Verkauft

»Du wirstMänner in dein Zimmer mitnehmen«, sagt sie. »Und du wirst tun, was sie von dirverlangen. Du wirst hier arbeiten wie die anderen Mädchen, bis du deineSchulden abgetragen hast.«

In meinemKopf dreht sich alles, aber ich sehe nur eins: die Zahl in ihrem Buch. Sieschwankt und verschwimmt und zerbricht dann in kleine Stücke, die vor meinenAugen schweben. Ich kämpfe mit den Tränen und finde meine Stimme wieder.

»Aber TanteBimla sagte «

»Deine Tante «, höhnt sie, »arbeitet für mich.«

Jetztverstehe ich alles.

Ich blinzledie Tränen zurück in meine Augen. Ich balle meine Hände zu Fäusten. Ich werdedieses schmutzige Geschäft nicht mitmachen. Ich werde warten, bis es dunkelist, und dann werde ich aus Mumtaz Haus derHeiterkeit fliehen.

»Shahanna!« Mumtaz schnippt mitden Fingern, und das dunkelhäutige Mädchen reicht ihr eine Schere.

DiesesMädchen, Shahanna, beugt sich zu mir und sagt: »Esist besser, wenn du stillhältst.«

Dann ertöntein Schnappen, und ein Büschel meiner Haare fällt zu Boden. Ich schreie auf undversuche, mich zu befreien, aber Shahanna hat michfest im Griff.

Mumtaztritt einen Schritt zurück und drückt mir die Scherenspitzen in den Nacken.

»Haltstill«, sagt sie mit zusammengepressten Zähnen, »oder ich schneide dir dieKehle durch.«

Ich schaue Shahanna an. Ihre Augen sind vor Angst weit aufgerissen.

Ich bleibesehr still stehen und schaue das Mädchen in dem silbernen Glas an. Schon nachkurzer Zeit hat sie den geschorenen Kopf einer entehrten Frau und ein Gesichtaus Stein.

»Jetztversuch ruhig, mit diesem kahlen Kopf zu fliehen«, sagt Mumtaz.»Sie werden dich geradewegs wieder zurückbringen.«

Und dannsind sie weg, und ich bleibe allein in dem abgeschlossenen Zimmer zurück.

Ich hämmeregegen die Tür.

Ich heulewie ein Tier.

Ich bete.

Ich gehehin und her.

Ich tretegegen die Tür.

Aber ichweine nicht.

© S. FischerVerlag

Übersetzung:Alexandra Ernst