Traditionelle Handwerkskunst in Österreich
Wertvolles, Erlesenes, Besonderes
Es gibt sie noch, diese wunderbaren alten, aber auch jungen Meister in ihren kleinen, feinen Werkstätten! Jene Menschen, deren edle Handwerksprodukte den Stillstand der Zeit statt deren Fortlauf in die Moderne anzeigen. Sie halten lebendig, was an Kulturgut...
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Produktinformationen zu „Traditionelle Handwerkskunst in Österreich “
Klappentext zu „Traditionelle Handwerkskunst in Österreich “
Es gibt sie noch, diese wunderbaren alten, aber auch jungen Meister in ihren kleinen, feinen Werkstätten! Jene Menschen, deren edle Handwerksprodukte den Stillstand der Zeit statt deren Fortlauf in die Moderne anzeigen. Sie halten lebendig, was an Kulturgut der Ahnen unrettbar verloren scheint. Sie achten Traditionen und schaffen Bleibendes für viele Generationen nach ihnen. Der Hallstätter Kunsttischler und Instrumentenbauer Arnold Lobisser ist einer dieser Zunft. "Krone"-Redakteur und Buchautor Mark Perry und sein Fotograf Gregor Semrad, ein Perfektionist mit der Kamera, haben Lobisser ebenso aufgespürt wie den bekannten Lederhosenmacher Christian Raich, der die traditionellsten aller traditionellen Beinkleider des Salzkammerguts in Vollendung fertigt. Er reiht sich nahtlos in die Liste jener ein, deren Herz für das Gute, Wahre und Schöne schlägt. Dass in deren Adern sogar Benzin fließen kann, zeigt im hohen Waldviertel Toni Weissenböck - in der Szene nur "Porsche Toni" genannt -, der sich auf Blech, Chrom und stahlblitzende Motoren spezialisiert hat. In der Wachau wiederum haben Semrad & Perry die letzte Goldhaubenmacherin Karin Kristament, aber auch die Kunst des Trockensteinmauerns entdeckt. Weiter hat das Duo den allerletzten, nach der Zunft des Mittelalters schaffenden Glasätzer Werner Goll in dessen Werkstatt im Weinviertel besucht. Der noch wirkende letzte Briefmarkenstecher Professor Adolf Tuma, der Zistelmacher Sepp Wahlmüller, die Perlmuttdrechslerei Rainer Mattejka und der legendäre "Goiserer-Schuster" finden sich ebenso in diesem reich bebilderten Prachtband wieder, wie der Kaffeeröster Emmerich Beyer, der die handverlesenen Bohnen aus aller Herren Länder in die Wachau holt, um sie dann nach bestem Handwerksgewissen zu veredeln. Ein Schwert- und Harnischmacher, der unter anderem für die päpstliche Schweizer Garde die Rüstungen fertigt, ein Kerzengießer sowie ein Maultrommel-Erzeuger komplettieren die Liste der Meister. Das Buch kann und soll aber
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auch aktiv genutzt werden, verrät es doch alle Kontaktdaten und Angebote der Handwerker (wie Workshops, Restauration, Verkauf, Beratung, Museum.). Wollen Sie zum Beispiel dem Kaffeeröster Emmerich Beyer beim Rösten über die Schulter schauen? Und auch gleich ein Säckchen des teuersten Kaffees der Welt, des "Kopi Luwak", mitnehmen? Oder haben Sie Interesse, beim Sepp Wahlmüller das Zistelflechten (Wachauer Marillenkorb) per Workshop zu erlernen? Oder wollen Sie die die einmalige Gelegenheit nutzen, beim "Goiserer-Schuster" ein Paar Budapester oder Haferlschuhe fürs Leben fertigen zu lassen? Der "Porsche-Toni" wiederum bringt das "Benzinblut" zum Wallen - und entführt praxisnah in die Welt des besten Sportwagens der Welt. Möchten Sie ein antikes Möbelstück vom Fachmann restaurieren lassen? Auch dieser Weg wird Ihnen gewiesen. Die Welt des Wertvollen, Erlesenen, Besonderen wird in diesem Prachtband praxisnah erlebbar - und soll ins Gedächtnis der Menschen zurückgerufen werden. Es ist aber auch eine Aufforderung, nämlich die alten Meister zu ehren und ihre Künste zu bewahren. Solange es sie noch gibt ...
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Lese-Probe zu „Traditionelle Handwerkskunst in Österreich “
Traditionelle Handwerkskunst in Österreich von Gregor Semrad & Mark PerryVorwort
Es gibt sie noch diese wunderbaren alten, aber auch jungen Meister in ihren kleinen, feinen Werkstätten! Jene Menschen, deren edle Handwerksprodukte den Stillstand der Zeit statt deren Fortlauf in die Moderne anzeigen. Sie halten lebendig, was an Kulturgut der Ahnen unrettbar verloren scheint. Sie achten Traditionen und schaffen Bleibendes für viele Generationen nach ihnen. Der Hallstätter Kunsttischler und Instrumentenbauer Arnold Lobisser ist einer aus dieser Zunft. Es duftet unwiderstehlich nach Holz in seiner Schaffensklause mit Blick direkt auf den See. Die hohen mittelalterlichen Künste – Arnold Lobisser hat sie beim Bau seiner Geigen oder seiner Almpfeiferl noch verfeinert.
„Krone“-Redakteur und Buchautor Mark Perry (seit mehr als 30 Jahren auf Entdeckungsreise in der Welt des Kuriosen, Bodenständigen und Einzigartigen) sowie sein Fotograf Gregor Semrad, ein Perfektionist mit der Kamera, haben Meister Lobisser am Hallstätter See ebenso aufgespürt wie einen Lederhosenmacher, der die traditionellsten aller traditionellen Beinkleider des Salzkammerguts in Vollendung fertigt. Er reiht sich nahtlos in die Liste jener ein, deren Herz für das Gute, Wahre und Schöne schlägt. Dass in deren Adern sogar Benzin fließen kann, zeigt der „Porsche-Toni“ im hohen Waldviertel, der sich auf Blech, Chrom und stahl-blitzende Motoren spezialisiert hat.
In der Wachau wiederum haben Semrad und Perry die uralten Künste des Goldhaubenmachens und des Trockensteinmauerns entdeckt. Das Duo hat auch den allerletzten, nach der Zunft des Mittelalters schaffenden Glasätzer in dessen Werkstatt im Weinviertel besucht. Die noch wirkenden Zistelmacher und der legendäre „Goiserer-Schuster“ finden sich ebenso in diesem reich bebilderten Prachtband
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wieder wie ein Kaffeeröster, der handverlesene Bohnen aus aller Herren Länder in die Wachau holt, um sie dann nach bestem Handwerkswissen und -gewissen zu veredeln. Ein Harnischmacher, ein Kerzengießer im Herzen des Waldviertels sowie ein Maultrommel-Erzeuger, der seine kleinen, feinen Klangkörper in alle Welt exportiert, komplettieren nebst anderen herausragenden Vertretern ihres Faches die Liste der Meister, die im Stillen die Tradition der Ahnen wahren. Ihnen allen wohnt eines inne: die Liebe zur Zunft, zu den oft über viele Generationen vererbten Fähigkeiten und Talenten.
Wertvolles, Erlesenes, Besonderes – es soll mit diesem Buch ins Gedächtnis der Menschen zurückgerufen werden. Aber es ist auch eine Aufforderung, die alten Meister zu ehren, ihre Künste zu bewahren und sie zu besuchen. Denn die in diesem Buch porträtierten Handwerksmeister lassen in ihren oft jahrhundertealten Werkstätten, die wie Mosaiksteinchen des Einzigartigen in die heimische Zunftlandschaft eingebettet sind, tiefe Einblicke in eine Welt zu, die anderswo längst verblichen ist.
Manch einer gestattet es sogar, selbst Hand anzulegen; andere bieten ihre Produkte, jedes ein wertvolles Unikat für sich, zum Ab-Werkstatt-Verkauf an. Es handelt sich hier um wertvolle Mitbringsel aus einer Zeit, als noch nicht alles vom Fließband und aus seelenlosen Industriehallen kam; als die Zeit noch nicht „beschleunigt“ war und Muße die Vollkommenheit förderte. Begeben wir uns also gemeinsam auf diese faszinierende Reise in die Vergangenheit, die aber doch Zukunft hat.
Die alten Handwerksmeister wollen ihr Wissen an Kinder und Kindeskinder weitergeben und ihre Zunft zu neuer Blüte führen; selbst in der rot-weiß-roten Staatsdruckerei, wo der letzte Briefmarkenstecher eine Handwerksstätte gefunden hat. Und draußen in den kleinen Fertigungsstätten sowieso. Besuchen wir die Stätten des Handwerks. Solange es sie noch gibt …
Alles wie damals
Der Lederhosenmacher Christian Raich
Der gelungene Abschluss des alpenländischen Prachtstücks ist das Bürsel, ein hell gehaltener Besatz am Ende der Hosenröhren, ein bis zwei Fingerbreit über dem Knie, dazu grüne Stickerei, schwarzes Hirschleder und Knöpfe in ebendieser Farbe. All diese Accessoires machen die Altausseer Lederhosen einzigartig. Der sympathische Familienvater Christian Raich hat in seiner kleinen Werkstatt die Erzeugung dieser steirischen Urtracht perfektioniert.
Unablässig knattert die wunderbar alte Singer-Nähmaschine. Christian Raich, dieser Meister der Lederhosen, blickt von seinem lichtdurchfluteten Platz am Fenster nur selten auf. Zu konzentriert ist er auf seine Kreation und zu gewissenhaft bei der Ausführung derselben. Seine Nähmaschine – auch sie ein einzigartiges Unikat – ist fixer Bestandteil dieses kleinen Kaleidoskops aus Hornknöpfen, Leder und Zwirn. Letzteres bereitet dem Steirer etwas Sorge. „Mein Lieferant, eine gute alte britische Zwirnfabrik, die in der Nähe von St. Pölten einen Standort hatte, ist vor wenigen Jahren geschlossen worden. Noch habe ich einen, der die Restbestände der Harlander Coats hütet und diese an mich verkauft. Wenn diese ausgehen, muss ich mich halt nach etwas anderem umschauen“, schildert der Vater dreier wonniger Töchter. Die Hoffnung, anderswo doch noch auf das feine Lederhosengarn zu stoßen, mag er dennoch nicht aufgeben. Schon beugt sich Christian wieder über seine 75 Jahre alte „Singer“. Mittels Fußkurbel wird sie betrieben; bereits Christians Raichs Großvater (einst aus Admont eingewandert) bediente schon diesen Nähmaschinenklassiker.
Doch zurück zur klassischen Altausseer-Lederhose. Hirsch, Gams und Reh liefern das Rohmaterial für diese „Salzkammergut-Shorts“,die doch viel mehr sind als nur kurze Hosen. „Ein Stück Heimat ist das“, betont Christian Raich, „etwas, das uns weltweit auszeichnet und uns Ausseer einzigartig macht.“ Auch bei der Verarbeitung des Leders hat Meister Raich seine Vorlieben, denn er bevorzugt jenes der Hirschkuh. Dessen Decke sei, so Raich, am Geschmeidigsten und weise weniger natürliche Risse auf als das Gamsleder. Auch die Rohstoffbeschaffung fällt dem Ausseer leichter, werden doch für eine Lederhose höchstens zwei Hirsche benötigt. Gleich vier Gemse müssten im Vergleich für dasselbe Kleidungsstück herhalten.
Der Betrieb ist mindestens so alt wie die Lederhosen, die hier einst von den Raich’schen Ahnen knatternd produziert wurden. Begründet hatte die Lederhosenfabrikation der Großvater des jetzigen Meisters, Heribert Raich. An der Qualität, dem feinen Duft von Leder und der Schönheit der Produkte hat sich bis heute nichts geändert. „Alles wie damals“, betont denn auch die Mutter von Christian Raich. Auch sie werkt in der kleinen Werkstätte. Nur ab und an schaut sie aus dem Hinterzimmer, als wollte sie ihrem Sohn bestätigen, dass sie noch da ist und er sich auf sie verlassen kann. Die 62-jährige Wilhelmine Raich ist übrigens erste Adresse für feine Dirndl, die, so gewünscht, passend zur Beinbekleidung der männlichen Kunden für deren Begleiterinnen gefertigt werden. Da passt eins ins andere, im Raich’schen Familienbetrieb.
Nun aber zu den Details einer „echten Altausseer“: In der Kurzfassung weist sie am unteren Rand ein „Bürsel“ auf, einen ungefärbten hellen Rand. Die Grundlseer lieben diesen Rand in Schwarz; die Bad Ausseer Lederhose wiederum ist gelblich eingefasst. Man will sich ja unterscheiden am Altausseer Kirtag im Bierzelt, dem wohl traditionellsten Heimatfest der Region, das jeweils am ersten Wochenende im September Hunderte, wenn nicht Tausende ins Salzkammergut zieht.
Schon in den Wochen zuvor muss Christian Raich seine „Singer“ auf Hochtouren bringen, sprich knattern lassen, denn nicht bei allen sitzen Dirndl und Lederne so ganz perfekt. Mit einer „Raich’schen“ freilich ist der Träger auf der sicheren Seite, denn da passt jedes Detail, und zwar vom schwarzen Knopf aus Hirschhorn bis zum Knicker-Taschl. Auch bei den Ziernähten erweist sich Christian Raich als Meister seines Faches: „Ich verwende da die unterschiedlichsten Muster. Von der Eckblume bis zur Latzblume, dazu kommen Auerhahn, Hirsch, Gams. Die Ziernaht besteht aus dem sogenannten ,Schlangl, Strich und Espenlaub‘.“
Das Anmessen ist wohl die wichtigste Prozedur vor dem ersten Schritt in der Ledernen. Auch hier greift Meister Raich auf den reichen Erfahrungsschatz seiner Ahnen zurück. Wichtiger als das Maßband sind ihm allerdings seine Augen. Wie mit Röntgenblick erfasst er Statur und Persönlichkeit seiner Kunden, denen die Lederhose quasi auf dem Leib geschrieben wird. Auf die Schnelle geht bei diesem Berufsethos natürlich gar nichts bei dem 42-jährigen Lederbekleidungserzeuger, wie der offizielle Zunftname lautet. Wer also glaubt, es reicht, im Juni an die Singer-Nähmaschine heranzutreten, um dann schon beim erwähnten legendären Zeltfest – dem Altausseer Kirtag – als echter Altausseer auftreten zu können, der irrt gewaltig. Ein Jahr muss man nämlich ins Land gehen lassen. Christian Raich arbeitet ohnehin im Akkord, aber auch aus tiefer Liebe zum Handwerk an der knatternden Werkbank.
Nach dem Maßnehmen kommt es zur Auswahl des Leders, das Meister Raich fertig vom Gerber bezieht; dann folgt der Zuschnitt, eine heikle Aufgabe. Dünne Stellen im Leder werden „besetzt“ – sprich mit Futterleder verstärkt –, und bei den Knopflöchern wird das Zugehör zugeschnitten. Wo Verstärkungen notwendig sind, werden auch diese mit aufgeklebtem Futterleder besetzt. Zum Kleben wird ein Mehlpapp benutzt, den Raich aus „gebranntem“ Roggenmehl herstellt. Vor der Endfertigung kommt das Besticken, das Anbringen von Leisten an den Hosenröhren und es werden die Knöpfe sowie all die anderen Accessoires angenäht.
Der Geruch der guten alten Ledernen begleitet Christian schon von Kindheitstagen an. Auch Klein-Christian ist mit der Zeit gegangen: Aus der einstigen einfachen Buben-Lederhose ist schließlich eine prächtige schwarze „Altausseer“ geworden. Der Säckler – die leider aus der Mode gekommene alte Berufsbezeichnung – aus dem Salzkammergut erinnert sich noch allzu gern an jene Lederbekleidung, die er 1984 zur Firmung bekam. Nichts ist Wegwerfware, nichts billiges Rinderimitat, sondern alles feinste Handarbeit. Einmal erworben, hält die Lederne – bei entsprechender Pflege und Sorgfalt – das ganze Leben. Das schließt nicht aus, dass es Exemplare gibt, die von ihren ungestümen Trägern überstrapaziert werden. Das aber ist eher die Ausnahme als die Regel. Raich schmunzelnd: „Die Tracht ist so geschneidert, dass der Träger rund 40 Jahre reinpasst, auch wenn er an Leibesfülle zunimmt.“
Die doch recht kleine Stube wirkt heimelig; überquellend von solchen Lederhosen, die im Werden sind und jenen, die einfach zur Reparatur hier abgegeben wurden. An einen Aus- und Umbau denkt Christian Raich indes nicht. Wozu denn auch? Gut Ding braucht Weile, und edles Handwerk verträgt sich eben nicht mit Hast oder gar Massenproduktion.
Und so verschließt sich die Familie Raich bis zu einem gewissen Grad auch der Moderne: „Homepage und Internet hab ich keines, wozu denn auch? Ich schließe meine Geschäfte lieber per Handschlag ab, das muss denn auch reichen. Vor allem bei uns hier im Ausseerland.“ Und schon greift er wieder zum Baumwollzwirn aus der altehrwürdigen Harlander Produktion.
Freilich, dieser Christian Raich, der aus Hirschleder, Zwirn und Seide ein perfektes Gesamtkunstwerk entstehen lässt, hätte noch Potential. „I kännt scho mehr machen, aber das ist dann nix mehr.“ Es reicht auch so, denn die Vollendung eines seiner kleinen Kunstwerke nimmt dreißig bis siebzig Stunden Zeit in Anspruch. Vierzig Hosen von Hand pro Jahr gehen von der Werkstatt in Bad Aussee in die ganze Welt hinaus. Die Qualität aus Handwerkerhand hat aber auch ihren Preis. Muss ja auch so sein; es ist schließlich alles „Made in Austria“, in diesem Fall aus der Steiermark.
Noch ein Wort zur Länge der Hirschledernen: Früher wurden die kurzen kniefreien Lederhosen bei der Arbeit und zur Jagd getragen, und die Kniebundhose galt eher als Festtagshose. Doch auch das hat sich geändert, seit das Ausseerland von Wienern und anderen urbanen Gästen erobert worden ist. Die haben diese Regel ein bisserl auf den Kopf gestellt. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zwischen Einheimischen und Gästen: die Lederhosen Ersterer sind vom langen Tragen abgewetzt und bisweilen auch speckig, jene der Zugewanderten aber nagelneu und blitzsauber. Dem Christian Raich ist das reichlich egal: „Wenn nur die Freude und die Liebe zur Tracht, im Speziellen zur Lederhose, da ist.“ Zumal Leder ob seiner Strapazierfähigkeit seit Jahrhunderten den Trägern eine gute Figur macht. Vor allem, wenn sie aus dem Ausseerland und aus der Werkstatt von Christian Raich kommt …
Spiegelbilder der Seele
Der Glas- und Spiegelätzer Werner Goll
Tief lässt Werner Goll in seinem kleinen Atelier in Großnondorf in seine Handwerkseele blicken – und das allein schon von Berufs wegen. Denn der Meister führt getreulich, dem Auftrag der Ahnen gemäß, den allerletzten Glasätzerbetrieb des Landes. Mittelalterliche Kunst, die anderswo längst im Nebel ungeschriebener Geschichte verschwunden ist …
„Der letzte Glasätzerei-Betrieb in Österreich hat schon vor längerer Zeit für immer seine Pforten geschlossen. Einer aber musste doch weitermachen“, meint Werner Goll und zuckt mit den Schultern. Ganz in der Nähe von Hollabrunn liegt sein kleines, aber feines Atelier. Ein Besuch dort ist wie eine Zeitreise ins tiefe Mittelalter und noch weiter in die Geschichte zurück. Seine Werkstatt: ein Kaleidoskop des Funkelns, des Glitzerns in allen Nuancen. Mit tiefen Einblicken auch in die Seele eines einzigartigen Werkstoffs.
Der Weinviertler Meister des Glases ist tatsächlich der Allerletzte, der die herrlichen Scheiben für Jugendstilbauten und ähnliche Meisterstücke (im profanen wie sakralen Haus- und Möbelbau) zu erzeugen vermag. Und doch birgt seine Zunft ein Paradoxon: Denn seltsamerweise gilt amtlicherseits sein Handwerk nicht mehr als eigenständiger Beruf; so ist Meister Goll offiziell nur ein Hilfsarbeiter und darf niemanden in seiner einmaligen Profession ausbilden. Das verstehe, wer will!
Der sympathische Künstler ist dennoch fest entschlossen, sein umfassendes, mittlerweile exklusives Wissen weiterzugeben und damit für die Nachwelt zu bewahren. „Mein Sohn soll nach Abschluss einer Glaserlehre das alles hier übernehmen“, versichert Werner Goll, der damit einen weiteren tiefen Blick in seine Handwerkerseele zulässt. Er selbst wurde zwischen 1981 und 1991 von einem der letzten hauptberuflichen Glasätzer in die Geheimnisse der Zunft eingeweiht.
Allein schon wegen dieser Familientradition ist dem jetzigen „Herrn des Glases“ die Erhaltung seines Handwerks ein Herzensanliegen. Ein gelungenes Werkstück, ein Schliff vom Feinsten, aber auch das Lebensmotto („Nimm das Leben, wie es ist, wenn du raunzt, hilft dir erst recht kein Mensch.“) sind für Goll Antriebsfedern und Quellen der Kreativität. Da er aber als Glasätzer offiziell nicht firmieren darf, ist Werner Goll seit 1991 freischaffend tätig; wegen seines Könnens wurde er in die Ehrengilde der Berufsvereinigung bildender Künstler Österreichs aufgenommen.
An dieser Stelle möge ein Blick in den Spiegel der Vergangenheit erlaubt sein. Nun denn: Erfunden wurde das Ätzen um 1670 in Nürnberg von einem Glasschneider namens Heinrich Schwanhard. Dieser hielt seine Kunst aber so geheim, dass sein Wissen wieder verloren ging. 1725 wurde von Mathias Pauli alles wiederbelebt – um dann prompt wieder in Vergessenheit zu geraten. Erst als der berühmte deutsche Chemiker Martin Heinrich Klaproth gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Glasätzerei neu erfand, war Schluss mit der Geheimniskrämerei. Hierzulande erreichte die Zunft um 1900, zur Zeit des Jugendstils also, eine Hochblüte. Wien wurde damals zur uneinnehmbaren Hochburg der Glasätzer. Doch nach diesem Werden mehrten sich die Anzeichen des Niedergangs. Es war der Wandel der Architektur nach dem Ersten Weltkrieg, der hauptsächlich zum Niedergang dieser Handwerkskunst beitrug. „Die Freude an individueller, filigraner Schönheit des geätzten Glases in Stiegenhäusern, Foyers, Aufzügen, aber auch die Ausschmückung von Salons und Hallen wich einer nüchternen, geometrischen und eher schmucklosen Ausgestaltung“, bedauert Werner Goll. In seinen Augen spiegelt sich dabei Wehmut …
Das wenige, das die Wirrnisse der Moderne überlebt hat, ist jetzt aber in besten Händen, wird es doch von Werner Goll gehütet. Unermüdlich restauriert er einmal da, einmal dort. Und so liegt auch das Hauptaugenmerk im Alltagsbetrieb dieses wunderbar kunstfertigen Glasätzers in der Erhaltung der wertvollen Bausubstanz vergangener Zeiten.
Glaserbetriebe und der Denkmalschutz sind die Kunden in diesem Segment. Sie bringen die Bruchstücke, so es solche noch im ausreichenden Maße gibt, manchmal aber auch nur Zeichnungen oder Fotos zu Werner Goll: „Es gibt noch viele Häuser aus der Gründerzeit, in denen es immer wieder Arbeit für einen Glasätzer wie mich gibt.“
Seine Arbeit macht den feinen Unterschied aus: Im Gegensatz zum Sandstrahlen, das auf den ersten Blick zu ähnlichen Produkten führt, ist ein Unikat von Goll an Schönheit und Qualität nicht zu übertreffen. Denn sandgestrahltes Glas ist rau, verschmutzt leicht und ist aufgrund seiner Oberfläche kaum zu reinigen. Geätztes Glas sieht zwar ebenfalls rau aus, ist aber völlig glatt und mit einfachsten Mitteln zu säubern. Das ist ein wichtiger Vorteil bei gläsernen Duschwänden und Badezimmertüren.
Doch bevor sich die Seele des Meisters in den Werken spiegeln kann, ist volle Konzentration bei der Arbeit und langjährige Erfahrung nötig. Allein schon das Übertragen der Muster ist ein komplizierter Vorgang. Mittels dünnem Papier und Schusterpech werden Pausen hergestellt, dann mit einem scharfen Messer ausgeschnitten und auf das neue Glas übertragen. Nun kommen uralte traditionelle Techniken zur Anwendung. Eine Spezialität des Hauses Goll: Der Lack zum Ausmalen der Muster wird selbst hergestellt, sprich gekocht. Basis ist ein Bitumenlack, zu dem der Meister Kolophonium und Bienenwachs mischt. Die genaue Rezeptur ist ein kleines Geheimnis und ändert sich je nach Anwendungszweck. „Wir hüten die Zusammensetzung mindestens ebenso, wie das Coca Cola mit seinem Kultgetränk tut“, schmunzelt der Familienvater. Kein Wunder, wenn auch die Säure zum Mattieren des Glases dem Großnondorfer Atelier entspringt. Aus Flusssäure und Soda werden spezielle Mischungen erzeugt, die monatelang, mindestens aber 60 Tage, reifen müssen. Zum Erkennen des richtigen Grades bedarf es aber langjähriger Routine und stetiger Kontrolle; eine Sorgfalt, die eben nur Werner Goll beherrscht: „Wichtig dabei ist“, so betont Goll, „das dauernde gleichmäßige Umspülen und Wässern.“ Jene Teile, die blank bleiben sollen, werden von ihm feinsinnig mit Folie abgedeckt. Dieses mattierte Glas sieht zwar nicht so aus, ist aber dennoch „spiegelglatt“. Das Mattieren kann ein-, aber auch vielschichtig erfolgen. Mit mehrmaligem Ätzen können verschiedenste Tönungen des Glases in bis zu vier verschiedenen Abstufungen erreicht werden.
Auf diesem mattierten Glas werden nun die Muster aufgemalt, was wiederum große Kunstfertigkeit verlangt. Diese indes gehört wohl zu den weiteren Geheimnissen dieser kleinen Werkstatt im Herzen des Weinviertels. Wie überhaupt ein Glasätzer über eine vielschichtige und gebildete Persönlichkeit verfügen muss: Hier vereinigen sich der filigrane Künstler, der intuitive Chemiker und der geschickte Handwerker zu einem nahezu ausgestorbenen Berufsbild. Umso bemerkenswerter ist, dass der gelernte Buchdrucker Werner Goll Autodidakt ist. Dieser „Alchemist der Neuzeit“ hat sich die komplizierten Maltechniken selbst angeeignet, das Wissen über die chemischen Vorgänge recherchiert und vor Ort ausgetestet.
Der Künstler in Goll ist besonders in den von ihm kreierten Spiegeln gegenwärtig. Wer einmal den kleinen Schauraum, einen ehemaligen Kuhstall, auf dem Strohboden flanierend besucht hat, kann nicht anders als begeistert sein. Denn die Exponate sind viel mehr als bloße Behübschungs-Accessoires; sie sind nicht alltäglich, sondern einzigartig auf dem Globus. Es gibt weltweit außer Goll keinen Künstler, der Spiegel mit Glasätzung herstellt. Seine „Einblicke“ werden von arabischen Scheichs ebenso geliebt wie von amerikanischen, russischen oder asiatischen Kunden. Die Schönheit, ebenso wie die Einmaligkeit jedes seiner Kunstwerke, ist den Käufern wichtig und natürlich „wertvoll“.
In Österreich, aber auch über die Landesgrenzen hinaus, hat sich Goll als Künstler etabliert. So gibt es beispielsweise zum Thema Weinviertel von ihm Spiegelmontagen mit Musikinstrumenten, Bauteilen und Rebstöcken. Die Innenausstattung des SAS-Hotels in Wien und die Gestaltung der Eingangsbereiche österreichischer und internationaler Banken zählen zu den Glanzpunkten in Golls Lebenslauf. Firmen mit hohen Ansprüchen lassen sich Ganzglastüren mit ihren Logos anfertigen. Auch so mancher Yachtbesitzer erfreut sich an den gläsernen Prachtstücken aus der Großnondorfer Werkstatt. „Die evangelische Kirche in Stockerau ließ sich gleich den gesamten Altarraum mit meinen geätzten Glaskunstwerken ausgestalten“, sagt Goll stolz. In seinem Blick spiegelt sich Freude. Sein herausstechendstes Prunkstück im Gotteshaus ist ein gläserner Taufbrunnen mit einer schweren Bronzefassung.
In Golls Künstlerleben gab es auch eine besondere Herausforderung, nämlich die Arbeit an der Ernst-Fuchs-Bar in Graz. Nach Entwürfen dieses berühmten Vertreters des Phantastischen Realismus realisierte Goll zur vollsten Zufriedenheit des Meisters die umfangreichen Verspiegelungen. Bei diesem Projekt konnten im Übrigen beide Kunstgestalter voneinander profitieren.
Ein weiteres Großprojekt forderte Goll eine kleine Ewigkeit an Zeit ab. „Es galt, für den großen Festsaal im Wiener Rathaus alle Fenster zu erneuern. Für einen kleinen Betrieb wie den unseren eine gigantische Herausforderung“, erinnert sich Meister Goll. Aber auch in diesem urbanen Rahmen konnte der Letzte seiner Zunft vollends überzeugen; ein Glas- und Lebenskünstler, dessen Werke auch ein Spiegelbild seiner Seele sind …
© by Leopold Stocker Verlag,
Graz Alle Rechte vorbehalten.
Wertvolles, Erlesenes, Besonderes – es soll mit diesem Buch ins Gedächtnis der Menschen zurückgerufen werden. Aber es ist auch eine Aufforderung, die alten Meister zu ehren, ihre Künste zu bewahren und sie zu besuchen. Denn die in diesem Buch porträtierten Handwerksmeister lassen in ihren oft jahrhundertealten Werkstätten, die wie Mosaiksteinchen des Einzigartigen in die heimische Zunftlandschaft eingebettet sind, tiefe Einblicke in eine Welt zu, die anderswo längst verblichen ist.
Manch einer gestattet es sogar, selbst Hand anzulegen; andere bieten ihre Produkte, jedes ein wertvolles Unikat für sich, zum Ab-Werkstatt-Verkauf an. Es handelt sich hier um wertvolle Mitbringsel aus einer Zeit, als noch nicht alles vom Fließband und aus seelenlosen Industriehallen kam; als die Zeit noch nicht „beschleunigt“ war und Muße die Vollkommenheit förderte. Begeben wir uns also gemeinsam auf diese faszinierende Reise in die Vergangenheit, die aber doch Zukunft hat.
Die alten Handwerksmeister wollen ihr Wissen an Kinder und Kindeskinder weitergeben und ihre Zunft zu neuer Blüte führen; selbst in der rot-weiß-roten Staatsdruckerei, wo der letzte Briefmarkenstecher eine Handwerksstätte gefunden hat. Und draußen in den kleinen Fertigungsstätten sowieso. Besuchen wir die Stätten des Handwerks. Solange es sie noch gibt …
Alles wie damals
Der Lederhosenmacher Christian Raich
Der gelungene Abschluss des alpenländischen Prachtstücks ist das Bürsel, ein hell gehaltener Besatz am Ende der Hosenröhren, ein bis zwei Fingerbreit über dem Knie, dazu grüne Stickerei, schwarzes Hirschleder und Knöpfe in ebendieser Farbe. All diese Accessoires machen die Altausseer Lederhosen einzigartig. Der sympathische Familienvater Christian Raich hat in seiner kleinen Werkstatt die Erzeugung dieser steirischen Urtracht perfektioniert.
Unablässig knattert die wunderbar alte Singer-Nähmaschine. Christian Raich, dieser Meister der Lederhosen, blickt von seinem lichtdurchfluteten Platz am Fenster nur selten auf. Zu konzentriert ist er auf seine Kreation und zu gewissenhaft bei der Ausführung derselben. Seine Nähmaschine – auch sie ein einzigartiges Unikat – ist fixer Bestandteil dieses kleinen Kaleidoskops aus Hornknöpfen, Leder und Zwirn. Letzteres bereitet dem Steirer etwas Sorge. „Mein Lieferant, eine gute alte britische Zwirnfabrik, die in der Nähe von St. Pölten einen Standort hatte, ist vor wenigen Jahren geschlossen worden. Noch habe ich einen, der die Restbestände der Harlander Coats hütet und diese an mich verkauft. Wenn diese ausgehen, muss ich mich halt nach etwas anderem umschauen“, schildert der Vater dreier wonniger Töchter. Die Hoffnung, anderswo doch noch auf das feine Lederhosengarn zu stoßen, mag er dennoch nicht aufgeben. Schon beugt sich Christian wieder über seine 75 Jahre alte „Singer“. Mittels Fußkurbel wird sie betrieben; bereits Christians Raichs Großvater (einst aus Admont eingewandert) bediente schon diesen Nähmaschinenklassiker.
Doch zurück zur klassischen Altausseer-Lederhose. Hirsch, Gams und Reh liefern das Rohmaterial für diese „Salzkammergut-Shorts“,die doch viel mehr sind als nur kurze Hosen. „Ein Stück Heimat ist das“, betont Christian Raich, „etwas, das uns weltweit auszeichnet und uns Ausseer einzigartig macht.“ Auch bei der Verarbeitung des Leders hat Meister Raich seine Vorlieben, denn er bevorzugt jenes der Hirschkuh. Dessen Decke sei, so Raich, am Geschmeidigsten und weise weniger natürliche Risse auf als das Gamsleder. Auch die Rohstoffbeschaffung fällt dem Ausseer leichter, werden doch für eine Lederhose höchstens zwei Hirsche benötigt. Gleich vier Gemse müssten im Vergleich für dasselbe Kleidungsstück herhalten.
Der Betrieb ist mindestens so alt wie die Lederhosen, die hier einst von den Raich’schen Ahnen knatternd produziert wurden. Begründet hatte die Lederhosenfabrikation der Großvater des jetzigen Meisters, Heribert Raich. An der Qualität, dem feinen Duft von Leder und der Schönheit der Produkte hat sich bis heute nichts geändert. „Alles wie damals“, betont denn auch die Mutter von Christian Raich. Auch sie werkt in der kleinen Werkstätte. Nur ab und an schaut sie aus dem Hinterzimmer, als wollte sie ihrem Sohn bestätigen, dass sie noch da ist und er sich auf sie verlassen kann. Die 62-jährige Wilhelmine Raich ist übrigens erste Adresse für feine Dirndl, die, so gewünscht, passend zur Beinbekleidung der männlichen Kunden für deren Begleiterinnen gefertigt werden. Da passt eins ins andere, im Raich’schen Familienbetrieb.
Nun aber zu den Details einer „echten Altausseer“: In der Kurzfassung weist sie am unteren Rand ein „Bürsel“ auf, einen ungefärbten hellen Rand. Die Grundlseer lieben diesen Rand in Schwarz; die Bad Ausseer Lederhose wiederum ist gelblich eingefasst. Man will sich ja unterscheiden am Altausseer Kirtag im Bierzelt, dem wohl traditionellsten Heimatfest der Region, das jeweils am ersten Wochenende im September Hunderte, wenn nicht Tausende ins Salzkammergut zieht.
Schon in den Wochen zuvor muss Christian Raich seine „Singer“ auf Hochtouren bringen, sprich knattern lassen, denn nicht bei allen sitzen Dirndl und Lederne so ganz perfekt. Mit einer „Raich’schen“ freilich ist der Träger auf der sicheren Seite, denn da passt jedes Detail, und zwar vom schwarzen Knopf aus Hirschhorn bis zum Knicker-Taschl. Auch bei den Ziernähten erweist sich Christian Raich als Meister seines Faches: „Ich verwende da die unterschiedlichsten Muster. Von der Eckblume bis zur Latzblume, dazu kommen Auerhahn, Hirsch, Gams. Die Ziernaht besteht aus dem sogenannten ,Schlangl, Strich und Espenlaub‘.“
Das Anmessen ist wohl die wichtigste Prozedur vor dem ersten Schritt in der Ledernen. Auch hier greift Meister Raich auf den reichen Erfahrungsschatz seiner Ahnen zurück. Wichtiger als das Maßband sind ihm allerdings seine Augen. Wie mit Röntgenblick erfasst er Statur und Persönlichkeit seiner Kunden, denen die Lederhose quasi auf dem Leib geschrieben wird. Auf die Schnelle geht bei diesem Berufsethos natürlich gar nichts bei dem 42-jährigen Lederbekleidungserzeuger, wie der offizielle Zunftname lautet. Wer also glaubt, es reicht, im Juni an die Singer-Nähmaschine heranzutreten, um dann schon beim erwähnten legendären Zeltfest – dem Altausseer Kirtag – als echter Altausseer auftreten zu können, der irrt gewaltig. Ein Jahr muss man nämlich ins Land gehen lassen. Christian Raich arbeitet ohnehin im Akkord, aber auch aus tiefer Liebe zum Handwerk an der knatternden Werkbank.
Nach dem Maßnehmen kommt es zur Auswahl des Leders, das Meister Raich fertig vom Gerber bezieht; dann folgt der Zuschnitt, eine heikle Aufgabe. Dünne Stellen im Leder werden „besetzt“ – sprich mit Futterleder verstärkt –, und bei den Knopflöchern wird das Zugehör zugeschnitten. Wo Verstärkungen notwendig sind, werden auch diese mit aufgeklebtem Futterleder besetzt. Zum Kleben wird ein Mehlpapp benutzt, den Raich aus „gebranntem“ Roggenmehl herstellt. Vor der Endfertigung kommt das Besticken, das Anbringen von Leisten an den Hosenröhren und es werden die Knöpfe sowie all die anderen Accessoires angenäht.
Der Geruch der guten alten Ledernen begleitet Christian schon von Kindheitstagen an. Auch Klein-Christian ist mit der Zeit gegangen: Aus der einstigen einfachen Buben-Lederhose ist schließlich eine prächtige schwarze „Altausseer“ geworden. Der Säckler – die leider aus der Mode gekommene alte Berufsbezeichnung – aus dem Salzkammergut erinnert sich noch allzu gern an jene Lederbekleidung, die er 1984 zur Firmung bekam. Nichts ist Wegwerfware, nichts billiges Rinderimitat, sondern alles feinste Handarbeit. Einmal erworben, hält die Lederne – bei entsprechender Pflege und Sorgfalt – das ganze Leben. Das schließt nicht aus, dass es Exemplare gibt, die von ihren ungestümen Trägern überstrapaziert werden. Das aber ist eher die Ausnahme als die Regel. Raich schmunzelnd: „Die Tracht ist so geschneidert, dass der Träger rund 40 Jahre reinpasst, auch wenn er an Leibesfülle zunimmt.“
Die doch recht kleine Stube wirkt heimelig; überquellend von solchen Lederhosen, die im Werden sind und jenen, die einfach zur Reparatur hier abgegeben wurden. An einen Aus- und Umbau denkt Christian Raich indes nicht. Wozu denn auch? Gut Ding braucht Weile, und edles Handwerk verträgt sich eben nicht mit Hast oder gar Massenproduktion.
Und so verschließt sich die Familie Raich bis zu einem gewissen Grad auch der Moderne: „Homepage und Internet hab ich keines, wozu denn auch? Ich schließe meine Geschäfte lieber per Handschlag ab, das muss denn auch reichen. Vor allem bei uns hier im Ausseerland.“ Und schon greift er wieder zum Baumwollzwirn aus der altehrwürdigen Harlander Produktion.
Freilich, dieser Christian Raich, der aus Hirschleder, Zwirn und Seide ein perfektes Gesamtkunstwerk entstehen lässt, hätte noch Potential. „I kännt scho mehr machen, aber das ist dann nix mehr.“ Es reicht auch so, denn die Vollendung eines seiner kleinen Kunstwerke nimmt dreißig bis siebzig Stunden Zeit in Anspruch. Vierzig Hosen von Hand pro Jahr gehen von der Werkstatt in Bad Aussee in die ganze Welt hinaus. Die Qualität aus Handwerkerhand hat aber auch ihren Preis. Muss ja auch so sein; es ist schließlich alles „Made in Austria“, in diesem Fall aus der Steiermark.
Noch ein Wort zur Länge der Hirschledernen: Früher wurden die kurzen kniefreien Lederhosen bei der Arbeit und zur Jagd getragen, und die Kniebundhose galt eher als Festtagshose. Doch auch das hat sich geändert, seit das Ausseerland von Wienern und anderen urbanen Gästen erobert worden ist. Die haben diese Regel ein bisserl auf den Kopf gestellt. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zwischen Einheimischen und Gästen: die Lederhosen Ersterer sind vom langen Tragen abgewetzt und bisweilen auch speckig, jene der Zugewanderten aber nagelneu und blitzsauber. Dem Christian Raich ist das reichlich egal: „Wenn nur die Freude und die Liebe zur Tracht, im Speziellen zur Lederhose, da ist.“ Zumal Leder ob seiner Strapazierfähigkeit seit Jahrhunderten den Trägern eine gute Figur macht. Vor allem, wenn sie aus dem Ausseerland und aus der Werkstatt von Christian Raich kommt …
Spiegelbilder der Seele
Der Glas- und Spiegelätzer Werner Goll
Tief lässt Werner Goll in seinem kleinen Atelier in Großnondorf in seine Handwerkseele blicken – und das allein schon von Berufs wegen. Denn der Meister führt getreulich, dem Auftrag der Ahnen gemäß, den allerletzten Glasätzerbetrieb des Landes. Mittelalterliche Kunst, die anderswo längst im Nebel ungeschriebener Geschichte verschwunden ist …
„Der letzte Glasätzerei-Betrieb in Österreich hat schon vor längerer Zeit für immer seine Pforten geschlossen. Einer aber musste doch weitermachen“, meint Werner Goll und zuckt mit den Schultern. Ganz in der Nähe von Hollabrunn liegt sein kleines, aber feines Atelier. Ein Besuch dort ist wie eine Zeitreise ins tiefe Mittelalter und noch weiter in die Geschichte zurück. Seine Werkstatt: ein Kaleidoskop des Funkelns, des Glitzerns in allen Nuancen. Mit tiefen Einblicken auch in die Seele eines einzigartigen Werkstoffs.
Der Weinviertler Meister des Glases ist tatsächlich der Allerletzte, der die herrlichen Scheiben für Jugendstilbauten und ähnliche Meisterstücke (im profanen wie sakralen Haus- und Möbelbau) zu erzeugen vermag. Und doch birgt seine Zunft ein Paradoxon: Denn seltsamerweise gilt amtlicherseits sein Handwerk nicht mehr als eigenständiger Beruf; so ist Meister Goll offiziell nur ein Hilfsarbeiter und darf niemanden in seiner einmaligen Profession ausbilden. Das verstehe, wer will!
Der sympathische Künstler ist dennoch fest entschlossen, sein umfassendes, mittlerweile exklusives Wissen weiterzugeben und damit für die Nachwelt zu bewahren. „Mein Sohn soll nach Abschluss einer Glaserlehre das alles hier übernehmen“, versichert Werner Goll, der damit einen weiteren tiefen Blick in seine Handwerkerseele zulässt. Er selbst wurde zwischen 1981 und 1991 von einem der letzten hauptberuflichen Glasätzer in die Geheimnisse der Zunft eingeweiht.
Allein schon wegen dieser Familientradition ist dem jetzigen „Herrn des Glases“ die Erhaltung seines Handwerks ein Herzensanliegen. Ein gelungenes Werkstück, ein Schliff vom Feinsten, aber auch das Lebensmotto („Nimm das Leben, wie es ist, wenn du raunzt, hilft dir erst recht kein Mensch.“) sind für Goll Antriebsfedern und Quellen der Kreativität. Da er aber als Glasätzer offiziell nicht firmieren darf, ist Werner Goll seit 1991 freischaffend tätig; wegen seines Könnens wurde er in die Ehrengilde der Berufsvereinigung bildender Künstler Österreichs aufgenommen.
An dieser Stelle möge ein Blick in den Spiegel der Vergangenheit erlaubt sein. Nun denn: Erfunden wurde das Ätzen um 1670 in Nürnberg von einem Glasschneider namens Heinrich Schwanhard. Dieser hielt seine Kunst aber so geheim, dass sein Wissen wieder verloren ging. 1725 wurde von Mathias Pauli alles wiederbelebt – um dann prompt wieder in Vergessenheit zu geraten. Erst als der berühmte deutsche Chemiker Martin Heinrich Klaproth gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Glasätzerei neu erfand, war Schluss mit der Geheimniskrämerei. Hierzulande erreichte die Zunft um 1900, zur Zeit des Jugendstils also, eine Hochblüte. Wien wurde damals zur uneinnehmbaren Hochburg der Glasätzer. Doch nach diesem Werden mehrten sich die Anzeichen des Niedergangs. Es war der Wandel der Architektur nach dem Ersten Weltkrieg, der hauptsächlich zum Niedergang dieser Handwerkskunst beitrug. „Die Freude an individueller, filigraner Schönheit des geätzten Glases in Stiegenhäusern, Foyers, Aufzügen, aber auch die Ausschmückung von Salons und Hallen wich einer nüchternen, geometrischen und eher schmucklosen Ausgestaltung“, bedauert Werner Goll. In seinen Augen spiegelt sich dabei Wehmut …
Das wenige, das die Wirrnisse der Moderne überlebt hat, ist jetzt aber in besten Händen, wird es doch von Werner Goll gehütet. Unermüdlich restauriert er einmal da, einmal dort. Und so liegt auch das Hauptaugenmerk im Alltagsbetrieb dieses wunderbar kunstfertigen Glasätzers in der Erhaltung der wertvollen Bausubstanz vergangener Zeiten.
Glaserbetriebe und der Denkmalschutz sind die Kunden in diesem Segment. Sie bringen die Bruchstücke, so es solche noch im ausreichenden Maße gibt, manchmal aber auch nur Zeichnungen oder Fotos zu Werner Goll: „Es gibt noch viele Häuser aus der Gründerzeit, in denen es immer wieder Arbeit für einen Glasätzer wie mich gibt.“
Seine Arbeit macht den feinen Unterschied aus: Im Gegensatz zum Sandstrahlen, das auf den ersten Blick zu ähnlichen Produkten führt, ist ein Unikat von Goll an Schönheit und Qualität nicht zu übertreffen. Denn sandgestrahltes Glas ist rau, verschmutzt leicht und ist aufgrund seiner Oberfläche kaum zu reinigen. Geätztes Glas sieht zwar ebenfalls rau aus, ist aber völlig glatt und mit einfachsten Mitteln zu säubern. Das ist ein wichtiger Vorteil bei gläsernen Duschwänden und Badezimmertüren.
Doch bevor sich die Seele des Meisters in den Werken spiegeln kann, ist volle Konzentration bei der Arbeit und langjährige Erfahrung nötig. Allein schon das Übertragen der Muster ist ein komplizierter Vorgang. Mittels dünnem Papier und Schusterpech werden Pausen hergestellt, dann mit einem scharfen Messer ausgeschnitten und auf das neue Glas übertragen. Nun kommen uralte traditionelle Techniken zur Anwendung. Eine Spezialität des Hauses Goll: Der Lack zum Ausmalen der Muster wird selbst hergestellt, sprich gekocht. Basis ist ein Bitumenlack, zu dem der Meister Kolophonium und Bienenwachs mischt. Die genaue Rezeptur ist ein kleines Geheimnis und ändert sich je nach Anwendungszweck. „Wir hüten die Zusammensetzung mindestens ebenso, wie das Coca Cola mit seinem Kultgetränk tut“, schmunzelt der Familienvater. Kein Wunder, wenn auch die Säure zum Mattieren des Glases dem Großnondorfer Atelier entspringt. Aus Flusssäure und Soda werden spezielle Mischungen erzeugt, die monatelang, mindestens aber 60 Tage, reifen müssen. Zum Erkennen des richtigen Grades bedarf es aber langjähriger Routine und stetiger Kontrolle; eine Sorgfalt, die eben nur Werner Goll beherrscht: „Wichtig dabei ist“, so betont Goll, „das dauernde gleichmäßige Umspülen und Wässern.“ Jene Teile, die blank bleiben sollen, werden von ihm feinsinnig mit Folie abgedeckt. Dieses mattierte Glas sieht zwar nicht so aus, ist aber dennoch „spiegelglatt“. Das Mattieren kann ein-, aber auch vielschichtig erfolgen. Mit mehrmaligem Ätzen können verschiedenste Tönungen des Glases in bis zu vier verschiedenen Abstufungen erreicht werden.
Auf diesem mattierten Glas werden nun die Muster aufgemalt, was wiederum große Kunstfertigkeit verlangt. Diese indes gehört wohl zu den weiteren Geheimnissen dieser kleinen Werkstatt im Herzen des Weinviertels. Wie überhaupt ein Glasätzer über eine vielschichtige und gebildete Persönlichkeit verfügen muss: Hier vereinigen sich der filigrane Künstler, der intuitive Chemiker und der geschickte Handwerker zu einem nahezu ausgestorbenen Berufsbild. Umso bemerkenswerter ist, dass der gelernte Buchdrucker Werner Goll Autodidakt ist. Dieser „Alchemist der Neuzeit“ hat sich die komplizierten Maltechniken selbst angeeignet, das Wissen über die chemischen Vorgänge recherchiert und vor Ort ausgetestet.
Der Künstler in Goll ist besonders in den von ihm kreierten Spiegeln gegenwärtig. Wer einmal den kleinen Schauraum, einen ehemaligen Kuhstall, auf dem Strohboden flanierend besucht hat, kann nicht anders als begeistert sein. Denn die Exponate sind viel mehr als bloße Behübschungs-Accessoires; sie sind nicht alltäglich, sondern einzigartig auf dem Globus. Es gibt weltweit außer Goll keinen Künstler, der Spiegel mit Glasätzung herstellt. Seine „Einblicke“ werden von arabischen Scheichs ebenso geliebt wie von amerikanischen, russischen oder asiatischen Kunden. Die Schönheit, ebenso wie die Einmaligkeit jedes seiner Kunstwerke, ist den Käufern wichtig und natürlich „wertvoll“.
In Österreich, aber auch über die Landesgrenzen hinaus, hat sich Goll als Künstler etabliert. So gibt es beispielsweise zum Thema Weinviertel von ihm Spiegelmontagen mit Musikinstrumenten, Bauteilen und Rebstöcken. Die Innenausstattung des SAS-Hotels in Wien und die Gestaltung der Eingangsbereiche österreichischer und internationaler Banken zählen zu den Glanzpunkten in Golls Lebenslauf. Firmen mit hohen Ansprüchen lassen sich Ganzglastüren mit ihren Logos anfertigen. Auch so mancher Yachtbesitzer erfreut sich an den gläsernen Prachtstücken aus der Großnondorfer Werkstatt. „Die evangelische Kirche in Stockerau ließ sich gleich den gesamten Altarraum mit meinen geätzten Glaskunstwerken ausgestalten“, sagt Goll stolz. In seinem Blick spiegelt sich Freude. Sein herausstechendstes Prunkstück im Gotteshaus ist ein gläserner Taufbrunnen mit einer schweren Bronzefassung.
In Golls Künstlerleben gab es auch eine besondere Herausforderung, nämlich die Arbeit an der Ernst-Fuchs-Bar in Graz. Nach Entwürfen dieses berühmten Vertreters des Phantastischen Realismus realisierte Goll zur vollsten Zufriedenheit des Meisters die umfangreichen Verspiegelungen. Bei diesem Projekt konnten im Übrigen beide Kunstgestalter voneinander profitieren.
Ein weiteres Großprojekt forderte Goll eine kleine Ewigkeit an Zeit ab. „Es galt, für den großen Festsaal im Wiener Rathaus alle Fenster zu erneuern. Für einen kleinen Betrieb wie den unseren eine gigantische Herausforderung“, erinnert sich Meister Goll. Aber auch in diesem urbanen Rahmen konnte der Letzte seiner Zunft vollends überzeugen; ein Glas- und Lebenskünstler, dessen Werke auch ein Spiegelbild seiner Seele sind …
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Graz Alle Rechte vorbehalten.
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Bibliographische Angaben
- Autoren: Mark Perry , Gregor Semrad
- 2012, 160 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Maße: 22,7 x 22,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Stocker
- ISBN-10: 370201344X
- ISBN-13: 9783702013448
- Erscheinungsdatum: 30.03.2012
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