Vampir sein ist alles / Garnet Lacey Bd.3
Für Garnet Lacey scheinen endlich bessere Zeiten angebrochen zu sein. Die Hexenjäger des Vatikans sind ihr nicht mehr auf den Fersen, das FBI hat seine Akte über sie geschlossen, und sie hat den Grundstein für einen neuen Hexenzirkel gelegt. Außerdem hat...
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Produktinformationen zu „Vampir sein ist alles / Garnet Lacey Bd.3 “
Klappentext zu „Vampir sein ist alles / Garnet Lacey Bd.3 “
Für Garnet Lacey scheinen endlich bessere Zeiten angebrochen zu sein. Die Hexenjäger des Vatikans sind ihr nicht mehr auf den Fersen, das FBI hat seine Akte über sie geschlossen, und sie hat den Grundstein für einen neuen Hexenzirkel gelegt. Außerdem hat der gut aussehende Vampir Sebastian ihr einen Heiratsantrag gemacht. Doch dann verschwindet ihr Verlobter spurlos, und Garnet macht sich große Sorgen. Ist er entführt worden? Oder womöglich mit der blonden Hexe aus dem Zirkel durchgebrannt? Garnet muss ihren zukünftigen Stiefsohn um Hilfe bitten, mit dem sie auf Kriegsfuß steht, seit dieser sie an die Vatikanagenten verraten hat ...
Lese-Probe zu „Vampir sein ist alles / Garnet Lacey Bd.3 “
Vampir sein ist alles von Tate HallawayLeseprobe
Schlüsselwörter:
Das männliche Prinzip, Ehemann und Männer im Allgemeinen
... mehr
Konnte ich mir wirklich vorstellen, einen Vampir zu heiraten?
Der Diamantring an meinem Finger funkelte in der Morgensonne. Ich drohte mehr als einmal mit dem Rad im Straßengraben zu landen, weil mein Blick immer wieder auf den goldenen Reif fiel. Ich und heiraten?
Das Problem war nicht, dass ich Sebastian nicht liebte. Es war mir leichtgefallen, Ja zu sagen, und ich hatte es ehrlich gemeint. Aber Sebastian war nun einmal ein Vampir, und, na ja, weder sein Leben noch das meine war besonders ehefreundlich. Ich pflegte gelegentlich mitten in der Nacht aufzustehen und abzuhauen, was jedoch in der Regel damit zu tun hatte, dass ich von vatikanischen Mördern, vom FBI oder einer Voodoo-Priesterin verfolgt wurde oder die Göttin, die in meinem Bauch Unterschlupf gefunden hatte, mal wieder jemanden zur Strecke bringen wollte.
Aber seit ein paar Monaten war alles ganz ruhig und friedlich. Ich hatte sogar Verhandlungen mit dem Besitzer des okkultistischen Buchladens Mercury Crossing aufgenommen, dessen Geschäftsführerin ich bin, weil ich den Laden mithilfe meiner Notgroschen und eines Kredits aufkaufen wollte. Das hatte Sebastian vermutlich auf die Idee gebracht, den Bund fürs Leben zu schließen und sesshaft zu werden. Den Bund fürs Leben!
Habe ich schon erwähnt, dass er ein Vampir ist?
Während meine Gedanken weiter um die Geschichte mit dem weißen Kleid kreisten, kam plötzlich ein wilder Hund aus dem Graben gesprungen. Okay, eigentlich saß er einfach nur am Straßenrand und nagte an den sterblichen Überresten von Bambis überfahrener Mutter, aber als ich ihn sah, fiel ich fast vor Schreck vom Fahrrad.
Zuerst dachte ich, es sei ein Wolf, doch dafür war das Tier eigentlich zu schmal und mager. Blut tropfte an seinem Kinn herunter, während es sich über den Rehkadaver beugte. Als sich unsere Blicke kreuzten, beschlich mich das sonderbare Gefühl, dass hinter den glitzernden, fremdartigen Augen ein scharfer Verstand lauerte.
Und so tat ich, was jede Hexe getan hätte, in deren Bauch die dunkle Göttin Lilith wohnt: Ich kreischte wie ein kleines Mädchen.
„Iiiiiih! Geh weg, du großes, unheimliches Vieh! Hau ab! Verzieh dich!" Ich trat wie eine Verrückte in die Pedalen, ruderte mit den Armen und versuchte, groß und bedrohlich zu wirken und nicht die ganze Zeit zu denken: Gleich frisst er mich, gleich frisst er mich ...
Der Wolf -- oder was immer es war - legte den Kopf schräg und sah mich an, als hielte er mich für den größten Idioten von Mittelwisconsin. Dann verzog er sich gemächlich in das Maisfeld.
Immerhin hatte mich die Begegnung mit dem wilden Tier dazu gebracht, mal zwei bis drei Minuten nicht an Sebastian zu denken. Doch sobald sich mein Puls wieder halbwegs beruhigt hatte, begann sich das Gedankenkarussell von Neuem zu drehen.
Gab es überhaupt Wölfe in Wisconsin? Möglicherweise, aber war ich wirklich bereit für die Ehe?
Die Sonne brannte erbarmungslos auf den Asphalt, und es war noch nicht einmal acht Uhr. Ich war schweißgebadet, als ich von meinem Fahrrad stieg. Ich lehnte es gegen den schmiedeeisernen Zaun, der den Stamm einer Buscheiche schützte, und machte mir nicht die Mühe, es abzuschließen.
Es gibt sicherlich eine Menge Fahrraddiebe in Madison, aber in der State Street, wo sich Mercury Crossing befindet, herrscht eine Art Hippiementalität vor. Mein Rad wurde mir bisher erst ein Mal gestohlen ... und wieder zurückgebracht. Ich hatte es nur gemerkt, weil das geknackte Schloss gewissenhaft gegen ein neues ausgetauscht worden war.
Dass man sich die Fahrräder hier „auslieh", war einer der Gründe, warum ich Madison liebte. Außerdem erntete ich in dieser Stadt mit meinem Look höchstens mal einen flüch tigen Seitenblick. Ich trug einen blutroten Minirock und ein schwarzes, glänzendes, rückenfreies Oberteil, dazu Spinnennetzstrümpfe und schwarze High-Tops von Converse. Meine kurzen Haare waren schwarz gefärbt und standen strubbelig in alle Richtungen. Ein Mann, der einen Anzug trug und auf dem Weg zum Kapitol war - vielleicht ein Politiker -, grüßte mich im Vorbeigehen mit einem kurzen Nicken, wie man es in einer kleinen Stadt tut, auch wenn man sich nicht kennt.
Ich liebte diesen Ort!
Konnte ich mir vorstellen, als verheiratete Frau hier zu leben? Ich biss mir auf die Lippen. Darüber würde ich mir später Gedanken machen. Jetzt musste ich erst einmal arbeiten.
„Hey", begrüßte mich William mit einem strahlenden Lächeln, als er in den Laden kam. „Halt mal deine rechte Hand hoch!"
Ich gehorchte verdutzt. Ich war gerade dabei, die rabattierten Wicca-Bücher zum Verramschen in die Secondhandabteilung zu räumen.
William und ich waren befreundet, seit ich im Buchladen angefangen hatte. Inzwischen hatte er sich ganz gut davon erholt, dass er von seiner Exfreundin, einer Voodoo-Priesterin, besessen gewesen war. Man sollte meinen, dass er seine Suche nach der „wahren" Religion mittlerweile aufgegeben hätte, denn einiges von dem, was er gefunden hatte, war ihm nicht besonders gut bekommen. Doch William war genauso unverwüstlich wie unsere Freundschaft. Sie hatte nicht einmal einen Knacks abbekommen, als er versuchte, mich umzubringen -- und er selbst hatte sein Glück gleich am nächsten Tag bei einer Online-Ufosekte probiert.
Auf welche Religion William momentan abfuhr, ließ sich schwer sagen. Er sah ziemlich normal aus. Sein mausbraunes Haar fiel ihm in strähnigen Locken auf die Schultern, und er hatte seine runde John-Lennon-Brille auf der Nase. Er trug ein schlichtes braunes Shirt ... und ein rotes Bändchen an seinem Handgelenk. Aha, Kabbala!
„Oh", machte William, nachdem er sich meine erhobene Hand angesehen hatte. „Du trägst deinen Right-Hand-Ring am falschen Finger."
„Meinen was?"
„Deinen Right-Hand-Ring." William wirkte leicht verunsichert. „Ich habe die Anzeigen im New York Times Magazine gesehen. Du weißt schon: ‚Schenken Sie sich selbst einen Ring, statt ewig auf den Richtigen zu warten ...'Oh."
..`Oh." Ich sah in Williams Augen, wie es ihm langsam dämmerte. „Aber du hast ja einen Mann an deiner Seite ... einen Vertreter der männlichen Art zumindest, der früher mal ein Mensch war, oder, besser gesagt, einen ... äh ..."
Ich beschloss, ihn zu erlösen. „Ja, Sebastian hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will."
„Und du hast Ja gesagt? Bist du verrückt?"
Das hatte ich mich auch schon häufiger gefragt. Doch bevor ich antworten konnte, fuhr William fort: „Das wird doch total Highlander-mäßig! Denk mal darüber nach, in zehn Jahren seht ihr aus wie Demi Moore und Ashton Kutscher. Und danach? Ich sag nur: Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones - bloß mit umgekehrten Geschlechtern. Du weißt, was ich meine. Du lieber Himmel, wenn du achtzig bist, werden die Leute denken, dass er dein Enkel ist. Kannst du dir vorstellen, wie peinlich das wird?"
Ich hätte William kein In-Touch-Abo zum Geburtstag schenken sollen! Aber wie ich zugeben musste, hatte er einen wichtigen Punkt angesprochen. Wenn ich alterte und Sebastian nicht, wie erklärten wir dann später den Leuten unseren offensichtlichen Altersunterschied? Außerdem war da noch das Problem mit dem Aussehen. Ich konnte mich darauf freuen, immer einen knackigen jungen Körper neben mir im Bett zu haben, aber Sebastian ...
Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was in sechsundfünfzig Jahren war. Schließlich hatten wir noch nicht einmal ein Datum für die Hochzeit ins Auge gefasst. „Alles zu seiner Zeit", sagte ich zu William, der nicht aufhören wollte, missbilligend mit der Zunge zu schnalzen.
„Ja, sicher", entgegnete er skeptisch.
„Und der Typ in Highlander hat seine Frau doch ewig geliebt, auch als sie schon uralt war, oder?"
William runzelte die Stirn. „Ja, ich glaube schon", räumte er nach einer Weile widerstrebend ein. Er tippte sich ein paarmal nachdenklich mit dem Finger an die Wange, dann zeigte er auf mich. „Und was ist mit den Blutspenderinnen? Werden die dann deine Brautjungfern?"
„Also bitte, das ist nicht fair!", erwiderte ich aufgebracht. „Jetzt suchst du doch nur einen Grund, um dich nicht für mich zu freuen, William!" Die Wahrheit war, dass ich in diesem Moment wirklich nicht an Blutspender denken wollte. Dass Sebastian Leute brauchte, von deren Blut er sich ernähren konnte, war ein Problem, das wir noch zu knacken hatten.
„Sorry", entgegnete William barsch. „Glückwunsch!"
Es entstand eine unangenehme Pause, und als ich den Mund öffnete, um gegen die Stille anzureden, rief er plötzlich: „Ach, die Dame von Bear Claw Press ist übrigens hier!"
Ich musste über den abrupten Themenwechsel lachen, und schon bald fing auch William an zu grinsen. Ich warf ihm ein liebevolles Lächeln zu, als ich zur Kassentheke ging, wo die Verlagsvertreterin wartete. Wie gesagt: eine unverwüstliche Freundschaft. Wir konnten einander nie lange böse sein.
Den restlichen Morgen verbrachte ich damit, mir den Werbevortrag der Vertreterin zu den Neuerscheinungen über Aromatherapie, ganzheitliches Leben und Akupunktur für Haustiere anzuhören.
Nachmittags war so wenig im Laden los, dass ich William früher Feierabend machen ließ. Aber dann, eine halbe Stunde vor Geschäftsschluss, stürmten plötzlich Unmengen von Kunden herein, denen anscheinend allen eingefallen war, dass sie unbedingt heute noch Kerzen, Tarotkarten und Räucherstäbchen brauchten. Ich stand die ganze Zeit an der Kasse und gab einen Betrag nach dem anderen ein, während ich gleichzeitig telefonische Anfragen beantwortete und Leute zu dem Regal mit den Rolfing-Büchern dirigierte.
Mitten in dem ganzen Chaos kam eine Frau an die Kasse und stellte sich mir als Marge vor. Sie hatte ein breites, freundliches Gesicht, lange grau melierte Locken und trug ein knallbuntes Hawaiihemd. „Ich habe dein Plakat für das Kennenlerntreffen zur Gründung eines magischen Zirkels gesehen."
Ich hatte das Plakat mit Bannen versehen, sodass es nur von Menschen mit magischen Kräften gelesen werden konnte. Ich sah Marge mit zusammengekniffenen Augen an und machte den Aura-Test. Sie hatte eine erdige grüne Aura, die sich fest an ihren Körper schmiegte und sehr stark wirkte. Diese Art von Energie deutete darauf hin, dass sie eine Natur- oder Kräuterhexe war, doch dann fiel mir noch etwas anderes auf: ein helles Leuchten, das von dem Hundeanhänger an ihrer silbernen Halskette ausging.
Ich hätte Marge gern auf das Schmuckstück angesprochen, aber das Geschäft ging vor. Hinter ihr hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet. „Möchtest du noch etwas kaufen?", fragte ich. Sie schüttelte lächelnd den Kopf.
Ich dachte, sie träte nun wenigstens zur Seite, doch das tat sie nicht. Also musste ich um sie herumgreifen, um die Bernsteinkette anzunehmen, die mir eine Kundin hinhielt.
Marge schien überhaupt nicht mitzubekommen, dass sie den gesamten Verkehr aufhielt. „Ich freue mich schon auf das Treffen heute Abend", sagte sie.
„Äh ... oh ja, ich auch", entgegnete ich zerstreut. Mir war gerade wieder eingefallen, dass ich eigentlich etwas früher hatte schließen wollen, um noch Knabberzeug und Limo für den Abend zu besorgen. Sebastian und ich waren zu dem Schluss gekommen, dass es an der Zeit war, einen eigenen Zirkel zu gründen. Mich wieder einer Gruppe anzuschließen war ein großer Schritt für mich.
Mein letzter Zirkel war von der Eustachius-Kongregation vernichtet worden, einer üblen paramilitärischen Vereinigung, die den Vers aus dem zweiten Buch Mose „Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen" allzu wörtlich nahm und alle Menschen mit magischen Fähigkeiten töten wollte. Ich hatte nur überlebt, weil ich damals zu spät zu dem Treffen meines Zirkels gekommen war und die Geistesgegenwart besessen hatte, die Göttin Lilith zu rufen, als mich die Mörder angriffen. Von dem schrecklichen Ereignis hatte ich Narben davongetragen, körperliche wie seelische. In jener Nacht in Minneapolis hatte sich meine Augenfarbe verändert und mit ihr mein ganzes Leben. Ich hatte es seitdem nicht gewagt, einen neuen Zirkel zu gründen.
Doch inzwischen hatte ich mir viele Dämonen vom Hals geschafft. Die Kongregation verfolgte mich nicht mehr. Dank eines mächtigen Illusionszaubers, für den ich Sebastians und mein Blut vermischt hatte, hielten uns die Jäger für tot.
Auch vom FBI hatte ich nichts mehr zu befürchten. Die Ermittlungen zum Tod der Vatikanagenten, die Lilith in Minnesota umgebracht hatte, hatten es zu mir geführt, doch Parrish, mein Vampir-Ex, hatte die Schuld auf sich genommen.
Er hatte sogar sein Leben -- beziehungsweise sein Unleben -dafür geopfert, dass der Fall abgeschlossen und nicht weiter-
verfolgt wurde.
Ich fragte mich, wo er wohl war und ob es ihm gut ging.
Ein Kunde, der hinter Marge stand, räusperte sich geräuschvoll. „Oh, tut mir leid, war gerade ganz woanders ...", murmelte ich, tippte rasch in die Kasse ein, was er zu zahlen hatte, nahm sein Geld und gab ihm heraus. Dabei hantierte ich die ganze Zeit um Marge herum, die sich nicht vom Fleck rührte. „Hast du noch eine Frage oder so?", erkundigte ich mich bei ihr.
© 2010 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
Konnte ich mir wirklich vorstellen, einen Vampir zu heiraten?
Der Diamantring an meinem Finger funkelte in der Morgensonne. Ich drohte mehr als einmal mit dem Rad im Straßengraben zu landen, weil mein Blick immer wieder auf den goldenen Reif fiel. Ich und heiraten?
Das Problem war nicht, dass ich Sebastian nicht liebte. Es war mir leichtgefallen, Ja zu sagen, und ich hatte es ehrlich gemeint. Aber Sebastian war nun einmal ein Vampir, und, na ja, weder sein Leben noch das meine war besonders ehefreundlich. Ich pflegte gelegentlich mitten in der Nacht aufzustehen und abzuhauen, was jedoch in der Regel damit zu tun hatte, dass ich von vatikanischen Mördern, vom FBI oder einer Voodoo-Priesterin verfolgt wurde oder die Göttin, die in meinem Bauch Unterschlupf gefunden hatte, mal wieder jemanden zur Strecke bringen wollte.
Aber seit ein paar Monaten war alles ganz ruhig und friedlich. Ich hatte sogar Verhandlungen mit dem Besitzer des okkultistischen Buchladens Mercury Crossing aufgenommen, dessen Geschäftsführerin ich bin, weil ich den Laden mithilfe meiner Notgroschen und eines Kredits aufkaufen wollte. Das hatte Sebastian vermutlich auf die Idee gebracht, den Bund fürs Leben zu schließen und sesshaft zu werden. Den Bund fürs Leben!
Habe ich schon erwähnt, dass er ein Vampir ist?
Während meine Gedanken weiter um die Geschichte mit dem weißen Kleid kreisten, kam plötzlich ein wilder Hund aus dem Graben gesprungen. Okay, eigentlich saß er einfach nur am Straßenrand und nagte an den sterblichen Überresten von Bambis überfahrener Mutter, aber als ich ihn sah, fiel ich fast vor Schreck vom Fahrrad.
Zuerst dachte ich, es sei ein Wolf, doch dafür war das Tier eigentlich zu schmal und mager. Blut tropfte an seinem Kinn herunter, während es sich über den Rehkadaver beugte. Als sich unsere Blicke kreuzten, beschlich mich das sonderbare Gefühl, dass hinter den glitzernden, fremdartigen Augen ein scharfer Verstand lauerte.
Und so tat ich, was jede Hexe getan hätte, in deren Bauch die dunkle Göttin Lilith wohnt: Ich kreischte wie ein kleines Mädchen.
„Iiiiiih! Geh weg, du großes, unheimliches Vieh! Hau ab! Verzieh dich!" Ich trat wie eine Verrückte in die Pedalen, ruderte mit den Armen und versuchte, groß und bedrohlich zu wirken und nicht die ganze Zeit zu denken: Gleich frisst er mich, gleich frisst er mich ...
Der Wolf -- oder was immer es war - legte den Kopf schräg und sah mich an, als hielte er mich für den größten Idioten von Mittelwisconsin. Dann verzog er sich gemächlich in das Maisfeld.
Immerhin hatte mich die Begegnung mit dem wilden Tier dazu gebracht, mal zwei bis drei Minuten nicht an Sebastian zu denken. Doch sobald sich mein Puls wieder halbwegs beruhigt hatte, begann sich das Gedankenkarussell von Neuem zu drehen.
Gab es überhaupt Wölfe in Wisconsin? Möglicherweise, aber war ich wirklich bereit für die Ehe?
Die Sonne brannte erbarmungslos auf den Asphalt, und es war noch nicht einmal acht Uhr. Ich war schweißgebadet, als ich von meinem Fahrrad stieg. Ich lehnte es gegen den schmiedeeisernen Zaun, der den Stamm einer Buscheiche schützte, und machte mir nicht die Mühe, es abzuschließen.
Es gibt sicherlich eine Menge Fahrraddiebe in Madison, aber in der State Street, wo sich Mercury Crossing befindet, herrscht eine Art Hippiementalität vor. Mein Rad wurde mir bisher erst ein Mal gestohlen ... und wieder zurückgebracht. Ich hatte es nur gemerkt, weil das geknackte Schloss gewissenhaft gegen ein neues ausgetauscht worden war.
Dass man sich die Fahrräder hier „auslieh", war einer der Gründe, warum ich Madison liebte. Außerdem erntete ich in dieser Stadt mit meinem Look höchstens mal einen flüch tigen Seitenblick. Ich trug einen blutroten Minirock und ein schwarzes, glänzendes, rückenfreies Oberteil, dazu Spinnennetzstrümpfe und schwarze High-Tops von Converse. Meine kurzen Haare waren schwarz gefärbt und standen strubbelig in alle Richtungen. Ein Mann, der einen Anzug trug und auf dem Weg zum Kapitol war - vielleicht ein Politiker -, grüßte mich im Vorbeigehen mit einem kurzen Nicken, wie man es in einer kleinen Stadt tut, auch wenn man sich nicht kennt.
Ich liebte diesen Ort!
Konnte ich mir vorstellen, als verheiratete Frau hier zu leben? Ich biss mir auf die Lippen. Darüber würde ich mir später Gedanken machen. Jetzt musste ich erst einmal arbeiten.
„Hey", begrüßte mich William mit einem strahlenden Lächeln, als er in den Laden kam. „Halt mal deine rechte Hand hoch!"
Ich gehorchte verdutzt. Ich war gerade dabei, die rabattierten Wicca-Bücher zum Verramschen in die Secondhandabteilung zu räumen.
William und ich waren befreundet, seit ich im Buchladen angefangen hatte. Inzwischen hatte er sich ganz gut davon erholt, dass er von seiner Exfreundin, einer Voodoo-Priesterin, besessen gewesen war. Man sollte meinen, dass er seine Suche nach der „wahren" Religion mittlerweile aufgegeben hätte, denn einiges von dem, was er gefunden hatte, war ihm nicht besonders gut bekommen. Doch William war genauso unverwüstlich wie unsere Freundschaft. Sie hatte nicht einmal einen Knacks abbekommen, als er versuchte, mich umzubringen -- und er selbst hatte sein Glück gleich am nächsten Tag bei einer Online-Ufosekte probiert.
Auf welche Religion William momentan abfuhr, ließ sich schwer sagen. Er sah ziemlich normal aus. Sein mausbraunes Haar fiel ihm in strähnigen Locken auf die Schultern, und er hatte seine runde John-Lennon-Brille auf der Nase. Er trug ein schlichtes braunes Shirt ... und ein rotes Bändchen an seinem Handgelenk. Aha, Kabbala!
„Oh", machte William, nachdem er sich meine erhobene Hand angesehen hatte. „Du trägst deinen Right-Hand-Ring am falschen Finger."
„Meinen was?"
„Deinen Right-Hand-Ring." William wirkte leicht verunsichert. „Ich habe die Anzeigen im New York Times Magazine gesehen. Du weißt schon: ‚Schenken Sie sich selbst einen Ring, statt ewig auf den Richtigen zu warten ...'Oh."
..`Oh." Ich sah in Williams Augen, wie es ihm langsam dämmerte. „Aber du hast ja einen Mann an deiner Seite ... einen Vertreter der männlichen Art zumindest, der früher mal ein Mensch war, oder, besser gesagt, einen ... äh ..."
Ich beschloss, ihn zu erlösen. „Ja, Sebastian hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will."
„Und du hast Ja gesagt? Bist du verrückt?"
Das hatte ich mich auch schon häufiger gefragt. Doch bevor ich antworten konnte, fuhr William fort: „Das wird doch total Highlander-mäßig! Denk mal darüber nach, in zehn Jahren seht ihr aus wie Demi Moore und Ashton Kutscher. Und danach? Ich sag nur: Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones - bloß mit umgekehrten Geschlechtern. Du weißt, was ich meine. Du lieber Himmel, wenn du achtzig bist, werden die Leute denken, dass er dein Enkel ist. Kannst du dir vorstellen, wie peinlich das wird?"
Ich hätte William kein In-Touch-Abo zum Geburtstag schenken sollen! Aber wie ich zugeben musste, hatte er einen wichtigen Punkt angesprochen. Wenn ich alterte und Sebastian nicht, wie erklärten wir dann später den Leuten unseren offensichtlichen Altersunterschied? Außerdem war da noch das Problem mit dem Aussehen. Ich konnte mich darauf freuen, immer einen knackigen jungen Körper neben mir im Bett zu haben, aber Sebastian ...
Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was in sechsundfünfzig Jahren war. Schließlich hatten wir noch nicht einmal ein Datum für die Hochzeit ins Auge gefasst. „Alles zu seiner Zeit", sagte ich zu William, der nicht aufhören wollte, missbilligend mit der Zunge zu schnalzen.
„Ja, sicher", entgegnete er skeptisch.
„Und der Typ in Highlander hat seine Frau doch ewig geliebt, auch als sie schon uralt war, oder?"
William runzelte die Stirn. „Ja, ich glaube schon", räumte er nach einer Weile widerstrebend ein. Er tippte sich ein paarmal nachdenklich mit dem Finger an die Wange, dann zeigte er auf mich. „Und was ist mit den Blutspenderinnen? Werden die dann deine Brautjungfern?"
„Also bitte, das ist nicht fair!", erwiderte ich aufgebracht. „Jetzt suchst du doch nur einen Grund, um dich nicht für mich zu freuen, William!" Die Wahrheit war, dass ich in diesem Moment wirklich nicht an Blutspender denken wollte. Dass Sebastian Leute brauchte, von deren Blut er sich ernähren konnte, war ein Problem, das wir noch zu knacken hatten.
„Sorry", entgegnete William barsch. „Glückwunsch!"
Es entstand eine unangenehme Pause, und als ich den Mund öffnete, um gegen die Stille anzureden, rief er plötzlich: „Ach, die Dame von Bear Claw Press ist übrigens hier!"
Ich musste über den abrupten Themenwechsel lachen, und schon bald fing auch William an zu grinsen. Ich warf ihm ein liebevolles Lächeln zu, als ich zur Kassentheke ging, wo die Verlagsvertreterin wartete. Wie gesagt: eine unverwüstliche Freundschaft. Wir konnten einander nie lange böse sein.
Den restlichen Morgen verbrachte ich damit, mir den Werbevortrag der Vertreterin zu den Neuerscheinungen über Aromatherapie, ganzheitliches Leben und Akupunktur für Haustiere anzuhören.
Nachmittags war so wenig im Laden los, dass ich William früher Feierabend machen ließ. Aber dann, eine halbe Stunde vor Geschäftsschluss, stürmten plötzlich Unmengen von Kunden herein, denen anscheinend allen eingefallen war, dass sie unbedingt heute noch Kerzen, Tarotkarten und Räucherstäbchen brauchten. Ich stand die ganze Zeit an der Kasse und gab einen Betrag nach dem anderen ein, während ich gleichzeitig telefonische Anfragen beantwortete und Leute zu dem Regal mit den Rolfing-Büchern dirigierte.
Mitten in dem ganzen Chaos kam eine Frau an die Kasse und stellte sich mir als Marge vor. Sie hatte ein breites, freundliches Gesicht, lange grau melierte Locken und trug ein knallbuntes Hawaiihemd. „Ich habe dein Plakat für das Kennenlerntreffen zur Gründung eines magischen Zirkels gesehen."
Ich hatte das Plakat mit Bannen versehen, sodass es nur von Menschen mit magischen Kräften gelesen werden konnte. Ich sah Marge mit zusammengekniffenen Augen an und machte den Aura-Test. Sie hatte eine erdige grüne Aura, die sich fest an ihren Körper schmiegte und sehr stark wirkte. Diese Art von Energie deutete darauf hin, dass sie eine Natur- oder Kräuterhexe war, doch dann fiel mir noch etwas anderes auf: ein helles Leuchten, das von dem Hundeanhänger an ihrer silbernen Halskette ausging.
Ich hätte Marge gern auf das Schmuckstück angesprochen, aber das Geschäft ging vor. Hinter ihr hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet. „Möchtest du noch etwas kaufen?", fragte ich. Sie schüttelte lächelnd den Kopf.
Ich dachte, sie träte nun wenigstens zur Seite, doch das tat sie nicht. Also musste ich um sie herumgreifen, um die Bernsteinkette anzunehmen, die mir eine Kundin hinhielt.
Marge schien überhaupt nicht mitzubekommen, dass sie den gesamten Verkehr aufhielt. „Ich freue mich schon auf das Treffen heute Abend", sagte sie.
„Äh ... oh ja, ich auch", entgegnete ich zerstreut. Mir war gerade wieder eingefallen, dass ich eigentlich etwas früher hatte schließen wollen, um noch Knabberzeug und Limo für den Abend zu besorgen. Sebastian und ich waren zu dem Schluss gekommen, dass es an der Zeit war, einen eigenen Zirkel zu gründen. Mich wieder einer Gruppe anzuschließen war ein großer Schritt für mich.
Mein letzter Zirkel war von der Eustachius-Kongregation vernichtet worden, einer üblen paramilitärischen Vereinigung, die den Vers aus dem zweiten Buch Mose „Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen" allzu wörtlich nahm und alle Menschen mit magischen Fähigkeiten töten wollte. Ich hatte nur überlebt, weil ich damals zu spät zu dem Treffen meines Zirkels gekommen war und die Geistesgegenwart besessen hatte, die Göttin Lilith zu rufen, als mich die Mörder angriffen. Von dem schrecklichen Ereignis hatte ich Narben davongetragen, körperliche wie seelische. In jener Nacht in Minneapolis hatte sich meine Augenfarbe verändert und mit ihr mein ganzes Leben. Ich hatte es seitdem nicht gewagt, einen neuen Zirkel zu gründen.
Doch inzwischen hatte ich mir viele Dämonen vom Hals geschafft. Die Kongregation verfolgte mich nicht mehr. Dank eines mächtigen Illusionszaubers, für den ich Sebastians und mein Blut vermischt hatte, hielten uns die Jäger für tot.
Auch vom FBI hatte ich nichts mehr zu befürchten. Die Ermittlungen zum Tod der Vatikanagenten, die Lilith in Minnesota umgebracht hatte, hatten es zu mir geführt, doch Parrish, mein Vampir-Ex, hatte die Schuld auf sich genommen.
Er hatte sogar sein Leben -- beziehungsweise sein Unleben -dafür geopfert, dass der Fall abgeschlossen und nicht weiter-
verfolgt wurde.
Ich fragte mich, wo er wohl war und ob es ihm gut ging.
Ein Kunde, der hinter Marge stand, räusperte sich geräuschvoll. „Oh, tut mir leid, war gerade ganz woanders ...", murmelte ich, tippte rasch in die Kasse ein, was er zu zahlen hatte, nahm sein Geld und gab ihm heraus. Dabei hantierte ich die ganze Zeit um Marge herum, die sich nicht vom Fleck rührte. „Hast du noch eine Frage oder so?", erkundigte ich mich bei ihr.
© 2010 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
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Autoren-Porträt von Tate Hallaway
Tate Hallaway ist Amateur-Astrologin, praktizierende Hexe und Vampir-Fan, seit sie in der Highschool Poppy Z. Brite gelesen hat. Sie lebt in Minnesota.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tate Hallaway
- 2010, 316 Seiten, Maße: 12,5 x 18 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Görnig, Antje
- Übersetzer: Antje Görnig
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802582861
- ISBN-13: 9783802582868
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