Und plötzlich gehörst du ihm...
Gefangen im Netz eines Loverboys - Eine wahre Geschichte. Deutsche Erstausgabe
"In den Medien herrscht oft Unverständnis für die Opfer: Man lässt sich doch nicht so einfach auf den Strich stellen, hab ich dort so oft gehört. Sie wissen nicht, was Angst und Scham aus dir machen können."
Merel van...
Merel van...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Und plötzlich gehörst du ihm... “
"In den Medien herrscht oft Unverständnis für die Opfer: Man lässt sich doch nicht so einfach auf den Strich stellen, hab ich dort so oft gehört. Sie wissen nicht, was Angst und Scham aus dir machen können."
Merel van Groningen
Mit fünfzehn verliebt sich Merel in Mike. Er ist wesentlich älter als sie, hat eine kriminelle Vergangenheit und sehr seltsame Freunde. Aber das macht Merel nichts aus. Sie will einfach nur noch weg von zuhause und bei Mike fühlt sie sich wohl.
Doch irgendwann geht das Geld aus. Und Merel sieht keine andere Chance, als das zu tun, was Mike von ihr verlangt: sich zu verkaufen. Ein schockierender und authentischer Bericht.
Merel van Groningen
Mit fünfzehn verliebt sich Merel in Mike. Er ist wesentlich älter als sie, hat eine kriminelle Vergangenheit und sehr seltsame Freunde. Aber das macht Merel nichts aus. Sie will einfach nur noch weg von zuhause und bei Mike fühlt sie sich wohl.
Doch irgendwann geht das Geld aus. Und Merel sieht keine andere Chance, als das zu tun, was Mike von ihr verlangt: sich zu verkaufen. Ein schockierender und authentischer Bericht.
Klappentext zu „Und plötzlich gehörst du ihm... “
Der erste Erfahrungsbericht zum aktuellen Thema LoverboysMerel ist fünfzehn, als sie Mike kennen lernt. Sie verliebt sich - ist doch egal, dass er so viel älter ist, eine kriminelle Vergangenheit hat und komische Freunde. Zu Hause gibt es eh nur noch Stress, und Mike fängt sie auf. Blind vor Liebe merkt Merel nicht, was Mike plant. Als das Geld mal wieder alle ist, glaubt sie sogar selbst, dass es keinen Ausweg gibt als den, dass Merel sich verkauft ...»In den Medien herrscht oft Unverständnis für die Opfer: Man lässt sich doch nicht so einfach auf den Strich stellen, hab ich dort so oft gehört. Sie wissen nicht, was Angst und Scham aus dir machen können.« Merel v. Groningen
Lese-Probe zu „Und plötzlich gehörst du ihm... “
Und plötzlich gehörst du ihm von Merel van GroningenCopyright © 2011 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Als in den Medien immer häufiger von so genannten Loverboys die Rede war, beschloss ich, meine Geschichte zu veröffentlichen. Solch eine Entscheidung trifft man nicht leichtfertig.
Wenn man sich einmal im Spinnennetz eines Loverboys verfangen hat, sieht man selbst keinen Ausweg mehr. Man glaubt, auf sich selbst gestellt zu sein, und hat entsetzliche Angst. Mit meiner Geschichte hoffe ich Mädchen zu warnen. Natürlich geht nicht jeder Loverboy auf die gleiche Weise vor. Dennoch gibt es Übereinstimmungen. Sie verhätscheln einen, sie vermitteln einem ein angenehmes Gefühl, und plötzlich beginnen sie dann, einen zu bedrohen. Sie versetzen einen in derartige Angst, dass man ihnen ausgeliefert ist.
Die Medien vermitteln mir, dass es kein Verständnis für die Opfer gibt. »Man lässt sich doch nicht auf den Strich schicken! «, hörte ich immer wieder. Die Leute sollten mal erleben, was Angst und Scham mit einem anstellen.
Dank des Einsatzes meiner Mutter und der Hilfe des Jugendrichters habe ich mich aus dem Netz befreien können. Viele Menschen haben mich gewarnt, darunter auch meine Mutter, doch das überwältigende Gefühl, das mir vermittelt wurde, war stärker und siegte über meinen Verstand.
Jetzt muss ich mit den Narben leben.
ERSTER TEIL
... mehr
Es war das erste Mal, seit ich mit Anne befreundet war, dass wir nach der Schule nicht zu den Pferden
gingen. Stattdessen wollten wir jemanden besuchen, der vier Hunde besaß. Vier wahnsinnig tolle Hunde, meinte Anne.
Wir brauchten mit dem Fahrrad ungefähr eine Viertelstunde dorthin. Anne redete an einem Stück von den Hunden, zwei ausgewachsene und zwei Welpen. Der junge Mann, dem sie gehörten, hatte nicht genug Zeit, mit ihnen rauszugehen, und sie brauchten viel Bewegung. Komisch, dachte ich, da hat jemand vier Hunde und dann keine Zeit, sie rauszulassen.
»Merel, du darfst es niemandem erzählen«, plapperte Anne weiter, »aber ich bin ein bisschen in den Typen verknallt. «
»Schön«, antwortete ich. »aber warum soll das keiner wissen? «
Plötzlich wurde sie still. Anne blickte vor sich hin und schwieg.
»Anne, erzähl mir, was los ist«, sagte ich.
Sie schaute mich ganz kurz an, so als würde sie sich schämen, dann lachte sie verlegen und schwieg wieder. »Na gut, dann erzählst du es eben nicht! «
Den Rest der Strecke legten wir schweigend zurück, versunken in unseren eigenen Gedanken. Ich war verrückt vor Neugier, aber ich wollte auch, dass sie es freiwillig erzählte.
Als wir in eine kleine Straße einbogen, sagte sie: »Hier ist es. « Sie stieg vom Fahrrad, ich stieg ebenfalls ab und blieb neben unseren Fahrrädern stehen.
»Es könnte sein, dass eine Frau oder ein kleines Kind die Tür öffnet, du darfst nicht erschrecken«, sagte Anne leise.
»Wieso eine Frau oder ein Kind? «, fragte ich überrascht.
Anne wurde rot und vermied meinen Blick.
»Anne! Jetzt stell dich nicht so an, du musst es mir sagen. « Ich hielt es nicht mehr aus, meine Neugier war inzwischen größer als meine Geduld.
»Also gut«, sagte sie, »aber du darfst es niemandem verraten, auch ihm nicht. «
»Was denn? «, fragte ich genervt. »Dass du in ihn verknallt bist? Stimmt da irgendwas nicht? Anne! Du verschweigst mir etwas, und jetzt will ich endlich wissen, was es ist! «
Wir legten unsere Fahrräder auf den Boden und setzten uns in der Nähe seines Hauses ins Gras. Nicht dass das Wetter dazu eingeladen hätte - schließlich hatten wir erst April -, aber Anne wollte mir ihr Geheimnis erzählen, von dem jungen Mann mit den vier Hunden. Sie würde mir von dem Menschen berichten, der mein Leben innerhalb eines halben Jahres zerstören sollte. Nicht nur mein eigenes Leben, sondern auch das Leben einer Mutter mit einer fünfzehnjährigen Tochter. Das Leben meiner Mutter.
Morgen kommst du direkt von der Schule nach Hause und zeigst mir dein Hausaufgabenheft!«, sagte mein Stiefvater.
»Ja, ja«, motzte ich, »ihr mit eurem ewigen Rumgezeter. Das ist albern! «
»Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Wir hatten eine Vereinbarung! «, rief er mir nach, als ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir zuknallte.
Ja, diese Vereinbarung war noch alberner als die ganzen anderen blöden Regeln, die in unserem Haus galten. Nach der Schule musste ich sofort nach Hause kommen und mein Hausaufgabenheft mit den Aufgaben für den nächsten Tag vorzeigen, das mein Tutor abzeichnete, damit meine Eltern wussten, dass ich die Aufgaben korrekt notiert hatte. Erst wenn ich meine Hausaufgaben erledigt hatte, durfte ich noch kurz zu Anne. Aber da musste ich schon Glück haben, denn um sechs Uhr musste ich schon wieder zu Hause sein. Wenn ich nicht um sechs Uhr zurück war, durfte ich nach dem Essen nicht mehr raus. Was für Regeln, schließlich war ich verdammt noch mal fünfzehn und kein Kind mehr!
»Fang schon mal mit den Hausaufgaben für morgen an«, sagte mein Stiefvater durch die verschlossene Tür. Ich wusste, dass es zwecklos war, mich dagegen aufzulehnen. Ich nahm mir vor, ab morgen einfach die Aufgaben der letzten Woche aufzuschreiben und die Unterschrift meines Tutors zu fälschen. Als wenn es irgendeinen Sinn hätte, zur Schule zu gehen. Ich würde doch sowieso sitzen bleiben. Also konnte ich meine Zeit auch mit schöneren Dingen verbringen.
Ich legte eine CD von Michael Jackson ein, ließ mich aufs Bett fallen und dachte an Anne. Morgen, gleich nachdem das Hausaufgabenheft kontrolliert worden war, würde ich endlich die Hunde und den Mann zu Gesicht bekommen, in den Anne sich verliebt hatte. Nachdem Anne mir ihr Geheimnis erzählt hatte, war nämlich keine Zeit mehr gewesen, ihn zu besuchen, weil ich ja um sechs Uhr zu Hause sein musste. Letztendlich war ich dann doch erst um Viertel nach sechs zu Hause erschienen, was zur Folge hatte, dass ich den ganzen Abend auf meinem Bett herumhängen musste. Meine Mutter sagte, es ließe ihr keine Ruhe, wenn ich später nach Hause käme. Die hatte Sorgen! Es war doch nur eine Viertelstunde gewesen.
Wenn ich so darüber nachdachte, musste ich feststellen, dass es alles andere als kuschelig bei uns zu Hause war. Als mein Stiefvater vor zwei Jahren bei uns einzog, nachdem meine Eltern sich hatten scheiden lassen, hatte er sich alle möglichen blöden Regeln ausgedacht, an die ich mich halten musste. Zum Verrücktwerden! Als meine Eltern noch zusammen waren, haben sie mir nie Schwierigkeiten gemacht. Und jetzt all diese Regeln. Tja, und von meinem Vater war zurzeit auch nichts zu erwarten. Der war viel zu sehr mit seiner neuen Frau und dem Baby beschäftigt. Kurze Zeit hatte ich noch bei ihm gewohnt, bis er eine neue Freundin fand. Plötzlich bekam ich abends Schlafmittel, damit er sicher sein konnte, dass ich sie nicht störte. Ständig meckerte er an mir herum. Jedenfalls konnte ich nicht bei ihm bleiben. Also bin ich doch zu meiner Mutter und meinem kleinen Bruder zurückgegangen, auch wenn mein Stiefvater inzwischen bei ihnen eingezogen war. Seitdem hatte ich überhaupt keinen Kontakt mehr zu meinem Vater, wahrscheinlich gefiel ihm seine neue Familie einfach besser.
Wirklich ungestört war ich nur in meinem Zimmer mit der Musik auf volle Lautstärke und bei den Pferden, zu denen ich jeden Tag nach der Schule mit Anne ging. Doch der nächste Tag sollte etwas völlig Neues bringen.
Nachdem ich Annes Geheimnis kannte, musste ich zugeben, dass ihre Verliebtheit alles andere als unkompliziert war. Der Typ war sechsundzwanzig! Elf Jahre älter als wir. Er hatte kleine Kinder, war geschieden und wohnte zusammen mit seiner Freundin Karin. Dass er Vater war, fand Anne nicht so schlimm, aber dass er mit einer Frau zusammenwohnte ... das fand sie nicht so toll.
»Karin ist Krankenpflegerin«, hatte Anne erzählt. »Wenn sie Spätdienst hat, wird er uns wohl mal einladen reinzukommen. Wenn sie zu Hause ist, gibt mir Mike meistens nur die Hunde mit. Dann bleiben wir draußen. «
Allmählich kapierte ich es. Anne, Anne, dachte ich, warum musst du dich ausgerechnet in einen Typen verlieben, der elf Jahre älter ist als du, und noch dazu in einen geschiedenen Vater? Na ja, ich werde ja sehen, was für Hunde wir morgen ausführen werden. Und, was noch wichtiger ist, wie dieser Mike aussieht. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
Nach einem kurzen Schultag lief ich zum Stellplatz für die Fahrräder. Anne wartete dort schon auf mich.
»Kommst du heute Mittag mit zu Mike? «
»Na klar, ich will mir den Typen doch mal ansehen. Kommst du noch kurz mit zu mir, ich muss meiner Mutter das Hausaufgabenheft zeigen«, fragte ich. »Du weißt doch, wie das bei uns läuft. «
»Gut«, sagte sie, »wann musst du zu Hause antanzen? «
»Um sechs essen wir, dann muss ich zuhause sein. «
»Prima«, sagte Anne lachend, »dann können wir den ganzen Nachmittag mit den Hunden im Park bleiben. Und wenn Karin arbeitet, können wir noch kurz mit Mike was trinken. «
»Okay, lass uns zu meiner Mutter fahren. Danach fahren wir zu deinem Mike«, sagte ich.
Zum Glück fiel meine Mutter auf die gefälschte Unterschrift in meinem Hausaufgabenheft herein. Da sie annehmen musste, dass ich die Aufgaben für den nächsten Tag schon erledigt hatte, waren wir diesmal früh genug bei Mike. Wir klingelten und warteten gespannt, wer uns öffnen würde, Mike oder Karin.
Die Tür ging auf, ein großer junger Mann hatte geöffnet. Ich schätzte ihn auf ungefähr zwei Meter, vielleicht etwas kleiner. Sein muskulöser, breiter Oberkörper zeichnete sich deutlich unter dem engen T-Shirt ab, das er über seinen Jeans trug. Beide Arme schmückten mehrere Tätowierungen, zu viele, um sich ein Bild davon zu machen, was dort genau stand. Er hatte ein fröhliches Gesicht, aber besonders hübsch war es nicht. Er hatte blondes Haar und einen kleinen Schnurrbart, in seinem Mundwinkel steckte eine Zigarette.
Er nahm die Zigarette zwischen die Zähne, als er mit seiner dunklen Stimme fragte: »Hallo, die Damen! Kommt ihr wegen der Hunde oder meinetwegen? «
Anne kicherte nervös, und ich wusste nicht recht, wohin ich schauen sollte. Ich spürte, wie Mike mich von oben bis unten betrachtete, als würde er mich begutachten. Was wollte er von mir? Na ja, Hauptsache, ich werde für gut befunden, dachte ich lässig, denn eigentlich fühlte ich mich ziemlich geschmeichelt.
»Wir kommen wegen der Hunde«, sagte Anne.
Mike ging ins Haus und kam mit vier Hunden an der Leine zurück.
»Oje! Bist du sicher, dass das gut geht, Anne? Nicht, dass sie mich umreißen und mich hinter sich herschleifen«, sagte ich.
»Na, da hast du aber Glück«, sagte Mike. »Karin geht gleich zur Arbeit, dann kann ich mich um deine kaputten Knie kümmern. «
Was sollte ich darauf antworten? War das ein Scherz? Ich war jedenfalls ziemlich durcheinander, als ich Anne in den Park folgte.
»Und, wie findest du ihn? «, fragte Anne als wir unterwegs waren.
»Willst du eine ehrliche Antwort? «
»Natürlich! Sollen wir uns auf eine Bank setzen? «
Ich ging hinter Anne her und ließ mich neben sie auf die Bank fallen. Die Hunde liefen frei herum und schleppten einer nach dem anderen Stöckchen an. Ich schleuderte den Stock dann so weit wie möglich weg, und der Hund rannte hinter ihm her.
»Er wirkt ein bisschen ungehobelt«, sagte ich vorsichtig. Anne verzog keine Miene und starrte vor sich auf den Boden.
»Du meinst, weil er tätowiert ist«, sagte sie.
»Nein. Ich meine seine Ausstrahlung, seine Bemerkungen. Da stimmt irgendwas nicht, Anne. Als wäre er froh, dass seine Freundin zur Arbeit muss, damit er mit den Mädchen flirten kann, die zufällig auch noch mit seinen Hunden an die frische Luft gehen. Ich weiß nicht, was es ist, aber da ist etwas. Warum ist er eigentlich geschieden, weißt du das? Und weshalb leben die Kinder beim Vater und nicht bei der Mutter? Findest du das nicht komisch? «
Anne schwieg kurz. Sie schien darüber nachzudenken, was ich gesagt hatte. Dann schaute sie mich an. »Über seine Frau machen die wildesten Geschichten die Runde. Mike gegenüber darf man gar nicht damit kommen, sonst wird er stinksauer, habe ich gemerkt. «
»Was für Geschichten? Los erzähl, du hast mich neugierig gemacht. « Ich war ziemlich aufgeregt, denn in Wirklichkeit fand ich diesen Mike ziemlich spannend, es war ein richtiges Abenteuer.
»Man kann ihr nicht trauen. Und sie geht mit jedem ins Bett«, sagte Anne plötzlich.
Das musste ich erst mal verdauen. Diese Anne, sie hatte sich nicht einfach in irgendjemanden verliebt! Dieser Typ war total anders als jeder, den ich kannte.
In den Wochen darauf gingen Anne und ich direkt nach der Schule zu Mike. Manchmal führten wir die Hunde aus, und manchmal tranken wir etwas bei ihm, nur so zum Spaß, allerdings nur, wenn Karin arbeiten musste. Ganz selten war Karin zu Hause. Dann machte sie uns die Tür auf und gab uns die Hunde mit. Sie sagte uns, wie froh sie sei, dass wir uns so um die Hunde kümmerten. Sie hatte alle Hände voll zu tun mit den drei kleinen Kindern und außerdem einem anstrengenden Job als Krankenpflegerin.
Eigentlich fand ich Karin ziemlich nett. Nur wenn sie von der Arbeit zurückkam, war sie meistens gereizt. Dann machte sie Mike an. »Hocken die Mädchen schon wieder hier rum? Habt ihr Spaß, wenn ich nicht da bin? «, schimpfte sie, so als seien wir gar nicht anwesend. Irgendwie konnte ich sie verstehen, denn Mike saß einfach nur da und alberte rum, während sich Karin sofort um die Kinder kümmerte. Mike kümmerte sich überhaupt nicht um sie.
Ich war zwar mit vielen Dingen nicht einverstanden, die Mike tat, trotzdem machte er mich ganz schön neugierig. »Wenn du es zu Hause nicht mehr aushältst, kannst du dich jederzeit an mich wenden. Ich werde dir helfen, so gut ich kann«, sagte er öfters zu mir und seine Worte berührten mich, ehrlich gesagt. Ein cooler Typ, der mich beschützte. Das hatte was.
Zu Hause wurde die Situation nicht besser, und es gab immer häufiger Krach. Oft lief ich wütend von zu Hause weg und heulte mich bei Mike aus, ohne dass Anne davon wusste. Ich hatte das Gefühl, endlich jemanden gefunden zu haben, der mich verstand und diese Vorstellung tröstete mich. Wenn Karin von der Arbeit kam, brachte Mike mich wieder nach Hause, da er der Meinung war, dass meine Mutter sich keine Sorgen machen dürfte und wissen sollte, wo ich war. Zum Abschied gab er mir jedes Mal einen Kuss auf die Wange. Danach fiel es mir leichter, den Krach mit meiner Mutter zu ertragen.
»Bist du dabei, dich in Mike zu verlieben? «, fragte mich Anne nach einiger Zeit. Ich versicherte ihr, das sei nicht der Fall. Aber Mikes Haus wurde in gewisser Weise zu meinem sicheren Hafen. Zum Glück verstand Anne das. In der Schule konnten wir es kaum abwarten, zu Mike zu kommen. Dann stellte sich wieder die Frage: War Karin zu Hause, und führten wir die Hunde aus, oder arbeitete sie, und wir würden uns mit Mike vergnügen?
Es war das erste Mal, seit ich mit Anne befreundet war, dass wir nach der Schule nicht zu den Pferden
gingen. Stattdessen wollten wir jemanden besuchen, der vier Hunde besaß. Vier wahnsinnig tolle Hunde, meinte Anne.
Wir brauchten mit dem Fahrrad ungefähr eine Viertelstunde dorthin. Anne redete an einem Stück von den Hunden, zwei ausgewachsene und zwei Welpen. Der junge Mann, dem sie gehörten, hatte nicht genug Zeit, mit ihnen rauszugehen, und sie brauchten viel Bewegung. Komisch, dachte ich, da hat jemand vier Hunde und dann keine Zeit, sie rauszulassen.
»Merel, du darfst es niemandem erzählen«, plapperte Anne weiter, »aber ich bin ein bisschen in den Typen verknallt. «
»Schön«, antwortete ich. »aber warum soll das keiner wissen? «
Plötzlich wurde sie still. Anne blickte vor sich hin und schwieg.
»Anne, erzähl mir, was los ist«, sagte ich.
Sie schaute mich ganz kurz an, so als würde sie sich schämen, dann lachte sie verlegen und schwieg wieder. »Na gut, dann erzählst du es eben nicht! «
Den Rest der Strecke legten wir schweigend zurück, versunken in unseren eigenen Gedanken. Ich war verrückt vor Neugier, aber ich wollte auch, dass sie es freiwillig erzählte.
Als wir in eine kleine Straße einbogen, sagte sie: »Hier ist es. « Sie stieg vom Fahrrad, ich stieg ebenfalls ab und blieb neben unseren Fahrrädern stehen.
»Es könnte sein, dass eine Frau oder ein kleines Kind die Tür öffnet, du darfst nicht erschrecken«, sagte Anne leise.
»Wieso eine Frau oder ein Kind? «, fragte ich überrascht.
Anne wurde rot und vermied meinen Blick.
»Anne! Jetzt stell dich nicht so an, du musst es mir sagen. « Ich hielt es nicht mehr aus, meine Neugier war inzwischen größer als meine Geduld.
»Also gut«, sagte sie, »aber du darfst es niemandem verraten, auch ihm nicht. «
»Was denn? «, fragte ich genervt. »Dass du in ihn verknallt bist? Stimmt da irgendwas nicht? Anne! Du verschweigst mir etwas, und jetzt will ich endlich wissen, was es ist! «
Wir legten unsere Fahrräder auf den Boden und setzten uns in der Nähe seines Hauses ins Gras. Nicht dass das Wetter dazu eingeladen hätte - schließlich hatten wir erst April -, aber Anne wollte mir ihr Geheimnis erzählen, von dem jungen Mann mit den vier Hunden. Sie würde mir von dem Menschen berichten, der mein Leben innerhalb eines halben Jahres zerstören sollte. Nicht nur mein eigenes Leben, sondern auch das Leben einer Mutter mit einer fünfzehnjährigen Tochter. Das Leben meiner Mutter.
Morgen kommst du direkt von der Schule nach Hause und zeigst mir dein Hausaufgabenheft!«, sagte mein Stiefvater.
»Ja, ja«, motzte ich, »ihr mit eurem ewigen Rumgezeter. Das ist albern! «
»Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Wir hatten eine Vereinbarung! «, rief er mir nach, als ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir zuknallte.
Ja, diese Vereinbarung war noch alberner als die ganzen anderen blöden Regeln, die in unserem Haus galten. Nach der Schule musste ich sofort nach Hause kommen und mein Hausaufgabenheft mit den Aufgaben für den nächsten Tag vorzeigen, das mein Tutor abzeichnete, damit meine Eltern wussten, dass ich die Aufgaben korrekt notiert hatte. Erst wenn ich meine Hausaufgaben erledigt hatte, durfte ich noch kurz zu Anne. Aber da musste ich schon Glück haben, denn um sechs Uhr musste ich schon wieder zu Hause sein. Wenn ich nicht um sechs Uhr zurück war, durfte ich nach dem Essen nicht mehr raus. Was für Regeln, schließlich war ich verdammt noch mal fünfzehn und kein Kind mehr!
»Fang schon mal mit den Hausaufgaben für morgen an«, sagte mein Stiefvater durch die verschlossene Tür. Ich wusste, dass es zwecklos war, mich dagegen aufzulehnen. Ich nahm mir vor, ab morgen einfach die Aufgaben der letzten Woche aufzuschreiben und die Unterschrift meines Tutors zu fälschen. Als wenn es irgendeinen Sinn hätte, zur Schule zu gehen. Ich würde doch sowieso sitzen bleiben. Also konnte ich meine Zeit auch mit schöneren Dingen verbringen.
Ich legte eine CD von Michael Jackson ein, ließ mich aufs Bett fallen und dachte an Anne. Morgen, gleich nachdem das Hausaufgabenheft kontrolliert worden war, würde ich endlich die Hunde und den Mann zu Gesicht bekommen, in den Anne sich verliebt hatte. Nachdem Anne mir ihr Geheimnis erzählt hatte, war nämlich keine Zeit mehr gewesen, ihn zu besuchen, weil ich ja um sechs Uhr zu Hause sein musste. Letztendlich war ich dann doch erst um Viertel nach sechs zu Hause erschienen, was zur Folge hatte, dass ich den ganzen Abend auf meinem Bett herumhängen musste. Meine Mutter sagte, es ließe ihr keine Ruhe, wenn ich später nach Hause käme. Die hatte Sorgen! Es war doch nur eine Viertelstunde gewesen.
Wenn ich so darüber nachdachte, musste ich feststellen, dass es alles andere als kuschelig bei uns zu Hause war. Als mein Stiefvater vor zwei Jahren bei uns einzog, nachdem meine Eltern sich hatten scheiden lassen, hatte er sich alle möglichen blöden Regeln ausgedacht, an die ich mich halten musste. Zum Verrücktwerden! Als meine Eltern noch zusammen waren, haben sie mir nie Schwierigkeiten gemacht. Und jetzt all diese Regeln. Tja, und von meinem Vater war zurzeit auch nichts zu erwarten. Der war viel zu sehr mit seiner neuen Frau und dem Baby beschäftigt. Kurze Zeit hatte ich noch bei ihm gewohnt, bis er eine neue Freundin fand. Plötzlich bekam ich abends Schlafmittel, damit er sicher sein konnte, dass ich sie nicht störte. Ständig meckerte er an mir herum. Jedenfalls konnte ich nicht bei ihm bleiben. Also bin ich doch zu meiner Mutter und meinem kleinen Bruder zurückgegangen, auch wenn mein Stiefvater inzwischen bei ihnen eingezogen war. Seitdem hatte ich überhaupt keinen Kontakt mehr zu meinem Vater, wahrscheinlich gefiel ihm seine neue Familie einfach besser.
Wirklich ungestört war ich nur in meinem Zimmer mit der Musik auf volle Lautstärke und bei den Pferden, zu denen ich jeden Tag nach der Schule mit Anne ging. Doch der nächste Tag sollte etwas völlig Neues bringen.
Nachdem ich Annes Geheimnis kannte, musste ich zugeben, dass ihre Verliebtheit alles andere als unkompliziert war. Der Typ war sechsundzwanzig! Elf Jahre älter als wir. Er hatte kleine Kinder, war geschieden und wohnte zusammen mit seiner Freundin Karin. Dass er Vater war, fand Anne nicht so schlimm, aber dass er mit einer Frau zusammenwohnte ... das fand sie nicht so toll.
»Karin ist Krankenpflegerin«, hatte Anne erzählt. »Wenn sie Spätdienst hat, wird er uns wohl mal einladen reinzukommen. Wenn sie zu Hause ist, gibt mir Mike meistens nur die Hunde mit. Dann bleiben wir draußen. «
Allmählich kapierte ich es. Anne, Anne, dachte ich, warum musst du dich ausgerechnet in einen Typen verlieben, der elf Jahre älter ist als du, und noch dazu in einen geschiedenen Vater? Na ja, ich werde ja sehen, was für Hunde wir morgen ausführen werden. Und, was noch wichtiger ist, wie dieser Mike aussieht. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
Nach einem kurzen Schultag lief ich zum Stellplatz für die Fahrräder. Anne wartete dort schon auf mich.
»Kommst du heute Mittag mit zu Mike? «
»Na klar, ich will mir den Typen doch mal ansehen. Kommst du noch kurz mit zu mir, ich muss meiner Mutter das Hausaufgabenheft zeigen«, fragte ich. »Du weißt doch, wie das bei uns läuft. «
»Gut«, sagte sie, »wann musst du zu Hause antanzen? «
»Um sechs essen wir, dann muss ich zuhause sein. «
»Prima«, sagte Anne lachend, »dann können wir den ganzen Nachmittag mit den Hunden im Park bleiben. Und wenn Karin arbeitet, können wir noch kurz mit Mike was trinken. «
»Okay, lass uns zu meiner Mutter fahren. Danach fahren wir zu deinem Mike«, sagte ich.
Zum Glück fiel meine Mutter auf die gefälschte Unterschrift in meinem Hausaufgabenheft herein. Da sie annehmen musste, dass ich die Aufgaben für den nächsten Tag schon erledigt hatte, waren wir diesmal früh genug bei Mike. Wir klingelten und warteten gespannt, wer uns öffnen würde, Mike oder Karin.
Die Tür ging auf, ein großer junger Mann hatte geöffnet. Ich schätzte ihn auf ungefähr zwei Meter, vielleicht etwas kleiner. Sein muskulöser, breiter Oberkörper zeichnete sich deutlich unter dem engen T-Shirt ab, das er über seinen Jeans trug. Beide Arme schmückten mehrere Tätowierungen, zu viele, um sich ein Bild davon zu machen, was dort genau stand. Er hatte ein fröhliches Gesicht, aber besonders hübsch war es nicht. Er hatte blondes Haar und einen kleinen Schnurrbart, in seinem Mundwinkel steckte eine Zigarette.
Er nahm die Zigarette zwischen die Zähne, als er mit seiner dunklen Stimme fragte: »Hallo, die Damen! Kommt ihr wegen der Hunde oder meinetwegen? «
Anne kicherte nervös, und ich wusste nicht recht, wohin ich schauen sollte. Ich spürte, wie Mike mich von oben bis unten betrachtete, als würde er mich begutachten. Was wollte er von mir? Na ja, Hauptsache, ich werde für gut befunden, dachte ich lässig, denn eigentlich fühlte ich mich ziemlich geschmeichelt.
»Wir kommen wegen der Hunde«, sagte Anne.
Mike ging ins Haus und kam mit vier Hunden an der Leine zurück.
»Oje! Bist du sicher, dass das gut geht, Anne? Nicht, dass sie mich umreißen und mich hinter sich herschleifen«, sagte ich.
»Na, da hast du aber Glück«, sagte Mike. »Karin geht gleich zur Arbeit, dann kann ich mich um deine kaputten Knie kümmern. «
Was sollte ich darauf antworten? War das ein Scherz? Ich war jedenfalls ziemlich durcheinander, als ich Anne in den Park folgte.
»Und, wie findest du ihn? «, fragte Anne als wir unterwegs waren.
»Willst du eine ehrliche Antwort? «
»Natürlich! Sollen wir uns auf eine Bank setzen? «
Ich ging hinter Anne her und ließ mich neben sie auf die Bank fallen. Die Hunde liefen frei herum und schleppten einer nach dem anderen Stöckchen an. Ich schleuderte den Stock dann so weit wie möglich weg, und der Hund rannte hinter ihm her.
»Er wirkt ein bisschen ungehobelt«, sagte ich vorsichtig. Anne verzog keine Miene und starrte vor sich auf den Boden.
»Du meinst, weil er tätowiert ist«, sagte sie.
»Nein. Ich meine seine Ausstrahlung, seine Bemerkungen. Da stimmt irgendwas nicht, Anne. Als wäre er froh, dass seine Freundin zur Arbeit muss, damit er mit den Mädchen flirten kann, die zufällig auch noch mit seinen Hunden an die frische Luft gehen. Ich weiß nicht, was es ist, aber da ist etwas. Warum ist er eigentlich geschieden, weißt du das? Und weshalb leben die Kinder beim Vater und nicht bei der Mutter? Findest du das nicht komisch? «
Anne schwieg kurz. Sie schien darüber nachzudenken, was ich gesagt hatte. Dann schaute sie mich an. »Über seine Frau machen die wildesten Geschichten die Runde. Mike gegenüber darf man gar nicht damit kommen, sonst wird er stinksauer, habe ich gemerkt. «
»Was für Geschichten? Los erzähl, du hast mich neugierig gemacht. « Ich war ziemlich aufgeregt, denn in Wirklichkeit fand ich diesen Mike ziemlich spannend, es war ein richtiges Abenteuer.
»Man kann ihr nicht trauen. Und sie geht mit jedem ins Bett«, sagte Anne plötzlich.
Das musste ich erst mal verdauen. Diese Anne, sie hatte sich nicht einfach in irgendjemanden verliebt! Dieser Typ war total anders als jeder, den ich kannte.
In den Wochen darauf gingen Anne und ich direkt nach der Schule zu Mike. Manchmal führten wir die Hunde aus, und manchmal tranken wir etwas bei ihm, nur so zum Spaß, allerdings nur, wenn Karin arbeiten musste. Ganz selten war Karin zu Hause. Dann machte sie uns die Tür auf und gab uns die Hunde mit. Sie sagte uns, wie froh sie sei, dass wir uns so um die Hunde kümmerten. Sie hatte alle Hände voll zu tun mit den drei kleinen Kindern und außerdem einem anstrengenden Job als Krankenpflegerin.
Eigentlich fand ich Karin ziemlich nett. Nur wenn sie von der Arbeit zurückkam, war sie meistens gereizt. Dann machte sie Mike an. »Hocken die Mädchen schon wieder hier rum? Habt ihr Spaß, wenn ich nicht da bin? «, schimpfte sie, so als seien wir gar nicht anwesend. Irgendwie konnte ich sie verstehen, denn Mike saß einfach nur da und alberte rum, während sich Karin sofort um die Kinder kümmerte. Mike kümmerte sich überhaupt nicht um sie.
Ich war zwar mit vielen Dingen nicht einverstanden, die Mike tat, trotzdem machte er mich ganz schön neugierig. »Wenn du es zu Hause nicht mehr aushältst, kannst du dich jederzeit an mich wenden. Ich werde dir helfen, so gut ich kann«, sagte er öfters zu mir und seine Worte berührten mich, ehrlich gesagt. Ein cooler Typ, der mich beschützte. Das hatte was.
Zu Hause wurde die Situation nicht besser, und es gab immer häufiger Krach. Oft lief ich wütend von zu Hause weg und heulte mich bei Mike aus, ohne dass Anne davon wusste. Ich hatte das Gefühl, endlich jemanden gefunden zu haben, der mich verstand und diese Vorstellung tröstete mich. Wenn Karin von der Arbeit kam, brachte Mike mich wieder nach Hause, da er der Meinung war, dass meine Mutter sich keine Sorgen machen dürfte und wissen sollte, wo ich war. Zum Abschied gab er mir jedes Mal einen Kuss auf die Wange. Danach fiel es mir leichter, den Krach mit meiner Mutter zu ertragen.
»Bist du dabei, dich in Mike zu verlieben? «, fragte mich Anne nach einiger Zeit. Ich versicherte ihr, das sei nicht der Fall. Aber Mikes Haus wurde in gewisser Weise zu meinem sicheren Hafen. Zum Glück verstand Anne das. In der Schule konnten wir es kaum abwarten, zu Mike zu kommen. Dann stellte sich wieder die Frage: War Karin zu Hause, und führten wir die Hunde aus, oder arbeitete sie, und wir würden uns mit Mike vergnügen?
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Bibliographische Angaben
- Autor: Merel van Groningen
- 2011, 7. Aufl., 251 Seiten, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Axel Plantiko
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404600061
- ISBN-13: 9783404600069
- Erscheinungsdatum: 15.02.2011
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