Versprechen der Ewigkeit / The Immortals After Dark Bd.10
Roman. Deutsche Erstausgabe
Die Walküre Regin und der Krieger Aidan waren einst Liebende - bis ein Fluch sie trennte. Für immer?
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Produktinformationen zu „Versprechen der Ewigkeit / The Immortals After Dark Bd.10 “
Die Walküre Regin und der Krieger Aidan waren einst Liebende - bis ein Fluch sie trennte. Für immer?
Klappentext zu „Versprechen der Ewigkeit / The Immortals After Dark Bd.10 “
Die Walküre Regin und der Krieger Aidan waren einst Liebende. Doch ein Fluch lastet auf ihnen, der Aidan im Laufe der Generationen immer wiederkehren lässt, um nach Regin zu suchen. Schließlich erkennt Regin ihn in der Gestalt des Sterblichen Declan, der alle übernatürlichen Geschöpfe hasst und sie vernichten will. Kann es ihr gelingen, die Erinnerung an sein wahres Ich zu wecken und den Fluch zu durchbrechen?
Lese-Probe zu „Versprechen der Ewigkeit / The Immortals After Dark Bd.10 “
Versprechen der Ewigkeit von Kresley ColeProlog
Hört alle zu! Lauscht dieser Erzählung, der Legende von Aidan dem Grimmigen und Reginleit der Strahlenden, einem Liebespaar, vom Schicksal verbunden und verflucht.
Auch ihre Geschichte beginnt, wie so viele Sagen, mit einer vorherbestimmten Begegnung - eine Unsterbliche, die den Tod niemals kennenlernen würde, trifft auf einen abgestumpften Sterblichen, der nur aus einem Grund lebt: um zu töten.
Ihre Geschichte handelt von Kummer und Leid und soll euch eine Warnung sein. Gebt acht und hört gut zu ...
Die Nordlande In einem längst vergessenen Zeitalter
»Das hier nennt man wohl eine Orgie«, murmelte Reginleit, als zwei Krieger sie in die Methalle des berühmt-berüchtigten Kriegsherrn Aidan des Grimmigen führten.
In der Tat spielte sich vor Regin, die ganze zwölf Jahre alt war und das Paradies Walhalla erst vor Kurzem verlassen hatte, ein unglaubliches Spektakel ab.
Während ihre Wachen und sie sich durch das Gewühl von Hunderten von Berserkern schlängelten, starrte sie mit offenem Mund auf volltrunkene Krieger, die mit nichts als einem Lendentuch bekleidet gegeneinander kämpften, während halb nackte Huren Bier und Platten voller Fleisch servierten ... und noch so manches andere Bedürfnis befriedigten.
Zum Glück verbarg Regins Vermummung ihre Miene - und das Leuchten, das sie umgab. Sie überprüfte ihren Umhang noch einmal mit behandschuhten Händen. Die Kapuze war groß und reichte ihr tief ins Gesicht.
Im Licht der lodernden Feuerstellen, deren Rauch zum strohgedeckten Dach emporstieg, beobachtete sie die Menschen, die einander küssten und begrapschten und sich Tätigkeiten hingaben, für die ihr junger Geist noch keine Bezeichnung kannte.
... mehr
Doch niemand in diesem Feldlager lachte. Es war keine fröhliche Musik zu hören. Obwohl sie am heutigen Tage einen blutigen Sieg errungen hatten - von den Klippen über dem Schlachtfeld hatte sie ihren Zusammenstoß mit einer Armee von Vampiren beobachtet -, schienen all diese Krieger hier vor Wut zu kochen. Fast knurrten sie - ganz ähnlich wie die Bären, die diese Sterblichen verehrten.
Sämtliche Wände waren mit Bärenköpfen mit grässlichen Fängen verziert, Wikingerzeichnungen von wilden, rasenden Bären schmückten Balken und Türen.
Offensichtlich entsprach alles der Wahrheit, was sie je über die unzivilisierten Berserker gehört hatte. Ihre Lieblingshalbschwester Lucia hatte ihr einmal erzählt: »Berserker sind grimmig, gierig und besitzergreifend. Sie geraten völlig außer sich, wenn sie etwas verlieren, das ihnen gehört. Sie sind von zwei Dingen besessen: Krieg und Sex, und sie denken an nichts anderes. Selbst unsere älteren Schwestern meiden sie.«
Regin hatte gewusst, welches Risiko sie einging, als sie hierherkam, aber sie verspürte keine Angst. Lucia war es auch gewesen, die ihr dazu einmal gesagt hatte: »Manchmal glaube ich, du verfügst einfach nicht über genug Vernunft, um dich zu fürchten, wenn du dich fürchten solltest.« Regin hatte das folgendermaßen interpretiert: »Du verspürst keinerlei Angst, oh du erhabene Reginleit.«
Ganz davon abgesehen hatte sie keine andere Wahl. Sie brauchte die Hilfe dieser Sterblichen. Sie hatte kein Pferd und war vor ein paar Tagen mit knapper Not einem Hinterhalt der Vampire entkommen. Ihr Bauch war leer, und die Schalen voller Eintopf und das Wildbret auf den voll beladenen Tischen ließen ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Außerdem war Lucia in Gefahr.
Sobald sie sich wieder an den eigentlichen Zweck ihres Hierseins erinnerte, straffte sie die Schultern. Da die Berserker die Wachen ihres Vaters waren, war es doch sicherlich auch deren Pflicht, ihr zu dienen. Sollte ihr hier jedoch jemand Ärger machen wollen, würde sie nicht zögern, das lange Schwert einzusetzen, das sie in einer Scheide quer über ihrem Rücken trug, oder auch ihre Klauen, die, verborgen in den langen Ärmeln ihres Gewandes, aus Schlitzen in ihren Handschuhen herausragten.
Zwei beinahe nackte Krieger, die einander in tödlicher Umarmung umklammert hielten, taumelten an ihr vorbei. Überall um sie herum wurde gekämpft - Streitigkeiten wegen Weibern, Wein und Waffen. Schon beim geringsten Anlass verfielen diese Männer in ihre Berserkerwut, mit leuchtenden Augen und schwellenden Muskeln.
Wie passend, dass dieses Feldlager gleich an der Grenze zu einem Kriegsgebiet errichtet worden war. Seit vielen Jahrzehnten verteidigten die Berserker diesen strategisch bedeutsamen Pass gegen eine unsterbliche Bedrohung und beschützten damit die Dörfer, die in dem Tal darunter lagen. Sie begann zu begreifen, dass es ein Segen war, wenn diese Männer hier an vorderster Front blieben - und sich der Zivilisation fernhielten.
Als sie sich nun mit ihren Wachen immer tiefer in die Halle hineinbegab, blieb Regin mit einem Mal abrupt stehen. Nur wenige Meter vor ihr auf dem Podest saß der Mann auf dem Thron, den sie vorhin im ungestümen Kampfgetümmel entdeckt und hingebungsvoll beobachtet hatte.
Angesichts der unübertroffenen Geschwindigkeit und Kraft, mit der er seine Streitaxt geschwungen hatte, war sie davon ausgegangen, dass er ihr Anführer war: Aidan.
Auf der Lehne seines Throns saß eine dralle Brünette, die ihm einen gefüllten Krug darbot und etwas ins Ohr flüsterte. Die Magd blickte ihn voller Erregung an, ihre Atmung war flach. Hält sie den Kriegsherrn für gut aussehend? Regin musterte ihn. Da sind wir beide uns einig.
Er hatte breite Schultern und muskulöse Arme und war insgesamt so kräftig gebaut wie ein Bär. Sein blondes Haar war dicht, und einige Strähnen waren zu wirren Zöpfen geflochten, sodass sie ihm nicht ständig ins Gesicht fielen. Er besaß noch all seine Zähne, und sie waren weiß und ebenmäßig. Seine von der Sonne gebräunte Haut ließ die wintergrauen Augen besonders hervorstechen.
Als er sich während des Kampfes seiner Berserkerwut hingegeben hatte, hatten diese Augen wie vom Blitz zerrissene Gewitterwolken geleuchtet.
Jetzt zog er die Frau auf seinen Schoß, zweifellos in der Absicht, sich dem liederlichen Treiben um ihn herum anzuschließen. Und siehe da, schon legt er los ... Er löste die Schnüre ihres stramm sitzenden Mieders.
»Mein Herr, haltet kurz ein«, beeilte sich eine der Wachen zu sagen. Um den Kriegsherren aufzuhalten, ehe es zu spät war?
»Was ist?« Aidan sah nicht einmal auf und ließ sich nicht davon abhalten, weiter die ausladenden Brüste der Frau freizulegen. Sobald er ihr Mieder gelockert hatte, schob er seine große Hand hinein, um eine davon zu umfassen.
»Dieser Junge verlangte danach, Euch zu sehen.«
Junge. Männer nahmen stets an, sie wäre einer von ihnen, nur weil sie Hosen trug und ein Schwert mit sich führte.
Aidan wandte sich um, bis sein Blick auf Regin fiel. »Wer bist du?«, fragte er mit tiefer, donnernder Stimme. Augenblicklich verlangsamten sich die ungestümen Raufereien in der ganzen Halle, und die Männer ließen sich von den Huren ablenken.
»Ich bin ein müder Reisender und brauche Hilfe«, antwortete sie aufrichtig.
Bei ihren Worten zogen sich seine Brauen zusammen. »Deine Stimme klingt ... vertraut.« Er zog die Hand aus dem Mieder der Frau und setzte sich aufrecht hin. Seine Haltung drückte eine gewisse Anspannung aus, als ob allein schon ihre Stimme ihn nervös gemacht hätte. »Auch wenn dein Akzent fremd ist.«
»Eure Sprache ist nicht meine Muttersprache.« Das war die uralte Sprache der Unsterblichen. Seine Sprache, das Altnordische, war ihre erste Fremdsprache.
»Tritt näher.«
Auch wenn es ihr widerstrebte, Befehle von einem Sterblichen zu befolgen, trat Regin vor.
Sein Blick war wachsam, prüfend. Sie war sich dessen bewusst, dass er sie von Kopf bis Fuß eingehend musterte: ihren Gang, den ungewöhnlich kostbaren Stoff ihres Umhangs, die goldene Brosche, die ihre Kapuze fixierte.
Die Magd versuchte, seine Aufmerksamkeit erneut auf sich zu lenken, indem sie ihm die Hand ans Gesicht legte, aber Aidan wischte sie einfach fort. Als sie sich daraufhin aufreizend auf seinem Schoß bewegte, sah er sie finster an und zischte ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie ein beleidigtes Schnauben ausstieß und davonstolzierte. Dennoch warf sie einen sehnsüchtigen Blick über die Schulter hinweg zurück.
Aus irgendeinem Grund war Regin froh, dass Aidan die vollbusige Brünette fortgeschickt hatte. Vermutlich war sie einfach nur erleichtert, da er ihr jetzt mit Sicherheit seine volle Aufmerksamkeit schenkte. »Ich sah Euch heute auf dem Schlachtfeld, Kriegsherr. Ihr habt gut gekämpft.« Wie immer sprach sie einfach jeden Gedanken aus, der ihr gerade in den Sinn kam. Gleich darauf schossen ihr wieder einmal Lucias Worte durch den Kopf:
Du musst wirklich lernen, den Mund zu halten. Du würdest sogar die Geduld eines Gletschers auf die Probe stellen.
Er beugte sich vor. »Wir sind Berserker, Junge - wir kämpfen alle gut.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Sie zeigte mit dem Daumen auf einen jungen, schwarzhaarigen Mann, der an Aidans rechter Seite saß. »Er nicht. Er vernachlässigt seine Deckung.« Halt die Klappe, Regin!
Auf einen Moment verblüfften Schweigens folgte leises Lachen hier und da. Sogar Aidan grinste, auch wenn ihn seine Reaktion selbst zu erstaunen schien.
Der Mann, den sie beleidigt hatte, sprang auf die Füße und kam mit zusammengekniffenen Augen auf sie zumarschiert. »Dir werd ich zeigen, wie sehr ich meine Deckung vernachlässige.« Regin zog sogleich ihr Langschwert aus der Scheide und hielt es zwischen ihnen in die Höhe.
Er warf ihr einen angewiderten Blick zu. »Das Schwert ist ja größer als du, räudiger Köter.«
»Damit ich dich lehren kann, auf deine Deckung zu achten, du Bastard.«
Wieder ertönte Gelächter. Der Mann ballte die Fäuste, seine Muskeln spannten sich an, wuchsen ... Schon jetzt stand er am Rand der Berserkerwut.
»Halt dich zurück, Brandr«, befahl Aidan.
Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen herzukommen. Diese Männer waren zu ungestüm, zu aufbrausend, um ihr zu helfen. Und wenn ausgerechnet eine Walküre das schon dachte!
Selbst in Aidan, der allem Anschein nach über mehr Selbstbeherrschung verfügte als die anderen, schien es jetzt zu brodeln. Und auch wenn die Berserker Odins Wachen waren, würden sie ihr vielleicht doch etwas antun, wenn sie herausfanden, dass sie ein weibliches Wesen war. Was würde Lucia an ihrer Stelle tun? Sie würde diesen Ort augenblicklich verlassen, ohne preiszugeben, dass sie eine Frau war.
»Du musst entweder sehr mutig sein oder aber sehr dumm, wenn du einen meiner stärksten Krieger herausforderst, Junge«, bemerkte Aidan. »Jetzt sag mir aber, warum du mich in meiner Halle aufsuchst.« Er sah sie mit zur Seite geneigtem Kopf an. »Und warum du deine Haut bedeckt hältst, als ob du ein uralter Druide wärst.«
»Vermutlich hat der Welpe die Pocken«, stieß Brandr mit rauer Stimme hervor.
Pocken? Nur mit Mühe gelang es ihr, einen empörten Kommentar herunterzuschlucken.
»Genug!« Aidan rieb sich die blonden Bartstoppeln auf dem Kinn. »Warst du vielleicht krank? Womöglich mangelt es dir ja an der Kraft, die nötig ist, um diese lange Klinge zu führen - oder um Männer zu verspotten, die größer sind als du.«
Regins Augen wurden groß. »Mir soll es an Kraft mangeln?« Sie mochte erst zwölf sein und immer noch verletzlich, und dieses verflixte Schwert war in der Tat viel zu groß für sie, aber sie konnte all diese Sterblichen mit Zähnen und Klauen abschlachten, wenn es sein musste ...
Brandr schlug ohne Vorwarnung zu. Er stürzte sich auf sie, und ehe sie sich verteidigen konnte, hatte er ihr schon zwei schwere Hiebe aufs Handgelenk verpasst, sodass sie das Schwert fallen ließ.
Als er sich mit einem höhnischen Grinsen wieder aufrichtete, ignorierte sie ihre Waffe und ließ zu, dass ihre Instinkte das Kommando übernahmen. Sie sprang auf einen Tisch zu ihrer Rechten, um sich sofort wieder davon abzustoßen und ihm im Sprung mit ihren Klauen die Brust zu zerfetzen.
Bei den Göttern, was für ein Gefühl, ein Lebewesen zu zerfleischen ... Wozu brauche ich ein Schwert?
Sie landete leichtfüßig und blieb in gebückter Haltung stehen, bereit, gleich wieder zuzuschlagen.
»Er trägt verborgene Dolche?«, brüllte der hoch über ihr aufragende Krieger erbost, während er auf die tiefen Furchen in seiner Haut blickte. Die Schnitte hatten sogar seine Lederscheide wie Butter durchtrennt. »Aidan, er gehört mir! Nur ein Stück höher, und er hätte mir die Kehle aufgeschlitzt.«
»Ich habe deine Kehle mit voller Absicht verfehlt«, gab Regin zurück. »Du kannst mir mit einem Bier danken.«
Mit einem Mal schloss sich eine riesige Pranke um ihren Nacken. Eine zweite Hand hielt ihre Handgelenke hinter ihrem Rücken fest. Vor Wut zischte sie laut auf, drehte sich um und versenkte ihre zierlichen Fänge in einem kräftigen Unterarm.
Es war der Kriegsherr selbst! Aidan hielt sie fest. Wie hatte er sich nur so schnell nähern können?
Draußen hagelte es Blitze, Donnerschläge ließen die Halle beben. Wenn der Blitz doch bloß mich treffen würde!
»Hör damit auf!« Er schüttelte sie grob, bis sie gezwungen war, ihren Biss zu lösen. Ehe sie auch nur blinzeln konnte, hatte er mit einer Faust ihren Umhang gepackt.
»Nein! Tu das nicht!«
Er riss ihn auf, atmete scharf die Luft ein und ließ sie sofort los.
Von allen Seiten kamen die Männer mit weit aufgerissenen Augen auf sie zu. Wieder stieß sie ein Zischen aus und wirbelte herum, um jegliche Bedrohung im Auge zu behalten. Sie fletschte die Fänge und zeigte ihre Krallen.
»Was ist sie?«, fragte einer von ihnen.
Aidan sah mit gerunzelter Stirn auf sie hinab. »Sie ist nur ein kleines ... Mädchen.«
»Bei Odins Bart - sie leuchtet!«, sagte Brandr.
»Er trägt gar keinen Bart!«, fauchte Regin.
Als sie das sagte, blitzte die Erkenntnis in Aidans Augen auf. Sein Blick glitt zu ihren spitzen Ohren, dann zu ihren Augen. So, wie er sie anstarrte, wusste sie, dass deren Farbe zwischen Bernstein und Silber hin- und herwechselte. »Du bist eine Walküre. Du bist diejenige, deren Haut die Nacht erleuchtet. Wir haben von dir gehört.«
»Ihr wisst gar nichts über mich!«
Aidan hob herausfordernd die Augenbrauen und zitierte einen der aktuellsten Verse über sie: »›Augen wie Bernstein im Sonnenlicht, Haut und Haar von gleißendem Gold. Eine mutigere Maid findet man nicht, das liebliche Antlitz so hold.‹ Du bist Reginleit die Strahlende.«
Aus den Reihen der Männer hörte man ehrfurchtsvolle Stimmen murmeln: »Reginleit.«
Anders Aidan. Er schüttelte den Kopf. »Du bist aber sehr weit von zu Hause entfernt, Sonnenschein.«
Dieser Trottel Brandr musste sich natürlich auch zu Wort melden. »Sie ist eine von Odins geliebten Töchtern?«
»Seine Lieblingstochter«, entgegnete Regin mit durchgedrückten Schultern. »Er liebt mich mehr als all meine Schwestern. « Mal abgesehen von Lucia. Und Nïx. Vermutlich auch Kaderin. Aber diese Sterblichen mussten ja nicht wissen, dass sie nicht gerade einer seiner Lieblinge war. Zurzeit.
»Und warum befindest du dich dann mitten in einem Krieg anstatt in der Sicherheit Walhallas?« Aidan schien das zu verärgern. »Du bist so winzig.« Er starrte sie nun mit einer eigenartigen Intensität an, anders als all die anderen Männer. Irgendwie ... beschützerisch.
»Was geht es dich an, wo ich mich aufhalte?« Sie schob sich eine Strähne aus der Stirn und hob das Kinn. »Und so winzig bin ich nun auch wieder nicht.«
»Du bist ...«, er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, »jung.«
»Was ist los, mein Freund?«, erkundigte sich Brandr neben ihm. »Dein Blick ist so wild.«
Aidan öffnete den Mund, um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Dann blickte er sich um, als sähe er seine Umgebung gerade zum allerersten Mal. »Bei den Göttern.« Er streckte die Hand nach ihr aus, als ob er ihr die Augen zuhalten wollte. »Komm mit mir, Kleine. Dies ist kein Ort für dich.«
Sie wich einen Schritt zurück.
Er sah sie mit tadelnder Miene an. »Ich habe bei meinem Leben geschworen, deinem Vater zu dienen. Du wurdest aus seinem Blitz geboren. Ich könnte dir ebenso wenig ein Leid zufügen wie mir selbst.« Als sie sich daraufhin nicht im Geringsten entspannte, fuhr er fort: »Komm. Du musst hungrig sein. Du kannst in meiner Unterkunft speisen.« Er hob ihr Schwert auf und hielt es ihr mit dem Griff zuerst hin. »Es wird jede Menge zu essen geben.«
Das verstand sich von selbst. Seine Armee war wie ein Schwarm Heuschrecken über diese Gegend hergefallen. Sämtliches Wild, das sie hätte jagen können, war bereits tot.
Sie blickte argwöhnisch auf und musterte ihn. Dieser Sterbliche schien ein ehrliches Gesicht zu haben. Und möglicherweise würde er sogar tun, worum sie ihn bat, oder ihr zumindest ein Pferd und genug Vorräte für ihre Reise geben.
Regin nahm ihr Schwert entgegen und steckte es in die Scheide. Aber als er ihr beschützend den Arm um die Schultern legte, erstarrte sie. »Ich kann durchaus alleine gehen, Berserker. «
»Dies ist ein Zeichen meiner Gunst, welches ich dir vor aller Augen schenke«, sagte er mit gesenkter Stimme.
»Ein Zeichen deiner Gunst«, wiederholte sie in trockenem Ton. »Von einem Sterblichen. Wie könnte ich dieses wohl ablehnen?« Sie gestattete ihm, sie durch die Menge gaffender Krieger und Weiber zu geleiten.
Einige wenige Berserker versuchten, ihre »güldenen Locken« oder ihre »strahlende Haut« zu berühren, doch sofort schloss sich Aidans Hand fester um ihre Schulter, und seine Augen blitzten noch heller auf. Sobald er den Männern einen unheilvollen Blick zuwarf, zogen sie sich ohne ein weiteres Wort mit erbleichenden Gesichtern zurück.
Nachdem Aidan und sie endlich den Spießrutenlauf durch die Halle hinter sich gebracht hatten und in die Sommernacht hinausgetreten waren, entspannte er sich sichtlich, auch wenn er nach wie vor geistesabwesend wirkte. Sie nutzte die Gelegenheit, um ihn einmal in aller Ruhe zu mustern.
Seine hoch aufragende Gestalt war aus der Nähe sogar noch beeindruckender. Er musste mindestens zwei Meter groß sein. Sein weißer Waffenrock bestand aus feinstem Stoff und schmiegte sich perfekt an die breiten Schultern. Schwarze Hosen aus weichem Leder betonten seine kräftigen Beine. Als aus dem Tal unter ihnen eine Brise heraufwehte, die den Duft von Sommerweizen mit sich trug und seine blonden Haare um sein Gesicht wirbeln ließ, hätte sie beinahe laut geseufzt.
Die Mitternachtssonne war untergegangen, und während sie nebeneinander hergingen, blickte er zu den Sternen empor, als erhoffte er sich von dort eine gewisse Führung. Wie oft hatte sie in der letzten Woche dasselbe getan, während sie in dieser seltsamen Welt der Sterblichen nach Lucia gesucht hatte. »Was auch immer deine Frage ist, Kriegsherr, die Sterne werden dir nicht antworten.«
Er blickte mit seinen durchdringenden grauen Augen auf sie nieder, was ihren lächerlichen Drang zu seufzen gleich aufs Neue entfachte. »Möglicherweise haben sie das bereits getan. «
Noch ehe sie ihn nach dem Sinn seiner Worte fragen konnte, blieb er vor dem größten Langhaus des Lagers stehen und öffnete die Tür für sie. Es war im Inneren prächtig ausgestattet mit Webteppichen auf dem festgestampften Lehmboden. An einem Ende stand ein hell erleuchteter Tisch mit zwei Stühlen, während am anderen Ende ein Lager aus dicken Pelzen bereitet war. In der Grube in der Mitte loderte ein Feuer.
Er nahm zwei Kerzen von dem reichen Vorrat und zündete sie im Feuer an. Dann befestigte er sie in Kerzenhaltern, die einen blank polierten Bärenschädel einrahmten.
»Bist du wohlhabend?«, fragte sie. »Für einen Sterblichen?«
»Ich habe reiche Beute gemacht. Aber was weißt du von Geld? Du bist die Tochter von Göttern.«
»Ich weiß, dass ich keines besitze, und ich brauche es für Nahrung.«
Mit wenigen Schritten war er an der Tür und befahl einem Diener, der davor wartete, ihnen das Abendessen zu bringen. Dann nahm er an dem Tisch Platz und forderte sie mit einer Geste auf, sich auf den anderen Stuhl zu setzen.
Als sie ihre Handschuhe und den Umhang abgelegt hatte, brachte ihr die Jungenkleidung, die sie darunter trug - eine Hose mit einem weiten Hemd -, gleich einen weiteren missbilligenden Blick ein. Sie zuckte nur mit den Achseln, ehe sie sich zu ihm gesellte. Sie fühlte sich wie eine Erwachsene, da sie am Tisch eines Kriegsherrn sitzen durfte - auch wenn er nur ein sterblicher Kriegsherr war.
»Diese Welt ist ein gefährlicher Ort für ein Mädchen, Reginleit. Und du bist nicht unverwundbar.«
Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte noch nicht Unsterblichkeit erlangt, und das bedeutete, dass sie Verletzungen erleiden oder krank werden - ja, sogar sterben - konnte. Und auch wenn sie als erwachsene Walküre nicht mehr auf Nahrung angewiesen sein würde, brauchte sie sie jetzt noch, um zu wachsen.
»Was in aller Welt hat dich bloß dazu gebracht, die Sicherheit deines Zuhauses zu verlassen, Kind?«
»Ich bin kein Kind! Und ich bin hier einigermaßen sicher.« Nachdem ich die blutdürstigen Feinde hinter mir gelassen habe, um diese Seite des Konflikts zu erreichen. »Ich habe Vampire getötet.« Aber es war knapp gewesen. Und mein Schwert habe ich in dem Scharmützel auch gleich verloren.
Er winkte ab, als ob sie nur Märchen erzählte. »Antworte mir, Reginleit.«
Auch wenn sie wusste, dass sie einem Fremden gegenüber lieber vorsichtig und verschwiegen sein sollte, hatte sie nie gelernt, dies zu sein. Sie brauchte seine Hilfe.
Und schon sprudelte es aus ihr heraus: »Ich bin meiner Lieblingsschwester gefolgt, als sie einem Mann folgte. Er hat versprochen, Lucia zu heiraten, aber mir ist einfach nicht wohl dabei. Sie bedeutet mir alles, und ich glaube, sie befindet sich in Gefahr.« Regin konnte nicht erklären, woher sie das wusste, aber sie hatte das untrügliche Gefühl, dass ihrer Schwester nicht mehr viel Zeit blieb.
»Du hast für sie den Himmel verlassen? Auch wenn du niemals wieder dorthin zurückgehen kannst?«
»Es ist uns Walküren verboten zurückzukehren.«
»Dann kann ich dich nur zu deiner Loyalität beglückwünschen. «
»Sie würde dasselbe für mich tun.« Sosehr sie Lucia - oder besser gesagt all ihre Schwestern - auch manchmal zur Verzweiflung trieb, wusste sie doch, dass Lucia sie liebte.
»Du hast mich heute Abend aufgesucht«, sagte er. »Was willst du von mir?«
»Ich brauche Hilfe, um Lucia zu finden.«
»Einverstanden.« Er zuckte nur die Achseln. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um euch beide wieder zu vereinen. «
Regin starrte heftig blinzelnd zu ihm hinüber. »Weil du Odin dienst?«
»Nein.« Er erhob sich und begann auf und ab zu marschieren, wobei er sich mit der Hand über den Mund fuhr. »Ich tue dies, weil wir einander dienen werden.«
»Ich begreife nicht, was du damit meinst.«
»Leider gibt es keine Möglichkeit, es dir schonend beizubringen. Reginleit, wenn du erwachsen bist, wirst du meine Frau werden.«
»Bist du wahnsinnig, Sterblicher?« Ihre Haut begann noch heller zu leuchten. »Wie meine Schwester Nïx?«
»Nïx die Allwissende? Die Hellseherin?«
»Sie hat Visionen. Was ist deine Erklärung?«
Es sah aus, als müsste er ein Grinsen unterdrücken. »Du bist sehr direkt, eine gute Eigenschaft. Aber ich bin nicht wahnsinnig. Ich bin ein Berserker. Begreifst du, was das für die Männer meines Volkes bedeutet?«
»Ich habe Geschichten über deine Art gehört. Ihr seid stärker als andere Sterbliche, schneller. Und ihr seid alle vom Geist eines Tieres besessen. Das Knurren, das Kämpfen, die Gier - alles Wesenszüge eines hungrigen Bären im Winter.«
»Das ist wahr. Und das Tier in mir spürt seine Gefährtin. Es regte sich schon bei deinen ersten Worten in mir. Ich dachte, du würdest älter sein, wenn wir uns begegnen, aber ich schätze mich glücklich, dich überhaupt gefunden zu haben.«
Er sagte das, als wäre es eine Untertreibung. Sie war sprachlos - was extrem selten vorkam.
»Gleich morgen früh werde ich dich auf den Hof meiner Familie im Norden bringen«, fuhr er fort. »Meine Eltern werden deine Erziehung übernehmen und für deine Sicherheit sorgen, bis ich zurückkehre, um dich zu mir zu holen. Deine Schwester werde ich ebenfalls dorthin bringen.«
Dieser Mann war ja völlig wahnsinnig! So langsam wurde das Ganze interessant. Regin hatte das Gefühl, es könnte ihr gefallen, mit verrückten Sterblichen zu spielen. »Und wie lange würde es dauern, bis du zurückkommst, um mich zu holen?«, fragte sie in gespielt ernsthaftem Ton.
»Vielleicht fünf oder sechs Jahre. Wenn du erwachsen bist und ich lange genug gekämpft habe, um die Unsterblichkeit zu erlangen. Dann könnten wir heiraten.«
Ah, jetzt fiel es ihr wieder ein: Berserker konnten sich Ohalla - die Unsterblichkeit - verdienen, wenn sie zweihundert Schlachten in Odins Namen gewonnen hatten. Dann tätowierten sie sich sein Zeichen, zwei fliegende Raben, auf die Brust.
Sie fragte sich, was es zuerst gegeben hatte: diese Regel oder die Kämpfe? »Ich soll einfach dasitzen und auf dich warten? Was passiert, wenn ein anderer Sterblicher beschließt, dass ich ihm gehöre und nicht dir?«
Seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Du bist allein für mich bestimmt«, sagte er in einem seltsamen Tonfall. »Begreifst du, was ich sage?«
»Ich kenne mich ein wenig damit aus.« Sie hatte so gut wie keine Ahnung von diesen Dingen: von Männern, vom Heiraten. Sie konnte einfach überhaupt nicht verstehen, wieso ihre Schwester das paradiesische Walhalla freiwillig verlassen hatte, um einem Mann zu folgen.
Einem Mann, dem ich nicht traue.
»Reginleit, du wirst nie einem anderen Mann gehören.« Sein Blick hielt ihren fest. »Ich betrachte uns von diesem Augenblick an als Mann und Frau.«
Was für ein verrückter Kerl - vollkommen wirr im Kopf. Ihr Vater würde diesen Berserker in ein Häufchen Asche verwandeln, sollte er es wagen, sie zu entführen und zu zwingen, ihn zu heiraten. Vielleicht sollte sie lieber aufhören, mit Aidan zu spielen?
»Denk lieber noch mal darüber nach. Du bist doch viel zu alt für mich. Mit einem Fuß stehst du schon im Grab und mit dem anderen schlotternd am Rand.«
Finster blickte er auf sie nieder. »So alt bin ich nicht! Ich habe erst dreißig Winter gesehen.«
Allmählich befürchtete sie, dass sie ihn nicht von seinem Vorhaben würde abbringen können. »Möglicherweise würde ich deinen Antrag in Erwägung ziehen, aber nur wenn du mir zuerst hilfst, Lucia zu retten.«
Er schüttelte bestimmt den Kopf. »Du wirst mir sagen, wo ich sie finden kann. Und ich werde sie erst holen, nachdem ich dich sicher zu meiner Familie begleitet habe.«
»Ohne mich kannst du sie nicht aufspüren.« Als eine Schwesterwalküre konnte Regin sie spüren, wenn sie nur nahe genug herankam. »Und wir dürfen keine Zeit verschwenden.«
»Du bist zu mir gekommen, um dich meiner Führung anzuvertrauen, und dies ist mein Entschluss ...«
»Deine Führung! Du bist tatsächlich völlig verrückt. Und arrogant. Ich bin die Tochter von Göttern. Ich kam zu dir, weil ich ein Pferd, Nahrung und vielleicht einige Vorreiter brauche, damit ich mich auf den Weg machen kann!«
»Die Entscheidung ist gefallen, Sonnenschein. In diesem Reich gilt, was ich sage.«
Sie wurden von der Brünetten aus der Halle unterbrochen, die jetzt ein Tablett mit Essen und Trinken hereintrug. Während sie zwei Schalen mit einem würzigen Eintopf servierte, rückte sie ihren ausladenden Busen unübersehbar in Aidans Blickfeld.
Regin dachte an ihre eigene, gerade erst knospende Brust. Zum ersten Mal im Leben fühlte sie sich minderwertig - und vielleicht war sie ein wenig eifersüchtig. Aber es war Regin, die am Tisch des Kriegsherrn saß wie eine erwachsene Frau. Und sie war es auch, die dieser dickköpfige, wahnsinnige Sterbliche zu ehelichen wünschte. Sie schenkte der Magd ein höhnisches Grinsen.
»Kein Bier für das Mädchen, Birgit«, sagte Aidan zu der Frau. »Haben wir denn keine Milch?«
Regins Gesicht lief feuerrot an. Das Schlimmste daran war, dass sie tatsächlich sehr gerne ein bisschen Milch trinken würde.
Als Birgit nach einer Weile mit dem gewünschten Getränk zurückkehrte, nahm Aidan sie praktisch gar nicht wahr, sodass Regins Groll im Nu wieder verrauchte.
Der köstliche Duft des Wildragouts erinnerte sie an ihren Hunger, und sie machte sich gierig darüber her. Das Fleisch war so zart, dass es auf der Zunge zerging. Bei den Göttern, die Sterblichen konnten wirklich kochen.
»Erzähl mir von deiner Heimat«, sagte er, während er ihr ein Stück Fladenbrot abbrach.
»Es ist ein wunderschönes Land voller Nebel«, sagte sie, ohne mit dem Essen aufzuhören. »Ruhig und friedlich.« Meistens jedenfalls. Es sei denn, Loki hatte beschlossen, ihnen einen Besuch abzustatten oder irgendjemand hatte Fenris, den riesigen Wolf, losgelassen.
»Wie sah dein Leben dort aus?«
Regin schluckte einen Bissen Brot herunter. »Du willst wirklich, dass ich ... rede?« Die meiste Zeit über flehten ihre Schwestern sie an, still und ernst zu sein.
»Ich bin neugierig auf dich.«
Sie zuckte die Achseln und beschloss, dass sie die kurze Zeit mit diesem dickköpfigen, unnachgiebigen Kriegsherren wohl genauso gut genießen könnte. Sollte es ihr nicht gelingen, ihn umzustimmen, musste sie sich in der Nacht davonschleichen und ihre Suche allein fortsetzen.
Zumindest hatte sie jetzt etwas im Magen, und über ein gestohlenes Pferd würde sie vermutlich auch verfügen.
Also erfreute sie ihn mit Geschichten über Walhalla und die Dummheiten der Halbgötter. Er lachte herzlich über all ihre Erzählungen und schien sich aufrichtig zu amüsieren. Fast meinte sie, in seiner Miene so etwas wie ... Stolz zu erblicken, was ihm einen weiteren argwöhnischen Blick von ihr eintrug. »Du hast also nichts gegen meinen Humor?«
»Ganz im Gegenteil. So hab ich nicht mehr gelacht seit ...« Er zog die Brauen zusammen. »Ich glaube, ich habe mein Lebtag nicht so gelacht.«
»Normalerweise gehe ich allen auf die Nerven, und ich mache immer Witze zum unpassendsten Zeitpunkt. Zum Beispiel während einer Exekution. Freya sagt, es sei meine Gabe und mein Fluch, andere zu frustrieren.«
»Mir gefällt deine Art, Reginleit. Ein Leben ohne Humor wäre arg lang.«
Sie sonnte sich im Lob dieses Kriegers mit den stählernen Augen - bis er hinzufügte: »Wir werden gut zueinanderpassen, Sonnenschein.«
Sie seufzte. »Du glaubst also immer noch, dass wir einmal zusammen sein werden.« Auch wenn sie spürte, dass Aidan ein ehrenhafter Mann war, war er doch in diesem Punkt seltsam irregeleitet. Odin würde Regin niemals gestatten, einen sterblichen Berserker zu ehelichen.
Und die Ohalla, nach der Aidan strebte? Sie wusste nur von einem einzigen Berserker in der gesamten Geschichte, dem es je gelungen war, sie sich zu verdienen. Die meisten starben in irgendeinem Kampf, der weit davon entfernt war, der zweihundertste zu sein - und diese Tatsache war dem gerissenen Odin wohlbekannt.
»Ich bin mir dessen ganz sicher, kleine Ehefrau.« Sobald Aidan sein Mahl beendet hatte, erhob er sich und begab sich zu seinem Bett, nahm die Pelze und baute aus ihnen zwei Lagerstätten an den gegenüberliegenden Wänden. Mit einer Geste bot er ihr die eine an, während er selbst sich auf der anderen niederließ. Er legte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf die Hand. »Wenn du erst einmal älter bist, wirst du schon einsehen, dass jede Frau einen Mann braucht, selbst eine Walküre.«
»Warum?« Sie ließ sich auf das zweite Lager plumpsen.
»Das wirst du begreifen, wenn du die Wandlung durchmachst.«
»Du meinst, wenn ich unsterblich werde?« Bei der Wandlung würde sie von einem heranwachsenden, verwundbaren Mädchen zu einer nahezu unbesiegbaren Frau werden. Ihre Schwestern sprachen nur flüsternd von dieser Zeit, aber Regin wusste nicht, wieso. Vielleicht würde dieser Mann es ihr ja endlich erklären.
»Diese Monate werden wunderbar werden.« Er legte sich auf den Rücken, die Hände hinter dem Kopf. »Spätestens dann wirst du dich mit Sicherheit nach meiner Gegenwart sehnen«, fügte er in wissendem Tonfall hinzu.
»Warum? Was passiert dann?«
»Du wirst zur Frau. Und du wirst mich genauso sehr brauchen wie ich dich.«
»Würdest du versuchen, mich zu küssen?«, fragte sie misstrauisch.
»Darauf kannst du dich verlassen.«
»Und?«
»Und jetzt solltest du schlafen. Wir haben eine weite Reise vor uns.«
»Jetzt sag schon, Kriegsherr!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, und gleich darauf schlug draußen ein Blitz ein.
Er lachte.
»Warum sollte ich denn wohl ausgerechnet dich küssen wollen? «
Er drehte sich wieder auf die Seite, sodass er ihr in die Augen sehen konnte. »Warum nicht?«
»Du führst doch immerzu nur Krieg.«
»Wohl wahr, und ich bin verdammt gut in meinem Gewerbe. Folglich werde ich immer in der Lage sein, dich zu beschützen. Und wenn du dann erwachsen bist, habe ich genug erbeutet, um dich zu verwöhnen.«
»Du bist kein Edelmann, und kultiviert bist du auch nicht.«
Er nickte gutmütig. »Ich bin in der Tat wenig vornehm, doch zugleich kenne ich auch keine Arglist. Du wirst immer wissen, was ich denke.«
»Und du glaubst wirklich, dass es dir zusteht, eine Walküre zur Frau zu nehmen?«
»Ich bin der mächtigste Berserker, der jemals lebte«, sagte er ohne jede Arroganz, so als ob er einfach nur eine unbestreitbare Tatsache feststellte.
Sie zuckte die Achseln. »Mich hast du von deinen Vorzügen aber nicht überzeugen können, Aidan.« Ebenfalls eine unbestreitbare Tatsache.
»Es gibt noch einen weiteren Grund ...«
»Erzähl mir davon.«
Seine Stimme klang schroff, als er hinzufügte: »Du solltest mich erwählen, weil ... ich dich lieben werde, Reginleit.«
Ihr Herz schien kurz auszusetzen. »Wie kannst du das sagen? Du kannst die Zukunft gar nicht kennen!«
»Ich weiß es, weil du mich schon im Alter von nur zwölf Jahren mit deinem Witz und deinem Mut für dich eingenommen hast. Und mit deiner unerschütterlichen Loyalität.« Er lehnte sich wieder zurück und grinste zur Decke des Langhauses hinauf.
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Doch niemand in diesem Feldlager lachte. Es war keine fröhliche Musik zu hören. Obwohl sie am heutigen Tage einen blutigen Sieg errungen hatten - von den Klippen über dem Schlachtfeld hatte sie ihren Zusammenstoß mit einer Armee von Vampiren beobachtet -, schienen all diese Krieger hier vor Wut zu kochen. Fast knurrten sie - ganz ähnlich wie die Bären, die diese Sterblichen verehrten.
Sämtliche Wände waren mit Bärenköpfen mit grässlichen Fängen verziert, Wikingerzeichnungen von wilden, rasenden Bären schmückten Balken und Türen.
Offensichtlich entsprach alles der Wahrheit, was sie je über die unzivilisierten Berserker gehört hatte. Ihre Lieblingshalbschwester Lucia hatte ihr einmal erzählt: »Berserker sind grimmig, gierig und besitzergreifend. Sie geraten völlig außer sich, wenn sie etwas verlieren, das ihnen gehört. Sie sind von zwei Dingen besessen: Krieg und Sex, und sie denken an nichts anderes. Selbst unsere älteren Schwestern meiden sie.«
Regin hatte gewusst, welches Risiko sie einging, als sie hierherkam, aber sie verspürte keine Angst. Lucia war es auch gewesen, die ihr dazu einmal gesagt hatte: »Manchmal glaube ich, du verfügst einfach nicht über genug Vernunft, um dich zu fürchten, wenn du dich fürchten solltest.« Regin hatte das folgendermaßen interpretiert: »Du verspürst keinerlei Angst, oh du erhabene Reginleit.«
Ganz davon abgesehen hatte sie keine andere Wahl. Sie brauchte die Hilfe dieser Sterblichen. Sie hatte kein Pferd und war vor ein paar Tagen mit knapper Not einem Hinterhalt der Vampire entkommen. Ihr Bauch war leer, und die Schalen voller Eintopf und das Wildbret auf den voll beladenen Tischen ließen ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Außerdem war Lucia in Gefahr.
Sobald sie sich wieder an den eigentlichen Zweck ihres Hierseins erinnerte, straffte sie die Schultern. Da die Berserker die Wachen ihres Vaters waren, war es doch sicherlich auch deren Pflicht, ihr zu dienen. Sollte ihr hier jedoch jemand Ärger machen wollen, würde sie nicht zögern, das lange Schwert einzusetzen, das sie in einer Scheide quer über ihrem Rücken trug, oder auch ihre Klauen, die, verborgen in den langen Ärmeln ihres Gewandes, aus Schlitzen in ihren Handschuhen herausragten.
Zwei beinahe nackte Krieger, die einander in tödlicher Umarmung umklammert hielten, taumelten an ihr vorbei. Überall um sie herum wurde gekämpft - Streitigkeiten wegen Weibern, Wein und Waffen. Schon beim geringsten Anlass verfielen diese Männer in ihre Berserkerwut, mit leuchtenden Augen und schwellenden Muskeln.
Wie passend, dass dieses Feldlager gleich an der Grenze zu einem Kriegsgebiet errichtet worden war. Seit vielen Jahrzehnten verteidigten die Berserker diesen strategisch bedeutsamen Pass gegen eine unsterbliche Bedrohung und beschützten damit die Dörfer, die in dem Tal darunter lagen. Sie begann zu begreifen, dass es ein Segen war, wenn diese Männer hier an vorderster Front blieben - und sich der Zivilisation fernhielten.
Als sie sich nun mit ihren Wachen immer tiefer in die Halle hineinbegab, blieb Regin mit einem Mal abrupt stehen. Nur wenige Meter vor ihr auf dem Podest saß der Mann auf dem Thron, den sie vorhin im ungestümen Kampfgetümmel entdeckt und hingebungsvoll beobachtet hatte.
Angesichts der unübertroffenen Geschwindigkeit und Kraft, mit der er seine Streitaxt geschwungen hatte, war sie davon ausgegangen, dass er ihr Anführer war: Aidan.
Auf der Lehne seines Throns saß eine dralle Brünette, die ihm einen gefüllten Krug darbot und etwas ins Ohr flüsterte. Die Magd blickte ihn voller Erregung an, ihre Atmung war flach. Hält sie den Kriegsherrn für gut aussehend? Regin musterte ihn. Da sind wir beide uns einig.
Er hatte breite Schultern und muskulöse Arme und war insgesamt so kräftig gebaut wie ein Bär. Sein blondes Haar war dicht, und einige Strähnen waren zu wirren Zöpfen geflochten, sodass sie ihm nicht ständig ins Gesicht fielen. Er besaß noch all seine Zähne, und sie waren weiß und ebenmäßig. Seine von der Sonne gebräunte Haut ließ die wintergrauen Augen besonders hervorstechen.
Als er sich während des Kampfes seiner Berserkerwut hingegeben hatte, hatten diese Augen wie vom Blitz zerrissene Gewitterwolken geleuchtet.
Jetzt zog er die Frau auf seinen Schoß, zweifellos in der Absicht, sich dem liederlichen Treiben um ihn herum anzuschließen. Und siehe da, schon legt er los ... Er löste die Schnüre ihres stramm sitzenden Mieders.
»Mein Herr, haltet kurz ein«, beeilte sich eine der Wachen zu sagen. Um den Kriegsherren aufzuhalten, ehe es zu spät war?
»Was ist?« Aidan sah nicht einmal auf und ließ sich nicht davon abhalten, weiter die ausladenden Brüste der Frau freizulegen. Sobald er ihr Mieder gelockert hatte, schob er seine große Hand hinein, um eine davon zu umfassen.
»Dieser Junge verlangte danach, Euch zu sehen.«
Junge. Männer nahmen stets an, sie wäre einer von ihnen, nur weil sie Hosen trug und ein Schwert mit sich führte.
Aidan wandte sich um, bis sein Blick auf Regin fiel. »Wer bist du?«, fragte er mit tiefer, donnernder Stimme. Augenblicklich verlangsamten sich die ungestümen Raufereien in der ganzen Halle, und die Männer ließen sich von den Huren ablenken.
»Ich bin ein müder Reisender und brauche Hilfe«, antwortete sie aufrichtig.
Bei ihren Worten zogen sich seine Brauen zusammen. »Deine Stimme klingt ... vertraut.« Er zog die Hand aus dem Mieder der Frau und setzte sich aufrecht hin. Seine Haltung drückte eine gewisse Anspannung aus, als ob allein schon ihre Stimme ihn nervös gemacht hätte. »Auch wenn dein Akzent fremd ist.«
»Eure Sprache ist nicht meine Muttersprache.« Das war die uralte Sprache der Unsterblichen. Seine Sprache, das Altnordische, war ihre erste Fremdsprache.
»Tritt näher.«
Auch wenn es ihr widerstrebte, Befehle von einem Sterblichen zu befolgen, trat Regin vor.
Sein Blick war wachsam, prüfend. Sie war sich dessen bewusst, dass er sie von Kopf bis Fuß eingehend musterte: ihren Gang, den ungewöhnlich kostbaren Stoff ihres Umhangs, die goldene Brosche, die ihre Kapuze fixierte.
Die Magd versuchte, seine Aufmerksamkeit erneut auf sich zu lenken, indem sie ihm die Hand ans Gesicht legte, aber Aidan wischte sie einfach fort. Als sie sich daraufhin aufreizend auf seinem Schoß bewegte, sah er sie finster an und zischte ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie ein beleidigtes Schnauben ausstieß und davonstolzierte. Dennoch warf sie einen sehnsüchtigen Blick über die Schulter hinweg zurück.
Aus irgendeinem Grund war Regin froh, dass Aidan die vollbusige Brünette fortgeschickt hatte. Vermutlich war sie einfach nur erleichtert, da er ihr jetzt mit Sicherheit seine volle Aufmerksamkeit schenkte. »Ich sah Euch heute auf dem Schlachtfeld, Kriegsherr. Ihr habt gut gekämpft.« Wie immer sprach sie einfach jeden Gedanken aus, der ihr gerade in den Sinn kam. Gleich darauf schossen ihr wieder einmal Lucias Worte durch den Kopf:
Du musst wirklich lernen, den Mund zu halten. Du würdest sogar die Geduld eines Gletschers auf die Probe stellen.
Er beugte sich vor. »Wir sind Berserker, Junge - wir kämpfen alle gut.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Sie zeigte mit dem Daumen auf einen jungen, schwarzhaarigen Mann, der an Aidans rechter Seite saß. »Er nicht. Er vernachlässigt seine Deckung.« Halt die Klappe, Regin!
Auf einen Moment verblüfften Schweigens folgte leises Lachen hier und da. Sogar Aidan grinste, auch wenn ihn seine Reaktion selbst zu erstaunen schien.
Der Mann, den sie beleidigt hatte, sprang auf die Füße und kam mit zusammengekniffenen Augen auf sie zumarschiert. »Dir werd ich zeigen, wie sehr ich meine Deckung vernachlässige.« Regin zog sogleich ihr Langschwert aus der Scheide und hielt es zwischen ihnen in die Höhe.
Er warf ihr einen angewiderten Blick zu. »Das Schwert ist ja größer als du, räudiger Köter.«
»Damit ich dich lehren kann, auf deine Deckung zu achten, du Bastard.«
Wieder ertönte Gelächter. Der Mann ballte die Fäuste, seine Muskeln spannten sich an, wuchsen ... Schon jetzt stand er am Rand der Berserkerwut.
»Halt dich zurück, Brandr«, befahl Aidan.
Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen herzukommen. Diese Männer waren zu ungestüm, zu aufbrausend, um ihr zu helfen. Und wenn ausgerechnet eine Walküre das schon dachte!
Selbst in Aidan, der allem Anschein nach über mehr Selbstbeherrschung verfügte als die anderen, schien es jetzt zu brodeln. Und auch wenn die Berserker Odins Wachen waren, würden sie ihr vielleicht doch etwas antun, wenn sie herausfanden, dass sie ein weibliches Wesen war. Was würde Lucia an ihrer Stelle tun? Sie würde diesen Ort augenblicklich verlassen, ohne preiszugeben, dass sie eine Frau war.
»Du musst entweder sehr mutig sein oder aber sehr dumm, wenn du einen meiner stärksten Krieger herausforderst, Junge«, bemerkte Aidan. »Jetzt sag mir aber, warum du mich in meiner Halle aufsuchst.« Er sah sie mit zur Seite geneigtem Kopf an. »Und warum du deine Haut bedeckt hältst, als ob du ein uralter Druide wärst.«
»Vermutlich hat der Welpe die Pocken«, stieß Brandr mit rauer Stimme hervor.
Pocken? Nur mit Mühe gelang es ihr, einen empörten Kommentar herunterzuschlucken.
»Genug!« Aidan rieb sich die blonden Bartstoppeln auf dem Kinn. »Warst du vielleicht krank? Womöglich mangelt es dir ja an der Kraft, die nötig ist, um diese lange Klinge zu führen - oder um Männer zu verspotten, die größer sind als du.«
Regins Augen wurden groß. »Mir soll es an Kraft mangeln?« Sie mochte erst zwölf sein und immer noch verletzlich, und dieses verflixte Schwert war in der Tat viel zu groß für sie, aber sie konnte all diese Sterblichen mit Zähnen und Klauen abschlachten, wenn es sein musste ...
Brandr schlug ohne Vorwarnung zu. Er stürzte sich auf sie, und ehe sie sich verteidigen konnte, hatte er ihr schon zwei schwere Hiebe aufs Handgelenk verpasst, sodass sie das Schwert fallen ließ.
Als er sich mit einem höhnischen Grinsen wieder aufrichtete, ignorierte sie ihre Waffe und ließ zu, dass ihre Instinkte das Kommando übernahmen. Sie sprang auf einen Tisch zu ihrer Rechten, um sich sofort wieder davon abzustoßen und ihm im Sprung mit ihren Klauen die Brust zu zerfetzen.
Bei den Göttern, was für ein Gefühl, ein Lebewesen zu zerfleischen ... Wozu brauche ich ein Schwert?
Sie landete leichtfüßig und blieb in gebückter Haltung stehen, bereit, gleich wieder zuzuschlagen.
»Er trägt verborgene Dolche?«, brüllte der hoch über ihr aufragende Krieger erbost, während er auf die tiefen Furchen in seiner Haut blickte. Die Schnitte hatten sogar seine Lederscheide wie Butter durchtrennt. »Aidan, er gehört mir! Nur ein Stück höher, und er hätte mir die Kehle aufgeschlitzt.«
»Ich habe deine Kehle mit voller Absicht verfehlt«, gab Regin zurück. »Du kannst mir mit einem Bier danken.«
Mit einem Mal schloss sich eine riesige Pranke um ihren Nacken. Eine zweite Hand hielt ihre Handgelenke hinter ihrem Rücken fest. Vor Wut zischte sie laut auf, drehte sich um und versenkte ihre zierlichen Fänge in einem kräftigen Unterarm.
Es war der Kriegsherr selbst! Aidan hielt sie fest. Wie hatte er sich nur so schnell nähern können?
Draußen hagelte es Blitze, Donnerschläge ließen die Halle beben. Wenn der Blitz doch bloß mich treffen würde!
»Hör damit auf!« Er schüttelte sie grob, bis sie gezwungen war, ihren Biss zu lösen. Ehe sie auch nur blinzeln konnte, hatte er mit einer Faust ihren Umhang gepackt.
»Nein! Tu das nicht!«
Er riss ihn auf, atmete scharf die Luft ein und ließ sie sofort los.
Von allen Seiten kamen die Männer mit weit aufgerissenen Augen auf sie zu. Wieder stieß sie ein Zischen aus und wirbelte herum, um jegliche Bedrohung im Auge zu behalten. Sie fletschte die Fänge und zeigte ihre Krallen.
»Was ist sie?«, fragte einer von ihnen.
Aidan sah mit gerunzelter Stirn auf sie hinab. »Sie ist nur ein kleines ... Mädchen.«
»Bei Odins Bart - sie leuchtet!«, sagte Brandr.
»Er trägt gar keinen Bart!«, fauchte Regin.
Als sie das sagte, blitzte die Erkenntnis in Aidans Augen auf. Sein Blick glitt zu ihren spitzen Ohren, dann zu ihren Augen. So, wie er sie anstarrte, wusste sie, dass deren Farbe zwischen Bernstein und Silber hin- und herwechselte. »Du bist eine Walküre. Du bist diejenige, deren Haut die Nacht erleuchtet. Wir haben von dir gehört.«
»Ihr wisst gar nichts über mich!«
Aidan hob herausfordernd die Augenbrauen und zitierte einen der aktuellsten Verse über sie: »›Augen wie Bernstein im Sonnenlicht, Haut und Haar von gleißendem Gold. Eine mutigere Maid findet man nicht, das liebliche Antlitz so hold.‹ Du bist Reginleit die Strahlende.«
Aus den Reihen der Männer hörte man ehrfurchtsvolle Stimmen murmeln: »Reginleit.«
Anders Aidan. Er schüttelte den Kopf. »Du bist aber sehr weit von zu Hause entfernt, Sonnenschein.«
Dieser Trottel Brandr musste sich natürlich auch zu Wort melden. »Sie ist eine von Odins geliebten Töchtern?«
»Seine Lieblingstochter«, entgegnete Regin mit durchgedrückten Schultern. »Er liebt mich mehr als all meine Schwestern. « Mal abgesehen von Lucia. Und Nïx. Vermutlich auch Kaderin. Aber diese Sterblichen mussten ja nicht wissen, dass sie nicht gerade einer seiner Lieblinge war. Zurzeit.
»Und warum befindest du dich dann mitten in einem Krieg anstatt in der Sicherheit Walhallas?« Aidan schien das zu verärgern. »Du bist so winzig.« Er starrte sie nun mit einer eigenartigen Intensität an, anders als all die anderen Männer. Irgendwie ... beschützerisch.
»Was geht es dich an, wo ich mich aufhalte?« Sie schob sich eine Strähne aus der Stirn und hob das Kinn. »Und so winzig bin ich nun auch wieder nicht.«
»Du bist ...«, er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, »jung.«
»Was ist los, mein Freund?«, erkundigte sich Brandr neben ihm. »Dein Blick ist so wild.«
Aidan öffnete den Mund, um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Dann blickte er sich um, als sähe er seine Umgebung gerade zum allerersten Mal. »Bei den Göttern.« Er streckte die Hand nach ihr aus, als ob er ihr die Augen zuhalten wollte. »Komm mit mir, Kleine. Dies ist kein Ort für dich.«
Sie wich einen Schritt zurück.
Er sah sie mit tadelnder Miene an. »Ich habe bei meinem Leben geschworen, deinem Vater zu dienen. Du wurdest aus seinem Blitz geboren. Ich könnte dir ebenso wenig ein Leid zufügen wie mir selbst.« Als sie sich daraufhin nicht im Geringsten entspannte, fuhr er fort: »Komm. Du musst hungrig sein. Du kannst in meiner Unterkunft speisen.« Er hob ihr Schwert auf und hielt es ihr mit dem Griff zuerst hin. »Es wird jede Menge zu essen geben.«
Das verstand sich von selbst. Seine Armee war wie ein Schwarm Heuschrecken über diese Gegend hergefallen. Sämtliches Wild, das sie hätte jagen können, war bereits tot.
Sie blickte argwöhnisch auf und musterte ihn. Dieser Sterbliche schien ein ehrliches Gesicht zu haben. Und möglicherweise würde er sogar tun, worum sie ihn bat, oder ihr zumindest ein Pferd und genug Vorräte für ihre Reise geben.
Regin nahm ihr Schwert entgegen und steckte es in die Scheide. Aber als er ihr beschützend den Arm um die Schultern legte, erstarrte sie. »Ich kann durchaus alleine gehen, Berserker. «
»Dies ist ein Zeichen meiner Gunst, welches ich dir vor aller Augen schenke«, sagte er mit gesenkter Stimme.
»Ein Zeichen deiner Gunst«, wiederholte sie in trockenem Ton. »Von einem Sterblichen. Wie könnte ich dieses wohl ablehnen?« Sie gestattete ihm, sie durch die Menge gaffender Krieger und Weiber zu geleiten.
Einige wenige Berserker versuchten, ihre »güldenen Locken« oder ihre »strahlende Haut« zu berühren, doch sofort schloss sich Aidans Hand fester um ihre Schulter, und seine Augen blitzten noch heller auf. Sobald er den Männern einen unheilvollen Blick zuwarf, zogen sie sich ohne ein weiteres Wort mit erbleichenden Gesichtern zurück.
Nachdem Aidan und sie endlich den Spießrutenlauf durch die Halle hinter sich gebracht hatten und in die Sommernacht hinausgetreten waren, entspannte er sich sichtlich, auch wenn er nach wie vor geistesabwesend wirkte. Sie nutzte die Gelegenheit, um ihn einmal in aller Ruhe zu mustern.
Seine hoch aufragende Gestalt war aus der Nähe sogar noch beeindruckender. Er musste mindestens zwei Meter groß sein. Sein weißer Waffenrock bestand aus feinstem Stoff und schmiegte sich perfekt an die breiten Schultern. Schwarze Hosen aus weichem Leder betonten seine kräftigen Beine. Als aus dem Tal unter ihnen eine Brise heraufwehte, die den Duft von Sommerweizen mit sich trug und seine blonden Haare um sein Gesicht wirbeln ließ, hätte sie beinahe laut geseufzt.
Die Mitternachtssonne war untergegangen, und während sie nebeneinander hergingen, blickte er zu den Sternen empor, als erhoffte er sich von dort eine gewisse Führung. Wie oft hatte sie in der letzten Woche dasselbe getan, während sie in dieser seltsamen Welt der Sterblichen nach Lucia gesucht hatte. »Was auch immer deine Frage ist, Kriegsherr, die Sterne werden dir nicht antworten.«
Er blickte mit seinen durchdringenden grauen Augen auf sie nieder, was ihren lächerlichen Drang zu seufzen gleich aufs Neue entfachte. »Möglicherweise haben sie das bereits getan. «
Noch ehe sie ihn nach dem Sinn seiner Worte fragen konnte, blieb er vor dem größten Langhaus des Lagers stehen und öffnete die Tür für sie. Es war im Inneren prächtig ausgestattet mit Webteppichen auf dem festgestampften Lehmboden. An einem Ende stand ein hell erleuchteter Tisch mit zwei Stühlen, während am anderen Ende ein Lager aus dicken Pelzen bereitet war. In der Grube in der Mitte loderte ein Feuer.
Er nahm zwei Kerzen von dem reichen Vorrat und zündete sie im Feuer an. Dann befestigte er sie in Kerzenhaltern, die einen blank polierten Bärenschädel einrahmten.
»Bist du wohlhabend?«, fragte sie. »Für einen Sterblichen?«
»Ich habe reiche Beute gemacht. Aber was weißt du von Geld? Du bist die Tochter von Göttern.«
»Ich weiß, dass ich keines besitze, und ich brauche es für Nahrung.«
Mit wenigen Schritten war er an der Tür und befahl einem Diener, der davor wartete, ihnen das Abendessen zu bringen. Dann nahm er an dem Tisch Platz und forderte sie mit einer Geste auf, sich auf den anderen Stuhl zu setzen.
Als sie ihre Handschuhe und den Umhang abgelegt hatte, brachte ihr die Jungenkleidung, die sie darunter trug - eine Hose mit einem weiten Hemd -, gleich einen weiteren missbilligenden Blick ein. Sie zuckte nur mit den Achseln, ehe sie sich zu ihm gesellte. Sie fühlte sich wie eine Erwachsene, da sie am Tisch eines Kriegsherrn sitzen durfte - auch wenn er nur ein sterblicher Kriegsherr war.
»Diese Welt ist ein gefährlicher Ort für ein Mädchen, Reginleit. Und du bist nicht unverwundbar.«
Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte noch nicht Unsterblichkeit erlangt, und das bedeutete, dass sie Verletzungen erleiden oder krank werden - ja, sogar sterben - konnte. Und auch wenn sie als erwachsene Walküre nicht mehr auf Nahrung angewiesen sein würde, brauchte sie sie jetzt noch, um zu wachsen.
»Was in aller Welt hat dich bloß dazu gebracht, die Sicherheit deines Zuhauses zu verlassen, Kind?«
»Ich bin kein Kind! Und ich bin hier einigermaßen sicher.« Nachdem ich die blutdürstigen Feinde hinter mir gelassen habe, um diese Seite des Konflikts zu erreichen. »Ich habe Vampire getötet.« Aber es war knapp gewesen. Und mein Schwert habe ich in dem Scharmützel auch gleich verloren.
Er winkte ab, als ob sie nur Märchen erzählte. »Antworte mir, Reginleit.«
Auch wenn sie wusste, dass sie einem Fremden gegenüber lieber vorsichtig und verschwiegen sein sollte, hatte sie nie gelernt, dies zu sein. Sie brauchte seine Hilfe.
Und schon sprudelte es aus ihr heraus: »Ich bin meiner Lieblingsschwester gefolgt, als sie einem Mann folgte. Er hat versprochen, Lucia zu heiraten, aber mir ist einfach nicht wohl dabei. Sie bedeutet mir alles, und ich glaube, sie befindet sich in Gefahr.« Regin konnte nicht erklären, woher sie das wusste, aber sie hatte das untrügliche Gefühl, dass ihrer Schwester nicht mehr viel Zeit blieb.
»Du hast für sie den Himmel verlassen? Auch wenn du niemals wieder dorthin zurückgehen kannst?«
»Es ist uns Walküren verboten zurückzukehren.«
»Dann kann ich dich nur zu deiner Loyalität beglückwünschen. «
»Sie würde dasselbe für mich tun.« Sosehr sie Lucia - oder besser gesagt all ihre Schwestern - auch manchmal zur Verzweiflung trieb, wusste sie doch, dass Lucia sie liebte.
»Du hast mich heute Abend aufgesucht«, sagte er. »Was willst du von mir?«
»Ich brauche Hilfe, um Lucia zu finden.«
»Einverstanden.« Er zuckte nur die Achseln. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um euch beide wieder zu vereinen. «
Regin starrte heftig blinzelnd zu ihm hinüber. »Weil du Odin dienst?«
»Nein.« Er erhob sich und begann auf und ab zu marschieren, wobei er sich mit der Hand über den Mund fuhr. »Ich tue dies, weil wir einander dienen werden.«
»Ich begreife nicht, was du damit meinst.«
»Leider gibt es keine Möglichkeit, es dir schonend beizubringen. Reginleit, wenn du erwachsen bist, wirst du meine Frau werden.«
»Bist du wahnsinnig, Sterblicher?« Ihre Haut begann noch heller zu leuchten. »Wie meine Schwester Nïx?«
»Nïx die Allwissende? Die Hellseherin?«
»Sie hat Visionen. Was ist deine Erklärung?«
Es sah aus, als müsste er ein Grinsen unterdrücken. »Du bist sehr direkt, eine gute Eigenschaft. Aber ich bin nicht wahnsinnig. Ich bin ein Berserker. Begreifst du, was das für die Männer meines Volkes bedeutet?«
»Ich habe Geschichten über deine Art gehört. Ihr seid stärker als andere Sterbliche, schneller. Und ihr seid alle vom Geist eines Tieres besessen. Das Knurren, das Kämpfen, die Gier - alles Wesenszüge eines hungrigen Bären im Winter.«
»Das ist wahr. Und das Tier in mir spürt seine Gefährtin. Es regte sich schon bei deinen ersten Worten in mir. Ich dachte, du würdest älter sein, wenn wir uns begegnen, aber ich schätze mich glücklich, dich überhaupt gefunden zu haben.«
Er sagte das, als wäre es eine Untertreibung. Sie war sprachlos - was extrem selten vorkam.
»Gleich morgen früh werde ich dich auf den Hof meiner Familie im Norden bringen«, fuhr er fort. »Meine Eltern werden deine Erziehung übernehmen und für deine Sicherheit sorgen, bis ich zurückkehre, um dich zu mir zu holen. Deine Schwester werde ich ebenfalls dorthin bringen.«
Dieser Mann war ja völlig wahnsinnig! So langsam wurde das Ganze interessant. Regin hatte das Gefühl, es könnte ihr gefallen, mit verrückten Sterblichen zu spielen. »Und wie lange würde es dauern, bis du zurückkommst, um mich zu holen?«, fragte sie in gespielt ernsthaftem Ton.
»Vielleicht fünf oder sechs Jahre. Wenn du erwachsen bist und ich lange genug gekämpft habe, um die Unsterblichkeit zu erlangen. Dann könnten wir heiraten.«
Ah, jetzt fiel es ihr wieder ein: Berserker konnten sich Ohalla - die Unsterblichkeit - verdienen, wenn sie zweihundert Schlachten in Odins Namen gewonnen hatten. Dann tätowierten sie sich sein Zeichen, zwei fliegende Raben, auf die Brust.
Sie fragte sich, was es zuerst gegeben hatte: diese Regel oder die Kämpfe? »Ich soll einfach dasitzen und auf dich warten? Was passiert, wenn ein anderer Sterblicher beschließt, dass ich ihm gehöre und nicht dir?«
Seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Du bist allein für mich bestimmt«, sagte er in einem seltsamen Tonfall. »Begreifst du, was ich sage?«
»Ich kenne mich ein wenig damit aus.« Sie hatte so gut wie keine Ahnung von diesen Dingen: von Männern, vom Heiraten. Sie konnte einfach überhaupt nicht verstehen, wieso ihre Schwester das paradiesische Walhalla freiwillig verlassen hatte, um einem Mann zu folgen.
Einem Mann, dem ich nicht traue.
»Reginleit, du wirst nie einem anderen Mann gehören.« Sein Blick hielt ihren fest. »Ich betrachte uns von diesem Augenblick an als Mann und Frau.«
Was für ein verrückter Kerl - vollkommen wirr im Kopf. Ihr Vater würde diesen Berserker in ein Häufchen Asche verwandeln, sollte er es wagen, sie zu entführen und zu zwingen, ihn zu heiraten. Vielleicht sollte sie lieber aufhören, mit Aidan zu spielen?
»Denk lieber noch mal darüber nach. Du bist doch viel zu alt für mich. Mit einem Fuß stehst du schon im Grab und mit dem anderen schlotternd am Rand.«
Finster blickte er auf sie nieder. »So alt bin ich nicht! Ich habe erst dreißig Winter gesehen.«
Allmählich befürchtete sie, dass sie ihn nicht von seinem Vorhaben würde abbringen können. »Möglicherweise würde ich deinen Antrag in Erwägung ziehen, aber nur wenn du mir zuerst hilfst, Lucia zu retten.«
Er schüttelte bestimmt den Kopf. »Du wirst mir sagen, wo ich sie finden kann. Und ich werde sie erst holen, nachdem ich dich sicher zu meiner Familie begleitet habe.«
»Ohne mich kannst du sie nicht aufspüren.« Als eine Schwesterwalküre konnte Regin sie spüren, wenn sie nur nahe genug herankam. »Und wir dürfen keine Zeit verschwenden.«
»Du bist zu mir gekommen, um dich meiner Führung anzuvertrauen, und dies ist mein Entschluss ...«
»Deine Führung! Du bist tatsächlich völlig verrückt. Und arrogant. Ich bin die Tochter von Göttern. Ich kam zu dir, weil ich ein Pferd, Nahrung und vielleicht einige Vorreiter brauche, damit ich mich auf den Weg machen kann!«
»Die Entscheidung ist gefallen, Sonnenschein. In diesem Reich gilt, was ich sage.«
Sie wurden von der Brünetten aus der Halle unterbrochen, die jetzt ein Tablett mit Essen und Trinken hereintrug. Während sie zwei Schalen mit einem würzigen Eintopf servierte, rückte sie ihren ausladenden Busen unübersehbar in Aidans Blickfeld.
Regin dachte an ihre eigene, gerade erst knospende Brust. Zum ersten Mal im Leben fühlte sie sich minderwertig - und vielleicht war sie ein wenig eifersüchtig. Aber es war Regin, die am Tisch des Kriegsherrn saß wie eine erwachsene Frau. Und sie war es auch, die dieser dickköpfige, wahnsinnige Sterbliche zu ehelichen wünschte. Sie schenkte der Magd ein höhnisches Grinsen.
»Kein Bier für das Mädchen, Birgit«, sagte Aidan zu der Frau. »Haben wir denn keine Milch?«
Regins Gesicht lief feuerrot an. Das Schlimmste daran war, dass sie tatsächlich sehr gerne ein bisschen Milch trinken würde.
Als Birgit nach einer Weile mit dem gewünschten Getränk zurückkehrte, nahm Aidan sie praktisch gar nicht wahr, sodass Regins Groll im Nu wieder verrauchte.
Der köstliche Duft des Wildragouts erinnerte sie an ihren Hunger, und sie machte sich gierig darüber her. Das Fleisch war so zart, dass es auf der Zunge zerging. Bei den Göttern, die Sterblichen konnten wirklich kochen.
»Erzähl mir von deiner Heimat«, sagte er, während er ihr ein Stück Fladenbrot abbrach.
»Es ist ein wunderschönes Land voller Nebel«, sagte sie, ohne mit dem Essen aufzuhören. »Ruhig und friedlich.« Meistens jedenfalls. Es sei denn, Loki hatte beschlossen, ihnen einen Besuch abzustatten oder irgendjemand hatte Fenris, den riesigen Wolf, losgelassen.
»Wie sah dein Leben dort aus?«
Regin schluckte einen Bissen Brot herunter. »Du willst wirklich, dass ich ... rede?« Die meiste Zeit über flehten ihre Schwestern sie an, still und ernst zu sein.
»Ich bin neugierig auf dich.«
Sie zuckte die Achseln und beschloss, dass sie die kurze Zeit mit diesem dickköpfigen, unnachgiebigen Kriegsherren wohl genauso gut genießen könnte. Sollte es ihr nicht gelingen, ihn umzustimmen, musste sie sich in der Nacht davonschleichen und ihre Suche allein fortsetzen.
Zumindest hatte sie jetzt etwas im Magen, und über ein gestohlenes Pferd würde sie vermutlich auch verfügen.
Also erfreute sie ihn mit Geschichten über Walhalla und die Dummheiten der Halbgötter. Er lachte herzlich über all ihre Erzählungen und schien sich aufrichtig zu amüsieren. Fast meinte sie, in seiner Miene so etwas wie ... Stolz zu erblicken, was ihm einen weiteren argwöhnischen Blick von ihr eintrug. »Du hast also nichts gegen meinen Humor?«
»Ganz im Gegenteil. So hab ich nicht mehr gelacht seit ...« Er zog die Brauen zusammen. »Ich glaube, ich habe mein Lebtag nicht so gelacht.«
»Normalerweise gehe ich allen auf die Nerven, und ich mache immer Witze zum unpassendsten Zeitpunkt. Zum Beispiel während einer Exekution. Freya sagt, es sei meine Gabe und mein Fluch, andere zu frustrieren.«
»Mir gefällt deine Art, Reginleit. Ein Leben ohne Humor wäre arg lang.«
Sie sonnte sich im Lob dieses Kriegers mit den stählernen Augen - bis er hinzufügte: »Wir werden gut zueinanderpassen, Sonnenschein.«
Sie seufzte. »Du glaubst also immer noch, dass wir einmal zusammen sein werden.« Auch wenn sie spürte, dass Aidan ein ehrenhafter Mann war, war er doch in diesem Punkt seltsam irregeleitet. Odin würde Regin niemals gestatten, einen sterblichen Berserker zu ehelichen.
Und die Ohalla, nach der Aidan strebte? Sie wusste nur von einem einzigen Berserker in der gesamten Geschichte, dem es je gelungen war, sie sich zu verdienen. Die meisten starben in irgendeinem Kampf, der weit davon entfernt war, der zweihundertste zu sein - und diese Tatsache war dem gerissenen Odin wohlbekannt.
»Ich bin mir dessen ganz sicher, kleine Ehefrau.« Sobald Aidan sein Mahl beendet hatte, erhob er sich und begab sich zu seinem Bett, nahm die Pelze und baute aus ihnen zwei Lagerstätten an den gegenüberliegenden Wänden. Mit einer Geste bot er ihr die eine an, während er selbst sich auf der anderen niederließ. Er legte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf die Hand. »Wenn du erst einmal älter bist, wirst du schon einsehen, dass jede Frau einen Mann braucht, selbst eine Walküre.«
»Warum?« Sie ließ sich auf das zweite Lager plumpsen.
»Das wirst du begreifen, wenn du die Wandlung durchmachst.«
»Du meinst, wenn ich unsterblich werde?« Bei der Wandlung würde sie von einem heranwachsenden, verwundbaren Mädchen zu einer nahezu unbesiegbaren Frau werden. Ihre Schwestern sprachen nur flüsternd von dieser Zeit, aber Regin wusste nicht, wieso. Vielleicht würde dieser Mann es ihr ja endlich erklären.
»Diese Monate werden wunderbar werden.« Er legte sich auf den Rücken, die Hände hinter dem Kopf. »Spätestens dann wirst du dich mit Sicherheit nach meiner Gegenwart sehnen«, fügte er in wissendem Tonfall hinzu.
»Warum? Was passiert dann?«
»Du wirst zur Frau. Und du wirst mich genauso sehr brauchen wie ich dich.«
»Würdest du versuchen, mich zu küssen?«, fragte sie misstrauisch.
»Darauf kannst du dich verlassen.«
»Und?«
»Und jetzt solltest du schlafen. Wir haben eine weite Reise vor uns.«
»Jetzt sag schon, Kriegsherr!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, und gleich darauf schlug draußen ein Blitz ein.
Er lachte.
»Warum sollte ich denn wohl ausgerechnet dich küssen wollen? «
Er drehte sich wieder auf die Seite, sodass er ihr in die Augen sehen konnte. »Warum nicht?«
»Du führst doch immerzu nur Krieg.«
»Wohl wahr, und ich bin verdammt gut in meinem Gewerbe. Folglich werde ich immer in der Lage sein, dich zu beschützen. Und wenn du dann erwachsen bist, habe ich genug erbeutet, um dich zu verwöhnen.«
»Du bist kein Edelmann, und kultiviert bist du auch nicht.«
Er nickte gutmütig. »Ich bin in der Tat wenig vornehm, doch zugleich kenne ich auch keine Arglist. Du wirst immer wissen, was ich denke.«
»Und du glaubst wirklich, dass es dir zusteht, eine Walküre zur Frau zu nehmen?«
»Ich bin der mächtigste Berserker, der jemals lebte«, sagte er ohne jede Arroganz, so als ob er einfach nur eine unbestreitbare Tatsache feststellte.
Sie zuckte die Achseln. »Mich hast du von deinen Vorzügen aber nicht überzeugen können, Aidan.« Ebenfalls eine unbestreitbare Tatsache.
»Es gibt noch einen weiteren Grund ...«
»Erzähl mir davon.«
Seine Stimme klang schroff, als er hinzufügte: »Du solltest mich erwählen, weil ... ich dich lieben werde, Reginleit.«
Ihr Herz schien kurz auszusetzen. »Wie kannst du das sagen? Du kannst die Zukunft gar nicht kennen!«
»Ich weiß es, weil du mich schon im Alter von nur zwölf Jahren mit deinem Witz und deinem Mut für dich eingenommen hast. Und mit deiner unerschütterlichen Loyalität.« Er lehnte sich wieder zurück und grinste zur Decke des Langhauses hinauf.
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Autoren-Porträt von Kresley Cole
Nach einer Karriere als Athletin und Trainerin veröffentlichte Kresley Cole 2003 ihren ersten Roman und ist seither eine der international erfolgreichsten Autorinnen historischer und fantastischer Liebesromane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kresley Cole
- Altersempfehlung: Ab 16 Jahre
- 2013, 1. Aufl., 560 Seiten, Maße: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Bettina Oder
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802589807
- ISBN-13: 9783802589805
- Erscheinungsdatum: 07.05.2013
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