Telemedizin
Wege zum Erfolg
Im Zentrum des Buches stehen die Analyse und die Systematisierung von Erfolgsfaktoren zur nachhaltigen Etablierung der Telemedizin in der Versorgung, mit Fokus auf dem Telemonitoring. Darauf aufbauend werden interdisziplinäre, praxistaugliche Lösungsansätze...
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Produktinformationen zu „Telemedizin “
Im Zentrum des Buches stehen die Analyse und die Systematisierung von Erfolgsfaktoren zur nachhaltigen Etablierung der Telemedizin in der Versorgung, mit Fokus auf dem Telemonitoring. Darauf aufbauend werden interdisziplinäre, praxistaugliche Lösungsansätze entwickelt und dargestellt. Dazu zählen u. a. Qualifikationsprogramme und die Möglichkeiten der Zertifizierung. Schließlich kommen auch zahlreiche namhafte Experten zu Wort und schildern ihre Sicht auf die wesentlichen Erfolgskriterien in der Telemedizin.
Klappentext zu „Telemedizin “
Das Werk basiert auf den Ergebnissen des BMBF-Projekts "S.I.T.E. - Schaffung eines Innovationsmilieus für Telemedizin". Im Zentrum stehen die Analyse und die Systematisierung von Erfolgsfaktoren zur nachhaltigen Etablierung der Telemedizin in der Versorgung, mit Fokus auf dem Telemonitoring. Darauf aufbauend werden interdisziplinäre, praxistaugliche Lösungsansätze entwickelt und dargestellt. Dazu zählen u. a. Qualifikationsprogramme und die Möglichkeiten der Zertifizierung. Schließlich kommen auch zahlreiche namhafte Experten zu Wort und schildern ihre Sicht auf die wesentlichen Erfolgskriterien in der Telemedizin.
Lese-Probe zu „Telemedizin “
Telemedizin von Karolina Budych... mehr
Zum einen verändert sich die Zusammensetzung der Beschäftigten im Gesundheitswesen. Schon jetzt werden ein regionaler Ärzte und Pflegekräftemangel sowie eine deutliche Feminisierung der Medizin deutlich. Zum anderen verändert sich das Patientenklientel und damit der Bedarf und die Anforderungen an die medizinische Versorgung. Die Relevanz chronischer Krankheiten im deutschen Gesundheitssystem nimmt zu. Nach Schätzungen entfallen bereits etwa vier Fünftel der Gesamtausgaben im Gesundheitswesen auf chronische bzw. Langzeiterkrankungen (Stock et al. 2005). Dabei nehmen Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine besondere Rolle ein. Beispielsweise beliefen sich die Ausgaben für chronische Herz- und Kreislauferkrankungen im Jahr 2004 auf rund 35 Milliarden Euro (Swedberg 2006). 2006 konnten 17% der Krankenhauseinweisungen in Deutschland auf kardiovaskuläre Diagnosen zurückgeführt werden (Ludwig 2007). Chronische Krankheiten dominieren mit 80% der Beratungen auch die Arbeit der Hausarztpraxen (Wilson et al. 2005). Somit stellen chronische Erkrankungen einen der größten Kostentreiber dar, dessen Rolle in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird (Pelleter 2012). Chronische Erkrankungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie permanent sind und bleibende Beeinträchtigungen oder Behinderungen verursachen. Patienten mit chronischen Erkrankungen bedürfen einer kontinuierlichen medizinischen Versorgung, die sowohl ärztliche und pflegerische als auch physiotherapeutische und sonstige medizinische Leistungen enthält. Neben dem Hausarzt, der Symptome und klinische Zeichen der Herzinsuffizienz diagnostiziert, muss ein Facharzt hinzugezogen werden, welcher das Risikoprofil des Patienten bewertet und einen Behandlungsplan aufstellt. Zusätzlich leiden viele Patienten unter Komorbiditäten, so dass beispielweise Diabetologen oder Psychologen in die Behandlung einbezogen werden sollten.
Begleitend zur ärztlichen Behandlung der Herzinsuffizienz werden den Patienten physiotherapeutische Maßnahmen oder die Teilnahme an Aktivitäten, wie Herzsportgruppen angetragen. Ferner steigt der Bedarf einer pflegerischen Unterstützung der Therapie mit dem Schweregrad der Erkrankung und dem Alter der erkrankten Patienten. Bei Verdacht oder im Fall eines Myokardinfarktes erfolgt die Einweisung in ein Krankenhaus. Es wird deutlich, dass sich eine optimale Versorgung chronisch kranker Patienten als ein sektorenübergreifender und extrem arbeitsteiliger Prozess darstellt. Für eine optimale Betreuung sollten die Leistungen der beteiligten Akteure aufeinander aufbauen und auf einer gemeinsamen Informationsbasis beruhen. In der deutschen Versorgungsrealität zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Die in die Versorgung chronisch Kranker eingebundenen Akteure stimmen sich kaum ab und Informationen bezüglich der Patientenhistorie oder der Untersuchungsergebnisse werden kaum weiterzeigen, dass ein Drittel der beteiligten Fachärzte ihre Kenntnisse der Patientenhistorie nur durch Schilderungen des Patienten, nicht aber durch Weitergabe von Informationen durch Kollegen erlangten.
Darüber hinaus wurden deutliche Defizite in der Abstimmung der behandelnden Ärzte untereinander sowie mit anderen unterstützenden Dienstleistern festgestellt (Schoen et al. 2009). Eine Überprüfung der umfangreichen Medikation chronisch Kranker wird nur bei ca. der Hälfte der Patienten regelmäßig durchgeführt. Auch werden die aktuellen Leitlinien bezüglich der Medikation in der Behandlung herzinsuffizienter Patienten nur ungenügend eingehalten (Cleland et al. 2002). Darüber hinaus mündet die unzureichende Kommunikation und Abstimmung der Leistungserbringer in diskontinuierlichen Prozessen und redundanten Leistungen, die für die Patienten einen zusätzlichen Aufwand und für das Gesundheitssystem zusätzliche Kosten mit sich bringen. Letztlich wird den chronisch kranken Patienten im Versorgungsprozess vor allem eine passive Rolle zugedacht. Dadurch werden nicht nur deren Bedürfnisse ungenügend berücksichtigt, sondern auch wichtige Informationsquellen, die sich im häuslichen Umfeld befinden, vernachlässigt.
Patienten werden allein gelassen mit der nahezu unüberwindbaren Aufgabe, innerhalb der unüberschaubaren Komplexität des diagnostischen und therapeutischen Spektrums sowie der ausgeprägten Bürokratie des Gesundheitssystems zu entscheiden, welche medizinischen Leistungen sie in Anspruch nehmen sollten, wie sie mit den Symptomen am besten umgehen oder welcher Lebensstil ihre Gesundheit fördert. Diese Defizite in der Versorgung chronisch Kranker sind zum großen Teil auf die starke Zersplitterung des deutschen Gesundheitssystems zurückzuführen. Nebeneinander stehen nicht nur der ambulante, stationäre, pflegerische und sonstige soziale Bereich, sondern auch die fachspezifischen „Silos" des ambulanten bzw. stationären Bereichs.
Durch die historisch gewachsene Spezialisierung der medizinischen Leistungserbringung entstanden mehrere Sektoren nebeneinander, die durch ihre starren Bürokratie und Kommunikationswege nur geringe Interaktionen mit den anderen Sektoren vorsehen (Schultz et al. 2011). Dazu kommt die Abrechnungsproblematik von medizinischen Leistungen. Die nach Sektoren getrennten Budgets bergen Unsicherheiten der Finanzierung von sektorenübergreifender Zusammenarbeit und stellen somit eine große Hürde dar. Diese Struktur des Gesundheitswesens steht einer bedarfsgerechten und patientenzentrierten Versorgung chronisch kranker Menschen entgegen. Ziel sollte es sein eine Versorgungsstruktur zu schaffen, die eine - unter den verschiedenen Leistungserbringern des ambulanten, stationären und pflegerischen Sektors unter Einbezug unterstützender Dienstleistungen - abgestimmte und aufeinander aufbauende Therapie des Patienten sicherstellt.
Der Versorgungsprozess einer bestimmten Indikation, wie beispielsweise der chronischen Herzinsuffizienz, muss sich einerseits an den evidenzbasierten Leitlinien der Medizin orientieren und andererseits die Bedürfnisse der Patienten beachten. Dabei müssen die bürokratischen und kommunikationsbedingten Barrieren des Gesundheitswesens überwunden werden. Dies gelingt eher in einem dezentralen, regionalen Kontext. Die Steuerung eines bedarfsgerechten Versorgungsmanagements ist sehr komplex, da das Angebot an medizinischen, therapeutischen und sozialen Möglichkeiten und Kapazitäten in seinem Aufkommen dynamisch ist. Die notwendige Steuerung der Gesamtversorgung und der individuellen Austauschbeziehungen sind im regionalen Kontext einfacher und unbürokratischer zu regeln als in einem überregionalen Konzept und legen somit eine regionale Lösung nahe. Innerhalb einer Region sollten niedergelassene und stationäre Ärzte, wie auch Pflegekräfte und weitere unterstützende Dienstleister in ein Versorgungsnetzwerk eingebunden werden. Dazu bedarf es der Transparenz der regional vorhandenen Kompetenzen und ggf. Versorgungslücken.
Telemonitoring hat das Potenzial, die Infrastruktur für die arbeitsteilige, sektorenübergreifende Versorgung chronisch Kranker zu bilden und die Koordination des Gesamtprozesses und die Unterstützung der handelnden Akteure, inkl. des Patienten, zu ermöglichen (Pelleter 2012). Im Fokus der Therapie chronisch Kranker steht die Behandlung durch den betreuenden Arzt.
Hier folgt der Vorstellung des Patienten zunächst die Einstellungsphase, welche die Anamnese, die notwendigen Untersuchungen, die Diagnose, die Risikostratifizierung sowie gegebenenfalls in Abstimmung mit einem Facharzt die Aufstellung des Therapieplans umfasst. Anschließend findet die eigentliche, vorwiegend medikamentöse Therapie statt, die im weiteren Verlauf je nach individuellem Auftreten der Symptome kontinuierlich angepasst wird. Wichtig für die Implementierung eines Telemonitoring ist, dass nicht nur der Patient selbst umfassend über das Telemonitoring-Programm aufgeklärt wird, sondern dass die involvierten medizinischen und nicht-medizinischen Leistungserbringer von Beginn an in den telemedizinischen Behandlungsprozess mit einbezogen und in strukturierter Form über den Ablauf des Programms informiert werden.
Durch die kontinuierlichen Rückspiegelungen des Gesundheitszustandes an den behandelnden Arzt, den Facharzt und beispielsweise die Pflegekräfte bleibt ein stetiger Informationsaustausch gewährleistet. Zudem können diese bei Bedarf auf die Informationen des Telemonitoring zurückgreifen. Auf Basis der erweiterten Wissensbasis werden die verschiedenen medizinischen Fachbereiche verknüpft, ohne die häusliche Situation - die vom Pflegepersonal oder von Angehörigen teilweise besser eingeschätzt werden kann - zu vernachlässigen. Darüber hinaus haben Patienten selbst die Möglichkeit, sich bei technischen, organisatorischen oder medizinischen Fragen an den betreuenden Anbieter zu wenden.
Der Telemonitoring-Anbieter begutachtet eingehende Vitalparameter (Telemonitoring) und betreut Patienten durch medizinisch ausgebildetes Fachpersonal (Telecoaching). Dabei gehen die vom Patienten oder betreuenden Arzt erhobenen Daten und Befunde zunächst im Telemonitoring-Zentrum ein und werden unter Berücksichtigung von Anamnese-Daten wie Alter, Geschlecht, Begleitkrankheiten, Risikofaktoren oder Prämedikationen ausgewertet. Werden dabei individuell festgelegte Grenzwerte unter- bzw. überschritten, wird sofort ein Alarm ausgelöst, so dass umgehend therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden können.
Alle Daten, Ereignisse sowie Interaktionen werden dokumentiert, so dass eine Basis für die weiteren qualitätssichernden Maßnahmen geschaffen wird. Neben der Überwachung der Vitaldaten werden das Vertrauen und die aktive Mitarbeit der Patienten oder der Angehörigen durch regelmäßige Anrufe gestärkt. Dabei sollen beispielsweise Verhaltensänderungen angestoßen werden, um die Lebensqualität der Patienten zu steigern. Gemeinsam mit Ärzten und Pflegpersonal kann ein Trainings- und Ernährungsprogramm erarbeitet werden, das von dem Telemonitoring-Anbieter begleitet wird. Zudem sollte es Ziel sein, Patienten mit Blick auf ihre individuellen Wissensdefizite rund um die chronische Erkrankung zu schulen. Medizinische Zusammenhänge, Fragen zur Medikation und zum Lebensstil, aber auch der Umgang mit der verwendeten Technik für das Telemonitoring werden den Patienten vermittelt. Letztlich soll den Patienten zu einem sicheren und eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung verholfen werden (Pelleter 2012).
Alle klinisch relevanten Vorgänge, die evidenzbasierten Empfehlungen und die daraus resultierenden ärztlichen Handlungen werden stets an die Patienten und an deren betreuenden Arzt berichtet. Darüber hinaus werden, abgeleitet aus den Ergebnismessungen, kontinuierlich statistische Auswertungen erstellt, die neben einer Analyse der Prozess- Ergebnis-Beziehungen auch eine Weiterentwicklung von Versorgungsstandards ermöglichen. Aus den dort hinterlegten Informationen sowie aus den gewonnenen Erfahrungen lassen sich nicht nur Rückschlüsse auf eine Verbesserung der Prozesse ziehen, sondern auch die bestehenden Behandlungsstandards weiterentwickeln und daraus abgeleitet neue Leitlinien formulieren. Diese bilden die Basis für das Wissensportal, in welchem auch Evaluationsergebnisse, aggregierte Informationen über die Epidemiologie, Prävention, Pathologie sowie die klinische und ökonomische Effektivität der Behandlungsmethoden hinterlegt sind.
Seit einigen Jahren beschäftigen sich unterschiedliche Akteure des Gesundheitswesens mit der Entwicklung und Erprobung telemedizinischer Anwendungen. Damit wird eine intensive und engmaschige Betreuung sichergestellt. Einerseits kann das Telemonitoring der Rehabilitation nach einem Akutereignis dienen, indem Patienten nach Entlassung aus dem Krankenhaus auch im häuslichen Umfeld weiter umfassend betreut werden. Auf Basis der analysierten Daten wird die Therapie der Patienten kontinuierlich angepasst. Durch den Zugang zu ärztlichem Wissen und darauf aufbauenden Handlungsempfehlungen ist eine adäquate Betreuung der Patienten in ihrem häuslichen Umfeld möglich. Andererseits kann die Sekundärprävention von chronisch Kranken unterstützt werden, indem beispielsweise Schulungen zu einer größeren Eigenverantwortung der Patienten beitragen und die telemedizinisch erhobenen Daten eine lückenlose Transparenz des Gesundheitszustands und damit ein gezieltes Eingreifen in Behandlungsregime erlauben (Friedrich et al. 2009).
Telemonitoring ermöglicht eine sektorenübergreifende Versorgung, in der ambulante, stationäre und rehabilitative Versorgungsstrukturen miteinander verknüpft werden. Durch die professions- und sektorenübergreifende Dokumentation des Krankheitsverlaufs in einer Patientenakte trägt Telemonitoring dazu bei, Qualität und Effizienz der Behandlung optimal zu gestalten. Durch die Abstimmung aller Beteiligten werden kostenintensive Suchprozesse, Mehrfachuntersuchungen, Wartezeiten oder unnötige Krankenhausaufenthalte reduziert. Verschiedene Studien belegen die positive Wirkung der Telemedizin auf Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung. Insbesondere Telemonitoring- Dienstleistungen mit dem Fokus auf chronische Krankheiten, wie Herz-Kreislauf- oder pneumologische Erkrankungen, bergen die Chance, durch kürzere Wartezeiten, weniger Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte das Gesundheitssystem zu entlasten und gleichzeitig durch größere Sicherheit und Compliance der Patienten sowie eine höhere diagnostische Qualität die medizinische Versorgung zu verbessern (Ekeland et al. 2010). Trotzdem stößt die operative Umsetzung des Telemonitoring immer noch auf Probleme. Eine große Schwierigkeit stellt die mangelnde Interoperabilität der vielen eigenständigen technischen Komponenten dar.
Zahlreiche Unternehmen haben jeweils ihre eigenen Lösungen für einzelne Komponenten einer Telemonitoring-Gesamtlösung entwickelt, ohne deren Zusammenspiel im Gesamtsystem zu beachten. Interoperabilitätsprobleme treten auch im Zusammenspiel mit den stationären und ambulanten Primärsystemen auf. Insbesondere im ambulanten ärztlichen Bereich hat sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Primärsystemen herausgebildet. Die an den Sektorengrenzen endenden IT-Lösungen und deren mangelnde Kompatibilität führen zu einer gesteigerten Unsicherheit bei Anwendern. Darüber hinaus bringt die unzureichende Interoperabilität der von unterschiedlichen Akteuren entwickelten Prozesse und technischen Komponenten ein erhöhtes Investitionsrisiko mit sich, das zu einer abwartenden Haltung von Investoren führt und eine Weiterentwicklung des Marktes behindert (Reiter et al. 2011).
Die derzeit teilweise unausgereiften Schnittstellenlösungen schränken zudem reibungslose Prozessabläufe und Datentransfers ein, z.B. in der Interaktion mit Praxis- und Krankenhausinformationssystemen. Nicht nur die Hersteller sind dabei an einer schnellen Einigung auf technische Standards und Normen interessiert, sondern auch die Ärzte sind auf einen reibungslosen Ablauf der Prozesse und Datentransfers angewiesen. Schließlich sehen auch die Kostenträger die Interoperabilität als notwendige Voraussetzung an, um den bundesweiten Einsatz sowie eine Vergleichbarkeit der Systeme zu ermöglichen. Um die erforderliche Interoperabilität voranzutreiben, bedarf es zunächst der Verständigung auf einheitliche Standards. Entsprechende Bemühungen sind bereits zu beobachten, sie gehen jedoch mit langwierigen und diffizilen Abstimmungsprozessen einher.
Der stark gesplittete Markt stellt zwar eine große Herausforderung für die Hersteller dar, gleichzeitig bietet er auch die Chance zur entscheidenden Bündelung von Marktkräften durch eine Einigung auf einige wenige international geltende Spezifikationen. Dazu muss die bürokratische Kruste der einzelnen Sektoren aufgebrochen werden. Eine Interoperabilität verschiedener Komponenten im Telemonitoring-System kann nur durch die Zusammenführung und Einigung auf allgemein akzeptierte Standards und Normen gewährleistet werden. Da verschiedene Interessengruppen an der Einführung und letztlich der aktiven Nutzung telemedizinischer Dienstleistungen beteiligt sind, ergibt sich ein heterogenes Bild der Potenziale und sektorenimmanenten Regelungen. Grundlegend ist, dass Telemonitoring die klassischen Prozesse der medizinischen Leistungserstellung verändert und somit auch in die klassischen Rollenverständnisse eingreift. Die folgenden Abschnitte beleuchten die Potenziale und Barrieren aus Sicht ausgewählter Stakeholder innerhalb des Gesundheitssystems. Die Informationstechnologie erleichtert es Patienten, sich Wissen über ihre Krankheiten und die Qualität von Behandlungen anzueignen (Dietrich 2007).
Damit steigt ihr Bedürfnis, eine tragende Rolle in ihrer Gesundheitsversorgung zu spielen. Gleichzeitig wächst das diagnostische und therapeutische Spektrum der modernen medizinischen Versorgung. Der Patient steht trotz seines Wissenszuwachses einem intransparenten und komplexen System aus Möglichkeiten, Regelungen und Akteuren gegenüber. Entscheidenden Einfluss auf die Akzeptanz von Telemonitoring-Angeboten hat der von den Patienten wahrgenommene Nutzen (Schultz 2005). Ziel der Patienten ist es, ihren Gesundheitszustand zu verbessern bzw. zu erhalten und ihr gesundheitliches Risiko so gering wie möglich zu halten. Die Überwachung von Vitalparametern und die damit einhergehende intensive, engmaschige Betreuung vermitteln den Patienten ein Sicherheitsgefühl. Da es sich beim Telemonitoring um einen ganzheitlichen Betreuungsansatz handelt, der über die reine Datenübertragung hinausgeht, wird der Patient in seiner gesundheitlichen und sozialen Gesamtsituation betrachtet.
Dabei wird eine qualitativ hochwertige Versorgung über eine räumliche Distanz sichergestellt. Dem Patienten werden zeitintensives Warten bei Ärzten oder auf Befunde und lange Wege zu Ärzten erspart. Durch die kontinuierliche Erhebung von Messdaten wird ein rechtzeitiges Erkennen von relevanten Veränderungen des Gesundheitsstatus der Patienten ermöglicht, was zu einer stark individualisierten Therapie führt, bei der Therapierisiken verringert werden können. Krankenhausaufenthalte können verkürzt oder gar verhindert werden (Schmidt 2009). Zudem erfahren die Patienten ihre Versorgung als sektorenübergreifenden Prozess. Die Komplexität des Systems wird durch den klaren Versorgungsprozess verringert und transparent gestaltet. Die Koordination des Therapieverlaufs erfolgt in Absprache mit den beteiligten Akteuren durch den Telemonitoring-Anbieter. Zusätzlich eröffnen Telemonitoring- Lösungen die Chance, Patienten eine stärkere Eigenverantwortung zu vermitteln. Sie werden aktiv in den Behandlungsprozess einbezogen und geschult, mit ihrer eigenen Krankheit umzugehen.
Somit senkt Telemonitoring auch die durch Komplexität und bürokratische Strukturen entstehenden Suchkosten der Patienten. Jedoch stellen sich der aktiven Nutzung von Telemonitoring auch Barrieren entgegen. Die Nutzung der neuen Technologie ist für technikunerfahrene oder gar technikaverse Patienten ungewohnt und wird mit Misstrauen betrachtet. Für viele Patienten hat der direkte Kontakt zu Ärzten oder zu Pflegekräften eine bedeutsame soziale Komponente. Die Fürsorge, die Zuwendung und der erfahrene Zuspruch sind bereits Bestandteil der Therapie. Der Sorge einer „Technisierung" und „Entpersonalisierung" der Versorgung kann positiv begegnet werden, da die bessere Kenntnis über die individuellen Bedarfe den primären Kontakt mit den behandelnden Ärzten aufwertet. Auf diese Weise werden die Potenziale des Telemonitoring mit den Vorzügen der persönlichen Behandlung durch den Arzt kombiniert. Ein gut geschultes Personal in den Telemonitoring-Zentren kann dazu beitragen, auch auf weitergehende Bedürfnisse der Patienten im Telefongespräch einzugehen.
Es gilt daher, die Angst vor den Unsicherheiten und vermeintlichen Risiken zu nehmen und den Patienten dabei zu helfen, ein nachhaltiges Vertrauensverhältnis zu den Telemonitoring- Anbietern aufzubauen. Zudem wird Patienten die Unsicherheit und Zurückhaltung genommen, wenn die behandelnden Ärzte Telemonitoring akzeptieren und durch ihre eigene Arbeit unterstützen. Die aktive Mitarbeit des Patienten bildet im Telemonitoring eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Intervention und für die Optimierung von Qualität und Effizienz. Damit der Patient den Umgang mit der neuen Technik erlernt und ggf. seinen Alltag entsprechend anpasst, muss der Patient im Umgang mit seiner Krankheit geschult und für eine bewusste Änderung bestimmter gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen sensibilisiert werden. Liegt der Schwerpunkt hingegen auf der kontinuierlichen Überwachung von Vitalparametern, wird der Patient aktiv in die Übermittlung der Daten eingebunden.
Während die bislang in den Pilotprojekten eingeschlossenen Patienten in der Regel eine hohe Compliance aufweisen, da sie sich freiwillig für eine Teilnahme an einem entsprechenden Programm gemeldet haben, werden längerfristig auch weitere Patientengruppen gewonnen werden müssen, damit so eine Ausweitung der telemedizinischen Anwendungen auf breitere Indikationen gelingt. Die Herausforderung liegt darin, den unterschiedlichen Ansprüchen der Patienten gerecht zu werden sowie eine geeignete und auf die jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtete Ansprache zu wählen. So müssen u.a. das Alter, der Bildungsstand sowie eventuell vorhandene Komorbiditäten berücksichtigt werden.
Die niedergelassenen Ärzte bilden die Schnittstelle zwischen den Patienten und dem Telemonitoring- Anbieter. Sie sind direkte und persönliche Ansprechpartner und haben ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten. Diese Arzt-Patienten-Beziehung bleibt mit Implementierung eines Telemonitoring bestehen, da der niedergelassene Arzt stets erster Ansprechpartner für den Patienten ist. Die Rolle des Telemedizin-Zentrums besteht in einer unterstützenden Funktion der Primärversorger, insbesondere durch eine engmaschigere Erhebung der medizinisch relevanten Daten. Bei Bedarf empfiehlt es den Besuch des behandelnden Arztes oder im Notfall auch die Einlieferung in eine Klinik. Bürokratische Informationspflichten, wie die Dokumentation der Daten und die Koordinierung des Versorgungsprozesses der Patienten werden den Ärzten abgenommen und vom Telemonitoring- Anbieter übernommen. Der Arzt kann bei Untersuchungen auf ein umfassendes Datenmaterial zurückgreifen, das den Patienten in verschiedenen Lebenslagen - auch in seinem häuslichen Umfeld - widerspiegelt. Durch die ganzheitliche Informationsbasis ermöglicht Telemonitoring eine qualitativ hochwertige Diagnose und eine individuelle Anpassung der Therapie.
Der Arzt kann sich auf das Wesentliche - den Patienten - konzentrieren. Zudem trägt das Telemonitoring durch Schulungen zu einem stärkeren Gesundheitsbewusstsein der Patienten bei. Diese sind bereit, selbst Verantwortung für sich zu übernehmen. Letztlich gewinnen insbesondere in der flächendeckenden Versorgung von ländlichen Regionen telemedizinische Konzepte angesichts des dort herrschenden Ärztemangels an Bedeutung. Auch die koordinierte Überleitung in die Krankenhäuser und wieder zurück in den Alltag wird durch Telemonitoring erleichtert. Zum einen werden durch die Überwachung der Vitalparameter unnötige Krankenhausaufenthalte verhindert. Zum anderen wird der behandelnde Arzt des Krankenhauses in den Prozess nach der Entlassung einbezogen, so dass stationäre und ambulante Versorgung miteinander verzahnt und die bürokratischen Gräben zwischen den Sektoren aufgeweicht werden.
Die Kompetenz des stationären Arztes sowie die Erfahrungen mit den Patienten im Krankenhaus geben wertvolle Impulse für den weiteren Verlauf der Therapie. Jedoch stehen niedergelassene Ärzte der Einführung eines Telemonitoring auch mit Bedenken gegenüber. Zunächst bestehen Unsicherheiten bezüglich der Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen. Durch die strenge Teilung der Budgets nach Sektoren sind die Anreize der sektorenübergreifenden Leistungserbringung gering. Ärzten müssen überzeugt werden, dass sie keinesfalls einen Patientenverlust an einen vermeintlichen Wettbewerber erleiden, sondern vielmehr in Kooperation mit mehreren Leistungserbringern - Pflege, Krankenhäuser oder Telemonitoring-Anbieter - eine effizientere Gesundheitsversorgung ihrer Patienten erreichen und sogar eine Entlastung bei den eigenen alltäglichen Praxisprozessen erfahren können. Im stationären Bereich ist ein latentes Spannungsverhältnis zu beobachten.
Die überregional unabhängig fungierenden Telemonitoring-Anbieter stehen in latenter Konkurrenz zu dem Bestreben der Krankenhäuser, selbst stärkeren Einfluss auf den ambulanten Markt auszuüben. Daher bevorzugen die Kliniken ggf. eigene Angebote bzw. Kooperationslösungen, um alle Gesundheitsdienstleistungen regional und aus einer Hand anbieten zu können. Die regionale Verankerung der Krankenhäuser könnte den Aufbau eines Netzwerkes erleichtern. Die stationäre Kompetenz der Krankenhäuser kann die ambulante Leistungserbringung bereichern. Austausch- und Vergütungsbeziehungen sind regional leichter steuer- und koordinierbar, so dass sich im Sinne der §§ 140 oder 116 SGB V Abrechnungsmöglichkeiten zwischen den Leistungserbringern eröffnen. Wichtiges Element bei der Implementierung von Telemonitoring ist der Kooperationswille der Ärzte - insbesondere die Bereitschaft zur Veränderung von Praxisalltags- und Behandlungsprozessen. Die Offenheit gegenüber Neuem (Innovationsbereitschaft) ist dabei insofern von Bedeutung, als der größte Nutzen des Telemonitoring in einer Qualitäts- und Effizienzverbesserung durch die Verbesserung des intersektoralen Versorgungsprozesses besteht.
Es bedarf daher der aktiven Mitarbeit aller Beteiligten sowie der Integration der telemedizinischen Betreuung in die Behandlungsprozesse (Schultz 2009). Die Einbindung der Ärzte in die ganzheitliche, durch Telemonitoring unterstützte Betreuung geht anfänglich mit einem hohen Implementierungsaufwand einher. Eine solche Kooperation bedeutet neben dem Erlernen des Umgangs mit neuen Technologien und Teilnahmen an Schulungen auch eine Integration entsprechender Software in die bestehende IT-Infrastruktur der Praxis und eine Umstellung von Routineprozessen. Dies stellt ambulante Leistungserbringer insbesondere in ländlichen Gebieten angesichts mangelnder Ressourcen häufig vor hohe Herausforderungen.
Es ist daher nicht nur eine intensive Aufklärungsarbeit notwendig, um die Innovationsbereitschaft der Ärzte zu stärken, sondern auch die Entwicklung möglicher Finanzierungsmodelle. Die Kommunikation der Leistungspotenziale und der Wirtschaftlichkeit von Telemonitoring muss sich dabei stark an den spezifischen Bedürfnissen der Ärzte orientieren. Wichtig sind in dem Zusammenhang auch eine angemessene Risikoverteilung der finanziellen Investition sowie die Schaffung geeigneter Abrechnungsmodalitäten der telemedizinischen Leistungen, so dass Aufwand und wirtschaftlicher Nutzen im Einklang stehen. Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte ist schließlich die Thematik der hohen Datenschutzanforderungen gerade im Praxisalltag hoch relevant. Gefordert wird dabei eine pragmatische Lösung, die den Alltag nicht durch weitere bürokratische Regelungen behindert und trotzdem die regional teilweise unterschiedlichen Anforderungen an den Datenschutz einhält. Hier gilt es, eine Vielzahl an offenen Detailfragen, die z.B. die nochmalige Validierung übermittelter Diagnosen oder die Reichweiten von Überprüfungspflichten betreffen, durch eine explizite Klärung der Datensicherheitsanforderungen zu beantworten.
Die Perspektive der Pflegekräfte ähnelt in vielen Punkten den Standpunkten der Ärzte. Durch den intensiven persönlichen Kontakt und die Fürsorge bildet sich ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Pflegekräften heraus. Häufig sind die Pflegekräfte über den psychischen und physischen Zustand der Patienten sehr gut informiert. Dieses Wissen geht jedoch aufgrund von Defiziten in der Koordination und Kommunikation zwischen den Sektoren verloren. Zwar haben Pflegekräfte umfangreiche Dokumentationspflichten, jedoch erreicht die Dokumentation den Arzt höchstens nach einer zeitlichen Verzögerung. Bürokratische Hürden, wie das Warten auf Verordnungen für die Krankenpflege, kosten Pflegekräfte viel Zeit, die nicht mehr für die Fürsorge der Patienten genutzt werden kann. Therapieänderungen im Zuge einer Entlassung aus dem Krankenhaus oder in Folge eines Arztbesuches erreichen die Pflegekräfte meist erst direkt vor Ort. Als Folge treten Effizienzprobleme auf, die sich in einer verminderten Ergebnis- und Prozessqualität niederschlagen, Versorgungsdiskontinuitäten und letztlich Behandlungsfehler nach sich ziehen (Moore et al. 2003). Telemonitoring birgt das Potenzial, den Wissenstransfer zwischen den beteiligten Leistungserbringern schnell und effektiv zu gestalten, so dass die Therapie der Patienten entsprechend angepasst werden kann. Zudem kann eine verbesserte Koordination zwischen Krankenhaus - Arzt - Pflege und sonstigen medizinischen Leistungserbringern innerhalb eines Netzwerkes unterstützt werden. Behandlungs- und Therapieprozesse werden fachübergreifend gesteuert, so dass organisatorische, ökonomische oder medizinische Probleme schnell und eindeutig identifiziert und überwunden werden können (Schlueter 2007). Unter diesen Voraussetzungen werden Pflegekräfte bereits im Vorfeld über den Zustand der Patienten gut informiert, sie erhalten einen Überblick über notwendige Hilfs- und Arzneimittel und können sich vor allem um die Pflege der Patienten kümmern. Auch im Pflegebereich müssen klare Abrechnungsbestimmungen zu einer Finanzierung des Telemonitoring beitragen. Auch hier darf die „Technisierung" der Medizin nicht den persönlichen Kontakt zum Patienten ersetzen. Auch hier bedarf es einer Umstellung der bisherigen Routineprozesse. Auch hier gelingt eine Implementierung von Telemonitoring, wenn die Pflegekräfte aktiv in den Prozess eingebunden werden. Letztlich ist es in einem ganzheitlichen Versorgungsprozess von enormer Bedeutung, das Wissen der Pflegekräfte um die Patienten zu nutzen.
Die Potenziale des Telemonitoring wurden in den vorhergehenden Abschnitten ausführlich beleuchtet. Der vielfältige Nutzen, der sich für den Patienten, für die Ärzte und die Krankenhäusern ergibt, ist auch für die Krankenkassen von großer Bedeutung. Ein ganzheitliches, sektorenübergreifendes Versorgungskonzept verringert die bürokratischen Hürden der Patientenversorgung und konzentriert die Arbeit der Ärzte auf ihre wesentliche Aufgabe: die Therapie der Patienten. Damit wird eine hohe Qualität der Versorgung sichergestellt. Zudem regt die Begleitung durch Telemonitoring die Patienten an, mehr Eigenverantwortung in ihrer Gesundheitsgestaltung zu übernehmen. Durch die Verkürzung oder gar Vermeidung von Krankenhausaufenthalten können die Ausgaben, insbesondere für die Behandlung chronisch Kranker, gesenkt werden. Letztlich trägt Telemonitoring dazu bei, den flächendeckenden Versorgungsauftrag trotz eines bestehenden oder drohenden Ärzte und Pflegekräftemangels zu gewährleisten. Jedoch ist Telemonitoring bisher nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen vorgesehen. Als wichtige Voraussetzung für die Aufnahme gilt die Durchführung evidenzbasierter Studien, die den klaren Nutzen der telemedizinischen Versorgung gegenüber der konventionellen Versorgung - also einen medizinischen Patientennutzen bei gleichzeitiger Kostenersparnis - zeigen. Bisher sind die Evidenznachweise widersprüchlich. Um den Patientenschutz umfassend zu gewährleisten, dürfen ausschließlich Leistungen in den Leistungskatalog der Kassen aufgenommen werden, deren Nutzen nachgewiesen worden ist. Zwar liegen bereits zahlreiche Studien und Erfahrungsberichte vor, diese weisen jedoch aus Sicht der Kostenträger erhebliche Schwachstellen auf. Insbesondere werden eine zu geringe Evidenzklasse sowie eine mangelnde Unabhängigkeit angeführt. Die schwierige Vergleichbarkeit vieler Studien wird ebenfalls bemängelt.
Es ist zu vermuten, dass Telemonitoring- Ansätze sehr heterogen gestaltet werden und die komplexen Effekte sich erst langfristig manifestieren. Klassische Evaluierungsansätze aus der Medizintechnik und aus dem pharmazeutischen Bereich und die damit einhergehenden Anforderungen an das Studiendesign werden dem ganzheitlichen Versorgungsmanagement-Ansatz des Telemonitoring nur bedingt gerecht.
© Kohlhammer Verlag
Zum einen verändert sich die Zusammensetzung der Beschäftigten im Gesundheitswesen. Schon jetzt werden ein regionaler Ärzte und Pflegekräftemangel sowie eine deutliche Feminisierung der Medizin deutlich. Zum anderen verändert sich das Patientenklientel und damit der Bedarf und die Anforderungen an die medizinische Versorgung. Die Relevanz chronischer Krankheiten im deutschen Gesundheitssystem nimmt zu. Nach Schätzungen entfallen bereits etwa vier Fünftel der Gesamtausgaben im Gesundheitswesen auf chronische bzw. Langzeiterkrankungen (Stock et al. 2005). Dabei nehmen Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine besondere Rolle ein. Beispielsweise beliefen sich die Ausgaben für chronische Herz- und Kreislauferkrankungen im Jahr 2004 auf rund 35 Milliarden Euro (Swedberg 2006). 2006 konnten 17% der Krankenhauseinweisungen in Deutschland auf kardiovaskuläre Diagnosen zurückgeführt werden (Ludwig 2007). Chronische Krankheiten dominieren mit 80% der Beratungen auch die Arbeit der Hausarztpraxen (Wilson et al. 2005). Somit stellen chronische Erkrankungen einen der größten Kostentreiber dar, dessen Rolle in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird (Pelleter 2012). Chronische Erkrankungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie permanent sind und bleibende Beeinträchtigungen oder Behinderungen verursachen. Patienten mit chronischen Erkrankungen bedürfen einer kontinuierlichen medizinischen Versorgung, die sowohl ärztliche und pflegerische als auch physiotherapeutische und sonstige medizinische Leistungen enthält. Neben dem Hausarzt, der Symptome und klinische Zeichen der Herzinsuffizienz diagnostiziert, muss ein Facharzt hinzugezogen werden, welcher das Risikoprofil des Patienten bewertet und einen Behandlungsplan aufstellt. Zusätzlich leiden viele Patienten unter Komorbiditäten, so dass beispielweise Diabetologen oder Psychologen in die Behandlung einbezogen werden sollten.
Begleitend zur ärztlichen Behandlung der Herzinsuffizienz werden den Patienten physiotherapeutische Maßnahmen oder die Teilnahme an Aktivitäten, wie Herzsportgruppen angetragen. Ferner steigt der Bedarf einer pflegerischen Unterstützung der Therapie mit dem Schweregrad der Erkrankung und dem Alter der erkrankten Patienten. Bei Verdacht oder im Fall eines Myokardinfarktes erfolgt die Einweisung in ein Krankenhaus. Es wird deutlich, dass sich eine optimale Versorgung chronisch kranker Patienten als ein sektorenübergreifender und extrem arbeitsteiliger Prozess darstellt. Für eine optimale Betreuung sollten die Leistungen der beteiligten Akteure aufeinander aufbauen und auf einer gemeinsamen Informationsbasis beruhen. In der deutschen Versorgungsrealität zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Die in die Versorgung chronisch Kranker eingebundenen Akteure stimmen sich kaum ab und Informationen bezüglich der Patientenhistorie oder der Untersuchungsergebnisse werden kaum weiterzeigen, dass ein Drittel der beteiligten Fachärzte ihre Kenntnisse der Patientenhistorie nur durch Schilderungen des Patienten, nicht aber durch Weitergabe von Informationen durch Kollegen erlangten.
Darüber hinaus wurden deutliche Defizite in der Abstimmung der behandelnden Ärzte untereinander sowie mit anderen unterstützenden Dienstleistern festgestellt (Schoen et al. 2009). Eine Überprüfung der umfangreichen Medikation chronisch Kranker wird nur bei ca. der Hälfte der Patienten regelmäßig durchgeführt. Auch werden die aktuellen Leitlinien bezüglich der Medikation in der Behandlung herzinsuffizienter Patienten nur ungenügend eingehalten (Cleland et al. 2002). Darüber hinaus mündet die unzureichende Kommunikation und Abstimmung der Leistungserbringer in diskontinuierlichen Prozessen und redundanten Leistungen, die für die Patienten einen zusätzlichen Aufwand und für das Gesundheitssystem zusätzliche Kosten mit sich bringen. Letztlich wird den chronisch kranken Patienten im Versorgungsprozess vor allem eine passive Rolle zugedacht. Dadurch werden nicht nur deren Bedürfnisse ungenügend berücksichtigt, sondern auch wichtige Informationsquellen, die sich im häuslichen Umfeld befinden, vernachlässigt.
Patienten werden allein gelassen mit der nahezu unüberwindbaren Aufgabe, innerhalb der unüberschaubaren Komplexität des diagnostischen und therapeutischen Spektrums sowie der ausgeprägten Bürokratie des Gesundheitssystems zu entscheiden, welche medizinischen Leistungen sie in Anspruch nehmen sollten, wie sie mit den Symptomen am besten umgehen oder welcher Lebensstil ihre Gesundheit fördert. Diese Defizite in der Versorgung chronisch Kranker sind zum großen Teil auf die starke Zersplitterung des deutschen Gesundheitssystems zurückzuführen. Nebeneinander stehen nicht nur der ambulante, stationäre, pflegerische und sonstige soziale Bereich, sondern auch die fachspezifischen „Silos" des ambulanten bzw. stationären Bereichs.
Durch die historisch gewachsene Spezialisierung der medizinischen Leistungserbringung entstanden mehrere Sektoren nebeneinander, die durch ihre starren Bürokratie und Kommunikationswege nur geringe Interaktionen mit den anderen Sektoren vorsehen (Schultz et al. 2011). Dazu kommt die Abrechnungsproblematik von medizinischen Leistungen. Die nach Sektoren getrennten Budgets bergen Unsicherheiten der Finanzierung von sektorenübergreifender Zusammenarbeit und stellen somit eine große Hürde dar. Diese Struktur des Gesundheitswesens steht einer bedarfsgerechten und patientenzentrierten Versorgung chronisch kranker Menschen entgegen. Ziel sollte es sein eine Versorgungsstruktur zu schaffen, die eine - unter den verschiedenen Leistungserbringern des ambulanten, stationären und pflegerischen Sektors unter Einbezug unterstützender Dienstleistungen - abgestimmte und aufeinander aufbauende Therapie des Patienten sicherstellt.
Der Versorgungsprozess einer bestimmten Indikation, wie beispielsweise der chronischen Herzinsuffizienz, muss sich einerseits an den evidenzbasierten Leitlinien der Medizin orientieren und andererseits die Bedürfnisse der Patienten beachten. Dabei müssen die bürokratischen und kommunikationsbedingten Barrieren des Gesundheitswesens überwunden werden. Dies gelingt eher in einem dezentralen, regionalen Kontext. Die Steuerung eines bedarfsgerechten Versorgungsmanagements ist sehr komplex, da das Angebot an medizinischen, therapeutischen und sozialen Möglichkeiten und Kapazitäten in seinem Aufkommen dynamisch ist. Die notwendige Steuerung der Gesamtversorgung und der individuellen Austauschbeziehungen sind im regionalen Kontext einfacher und unbürokratischer zu regeln als in einem überregionalen Konzept und legen somit eine regionale Lösung nahe. Innerhalb einer Region sollten niedergelassene und stationäre Ärzte, wie auch Pflegekräfte und weitere unterstützende Dienstleister in ein Versorgungsnetzwerk eingebunden werden. Dazu bedarf es der Transparenz der regional vorhandenen Kompetenzen und ggf. Versorgungslücken.
Telemonitoring hat das Potenzial, die Infrastruktur für die arbeitsteilige, sektorenübergreifende Versorgung chronisch Kranker zu bilden und die Koordination des Gesamtprozesses und die Unterstützung der handelnden Akteure, inkl. des Patienten, zu ermöglichen (Pelleter 2012). Im Fokus der Therapie chronisch Kranker steht die Behandlung durch den betreuenden Arzt.
Hier folgt der Vorstellung des Patienten zunächst die Einstellungsphase, welche die Anamnese, die notwendigen Untersuchungen, die Diagnose, die Risikostratifizierung sowie gegebenenfalls in Abstimmung mit einem Facharzt die Aufstellung des Therapieplans umfasst. Anschließend findet die eigentliche, vorwiegend medikamentöse Therapie statt, die im weiteren Verlauf je nach individuellem Auftreten der Symptome kontinuierlich angepasst wird. Wichtig für die Implementierung eines Telemonitoring ist, dass nicht nur der Patient selbst umfassend über das Telemonitoring-Programm aufgeklärt wird, sondern dass die involvierten medizinischen und nicht-medizinischen Leistungserbringer von Beginn an in den telemedizinischen Behandlungsprozess mit einbezogen und in strukturierter Form über den Ablauf des Programms informiert werden.
Durch die kontinuierlichen Rückspiegelungen des Gesundheitszustandes an den behandelnden Arzt, den Facharzt und beispielsweise die Pflegekräfte bleibt ein stetiger Informationsaustausch gewährleistet. Zudem können diese bei Bedarf auf die Informationen des Telemonitoring zurückgreifen. Auf Basis der erweiterten Wissensbasis werden die verschiedenen medizinischen Fachbereiche verknüpft, ohne die häusliche Situation - die vom Pflegepersonal oder von Angehörigen teilweise besser eingeschätzt werden kann - zu vernachlässigen. Darüber hinaus haben Patienten selbst die Möglichkeit, sich bei technischen, organisatorischen oder medizinischen Fragen an den betreuenden Anbieter zu wenden.
Der Telemonitoring-Anbieter begutachtet eingehende Vitalparameter (Telemonitoring) und betreut Patienten durch medizinisch ausgebildetes Fachpersonal (Telecoaching). Dabei gehen die vom Patienten oder betreuenden Arzt erhobenen Daten und Befunde zunächst im Telemonitoring-Zentrum ein und werden unter Berücksichtigung von Anamnese-Daten wie Alter, Geschlecht, Begleitkrankheiten, Risikofaktoren oder Prämedikationen ausgewertet. Werden dabei individuell festgelegte Grenzwerte unter- bzw. überschritten, wird sofort ein Alarm ausgelöst, so dass umgehend therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden können.
Alle Daten, Ereignisse sowie Interaktionen werden dokumentiert, so dass eine Basis für die weiteren qualitätssichernden Maßnahmen geschaffen wird. Neben der Überwachung der Vitaldaten werden das Vertrauen und die aktive Mitarbeit der Patienten oder der Angehörigen durch regelmäßige Anrufe gestärkt. Dabei sollen beispielsweise Verhaltensänderungen angestoßen werden, um die Lebensqualität der Patienten zu steigern. Gemeinsam mit Ärzten und Pflegpersonal kann ein Trainings- und Ernährungsprogramm erarbeitet werden, das von dem Telemonitoring-Anbieter begleitet wird. Zudem sollte es Ziel sein, Patienten mit Blick auf ihre individuellen Wissensdefizite rund um die chronische Erkrankung zu schulen. Medizinische Zusammenhänge, Fragen zur Medikation und zum Lebensstil, aber auch der Umgang mit der verwendeten Technik für das Telemonitoring werden den Patienten vermittelt. Letztlich soll den Patienten zu einem sicheren und eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung verholfen werden (Pelleter 2012).
Alle klinisch relevanten Vorgänge, die evidenzbasierten Empfehlungen und die daraus resultierenden ärztlichen Handlungen werden stets an die Patienten und an deren betreuenden Arzt berichtet. Darüber hinaus werden, abgeleitet aus den Ergebnismessungen, kontinuierlich statistische Auswertungen erstellt, die neben einer Analyse der Prozess- Ergebnis-Beziehungen auch eine Weiterentwicklung von Versorgungsstandards ermöglichen. Aus den dort hinterlegten Informationen sowie aus den gewonnenen Erfahrungen lassen sich nicht nur Rückschlüsse auf eine Verbesserung der Prozesse ziehen, sondern auch die bestehenden Behandlungsstandards weiterentwickeln und daraus abgeleitet neue Leitlinien formulieren. Diese bilden die Basis für das Wissensportal, in welchem auch Evaluationsergebnisse, aggregierte Informationen über die Epidemiologie, Prävention, Pathologie sowie die klinische und ökonomische Effektivität der Behandlungsmethoden hinterlegt sind.
Seit einigen Jahren beschäftigen sich unterschiedliche Akteure des Gesundheitswesens mit der Entwicklung und Erprobung telemedizinischer Anwendungen. Damit wird eine intensive und engmaschige Betreuung sichergestellt. Einerseits kann das Telemonitoring der Rehabilitation nach einem Akutereignis dienen, indem Patienten nach Entlassung aus dem Krankenhaus auch im häuslichen Umfeld weiter umfassend betreut werden. Auf Basis der analysierten Daten wird die Therapie der Patienten kontinuierlich angepasst. Durch den Zugang zu ärztlichem Wissen und darauf aufbauenden Handlungsempfehlungen ist eine adäquate Betreuung der Patienten in ihrem häuslichen Umfeld möglich. Andererseits kann die Sekundärprävention von chronisch Kranken unterstützt werden, indem beispielsweise Schulungen zu einer größeren Eigenverantwortung der Patienten beitragen und die telemedizinisch erhobenen Daten eine lückenlose Transparenz des Gesundheitszustands und damit ein gezieltes Eingreifen in Behandlungsregime erlauben (Friedrich et al. 2009).
Telemonitoring ermöglicht eine sektorenübergreifende Versorgung, in der ambulante, stationäre und rehabilitative Versorgungsstrukturen miteinander verknüpft werden. Durch die professions- und sektorenübergreifende Dokumentation des Krankheitsverlaufs in einer Patientenakte trägt Telemonitoring dazu bei, Qualität und Effizienz der Behandlung optimal zu gestalten. Durch die Abstimmung aller Beteiligten werden kostenintensive Suchprozesse, Mehrfachuntersuchungen, Wartezeiten oder unnötige Krankenhausaufenthalte reduziert. Verschiedene Studien belegen die positive Wirkung der Telemedizin auf Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung. Insbesondere Telemonitoring- Dienstleistungen mit dem Fokus auf chronische Krankheiten, wie Herz-Kreislauf- oder pneumologische Erkrankungen, bergen die Chance, durch kürzere Wartezeiten, weniger Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte das Gesundheitssystem zu entlasten und gleichzeitig durch größere Sicherheit und Compliance der Patienten sowie eine höhere diagnostische Qualität die medizinische Versorgung zu verbessern (Ekeland et al. 2010). Trotzdem stößt die operative Umsetzung des Telemonitoring immer noch auf Probleme. Eine große Schwierigkeit stellt die mangelnde Interoperabilität der vielen eigenständigen technischen Komponenten dar.
Zahlreiche Unternehmen haben jeweils ihre eigenen Lösungen für einzelne Komponenten einer Telemonitoring-Gesamtlösung entwickelt, ohne deren Zusammenspiel im Gesamtsystem zu beachten. Interoperabilitätsprobleme treten auch im Zusammenspiel mit den stationären und ambulanten Primärsystemen auf. Insbesondere im ambulanten ärztlichen Bereich hat sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Primärsystemen herausgebildet. Die an den Sektorengrenzen endenden IT-Lösungen und deren mangelnde Kompatibilität führen zu einer gesteigerten Unsicherheit bei Anwendern. Darüber hinaus bringt die unzureichende Interoperabilität der von unterschiedlichen Akteuren entwickelten Prozesse und technischen Komponenten ein erhöhtes Investitionsrisiko mit sich, das zu einer abwartenden Haltung von Investoren führt und eine Weiterentwicklung des Marktes behindert (Reiter et al. 2011).
Die derzeit teilweise unausgereiften Schnittstellenlösungen schränken zudem reibungslose Prozessabläufe und Datentransfers ein, z.B. in der Interaktion mit Praxis- und Krankenhausinformationssystemen. Nicht nur die Hersteller sind dabei an einer schnellen Einigung auf technische Standards und Normen interessiert, sondern auch die Ärzte sind auf einen reibungslosen Ablauf der Prozesse und Datentransfers angewiesen. Schließlich sehen auch die Kostenträger die Interoperabilität als notwendige Voraussetzung an, um den bundesweiten Einsatz sowie eine Vergleichbarkeit der Systeme zu ermöglichen. Um die erforderliche Interoperabilität voranzutreiben, bedarf es zunächst der Verständigung auf einheitliche Standards. Entsprechende Bemühungen sind bereits zu beobachten, sie gehen jedoch mit langwierigen und diffizilen Abstimmungsprozessen einher.
Der stark gesplittete Markt stellt zwar eine große Herausforderung für die Hersteller dar, gleichzeitig bietet er auch die Chance zur entscheidenden Bündelung von Marktkräften durch eine Einigung auf einige wenige international geltende Spezifikationen. Dazu muss die bürokratische Kruste der einzelnen Sektoren aufgebrochen werden. Eine Interoperabilität verschiedener Komponenten im Telemonitoring-System kann nur durch die Zusammenführung und Einigung auf allgemein akzeptierte Standards und Normen gewährleistet werden. Da verschiedene Interessengruppen an der Einführung und letztlich der aktiven Nutzung telemedizinischer Dienstleistungen beteiligt sind, ergibt sich ein heterogenes Bild der Potenziale und sektorenimmanenten Regelungen. Grundlegend ist, dass Telemonitoring die klassischen Prozesse der medizinischen Leistungserstellung verändert und somit auch in die klassischen Rollenverständnisse eingreift. Die folgenden Abschnitte beleuchten die Potenziale und Barrieren aus Sicht ausgewählter Stakeholder innerhalb des Gesundheitssystems. Die Informationstechnologie erleichtert es Patienten, sich Wissen über ihre Krankheiten und die Qualität von Behandlungen anzueignen (Dietrich 2007).
Damit steigt ihr Bedürfnis, eine tragende Rolle in ihrer Gesundheitsversorgung zu spielen. Gleichzeitig wächst das diagnostische und therapeutische Spektrum der modernen medizinischen Versorgung. Der Patient steht trotz seines Wissenszuwachses einem intransparenten und komplexen System aus Möglichkeiten, Regelungen und Akteuren gegenüber. Entscheidenden Einfluss auf die Akzeptanz von Telemonitoring-Angeboten hat der von den Patienten wahrgenommene Nutzen (Schultz 2005). Ziel der Patienten ist es, ihren Gesundheitszustand zu verbessern bzw. zu erhalten und ihr gesundheitliches Risiko so gering wie möglich zu halten. Die Überwachung von Vitalparametern und die damit einhergehende intensive, engmaschige Betreuung vermitteln den Patienten ein Sicherheitsgefühl. Da es sich beim Telemonitoring um einen ganzheitlichen Betreuungsansatz handelt, der über die reine Datenübertragung hinausgeht, wird der Patient in seiner gesundheitlichen und sozialen Gesamtsituation betrachtet.
Dabei wird eine qualitativ hochwertige Versorgung über eine räumliche Distanz sichergestellt. Dem Patienten werden zeitintensives Warten bei Ärzten oder auf Befunde und lange Wege zu Ärzten erspart. Durch die kontinuierliche Erhebung von Messdaten wird ein rechtzeitiges Erkennen von relevanten Veränderungen des Gesundheitsstatus der Patienten ermöglicht, was zu einer stark individualisierten Therapie führt, bei der Therapierisiken verringert werden können. Krankenhausaufenthalte können verkürzt oder gar verhindert werden (Schmidt 2009). Zudem erfahren die Patienten ihre Versorgung als sektorenübergreifenden Prozess. Die Komplexität des Systems wird durch den klaren Versorgungsprozess verringert und transparent gestaltet. Die Koordination des Therapieverlaufs erfolgt in Absprache mit den beteiligten Akteuren durch den Telemonitoring-Anbieter. Zusätzlich eröffnen Telemonitoring- Lösungen die Chance, Patienten eine stärkere Eigenverantwortung zu vermitteln. Sie werden aktiv in den Behandlungsprozess einbezogen und geschult, mit ihrer eigenen Krankheit umzugehen.
Somit senkt Telemonitoring auch die durch Komplexität und bürokratische Strukturen entstehenden Suchkosten der Patienten. Jedoch stellen sich der aktiven Nutzung von Telemonitoring auch Barrieren entgegen. Die Nutzung der neuen Technologie ist für technikunerfahrene oder gar technikaverse Patienten ungewohnt und wird mit Misstrauen betrachtet. Für viele Patienten hat der direkte Kontakt zu Ärzten oder zu Pflegekräften eine bedeutsame soziale Komponente. Die Fürsorge, die Zuwendung und der erfahrene Zuspruch sind bereits Bestandteil der Therapie. Der Sorge einer „Technisierung" und „Entpersonalisierung" der Versorgung kann positiv begegnet werden, da die bessere Kenntnis über die individuellen Bedarfe den primären Kontakt mit den behandelnden Ärzten aufwertet. Auf diese Weise werden die Potenziale des Telemonitoring mit den Vorzügen der persönlichen Behandlung durch den Arzt kombiniert. Ein gut geschultes Personal in den Telemonitoring-Zentren kann dazu beitragen, auch auf weitergehende Bedürfnisse der Patienten im Telefongespräch einzugehen.
Es gilt daher, die Angst vor den Unsicherheiten und vermeintlichen Risiken zu nehmen und den Patienten dabei zu helfen, ein nachhaltiges Vertrauensverhältnis zu den Telemonitoring- Anbietern aufzubauen. Zudem wird Patienten die Unsicherheit und Zurückhaltung genommen, wenn die behandelnden Ärzte Telemonitoring akzeptieren und durch ihre eigene Arbeit unterstützen. Die aktive Mitarbeit des Patienten bildet im Telemonitoring eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Intervention und für die Optimierung von Qualität und Effizienz. Damit der Patient den Umgang mit der neuen Technik erlernt und ggf. seinen Alltag entsprechend anpasst, muss der Patient im Umgang mit seiner Krankheit geschult und für eine bewusste Änderung bestimmter gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen sensibilisiert werden. Liegt der Schwerpunkt hingegen auf der kontinuierlichen Überwachung von Vitalparametern, wird der Patient aktiv in die Übermittlung der Daten eingebunden.
Während die bislang in den Pilotprojekten eingeschlossenen Patienten in der Regel eine hohe Compliance aufweisen, da sie sich freiwillig für eine Teilnahme an einem entsprechenden Programm gemeldet haben, werden längerfristig auch weitere Patientengruppen gewonnen werden müssen, damit so eine Ausweitung der telemedizinischen Anwendungen auf breitere Indikationen gelingt. Die Herausforderung liegt darin, den unterschiedlichen Ansprüchen der Patienten gerecht zu werden sowie eine geeignete und auf die jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtete Ansprache zu wählen. So müssen u.a. das Alter, der Bildungsstand sowie eventuell vorhandene Komorbiditäten berücksichtigt werden.
Die niedergelassenen Ärzte bilden die Schnittstelle zwischen den Patienten und dem Telemonitoring- Anbieter. Sie sind direkte und persönliche Ansprechpartner und haben ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten. Diese Arzt-Patienten-Beziehung bleibt mit Implementierung eines Telemonitoring bestehen, da der niedergelassene Arzt stets erster Ansprechpartner für den Patienten ist. Die Rolle des Telemedizin-Zentrums besteht in einer unterstützenden Funktion der Primärversorger, insbesondere durch eine engmaschigere Erhebung der medizinisch relevanten Daten. Bei Bedarf empfiehlt es den Besuch des behandelnden Arztes oder im Notfall auch die Einlieferung in eine Klinik. Bürokratische Informationspflichten, wie die Dokumentation der Daten und die Koordinierung des Versorgungsprozesses der Patienten werden den Ärzten abgenommen und vom Telemonitoring- Anbieter übernommen. Der Arzt kann bei Untersuchungen auf ein umfassendes Datenmaterial zurückgreifen, das den Patienten in verschiedenen Lebenslagen - auch in seinem häuslichen Umfeld - widerspiegelt. Durch die ganzheitliche Informationsbasis ermöglicht Telemonitoring eine qualitativ hochwertige Diagnose und eine individuelle Anpassung der Therapie.
Der Arzt kann sich auf das Wesentliche - den Patienten - konzentrieren. Zudem trägt das Telemonitoring durch Schulungen zu einem stärkeren Gesundheitsbewusstsein der Patienten bei. Diese sind bereit, selbst Verantwortung für sich zu übernehmen. Letztlich gewinnen insbesondere in der flächendeckenden Versorgung von ländlichen Regionen telemedizinische Konzepte angesichts des dort herrschenden Ärztemangels an Bedeutung. Auch die koordinierte Überleitung in die Krankenhäuser und wieder zurück in den Alltag wird durch Telemonitoring erleichtert. Zum einen werden durch die Überwachung der Vitalparameter unnötige Krankenhausaufenthalte verhindert. Zum anderen wird der behandelnde Arzt des Krankenhauses in den Prozess nach der Entlassung einbezogen, so dass stationäre und ambulante Versorgung miteinander verzahnt und die bürokratischen Gräben zwischen den Sektoren aufgeweicht werden.
Die Kompetenz des stationären Arztes sowie die Erfahrungen mit den Patienten im Krankenhaus geben wertvolle Impulse für den weiteren Verlauf der Therapie. Jedoch stehen niedergelassene Ärzte der Einführung eines Telemonitoring auch mit Bedenken gegenüber. Zunächst bestehen Unsicherheiten bezüglich der Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen. Durch die strenge Teilung der Budgets nach Sektoren sind die Anreize der sektorenübergreifenden Leistungserbringung gering. Ärzten müssen überzeugt werden, dass sie keinesfalls einen Patientenverlust an einen vermeintlichen Wettbewerber erleiden, sondern vielmehr in Kooperation mit mehreren Leistungserbringern - Pflege, Krankenhäuser oder Telemonitoring-Anbieter - eine effizientere Gesundheitsversorgung ihrer Patienten erreichen und sogar eine Entlastung bei den eigenen alltäglichen Praxisprozessen erfahren können. Im stationären Bereich ist ein latentes Spannungsverhältnis zu beobachten.
Die überregional unabhängig fungierenden Telemonitoring-Anbieter stehen in latenter Konkurrenz zu dem Bestreben der Krankenhäuser, selbst stärkeren Einfluss auf den ambulanten Markt auszuüben. Daher bevorzugen die Kliniken ggf. eigene Angebote bzw. Kooperationslösungen, um alle Gesundheitsdienstleistungen regional und aus einer Hand anbieten zu können. Die regionale Verankerung der Krankenhäuser könnte den Aufbau eines Netzwerkes erleichtern. Die stationäre Kompetenz der Krankenhäuser kann die ambulante Leistungserbringung bereichern. Austausch- und Vergütungsbeziehungen sind regional leichter steuer- und koordinierbar, so dass sich im Sinne der §§ 140 oder 116 SGB V Abrechnungsmöglichkeiten zwischen den Leistungserbringern eröffnen. Wichtiges Element bei der Implementierung von Telemonitoring ist der Kooperationswille der Ärzte - insbesondere die Bereitschaft zur Veränderung von Praxisalltags- und Behandlungsprozessen. Die Offenheit gegenüber Neuem (Innovationsbereitschaft) ist dabei insofern von Bedeutung, als der größte Nutzen des Telemonitoring in einer Qualitäts- und Effizienzverbesserung durch die Verbesserung des intersektoralen Versorgungsprozesses besteht.
Es bedarf daher der aktiven Mitarbeit aller Beteiligten sowie der Integration der telemedizinischen Betreuung in die Behandlungsprozesse (Schultz 2009). Die Einbindung der Ärzte in die ganzheitliche, durch Telemonitoring unterstützte Betreuung geht anfänglich mit einem hohen Implementierungsaufwand einher. Eine solche Kooperation bedeutet neben dem Erlernen des Umgangs mit neuen Technologien und Teilnahmen an Schulungen auch eine Integration entsprechender Software in die bestehende IT-Infrastruktur der Praxis und eine Umstellung von Routineprozessen. Dies stellt ambulante Leistungserbringer insbesondere in ländlichen Gebieten angesichts mangelnder Ressourcen häufig vor hohe Herausforderungen.
Es ist daher nicht nur eine intensive Aufklärungsarbeit notwendig, um die Innovationsbereitschaft der Ärzte zu stärken, sondern auch die Entwicklung möglicher Finanzierungsmodelle. Die Kommunikation der Leistungspotenziale und der Wirtschaftlichkeit von Telemonitoring muss sich dabei stark an den spezifischen Bedürfnissen der Ärzte orientieren. Wichtig sind in dem Zusammenhang auch eine angemessene Risikoverteilung der finanziellen Investition sowie die Schaffung geeigneter Abrechnungsmodalitäten der telemedizinischen Leistungen, so dass Aufwand und wirtschaftlicher Nutzen im Einklang stehen. Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte ist schließlich die Thematik der hohen Datenschutzanforderungen gerade im Praxisalltag hoch relevant. Gefordert wird dabei eine pragmatische Lösung, die den Alltag nicht durch weitere bürokratische Regelungen behindert und trotzdem die regional teilweise unterschiedlichen Anforderungen an den Datenschutz einhält. Hier gilt es, eine Vielzahl an offenen Detailfragen, die z.B. die nochmalige Validierung übermittelter Diagnosen oder die Reichweiten von Überprüfungspflichten betreffen, durch eine explizite Klärung der Datensicherheitsanforderungen zu beantworten.
Die Perspektive der Pflegekräfte ähnelt in vielen Punkten den Standpunkten der Ärzte. Durch den intensiven persönlichen Kontakt und die Fürsorge bildet sich ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Pflegekräften heraus. Häufig sind die Pflegekräfte über den psychischen und physischen Zustand der Patienten sehr gut informiert. Dieses Wissen geht jedoch aufgrund von Defiziten in der Koordination und Kommunikation zwischen den Sektoren verloren. Zwar haben Pflegekräfte umfangreiche Dokumentationspflichten, jedoch erreicht die Dokumentation den Arzt höchstens nach einer zeitlichen Verzögerung. Bürokratische Hürden, wie das Warten auf Verordnungen für die Krankenpflege, kosten Pflegekräfte viel Zeit, die nicht mehr für die Fürsorge der Patienten genutzt werden kann. Therapieänderungen im Zuge einer Entlassung aus dem Krankenhaus oder in Folge eines Arztbesuches erreichen die Pflegekräfte meist erst direkt vor Ort. Als Folge treten Effizienzprobleme auf, die sich in einer verminderten Ergebnis- und Prozessqualität niederschlagen, Versorgungsdiskontinuitäten und letztlich Behandlungsfehler nach sich ziehen (Moore et al. 2003). Telemonitoring birgt das Potenzial, den Wissenstransfer zwischen den beteiligten Leistungserbringern schnell und effektiv zu gestalten, so dass die Therapie der Patienten entsprechend angepasst werden kann. Zudem kann eine verbesserte Koordination zwischen Krankenhaus - Arzt - Pflege und sonstigen medizinischen Leistungserbringern innerhalb eines Netzwerkes unterstützt werden. Behandlungs- und Therapieprozesse werden fachübergreifend gesteuert, so dass organisatorische, ökonomische oder medizinische Probleme schnell und eindeutig identifiziert und überwunden werden können (Schlueter 2007). Unter diesen Voraussetzungen werden Pflegekräfte bereits im Vorfeld über den Zustand der Patienten gut informiert, sie erhalten einen Überblick über notwendige Hilfs- und Arzneimittel und können sich vor allem um die Pflege der Patienten kümmern. Auch im Pflegebereich müssen klare Abrechnungsbestimmungen zu einer Finanzierung des Telemonitoring beitragen. Auch hier darf die „Technisierung" der Medizin nicht den persönlichen Kontakt zum Patienten ersetzen. Auch hier bedarf es einer Umstellung der bisherigen Routineprozesse. Auch hier gelingt eine Implementierung von Telemonitoring, wenn die Pflegekräfte aktiv in den Prozess eingebunden werden. Letztlich ist es in einem ganzheitlichen Versorgungsprozess von enormer Bedeutung, das Wissen der Pflegekräfte um die Patienten zu nutzen.
Die Potenziale des Telemonitoring wurden in den vorhergehenden Abschnitten ausführlich beleuchtet. Der vielfältige Nutzen, der sich für den Patienten, für die Ärzte und die Krankenhäusern ergibt, ist auch für die Krankenkassen von großer Bedeutung. Ein ganzheitliches, sektorenübergreifendes Versorgungskonzept verringert die bürokratischen Hürden der Patientenversorgung und konzentriert die Arbeit der Ärzte auf ihre wesentliche Aufgabe: die Therapie der Patienten. Damit wird eine hohe Qualität der Versorgung sichergestellt. Zudem regt die Begleitung durch Telemonitoring die Patienten an, mehr Eigenverantwortung in ihrer Gesundheitsgestaltung zu übernehmen. Durch die Verkürzung oder gar Vermeidung von Krankenhausaufenthalten können die Ausgaben, insbesondere für die Behandlung chronisch Kranker, gesenkt werden. Letztlich trägt Telemonitoring dazu bei, den flächendeckenden Versorgungsauftrag trotz eines bestehenden oder drohenden Ärzte und Pflegekräftemangels zu gewährleisten. Jedoch ist Telemonitoring bisher nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen vorgesehen. Als wichtige Voraussetzung für die Aufnahme gilt die Durchführung evidenzbasierter Studien, die den klaren Nutzen der telemedizinischen Versorgung gegenüber der konventionellen Versorgung - also einen medizinischen Patientennutzen bei gleichzeitiger Kostenersparnis - zeigen. Bisher sind die Evidenznachweise widersprüchlich. Um den Patientenschutz umfassend zu gewährleisten, dürfen ausschließlich Leistungen in den Leistungskatalog der Kassen aufgenommen werden, deren Nutzen nachgewiesen worden ist. Zwar liegen bereits zahlreiche Studien und Erfahrungsberichte vor, diese weisen jedoch aus Sicht der Kostenträger erhebliche Schwachstellen auf. Insbesondere werden eine zu geringe Evidenzklasse sowie eine mangelnde Unabhängigkeit angeführt. Die schwierige Vergleichbarkeit vieler Studien wird ebenfalls bemängelt.
Es ist zu vermuten, dass Telemonitoring- Ansätze sehr heterogen gestaltet werden und die komplexen Effekte sich erst langfristig manifestieren. Klassische Evaluierungsansätze aus der Medizintechnik und aus dem pharmazeutischen Bereich und die damit einhergehenden Anforderungen an das Studiendesign werden dem ganzheitlichen Versorgungsmanagement-Ansatz des Telemonitoring nur bedingt gerecht.
© Kohlhammer Verlag
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Autoren-Porträt von Karolina Budych, Christine Carius-Düssel, Carsten Schultz, Thomas M. Helms, Martin Schultz, Johannes Dehm, Pell
Federführende Autoren sind Karolina Budych (Deutsche Stiftung für chronisch Kranke), Christine Carius-Düssel (Telemedizincentrum der Charité Berlin), Prof. Dr. Carsten Schultz (Lehrstuhl für Technologiemanagement, Universität zu Kiel), Dr. med. Thomas M. Helms (Deutsche Stiftung für chronisch Kranke).
Bibliographische Angaben
- Autoren: Karolina Budych , Christine Carius-Düssel , Carsten Schultz , Thomas M. Helms , Martin Schultz , Johannes Dehm , Pell
- 2013, 168 Seiten, 18 Schwarz-Weiß-Abbildungen, 18 Abbildungen, Maße: 15,6 x 23,2 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Mitarbeit von Budych, Karolina; Carius-Düssel, Christine; Schultz, Carsten; Helms, Thomas M. u. a.
- Verlag: Kohlhammer
- ISBN-10: 3170224131
- ISBN-13: 9783170224131
Rezension zu „Telemedizin “
Federführende Autoren sind Karolina Budych (Deutsche Stiftung für chronisch Kranke), Christine Carius-Düssel (Telemedizincentrum der Charité Berlin), Prof. Dr. Carsten Schultz (Lehrstuhl für Technologiemanagement, Universität zu Kiel), Dr. med. Thomas M. Helms (Deutsche Stiftung für chronisch Kranke).
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