Totgeglaubt
Roman. Deutsche Erstausgabe
Hat Clay Montgomery in jener Blutnacht eiskalt seinen Stiefvater umgebracht? Allie McCormick, Spezialistin für ungelöste Fälle, ermittelt.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Totgeglaubt “
Hat Clay Montgomery in jener Blutnacht eiskalt seinen Stiefvater umgebracht? Allie McCormick, Spezialistin für ungelöste Fälle, ermittelt.
Klappentext zu „Totgeglaubt “
Kaltblütig hat er ihn umgebracht, die Leiche irgendwo auf seiner Farm verscharrt die Einwohner von Stillwater sind überzeugt, dass an Clay Montgomerys Händen Blut klebt! - Vor neunzehn Jahren verschwand Clays Stiefvater spurlos. Seitdem lebt der attraktive Farmer völlig zurückgezogen und scheut jeden Kontakt zu den Bewohnern des idyllischen Südstaatenstädtchens. Jetzt wird Allie McCormick, Spezialistin für ungelöste Fälle, auf Clay angesetzt. Frisch geschieden ist sie aus Chicago in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, um die kalte Spur zu verfolgen. Und während sie bei Befragungen ihrem höchst sympathischen Verdächtigen näher kommt, wird auch die Spur allmählich heißer. Bis schließlich die grauenvolle Wahrheit zu Tage tritt.
Lese-Probe zu „Totgeglaubt “
Totgeglaubt von Brenda Novak 1. KAPITEL Sie hatten ihn nicht vorsätzlich getötet. Eigentlich müsste das als mildernder Umstand berücksichtigt werden. Das würde es vielleicht auch – an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Aber nicht hier; das hier war schließlich Stillwater, Mississippi. Und das Einzige, was noch kleiner war als die Stadt selbst, war das Gemüt ihrer Einwohner. Sie vergaßen nichts und verziehen nie. Neunzehn Jahre waren nun schon vergangen, seit Reverend Barker verschwunden war. Und doch war mancher hier nach wie vor versessen darauf, jemanden für den Verlust des beliebten Predigers büßen zu sehen.
Clay Montgomery hatte man von Anfang an im Visier gehabt.
Er hatte lediglich das Glück, dass die Polizei ihm ohne Leiche nichts beweisen konnte. Trotzdem hatten bestimmte Leute sich dadurch nicht abhalten lassen, ständig um seine Farm herumzuschleichen. Sie warfen lautstark Fragen auf, spielten alle mögliche Szenarien durch und fügten Puzzleteile zusammen. All das, um endlich Stillwaters größtes Geheimnis zu lüften.
"Glaubst du, dass er irgendwann wiederkommt? Dein Stiefvater, meine ich." Beth Ann Cole stopfte sich ein Kissen in den Rücken und verschränkte einen Arm hinter ihrem Kopf.
... mehr
Wunderschöne Augen blickten ihn unter dichten goldfarbenen Wimpern an, und trotzdem wurde Clay wütend. Beth Ann bedrängte ihn fast nie wegen seines vermissten Stiefvaters. Aber sie wusste schließlich auch, dass er sie dann umgehend vor die Tür setzen würde. Doch scheinbar hatte er sie in letzter Zeit zu oft zu sich herüberkommen lassen, und jetzt überschätzte sie ihre Bedeutung für ihn offensichtlich ein wenig.
Ohne zu antworten, schlug er die Decke zurück und machte Anstalten, aus dem Bett zu steigen. Sie hielt ihn mit einem Arm zurück. "Wie? Das war's? Sonst bist du doch auch nicht so egoistisch."
"Vor einer Minute hast du dich noch nicht beschwert", knurrte Clay und blickte vielsagend über seine Schulter. Sein Rücken war total zerkratzt.
Beth Ann zog einen Schmollmund. "Ich will aber mehr."
"Du willst immer mehr, von allem. Mehr als ich zu geben bereit bin." Er blickte auf die zarten weißen Finger, die seinen sehr viel dunkleren Unterarm umklammerten. Normalerweise hätte sie seinen warnenden Blick rechtzeitig erkannt und ihn aufstehen lassen. Heute Abend jedoch verfiel sie geradewegs in ihren Wie-kannst-du-mich-nur-soausnutzen-Modus. Das tat sie jedes Mal, wenn ihre Ungeduld über ihren Verstand siegte.
Und ausgerechnet heute ging Clay genau das mehr als sonst auf die Nerven. Wahrscheinlich, weil er gerade schlechte Nachrichten bekommen hatte. Allie McCormick, die Tochter des Polizeichefs und selbst ein Cop, war nach Stillwater zurückgekehrt. Sie war eine von der Sorte, die Fragen stellte.
Er verkniff sich einen Fluch und massierte sich die Schläfen, um seine aufziehenden Kopfschmerzen möglichst im Anfangsstadium zu vertreiben. Doch der pochende Schmerz nahm eher noch zu, als Beth Anns Stimme wieder an sein Ohr drang. "Werden wir jemals über eine rein körperliche Beziehung hinauskommen, Clay? Oder ist Sex das
Einzige, was du von mir willst?"
Beth Ann hatte einen atemberaubenden Körper, den sie durchaus einzusetzen wusste, um zu bekommen, was sie wollte – und jetzt wollte sie ihn, das war ihm klar. Sie versuchte oft, ihn dazu zu bewegen, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Aber er liebte sie nicht, was sie tief in ihrem Herzen wohl wusste, sich aber nicht eingestehen wollte. Clay ergriff selten die Initiative. Er machte ihr keinerlei Versprechungen. Und wenn sie tatsächlich mal zusammen ausgingen, lud er sie zwar ein, aber aus purer Höflichkeit statt aus unsterblicher Hingabe.
Clay erinnerte sich an das erste Mal, als Beth Ann vor seiner Tür gestanden hatte. Seit sie vor fast zwei Jahren nach Stillwater gezogen war, hatte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit ihm geflirtet. Und als er ihr nicht sofort zu Füßen fiel wie alle anderen männlichen Singles, betrachtete sie ihn als besondere Herausforderung, als harte Nuss, die es zu knacken galt. Eines Abends, wenige Stunden nach einer kurzen Begegnung im Supermarkt – sie arbeitete an der Theke des Backshops –, stand sie plötzlich vor seiner Tür, bekleidet mit einem Trenchcoat. Mit nichts als einem Trenchcoat.
Sie wusste, dass er sie diesmal nicht ignorieren konnte. Und das tat er auch nicht. Offenbar gefiel es ihr, ihn als Sexbesessenen zu sehen und sich selbst als großmütige Erfüllerin seiner Wünsche – auch wenn er angesichts ihrer Unersättlichkeit bald seine eigene Meinung darüber hatte, wer hier wessen Wünsche erfüllte.
"Lass meinen Arm los", sagte er.
Offenbar verunsichert von der plötzlichen Schärfe seines Tons blinzelte sie und nahm ihre Hand weg. "Und ich dachte, du würdest etwas für mich empfinden."
Mit dem Rücken zu ihr stieg er in seine Jeans. Sex entspannte ihn und half ihm, in den Schlaf zu finden. Deshalb hatte er seine Affäre mit Beth Ann noch nicht beendet. Aber jetzt gerade hatten sie zweimal miteinander geschlafen, und er fühlte sich so gerädert wie schon lange nicht mehr. Er musste immer wieder an Officer Allie McCormick denken. Seine Schwester Grace hatte ihm erzählt, dass sie in Chicago an der Aufklärung alter, ungelöster Verbrechen gearbeitet hatte. Und dass sie verdammt gut war in ihrem Job. Würde sie den Fall, der seit Jahren ganz Stillwater in Bann hielt, noch einmal aufrollen? "Clay?"
Beth Ann raubte ihm den letzten Nerv. "Wir sollten einfach aufhören, uns zu sehen", knurrte er und angelte sich ein frisches T-Shirt.
Als sie nicht antwortete, drehte er sich zu ihr um und sah, dass sie ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
"Wie kannst du nur so etwas sagen?", schrie sie. "Ich habe dir lediglich eine Frage gestellt. Eine einzige!" Sie lachte gekünstelt, um ihm zu suggerieren, dass er völlig überreagiert hatte. "Du bist plötzlich so angespannt."
"Über meinen Stiefvater rede ich nicht. Punktum!"
Sie wollte schon etwas erwidern, schien den Gedanken jedoch nach kurzem Überlegen zu verwerfen. "Okay, ich hab's verstanden. Ich war müde und habe nicht daran gedacht, wie sehr dich dieses Thema aufregt. Tut mir leid."
Hätte sie doch nur gesagt, er solle sich zum Teufel scheren und wäre gegangen!
Clay starrte finster vor sich hin. Obwohl er immer wieder versucht hatte, Beth Ann klarzumachen, dass er sich emotional nicht binden wolle, hatte sie sich in ihn verliebt. Er wusste nicht, wie es passiert war, aber es stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Höchste Zeit, einen Schnitt zu machen. Er wollte einfach nicht daran erinnert werden, dass er ein Herz hatte, und schon gar nicht wollte er es jemand anderem öffnen. "Zieh dich an, ja?", bat er.
"Clay, du willst doch nicht wirklich, dass ich jetzt gehe, oder?"
Er hatte sie eigentlich immer gleich nach Hause geschickt, damit gar nicht erst Zweifel an der Art ihrer Beziehung aufkamen. Doch die letzten Male hatte Beth Ann so getan, als sei sie schon eingeschlafen, und Clay hatte sie über Nacht bleiben lassen.
Das war ein Fehler gewesen. "Ich habe zu tun, Beth Ann."
"Um ein Uhr morgens?"
"Immer."
"Komm schon, Clay, komm zurück ins Bett. Ich massiere dich. Das schulde ich dir noch für das Kleid, das du mir geschenkt hast."
Ihr Lächeln war verführerisch, aber gleichzeitig lag so viel Verzweiflung darin, dass ihn kribbelnde Nervosität packte. Er hätte die ganze Sache schon vor einem Monat beenden sollen.
"Du schuldest mir gar nichts. Vergiss mich einfach und werde glücklich."
Sie zog die Augenbrauen hoch. "Wenn du willst, dass ich glücklich werde, dann heißt das doch, dass ich dir etwas bedeute."
Er war entschlossen, ehrlich zu sein oder zumindest die Fassade des harten Kerls zu wahren, und schüttelte den Kopf: "Niemand bedeutet mir etwas."
Jetzt liefen Tränen über ihre Wangen, und Clay fluchte innerlich. Dass er das nicht hatte kommen sehen! Vielleicht hatte er zu sehr darauf vertraut, dass Beth Ann tatsächlich so oberflächlich war, wie er sie immer eingeschätzt hatte. Egal. Sie würde über ihn hinwegkommen – spätestens, wenn der nächste Mann über die Schwelle des Supermarkts schlenderte.
"Was ist mit deinen Schwestern? Die liebst du doch wohl", wandte sie ein. "Du würdest dir für Grace oder Molly doch ein Bein abhacken lassen, selbst für Madeline."
Was er für seine Schwestern getan hatte, war zu wenig gewesen – und er hatte zu spät gehandelt. Aber das würde Beth Ann nicht verstehen. Sie wusste ja nicht, was damals in der Nacht passiert war. Niemand wusste das, außer ihm, seiner Mutter und seinen Schwestern. Selbst seine Stiefschwester Madeline, Reverend Barkers einziges leibliches Kind, hatte keine Ahnung. Sie hatte ausgerechnet an jenem Abend bei einer Freundin geschlafen.
"Das ist etwas anderes", erwiderte er.
Verletztes Schweigen. Dann sagte sie: "Du bist ein Arschloch, weißt du das?"
"Ja, ich glaube, das weiß ich besser als du."
Da er ihr keine Angriffsfläche bot, schlug sie wieder ihren weinerlichen Ton an: "Du hast mich die ganze Zeit nur benutzt, stimmt's?"
"Nicht mehr als du mich benutzt hast", entgegnete er ruhig und zog sich seine Stiefel an.
"Ich habe dich nicht benutzt. Ich will dich heiraten!"
"Du willst immer das haben, was du nicht kriegen kannst."
"Das stimmt nicht!"
"Du wusstest von Anfang an, worauf du dich einlässt. Ich habe dich gewarnt, bevor du deinen Trenchcoat ausgezogen hast."
Ihr Blick huschte ziellos durch den Raum. Sie schien es tatsächlich nicht fassen zu können, dass es vorbei war. "Aber ich dachte … ich dachte, dass du für mich vielleicht …"
"Hör auf damit", fiel er ihr ins Wort.
"Nein, Clay." Sie kletterte aus dem Bett und kam auf ihn zu. Gleich würde sie sich an ihn klammern.
Doch er wehrte sie mit einer Hand ab, bevor sie ihn erreichen konnte. Nicht einmal der Anblick ihrer vollen, wohlgeformten Brüste, ihres flachen Bauchs und der gebräunten Beine konnte ihn umstimmen. Ein Teil von ihm wollte leben und lieben wie andere Männer auch. Wollte eine Familie haben. Doch in seinem Inneren fühlte er sich
leer. Tot. Genauso tot wie der Mann, der in seinem Keller vergraben lag. "Tut mir leid", sage er.
Als sie merkte, wie wenig ihr Flehen ihn beeindruckte, kräuselten sich ihre Lippen, und ihre Augen funkelten plötzlich hart und kalt wie Smaragde.
"Du Hurensohn! Du … So kommst du mir nicht davon. So nicht. Ich … ich werde …" Ein verzweifelter Schluchzer brach aus ihr hervor, dann stolperte sie zum Nachttisch und griff nach dem Telefon.
Weil er Beth Anns schauspielerisches Talent kannte, rechnete er mit einem großen Melodrama, aufgeführt zu dem Zweck, einen ihrer vielen Verehrer dazu zu bringen, sie hier abzuholen, obwohl ihr eigener Wagen draußen vor der Tür parkte. Gleichgültig sah er ihr zu. Ihm war es egal, ob sie sein Telefon benutzte, solange sie sein Haus danach verließ. Ihr Stolz war verletzt, nicht ihr Herz. Eigentlich konnte das Ende ihrer Beziehung keine derart große Überraschung für sie sein.
Sie bediente nur drei Tasten, und schon im nächsten Augenblick kreischte sie in den Hörer: "Hilfe! Polizei! Clay Montgomery bringt mich um! Weil ich weiß, was er mit dem Rev…"
Mit drei langen Schritten durchquerte Clay den Raum, riss ihr den Hörer aus der Hand und knallte ihn auf die Gabel. "Bist du verrückt geworden?", knurrte er.
Ihr Atem ging schwer und keuchend. Ihre Augen blitzten, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut. Alle Schönheit war verpufft.
"Ich hoffe, sie stecken dich ins Gefängnis", zischte sie hasserfüllt. "Und ich hoffe, du schmorst da bis ans Ende deiner Tage!"
Sie raffte ihre auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke zusammen, eilte in den Flur und ließ einen kopfschüttelnden Clay zurück. Natürlich begriff sie nicht, dass ihr Wunsch längst Realität war: Selbst wenn er nicht leibhaftig im Gefängnis saß, so war er doch gefangen in seinen Erinnerungen. Erinnerungen an den Vorfall vor neunzehn Jahren. Und diese Erinnerungen würde er bis zum Ende seines Lebens mit sich herumtragen.
Copyright © 2007 by Brenda Novak
Übersetzung: Regina Hohmann
Ohne zu antworten, schlug er die Decke zurück und machte Anstalten, aus dem Bett zu steigen. Sie hielt ihn mit einem Arm zurück. "Wie? Das war's? Sonst bist du doch auch nicht so egoistisch."
"Vor einer Minute hast du dich noch nicht beschwert", knurrte Clay und blickte vielsagend über seine Schulter. Sein Rücken war total zerkratzt.
Beth Ann zog einen Schmollmund. "Ich will aber mehr."
"Du willst immer mehr, von allem. Mehr als ich zu geben bereit bin." Er blickte auf die zarten weißen Finger, die seinen sehr viel dunkleren Unterarm umklammerten. Normalerweise hätte sie seinen warnenden Blick rechtzeitig erkannt und ihn aufstehen lassen. Heute Abend jedoch verfiel sie geradewegs in ihren Wie-kannst-du-mich-nur-soausnutzen-Modus. Das tat sie jedes Mal, wenn ihre Ungeduld über ihren Verstand siegte.
Und ausgerechnet heute ging Clay genau das mehr als sonst auf die Nerven. Wahrscheinlich, weil er gerade schlechte Nachrichten bekommen hatte. Allie McCormick, die Tochter des Polizeichefs und selbst ein Cop, war nach Stillwater zurückgekehrt. Sie war eine von der Sorte, die Fragen stellte.
Er verkniff sich einen Fluch und massierte sich die Schläfen, um seine aufziehenden Kopfschmerzen möglichst im Anfangsstadium zu vertreiben. Doch der pochende Schmerz nahm eher noch zu, als Beth Anns Stimme wieder an sein Ohr drang. "Werden wir jemals über eine rein körperliche Beziehung hinauskommen, Clay? Oder ist Sex das
Einzige, was du von mir willst?"
Beth Ann hatte einen atemberaubenden Körper, den sie durchaus einzusetzen wusste, um zu bekommen, was sie wollte – und jetzt wollte sie ihn, das war ihm klar. Sie versuchte oft, ihn dazu zu bewegen, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Aber er liebte sie nicht, was sie tief in ihrem Herzen wohl wusste, sich aber nicht eingestehen wollte. Clay ergriff selten die Initiative. Er machte ihr keinerlei Versprechungen. Und wenn sie tatsächlich mal zusammen ausgingen, lud er sie zwar ein, aber aus purer Höflichkeit statt aus unsterblicher Hingabe.
Clay erinnerte sich an das erste Mal, als Beth Ann vor seiner Tür gestanden hatte. Seit sie vor fast zwei Jahren nach Stillwater gezogen war, hatte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit ihm geflirtet. Und als er ihr nicht sofort zu Füßen fiel wie alle anderen männlichen Singles, betrachtete sie ihn als besondere Herausforderung, als harte Nuss, die es zu knacken galt. Eines Abends, wenige Stunden nach einer kurzen Begegnung im Supermarkt – sie arbeitete an der Theke des Backshops –, stand sie plötzlich vor seiner Tür, bekleidet mit einem Trenchcoat. Mit nichts als einem Trenchcoat.
Sie wusste, dass er sie diesmal nicht ignorieren konnte. Und das tat er auch nicht. Offenbar gefiel es ihr, ihn als Sexbesessenen zu sehen und sich selbst als großmütige Erfüllerin seiner Wünsche – auch wenn er angesichts ihrer Unersättlichkeit bald seine eigene Meinung darüber hatte, wer hier wessen Wünsche erfüllte.
"Lass meinen Arm los", sagte er.
Offenbar verunsichert von der plötzlichen Schärfe seines Tons blinzelte sie und nahm ihre Hand weg. "Und ich dachte, du würdest etwas für mich empfinden."
Mit dem Rücken zu ihr stieg er in seine Jeans. Sex entspannte ihn und half ihm, in den Schlaf zu finden. Deshalb hatte er seine Affäre mit Beth Ann noch nicht beendet. Aber jetzt gerade hatten sie zweimal miteinander geschlafen, und er fühlte sich so gerädert wie schon lange nicht mehr. Er musste immer wieder an Officer Allie McCormick denken. Seine Schwester Grace hatte ihm erzählt, dass sie in Chicago an der Aufklärung alter, ungelöster Verbrechen gearbeitet hatte. Und dass sie verdammt gut war in ihrem Job. Würde sie den Fall, der seit Jahren ganz Stillwater in Bann hielt, noch einmal aufrollen? "Clay?"
Beth Ann raubte ihm den letzten Nerv. "Wir sollten einfach aufhören, uns zu sehen", knurrte er und angelte sich ein frisches T-Shirt.
Als sie nicht antwortete, drehte er sich zu ihr um und sah, dass sie ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
"Wie kannst du nur so etwas sagen?", schrie sie. "Ich habe dir lediglich eine Frage gestellt. Eine einzige!" Sie lachte gekünstelt, um ihm zu suggerieren, dass er völlig überreagiert hatte. "Du bist plötzlich so angespannt."
"Über meinen Stiefvater rede ich nicht. Punktum!"
Sie wollte schon etwas erwidern, schien den Gedanken jedoch nach kurzem Überlegen zu verwerfen. "Okay, ich hab's verstanden. Ich war müde und habe nicht daran gedacht, wie sehr dich dieses Thema aufregt. Tut mir leid."
Hätte sie doch nur gesagt, er solle sich zum Teufel scheren und wäre gegangen!
Clay starrte finster vor sich hin. Obwohl er immer wieder versucht hatte, Beth Ann klarzumachen, dass er sich emotional nicht binden wolle, hatte sie sich in ihn verliebt. Er wusste nicht, wie es passiert war, aber es stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Höchste Zeit, einen Schnitt zu machen. Er wollte einfach nicht daran erinnert werden, dass er ein Herz hatte, und schon gar nicht wollte er es jemand anderem öffnen. "Zieh dich an, ja?", bat er.
"Clay, du willst doch nicht wirklich, dass ich jetzt gehe, oder?"
Er hatte sie eigentlich immer gleich nach Hause geschickt, damit gar nicht erst Zweifel an der Art ihrer Beziehung aufkamen. Doch die letzten Male hatte Beth Ann so getan, als sei sie schon eingeschlafen, und Clay hatte sie über Nacht bleiben lassen.
Das war ein Fehler gewesen. "Ich habe zu tun, Beth Ann."
"Um ein Uhr morgens?"
"Immer."
"Komm schon, Clay, komm zurück ins Bett. Ich massiere dich. Das schulde ich dir noch für das Kleid, das du mir geschenkt hast."
Ihr Lächeln war verführerisch, aber gleichzeitig lag so viel Verzweiflung darin, dass ihn kribbelnde Nervosität packte. Er hätte die ganze Sache schon vor einem Monat beenden sollen.
"Du schuldest mir gar nichts. Vergiss mich einfach und werde glücklich."
Sie zog die Augenbrauen hoch. "Wenn du willst, dass ich glücklich werde, dann heißt das doch, dass ich dir etwas bedeute."
Er war entschlossen, ehrlich zu sein oder zumindest die Fassade des harten Kerls zu wahren, und schüttelte den Kopf: "Niemand bedeutet mir etwas."
Jetzt liefen Tränen über ihre Wangen, und Clay fluchte innerlich. Dass er das nicht hatte kommen sehen! Vielleicht hatte er zu sehr darauf vertraut, dass Beth Ann tatsächlich so oberflächlich war, wie er sie immer eingeschätzt hatte. Egal. Sie würde über ihn hinwegkommen – spätestens, wenn der nächste Mann über die Schwelle des Supermarkts schlenderte.
"Was ist mit deinen Schwestern? Die liebst du doch wohl", wandte sie ein. "Du würdest dir für Grace oder Molly doch ein Bein abhacken lassen, selbst für Madeline."
Was er für seine Schwestern getan hatte, war zu wenig gewesen – und er hatte zu spät gehandelt. Aber das würde Beth Ann nicht verstehen. Sie wusste ja nicht, was damals in der Nacht passiert war. Niemand wusste das, außer ihm, seiner Mutter und seinen Schwestern. Selbst seine Stiefschwester Madeline, Reverend Barkers einziges leibliches Kind, hatte keine Ahnung. Sie hatte ausgerechnet an jenem Abend bei einer Freundin geschlafen.
"Das ist etwas anderes", erwiderte er.
Verletztes Schweigen. Dann sagte sie: "Du bist ein Arschloch, weißt du das?"
"Ja, ich glaube, das weiß ich besser als du."
Da er ihr keine Angriffsfläche bot, schlug sie wieder ihren weinerlichen Ton an: "Du hast mich die ganze Zeit nur benutzt, stimmt's?"
"Nicht mehr als du mich benutzt hast", entgegnete er ruhig und zog sich seine Stiefel an.
"Ich habe dich nicht benutzt. Ich will dich heiraten!"
"Du willst immer das haben, was du nicht kriegen kannst."
"Das stimmt nicht!"
"Du wusstest von Anfang an, worauf du dich einlässt. Ich habe dich gewarnt, bevor du deinen Trenchcoat ausgezogen hast."
Ihr Blick huschte ziellos durch den Raum. Sie schien es tatsächlich nicht fassen zu können, dass es vorbei war. "Aber ich dachte … ich dachte, dass du für mich vielleicht …"
"Hör auf damit", fiel er ihr ins Wort.
"Nein, Clay." Sie kletterte aus dem Bett und kam auf ihn zu. Gleich würde sie sich an ihn klammern.
Doch er wehrte sie mit einer Hand ab, bevor sie ihn erreichen konnte. Nicht einmal der Anblick ihrer vollen, wohlgeformten Brüste, ihres flachen Bauchs und der gebräunten Beine konnte ihn umstimmen. Ein Teil von ihm wollte leben und lieben wie andere Männer auch. Wollte eine Familie haben. Doch in seinem Inneren fühlte er sich
leer. Tot. Genauso tot wie der Mann, der in seinem Keller vergraben lag. "Tut mir leid", sage er.
Als sie merkte, wie wenig ihr Flehen ihn beeindruckte, kräuselten sich ihre Lippen, und ihre Augen funkelten plötzlich hart und kalt wie Smaragde.
"Du Hurensohn! Du … So kommst du mir nicht davon. So nicht. Ich … ich werde …" Ein verzweifelter Schluchzer brach aus ihr hervor, dann stolperte sie zum Nachttisch und griff nach dem Telefon.
Weil er Beth Anns schauspielerisches Talent kannte, rechnete er mit einem großen Melodrama, aufgeführt zu dem Zweck, einen ihrer vielen Verehrer dazu zu bringen, sie hier abzuholen, obwohl ihr eigener Wagen draußen vor der Tür parkte. Gleichgültig sah er ihr zu. Ihm war es egal, ob sie sein Telefon benutzte, solange sie sein Haus danach verließ. Ihr Stolz war verletzt, nicht ihr Herz. Eigentlich konnte das Ende ihrer Beziehung keine derart große Überraschung für sie sein.
Sie bediente nur drei Tasten, und schon im nächsten Augenblick kreischte sie in den Hörer: "Hilfe! Polizei! Clay Montgomery bringt mich um! Weil ich weiß, was er mit dem Rev…"
Mit drei langen Schritten durchquerte Clay den Raum, riss ihr den Hörer aus der Hand und knallte ihn auf die Gabel. "Bist du verrückt geworden?", knurrte er.
Ihr Atem ging schwer und keuchend. Ihre Augen blitzten, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut. Alle Schönheit war verpufft.
"Ich hoffe, sie stecken dich ins Gefängnis", zischte sie hasserfüllt. "Und ich hoffe, du schmorst da bis ans Ende deiner Tage!"
Sie raffte ihre auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke zusammen, eilte in den Flur und ließ einen kopfschüttelnden Clay zurück. Natürlich begriff sie nicht, dass ihr Wunsch längst Realität war: Selbst wenn er nicht leibhaftig im Gefängnis saß, so war er doch gefangen in seinen Erinnerungen. Erinnerungen an den Vorfall vor neunzehn Jahren. Und diese Erinnerungen würde er bis zum Ende seines Lebens mit sich herumtragen.
Copyright © 2007 by Brenda Novak
Übersetzung: Regina Hohmann
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Autoren-Porträt von Brenda Novak
Mit ihren atemberaubenden Thrillern eroberte Brenda Novak auf Anhieb die Herzen ihrer Leserinnen. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem fünf Kindern lebt die Autorin in Sacramento, Kalifornien. Neben dem Schreiben engagiert sie sich in zahlreichen sozialen Projekten, u. a. dem Kampf gegen Diabetes, an der auch Brendas jüngster Sohn leidet.
Bibliographische Angaben
- Autor: Brenda Novak
- 2009, 460 Seiten, Maße: 12,5 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Hohmann, Regina
- Übersetzer: Regina Hohmann
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3899415876
- ISBN-13: 9783899415872
Rezension zu „Totgeglaubt “
"Eine knallharte Story, in der Brenda Novak beweist: Sie gehört zu den ganz Großen." Romantic Times BOOK Reviews; "Ein Thriller mit Szenen, die sich unauslöschbar in die Erinnerung brennen." The Romance Readers Connection
Kommentar zu "Totgeglaubt"
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