kümmere mich um das Boot.«
»Ich bleibe bei dir.« Teagan schob ihre Hand in die der Mutter. »Ich kann dir helfen.«
»Ganz bestimmt, wir müssen nämlich noch Wasser aus dem Bach holen.«
»Mögen die Fische es, wenn wir sie fangen und essen?«
»Das wohl nicht gerade, aber es ist ihre Bestimmung.«
»Warum?«
Warum, dachte Sorcha, während sie das Boot befestigte, das war Teagans erstes Wort gewesen. »Haben nicht die Mächte den Fisch ins Wasser gesetzt und uns die Klugheit gegeben, Netze und Angelschnüre zu machen?«
»Aber bestimmt schwimmen sie lieber, als im Feuer zu braten. «
»Vermutlich. Daher sollten wir achtsam und dankbar sein, wenn wir sie essen.«
»Und wenn wir sie nicht fangen und essen würden?«
»Dann hätten wir ziemlich oft Hunger.«
»Reden die Fische unter Wasser?«
»Hm, also, ich habe mich noch nie mit einem Fisch unterhalten. Komm mal her.« Sorcha zog Teagans Umhang fester um sie. »Es wird kalt.« Sie schaute auf und sah, wie sich Wolken vor die Sonne schoben. »Kann sein, dass es heute Abend Sturm gibt. Sehen wir zu, dass wir nach Hause kommen.«
Als sie sich aufrichtete, kam der Nebel. Grau und schmutzig kroch er wie eine Schlange über den Boden und erstickte den Glanz des Tages.
Es zog kein Sturm auf, begriff Sorcha. Die Bedrohung war bereits da. Sie schob Teagan hinter sich, als Cabhan aus dem Nebel auftauchte. Er trug Schwarz, silberdurchwirkt wie ein sternenübersäter Nachthimmel. Das Haar fiel ihm in Wellen auf die Schultern, ein ebenholzfarbener Rahmen für sein hartes und schönes Gesicht. Aus seinen Augen, finster und abgründig, blitzten Macht und Wollust zugleich, als er sie über Sorcha streifen ließ.
Sie spürte seinen Blick wie dreiste Hände auf ihrer Haut.
Um den Hals trug er einen großen, silbernen Schmuckanhänger, geformt wie eine Sonne, mit einem dicken Edelstein - einem funkelnden roten Auge - in der Mitte. Das war neu, dachte Sorcha. Sie spürte seine schwarze Macht.
»Mylady«, sagte er und verbeugte sich vor ihr.
»Ihr seid hier nicht willkommen.«
»Ich gehe, wohin ich will. Und was sehe ich da, eine Frau und ihr hübsches kleines Kind, ganz allein. Leckerbissen für Räuber und Wölfe. Ihr habt keinen Mann, der dafür sorgt, dass Ihr in Sicherheit seid, Sorcha die Dunkle. Ich werde Euch mein Geleit geben.«
»Ich sorge selbst für meine Sicherheit. Hinfort mit Euch, Cabhan. Hier vergeudet Ihr nur Eure Zeit und Kraft. Einem wie Euch unterwerfe ich mich niemals.«
»Ihr werdet Euch sehr wohl unterwerfen. Euch mir anzuschließen ist Euer Schicksal. Ich habe es im Spiegel gesehen.«
»Ihr seht Lügen und Begierden, nicht Wahrheit oder Schicksal. «
Cabhan lächelte, und wie seine Stimme, so war auch sein Lächeln verführerisch. »Gemeinsam werden wir über dieses Land herrschen und über jedes Land, das wir begehren. Ihr werdet prächtige Gewänder in leuchtenden Farben tragen und Euch mit Juwelen schmücken.«
Er wirbelte die Hände durch die Luft. Teagan schnappte nach Luft, als sie ihre Mutter in das reiche Rot der Königswürde gekleidet sah, funkelnd vor Juwelen, die auch eine goldene Krone besetzten.
Doch ein blitzartiger Ruck aus Sorchas Handgelenk, und sie war wieder in ihre schlichte schwarze Wolle gehüllt. »Eure Farben, Euren Glanz will und brauche ich nicht. Lasst mich und die Meinen in Frieden, oder Ihr bekommt meinen Zorn zu spüren.«
In grausamem Entzücken perlte Cabhans Lachen aus seinem Mund. »Ist es ein Wunder, mein Herz, dass ich keine andere will als Euch? Euer Feuer, Eure Schönheit, Eure Macht, all das ist für mich bestimmt.«
»Ich bin Daithis Frau und werde es immer sein.«
Mit angewidertem Grunzen schnippte Cabhan mit den Fingern. »Daithi sind seine Raubzüge, seine Spiele und seine läppischen kleinen Kriege wichtiger als Ihr oder die Welpen, die Ihr ihm geboren habt. Wie oft hat der Mond schon zu- und wieder abgenommen, seit er das letzte Mal das Bett mit Euch geteilt hat? Euch wird allmählich kalt in der Nacht, Sorcha, das spüre ich. Ich will Euch nie zuvor gekannte Lüste zeigen. Und ich mache mehr aus Euch, als Ihr seid. Ich mache Euch zu einer Göttin.«
Die Angst versuchte, in sie hineinzukriechen wie der Nebel über den Boden. »Eher bringe ich mich um, als dass ich mich von Euch beschlafen lasse. Ihr giert doch nur nach größerer Macht.«
»Und Ihr seid töricht, wenn Ihr Euch verweigert. Gemeinsam vernichten wir alle, die sich uns widersetzen, wir leben wie Götter, sind wie Götter. Und dafür gebe ich Euch, was Euer Herz am meisten begehrt.«
»Ihr kennt mein Herz nicht.«
»Ein Baby in Eurem Bauch, um den Verlust zu ersetzen. Mein Sohn, von Euch geboren. Mächtiger als man je einen gekannt hat oder nach ihm kennen wird.«
Der Schmerz über den Verlust flammte in Sorcha auf - und Furcht, eine schreckliche Furcht, denn sie spürte in sich die kleine Saat des Begehrens dessen, was er ihr anbot. Ein Leben, das in ihr wuchs, stark und leibhaftig.
Als Cabhan diese Furcht spürte, trat er näher. »Ein Sohn«, murmelte er. »Verheißungsvoll in Eurem Schoß, in dem er gedeiht, stark und prächtig geboren wie kein anderer. Gebt mir Eure Hand, Sorcha, und ich schenke Euch, was Euer Herz begehrt. «
Sorcha zitterte einen Augenblick, nur einen Augenblick, denn, oh, bei allen Göttern, sie sehnte sich nach jenem Leben.
Während sie noch zitterte, sprang Teagan hinter ihrem Rock hervor. Sie schleuderte einen Stein, mit dem sie Cabhan an der Schläfe traf. Ein dünner Faden Blut, tief dunkelrot, rann über seine fahle Haut.
Sein Blick wurde grimmig, als er ausholte. Doch bevor sein Schlag treffen konnte, wehrte Sorcha ihn mit der schieren Kraft ihres Willens ab.
Sie zog Teagan hoch, in ihre Arme.
Wind peitschte um sie herum, ein Wind, der ihrer blanken Wut entsprang. »Ich bringe Euch tausendfach um, ich lasse Euch zehntausend Jahre Höllenqualen erleiden, wenn Ihr Euch an meinem Kind vergreift. Das schwöre ich bei allem, was ich bin.«
»Ihr droht mir? Ihr und Euer Balg?« Er heftete den Blick auf Teagans Gesicht, und ein tödliches Lächeln zog über sein Gesicht. »Hübsches kleines Balg. Prächtig wie ein Fisch im Wasser. Soll ich dich fangen und verspeisen?«
Auch wenn Teagan sich zitternd an Sorcha klammerte, kuschte sie nicht vor ihm. »Geh weg!«
In Angst und Zorn brach ihre junge, noch unerprobte Macht aus ihr heraus und traf so zielsicher wie der Stein. Nun rann Blut aus Cabhans Mund, und sein Lächeln wurde zu einem Knurren.
»Erst dich, dann deinen Bruder. Deine Schwester ... Die soll erst noch ein wenig reifen, denn auch sie soll mir Söhne gebären. « Mit einer Fingerspitze verschmierte er das Blut in seinem Gesicht, zog damit ein Kreuz auf dem Amulett. »Ich hätte sie um Euretwillen verschont«, sagte er zu Sorcha. »Nun werdet Ihr sehen, wie sie umkommen.«
Sorcha presste die Lippen an Teagans Ohr. »Er kann dir nichts tun«, begann sie im Flüsterton und sah dann entsetzt mit an, wie Cabhan sich verwandelte. Sein Körper verdrehte sich, waberte wie der Nebel. Das Amulett glühte, der Edelstein drehte sich, bis Cabhans Augen ebenso rot funkelten wie der Stein.
Schwarzes Fell bedeckte seinen Körper. Krallen wuchsen aus seinen Fingern. Und als er wie hingegossen auf den Boden zu wallen schien, warf er den Kopf zurück und heulte.
Vorsichtig stellte Sorcha Teagan hinter sich auf den Boden. »Er kann dir nichts tun.« Sie betete, dass sie recht behielt, dass die Hexenkraft, die sie in das Kupferamulett gegeben hatte, auch gegen diese Art bestehen würde. Denn für diese finstere Kunst hatte Cabhan sicherlich seine Seele eingetauscht.
Der Wolf fletschte die Zähne und sprang.
Sorcha wehrte ihn ab - sie streckte die Hände vor sich, beschwor ihre Kraft herauf, sodass reinweißes Licht aus ihren Handflächen schoss. Als es den Wolf traf, jaulte er auf, beinahe wie ein Mensch. Doch er griff wieder und wieder an, sprang, schnappte, und seine Augen waren die eines wilden Tiers und zugleich grauenhaft menschlich. Die Krallen fuhren aus, verfingen sich in Sorchas Rock, zerfetzten ihn. Dann zerriss Teagans Schrei die Luft.
»Geh weg, geh weg!« Sie bewarf den Wolf mit Steinen, die sich beim Aufprall in Feuerbälle verwandelten, sodass der Nebel nun nach verbranntem Fleisch und Fell roch.
Wieder sprang der Wolf vor, immer noch heulend. Teagan taumelte zurück, als Sorcha nach ihm schlug. Der Umhang des kleinen Mädchens öffnete sich. Aus dem Kupfersymbol, das sie trug, schoss eine blaue Flamme, zielsicher und spitz wie ein Pfeil. Sie traf die Flanke des Wolfs, wo sie ein Zeichen hinterließ, das wie ein Pentagramm geformt war.
Mit einem gequälten Aufheulen wich der Wolf zurück. Während er noch mit den Klauen in die Luft schlug und schnappte, beschwor Sorcha alles, was sie hatte, schleuderte ihr Licht, ihre Hoffnung, ihre Macht von sich.
Die Welt wurde weiß, blendete sie. Verzweifelt tastete sie nach Teagans Hand, als sie auf die Knie fiel.
Der Nebel verzog sich. Von dem Wolf war nichts mehr übrig außer verbrannter Erde in Form seines Körpers.
Weinend klammerte Teagan sich an ihre Mutter, vergrub das Gesicht an ihr - nun war sie nur noch ein Kind, das Angst vor allzu echten Monstern hatte.
»Ist ja gut, er ist weg. Du bist in Sicherheit. Wir müssen nach Hause, mein Liebes.«
Doch Sorcha hatte nicht einmal die Kraft aufzustehen. Sie hätte selbst weinen können, weil sie so erniedrigt worden war. Einst hätte sie die Mächte heraufbeschwören können, um mit ihrem Kind in den Armen durch den Wald zu fliegen. Nun zitterten ihre Lippen, ihr Atem brannte, und ihr Herz schlug so schnell und heftig, dass es in ihren Schläfen hämmerte.
Wenn Cabhan seine Kräfte wieder sammelte, wenn er zurückkam ...
»Lauf schnell nach Hause. Du kennst den Weg. Lauf nach Hause. Ich komme nach.«
»Ich bleibe bei dir.«
»Teagan, tu, was ich dir sage!«
»Nein, nein.« Teagan rieb sich mit den Fingerknöcheln die Augen und schüttelte stur den Kopf. »Komm mit!«
Zähneknirschend schaffte Sorcha es aufzustehen. Doch nach zwei Schritten sank sie wieder auf die Knie. »Ich kann nicht, Kleines. Meine Beine tragen mich nicht.«
»Alastar kann dich tragen. Ich rufe ihn, und dann trägt er uns nach Hause.«
»Kannst du ihn rufen, von so weit weg?«
»Er kommt ganz schnell.«
Teagan stellte sich auf die stämmigen Beinchen und hob die Arme. »Alastar, Alastar, stark und frei, hör mich rufen und komm herbei. Lauf geradewegs, lauf schnell, und sei für die, die dich brauchen, zur Stell'.«
Teagan biss sich auf die Lippe und drehte sich zu ihrer Mutter um. »Brannaugh hat mir bei den Wörtern geholfen. Sind sie gut?«
»Sie sind sehr gut.« Jung, dachte Sorcha. Einfach und rein. »Sag sie noch zweimal. Drei bedeutet starke Hexenkraft.«
Teagan gehorchte und kam dann zurück, um ihrer Mutter übers Haar zu streichen. »Wenn wir zu Hause sind, geht es dir wieder besser. Brannaugh macht dir einen Trank.«
»Ja, bestimmt.« Es war das erste Mal, dass sie ihr Kind anlog, dachte Sorcha. »Such mir einen guten, stabilen Stock. Ich glaube, wenn ich mich darauf stütze, kann ich ein Stück laufen.«
»Alastar kommt.«
Obwohl sie daran zweifelte, nickte Sorcha. »Wir gehen ihm entgegen. Such mir einen festen Stock, Teagan. Wir müssen zu Hause sein, bevor es dunkel wird.«
Gerade als Teagan sich aufrappelte, hörten sie den Hufschlag.
»Er kommt! Alastar, hier sind wir!«
Teagan hatte ihren Führer gerufen, dachte Sorcha, und trotz ihrer Erschöpfung durchzuckte sie heftiger Stolz. Während Teagan dem Pferd entgegenrannte, riss auch Sorcha sich wieder zusammen und stand unter Schmerzen auf.
»Da bist du ja, du Prachtpferd.« Dankbar drückte Sorcha das Gesicht an Alastar, der sie beschnupperte. »Kannst du mir aufsitzen helfen?«, bat sie Teagan.
»Das macht Alastar. Ich hab ihm einen Trick beigebracht. Eigentlich wollte ich ihn aufheben, bis Da nach Hause kommt. Auf die Knie, Alastar!«
Kichernd zeigte Teagan mit der Hand auf den Boden. Das Pferd senkte den Kopf, knickte in den Vorderbeinen ein und kniete sich hin.
»Oh, mein kluges Mädchen!«
»Ist der Trick gut?«
»Wunderbar. Wirklich, ganz wunderbar.«
Sorcha griff in die Mähne und zog sich auf den Rücken des Pferdes. Wieselflink sprang Teagan vor ihr auf.
»Halt dich an mir fest, Ma! Alastar und ich bringen dich nach Hause.«
Sorcha fasste das kleine Mädchen um die Taille und vertraute sich ganz dem Kind und dem Pferd an. Jeder Galoppsprung tat ihr weh, brachte sie jedoch ihrem Zuhause näher. Als sie sich der Lichtung näherten, sah sie ihre älteren Kinder auf sie zurennen, Brannaugh mit dem gezückten Schwert ihres Großvaters, Eamon mit einem Dolch in der Hand.
So tapfer, allzu tapfer.
»Zurück zum Haus jetzt! Lauft zurück!«
»Der Böse ist gekommen«, rief Teagan. »Und er hat sich in einen Wolf verwandelt. Ich habe Steine nach ihm geworfen, Eamon, genau wie du.«
Die Stimmen der Kinder - die Fragen, die Aufregung, die Spuren von Angst - hallten wie ein Echo in Sorchas Kopf. Sie war schweißüberströmt. Noch einmal griff sie in Alastars Mähne, ließ sich zu Boden gleiten. Schwankte, als die Welt grau wurde.
»Mama ist krank. Sie braucht ihren Trank.«
»Geht rein«, brachte Sorcha heraus. »Verriegelt die Tür.«
Sie hörte, wie Brannaugh Anweisungen erteilte, knapp und präzise wie ein Stammeshäuptling - »hol Wasser, schür das Feuer « -, und sie hatte das Gefühl, ins Haus zu schweben, zu ihrem Stuhl, auf dem sie zusammensackte. Ein kalter Lappen auf ihrem Kopf. Ein warmer, starker Trank, der ihre Kehle hinunterrann. Ein Nachlassen der Schmerzen, ein Lichten des Nebels.
»Ruh dich jetzt aus.« Brannaugh strich ihr übers Haar.
»Es geht mir schon besser. Du hast eine große Gabe zu heilen. «
»Teagan hat gesagt, der Wolf ist verbrannt.«
»Nein. Wir haben ihn verletzt, ja, aber er lebt.«
»Wir töten ihn. Wir stellen eine Falle auf und töten ihn.«
»Vielleicht kommt es dazu, wenn ich wieder stärker bin. In ihm steckt mehr als das, was er getan hat, dieses Annehmen einer anderen Gestalt. Ich kann nicht sagen, welchen Preis er für diese Macht bezahlt hat, aber er wird hoch gewesen sein. Deine Schwester hat ihn gebrandmarkt. Hier.« Sorcha umfasste ihre linke Schulter. »In Form eines Pentagramms. Haltet danach Ausschau, seid auf der Hut davor und vor jedem, der dieses Zeichen trägt.«
»In Ordnung. Mach dir jetzt keine Sorgen. Wir bereiten das Abendessen zu, und wenn du gegessen und dich ausgeruht hast, fühlst du dich wieder stärker.«
»Du machst mir ein Amulett. Genau, wie ich es dir sage. Mach es für mich und bring es mir. Das Abendessen kann warten, bis das Amulett fertig ist.«
»Wirst du dadurch stärker?«
»Ja.«
Brannaugh machte das Amulett, und Sorcha hängte es sich um den Hals, über das Herz. Sie flößte sich noch mehr von dem Heiltrank ein, und obwohl sie kaum Appetit hatte, zwang sie sich zu essen.
Sie schlief und träumte, und als sie erwachte, stellte sie fest, dass Brannaugh bei ihr Wache hielt. »Ab ins Bett jetzt. Es ist spät.«
»Wir lassen dich nicht allein. Ich kann dir ins Bett helfen.«
»Ich sitze hier am Feuer.«
»Dann bleibe ich bei dir. Wir wechseln uns ab. Ich wecke Eamon, wenn er dran ist, und Teagan bringt dir den Morgen- trank.«
Zu müde, um Einwände zu erheben, zu stolz, um zu schimpfen, lächelte Sorcha nur. »So wird es also gemacht?«
»Bis es dir wieder richtig gut geht.«
»Es geht mir schon besser. Seine Zauberkraft war so stark, so schwarz. Ich musste alles aufbieten, was ich in mir hatte, und noch mehr, um sie zu brechen. Unsere Teagan, du wärst stolz auf sie. So tapfer und klug war sie. Und du, wie du mit dem Schwert deines Großvaters auf uns zu gerannt bist.«
»Es ist ganz schön schwer.«
Es tat gut zu lachen. »Er war ein großer Mann mit einem roten Bart, so lang wie dein Arm.« Mit einem Seufzer strich Sorcha Brannaugh über den Kopf. »Wenn du nicht zu Bett gehen willst, mach dir ein Lager dort auf dem Boden. Dann schlafen wir beide ein bisschen.«
Als ihr Kind schlief, sprach Sorcha einen Zauber, damit Brannaugh gute, süße Träume hatte.
Dann wandte sie sich dem Feuer zu. Es war höchste Zeit, Daithi nach Hause zu rufen. Sie brauchte sein Schwert und seine Kraft. Sie brauchte ihn.
So öffnete sie dem Feuer ihre Seele, öffnete ihrer Liebe ihr Herz.
Ihr Geist reiste über die Hügel und Felder, durch die Nacht, durch Wälder, über Wasser, in dem der Mond schwamm. Sie flog all die vielen Meilen, die sie trennten, bis zum Lager ihres Clans.
Daithi schlief am Feuer, das Mondlicht hüllte ihn ein wie eine Decke. Als sie sich neben ihm niederließ, hoben sich seine Mundwinkel, und er legte den Arm um sie.
»Du riechst nach Herdfeuern und Waldlichtungen.«
»Du musst unbedingt nach Hause kommen.«
»Bald, a ghrá, meine Geliebte. Zwei Wochen, länger ist es nicht mehr.«
»Morgen musst du losreiten, so schnell du kannst. Mein Herz, mein Krieger.« Sie umschloss sein Gesicht mit den Händen. »Wir brauchen dich.«
»Und ich euch.«
In ihrer Vision rollte er sich auf sie und senkte den Mund auf ihren.
»Nicht fürs Bett, obwohl, oh, ich sehne mich nach dir. Jeden
© 2014 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Nora Roberts
Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren und gehört heute zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt. Auch in Deutschland erobert sie mit ihren Romanen regelmäßig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Roberts
- 2014, Deutsche Erstausgabe., 448 Seiten, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Marburger, Katrin
- Übersetzer: Katrin Marburger
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 345341487X
- ISBN-13: 9783453414877
- Erscheinungsdatum: 21.04.2014
Kommentare zu "Spuren der Hoffnung / O'Dwyer Trilogie Bd.1"
0 Gebrauchte Artikel zu „Spuren der Hoffnung / O'Dwyer Trilogie Bd.1“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 18Schreiben Sie einen Kommentar zu "Spuren der Hoffnung / O'Dwyer Trilogie Bd.1".
Kommentar verfassen