Virtus
Zur Semantik eines politischen Konzepts im Mittelalter. Dissertationsschrift
Historische Politikforschung
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Produktinformationen zu „Virtus “
Historische Politikforschung
Klappentext zu „Virtus “
Die Verwendung des lateinischen Wortes "virtus" ist in den Schriften des Mittelalters nahezu omnipräsent. Gleichzeitig ist das Konzept, das mit dieser Vokabel verbunden wird, mehrdeutig und schillernd. Was uns heute als "Tugend" verständlich erscheint, hat eine semantische Karriere hinter sich, die sich zwischen so unterschiedlichen Bedeutungen wie "göttliche Macht", "politische Eignung" oder "asketisch-christliches Ideal" bewegt. Die Gleichzeitigkeit all dieser Bedeutungsaspekte, ihre Selektion und zeitweise Stabilisierung ist das Thema dieser Untersuchung. Das Ergebnis ist eine detaillierte Beschreibung der Situationen und Prozesse, in denen "virtus" eine politische Bedeutung hat.
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Lese-Probe zu „Virtus “
Historische Semantik anwendenWenn man die Bedeutung einer Vokabel wie virtus und die Geschichte des so bezeichneten Konzepts erforschen will, dann greift man zuerst zum Lexikon. Dort ist eine Vielzahl von Bedeutungsaspekten verzeichnet, die über die Zeit mit dieser Vokabel verbunden worden sind. Bei der Arbeit der Lexikographen geht es aber nicht in erster Linie um die einfache Übersetzung. Das Lexikon gibt dem Nutzer Interpretationshilfen für die Arbeit mit (fremdsprachigen) Texten an die Hand. Es entsteht das Bild eines vielstimmigen Konzepts, das in unterschiedlichen Zusammenhängen eingesetzt wird. Virtus ist nicht nur "Tugend", auch wenn das die bekannteste deutsche Übertragung ist. Der Eintrag im Wörterbuch umfasst auch andere Bedeutungen. In einem Lexikon für klassisches Latein werden als Entsprechungen "die Tüchtigkeit, Tauglichkeit, Vorzüglichkeit, Tugend, die tüchtigen Eigenschaften, Vorzüge, Verdienste, die den Mann zieren" angegeben; außerdem "die männliche Vollkommenheit, die Tugend, Tugendhaftigkeit, der tugendhafte Wandel, die Moral", "die kriegerische Tüchtigkeit, der kriegerische Mut, die Tapferkeit", "der Mut, die Herzhaftigkeit, Standhaftigkeit" und "eine übermenschliche Kraft, ein Wunder". Im mittellateinischen Lexikon treten die Bedeutungen "Reliquie", "Rechtsgültigkeit eines Schriftstückes", "gottesfürchtige Tat" und "Gewalt, Macht, Einfluss" hinzu. Was ist also virtus? Wie entscheidet man, welcher Bedeutungsaspekt in einer bestimmten Situation zutreffend ist? Und wie steht es um das "Warum"?
Die Frage nach dem "Warum" verbindet die sprachliche mit der histo-rischen Ebene. Um sie zu beantworten, muss man sich den Umständen widmen, in denen ein bestimmter Sprachgebrauch beobachtet werden kann. Es geht also nicht allein darum, was virtus ist, sondern auch um die Frage, wann und wie die Vokabel verwendet wird. Insgesamt ist sie eine der häufigsten Vokabeln im mittelalterlichen Schrifttum. Sie wird in der Traktatliteratur sowie in
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Predigten und Erbauungsschriften verwendet. Als Charakteristikum von Personen erscheint sie in Chroniken und Briefen. Aber nicht nur für das Mittelalter kann die Vokabel als bekannt vorausgesetzt werden. Auch in der modernen Forschung weiß man genau, was sie bedeutet. Ist die Vokabel dadurch besonders geeignet für eine semantische Untersuchung? Oder macht die Omnipräsenz eine Untersuchung besonders schwierig?
Der Blick auf Wörter und Begriffe hat in der Geschichtswissenschaft - und nicht nur dort - eine lange Tradition. Verschiedene Forschungs-richtungen wie Begriffsgeschichte, Historische Semantik und auch Conceptual History widmen sich Konzepten, die als gut erforscht gelten. Gerade das, was man als bekannt vorauszusetzen gewohnt ist, soll mit neuem Werkzeug untersucht werden. Es geht nicht darum, die Idee, die in der Forschung mit virtus verbunden wird, erneut zu beschreiben. Vielmehr soll diese Idee mit dem abgeglichen werden, was die Autoren tatsächlich geschrieben haben. Bei der Untersuchung von virtus geht es also um die sprachlichen Befunde (das "Was"), um die Situationen des Wortgebrauchs (das "Wann") und um deren Einbettung in Argumentationen und historische Zusammenhänge (das "Warum"). Vor allem letzteres macht deutlich, dass nicht die Sprache allein Gegenstand einer semantischen Studie sein soll. Damit Sprache verständlich ist, bedarf es eines gesellschaftlichen Konsenses. Sprache lebt von Traditionen und Bedeutungskontinuitäten, von "gepflegter Semantik" , und denen, die sie pflegen. Das semantische System ist aber nicht aus sich heraus stabil. Jeder, der mit Sprache umgeht, weiß, dass Bedeutungen sich verändern. Diese Veränderungen sind meistens mit gesellschaftlichen Ereignissen verbunden. Wörter werden mit Bedeutungen belegt, sie werden instrumentalisiert, politisiert oder tabuisiert. Sie können zu "Kampfbegriffen" werden. Es gibt also Sollbruchstellen im semantischen System. Die gepflegte Semantik kann angefochten, diskutiert und vermeintlich intentio
Der Blick auf Wörter und Begriffe hat in der Geschichtswissenschaft - und nicht nur dort - eine lange Tradition. Verschiedene Forschungs-richtungen wie Begriffsgeschichte, Historische Semantik und auch Conceptual History widmen sich Konzepten, die als gut erforscht gelten. Gerade das, was man als bekannt vorauszusetzen gewohnt ist, soll mit neuem Werkzeug untersucht werden. Es geht nicht darum, die Idee, die in der Forschung mit virtus verbunden wird, erneut zu beschreiben. Vielmehr soll diese Idee mit dem abgeglichen werden, was die Autoren tatsächlich geschrieben haben. Bei der Untersuchung von virtus geht es also um die sprachlichen Befunde (das "Was"), um die Situationen des Wortgebrauchs (das "Wann") und um deren Einbettung in Argumentationen und historische Zusammenhänge (das "Warum"). Vor allem letzteres macht deutlich, dass nicht die Sprache allein Gegenstand einer semantischen Studie sein soll. Damit Sprache verständlich ist, bedarf es eines gesellschaftlichen Konsenses. Sprache lebt von Traditionen und Bedeutungskontinuitäten, von "gepflegter Semantik" , und denen, die sie pflegen. Das semantische System ist aber nicht aus sich heraus stabil. Jeder, der mit Sprache umgeht, weiß, dass Bedeutungen sich verändern. Diese Veränderungen sind meistens mit gesellschaftlichen Ereignissen verbunden. Wörter werden mit Bedeutungen belegt, sie werden instrumentalisiert, politisiert oder tabuisiert. Sie können zu "Kampfbegriffen" werden. Es gibt also Sollbruchstellen im semantischen System. Die gepflegte Semantik kann angefochten, diskutiert und vermeintlich intentio
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Inhaltsverzeichnis zu „Virtus “
InhaltDanksagung7
Historische Semantik anwenden9
1.Werkzeuge: Theorie- und Methodenangebote11
2.Korpusfragen: Die Gemeinschaftsspiegel des Mittelalters16
3.Versuchsaufbau: Kookkurrenten und musterhafter Sprachgebrauch28
4.Virtus als Forschungsgegenstand: Tugend und die politische Ethik31
5.Forschungskonzepte: Ethik, Moral, Politik, Gemeinschaft und Gesellschaft38
Norm, Kraft und Wirkmacht: virtus in den Gemeinschaftsspiegeln43
6.Göttliches Handeln und die Macht Gottes: virtus in der Vulgata45
7.Geordnete Liebe und der Weg zur Glückseligkeit: virtus als moralische Norm54
7.1.Der sprachliche Aufwand der Christianisierung: Augustinus60
7.2.Artikulationen einer Herrscherethik: Gregor der Große und Smaragd von St. Mihiel75
7.3.Christliche Moralphilosophie und das Wohl der Gemeinschaft: Johannes von Salisbury92
7.4.Integration - Inklusion - Legitimation125
8.Verdienst, Gnade und der Gebrauch von Exempla: virtus als persönliche Kraft129
8.1.Ruhmreiche Taten: Augustinus132
8.2.Mahnung und Normierung: Gregor der Große und Smaragd von St. Mihiel145
8.3.Philosophen und andere Vorbilder: Johannes von Salisbury153
8.4.Besitzer - Orte - Objekte165
9.Artikulationen einer wirksamen Kraft: virtus als Wirkmacht171
9.1.Wirkmacht jenseits der menschlichen Verfügbarkeit: Augustinus und Johannes von Salisbury173
9.2.Wirkmächtige Sprachformeln: Verwendungen von virtute177
9.3.Wirkmächtige Tugenden? Gregor der Große und Smaragd von St. Mihiel179
9.4.Variation - Selektion - Stabilisierung187
Historische Semantik erzählen192
10.Funktionen im politischen Diskurs193
11.Subjekte und Objekte198
12.Variation und Stabilisierung200
Literatur204
Quellen218
Anhang219
Autoren-Porträt von Silke Schwandt
Silke Schwandt, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld.
Bibliographische Angaben
- Autor: Silke Schwandt
- 2014, 227 Seiten, Maße: 13,9 x 21,3 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593500760
- ISBN-13: 9783593500768
- Erscheinungsdatum: 07.04.2014
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