Vom Glück in der Schweiz?
Weibliche Arbeitsmigration aus Deutschland und Österreich (1920-1965). Dissertationsschrift
Bis weit in die 1960er-Jahre hinein stammte ein Großteil der weiblichen Haus- und Gastgewerbsangestellten in der Schweiz aus Deutschland und Österreich. Anhand lebensgeschichtlicher Erzählungen untersucht Andrea Althaus die Deutungen der Arbeitsund...
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Produktinformationen zu „Vom Glück in der Schweiz? “
Bis weit in die 1960er-Jahre hinein stammte ein Großteil der weiblichen Haus- und Gastgewerbsangestellten in der Schweiz aus Deutschland und Österreich. Anhand lebensgeschichtlicher Erzählungen untersucht Andrea Althaus die Deutungen der Arbeitsund Lebenserfahrungen dieser Migrantinnen. In ihrer gendersensiblen Analyse der weiblichen Arbeitsmigration eröffnet sie zugleich einen neuen Blick auf die schweizerische Migrationspolitik und Überfremdungsdiskurse im 20. Jahrhundert.
Klappentext zu „Vom Glück in der Schweiz? “
Bis weit in die 1960er-Jahre hinein stammte ein Großteil der weiblichen Haus- und Gastgewerbsangestellten in der Schweiz aus Deutschland und Österreich. Anhand lebensgeschichtlicher Erzählungen untersucht Andrea Althaus die Deutungen der Arbeitsund Lebenserfahrungen dieser Migrantinnen. In ihrer gendersensiblen Analyse der weiblichen Arbeitsmigration eröffnet sie zugleich einen neuen Blick auf die schweizerische Migrationspolitik und Überfremdungsdiskurse im 20. Jahrhundert.
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Vom Glück in der Schweiz? “
EinleitungAlles Leben ist Bewegung.Leonardo da Vinci"Mädchen, geh in die Schweiz und mach dein Glück!" Diesem sprichwört-lichen Rat folgten im Laufe des 20. Jahrhunderts Tausende deutsche und österreichische Frauen. Sie verließen ihre Herkunftsregionen, um als Dienst-, Kinder-, Küchen- oder Zimmermädchen, als Haushälterinnen, Serviertöchter, Buffetfräuleins oder Köchinnen in schweizerischen Privat-haushalten, Gastwirtschaften oder Hotels zu arbeiten. Die Lebensge-schichten dieser Frauen, die von den 1920er Jahren bis in die 1960er als Haus- oder Gastgewerbsangestellte in die Schweiz gingen, und die Migrati-onsbewegung, an der sie teilnahmen und die sie prägte(n), ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.Die weibliche Arbeitsmigration aus Deutschland und Österreich in die Schweiz hat bisher in der Forschung kaum Beachtung gefunden. Die Ver-mutung, dass dies an der schlechten Quellenlage oder der historisch-gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit der Thematik liegen könnte, ist schnell widerlegt. Dazu genügt es, einen Blick in die Statistiken der eidgenössischen Fremdenpolizei zu werfen, eine zeitgenössische Tageszeitung aufzuschlagen oder eine Fahrt im öffentlichen Verkehr durch das ländliche Österreich zu unternehmen. Als ich während einer Forschungsreise für diese Arbeit mit dem Bus durch das niederösterreichische Mostviertel fuhr, kam ich als einzige Passagierin schnell mit dem Fahrer ins Gespräch. Sofort bemerkte er meinen Schweizerakzent und begann von seinen Ferien in Davos zu schwärmen. Er besuche dort jedes Jahr seine Tante. Auf meine Frage, was eine Niederösterreicherin dazu bewogen habe, in die Bündner Alpen aus-zuwandern - mein Dissertationsthema hatte ich ihm noch nicht verraten -, antwortete er, dass "damals in den 50ern" doch "alle jungen Frauen" in die Schweiz gegangen seien. Seine Tante habe zuerst als Kellnerin gearbeitet, dann den Wirt geheiratet und das Restaurant übernommen. Schmunzelnd fügte er hinzu, er habe eben keinen reichen Onkel in Ame-rika,
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sondern eine reiche Tante in der Schweiz. Im sprichwörtlichen Sinn scheint diese in der Schweiz ihr Glück gemacht zu haben. Bemerkenswert an der Begegnung mit dem niederösterreichischen Busfahrer sind zwei Dinge. Erstens stellt er dem Prototyp des männlichen Überseewanderers, der üblicherweise als Normalfall erfolgreicher Auswanderung gilt, mit der (erfolg)reichen Schweizgängerin ein weibliches Pendant zur Seite. Zweitens hat mir diese Busfahrt vor Augen geführt, dass die Arbeitsmigration junger Frauen in die Schweiz - zumindest in gewissen Landesteilen und Familien - auch heute noch präsent ist und für die 1950er Jahre als Massenphänomen erinnert wird.In der Tat gehörte die Schweiz in den ersten sechs Jahrzehnten des20. Jahrhunderts sowohl in Deutschland als auch in Österreich zu den beliebtesten Destinationen für Arbeitsmigrant_innen. Die Schweiz, die weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg Schäden erlitten hatte, lockte mit gutem Essen, hohen Löhnen, idyllischen Landschaften und unzerstör-ten Städten. "Es war für mich das Paradies", fasst die Österreicherin Maja Pichler, die von 1957 bis 1964 als Hotelangestellte in der Schweiz war, die Imaginationen vieler Schweizgängerinnen zusammen. Für die Wahl der Schweiz als Zielland waren neben den paradiesischen Vorstellungen vor allem die persönlichen Netzwerke der Migrantinnen von Bedeutung. Frauen, die bereits dort arbeiteten oder gearbeitet hatten, zogen ihre Ver-wandten und Freundinnen nach. Sie "zündeten" sich gegenseitig an, wie eine andere Schweizgängerin das in migrationshistorischen Kreisen als "Kettenmigration" bekannte Phänomen bezeichnet. Das Migrantinnen-netzwerk wurde auch von den Schweizer Arbeitgeber_innen genutzt. Nicht selten baten diese ihre ehemaligen Angestellten darum, in ihrem Bekanntenkreis nach einer Nachfolgerin zu suchen. In der Schweiz herrschte nämlich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ein viel beklagter Hausangestelltenmangel. Ab Mitte der 1930er Jahre und insbesondere nach
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Inhaltsverzeichnis zu „Vom Glück in der Schweiz? “
InhaltEinleitung 91. Lebensgeschichten - Geschichte(n), die das Leben schreibt? 271.1 Lebensgeschichten in der historischen Forschungspraxis 281.2 Gedächtnis-, erzähl- und biografietheoretische Grundlagen 351.2.1 Wer erzählt, erinnert sich 351.2.2 Wer sich erinnert, erzählt 381.2.3 Selbst- und Weltverständnis 431.3 Lebensgeschichten: Historische Fakten eigener Art 491.4 Datenerhebung und -analyse 522. Deutsche und österreichische "Dienstmädchen" in Politik und Diskursen 572.1 Politik und Diskurse I: 1910-1935 572.1.1 Die Angst vor einer "Germanisierung" 572.1.2 Überfremdungsdiskurs und Hausdienst 612.1.3 "Überfremdung" wird Recht 742.2 Politik und Diskurse II: 1935-1949 782.2.1 "Dienst im Haus ist Dienst am Volk" 782.2.2 Überfremdungsdiskurs und Gastgewerbe 902.2.3 Reformen in Hausdienst und Gastgewerbe 932.2.4 Kontroverse zur Einwanderung von "Dienstmädchen" 972.2.5 Sanitarische Grenzuntersuchungen 1062.2.6 Alliierte Ausreisesperren 1112.3 Politik und Diskurse III: 1950-1970 1172.3.1 Erwünschte und unerwünschte Arbeitskräfte 1172.3.2 Angst vor einer "neuen Überfremdung" 1242.3.3 Arbeitskräftebedarf im Gastgewerbe 1302.3.4 "Mägdedämmerung"? Hausdienst am Wendepunkt 1352.3.5 Einführung des Kontingentsystems 1402.4 Politik und Diskurse in der Zusammenschau 1453. Vorgeschichten: Von Elternhäusern und Kinderstuben 1493.1 Sozio-biografisches Kollektivporträt I 1493.2 Kindheits- und Jugenderzählungen 1593.2.1 Autoritäre Erziehung und Konflikte 1603.2.2 Arbeitsethos und Kinderarbeit 1743.2.3 Verhinderte Bildung 1823.2.4 Kriegskindheiten 1914. Migrationserzählungen 1994.1 Die Schweiz in Sicht 2004.1.1 Der Traum vom großen Geld? 2004.1.2 Einfach fort! 2084.1.3 Vorstellungen, Netzwerke, Stellenvermittlung 2184.1.4 Behördengänge und Amtswege 2354.1.5 Vom Weggehen, Reisen und Ankommen 2394.2 Arbeits-Verhältnisse: Arbeit und Beziehungen 2514.2.1 Haus- und gastgewerbliche Arbeitsverhältnisse 2524.2.2 Arbeit, Arbeit, Arbeit 2604.2.3 Zur Bewertung von Hausarbeit 2734.2.4 Beschützen
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und Erziehen 2804.2.5 Kost, Logis und Lohn 2934.2.6 Trinkgelder und sexuelle Übergriffe im Gastgewerbe 3024.2.7 "Stellen- und Berufswechsel verboten!" 3094.3 Außer Haus 3224.3.1 Frei-Zeiten und Freundschaften 3224.3.2 Fremdenfeindlichkeiten 3374.4 Sozio-biografischer Kollektivporträt II 3485. Die Migrationserfahrung im lebensgeschichtlichen Kontext 3535.1 Break free: Emanzipationsgeschichten 3555.2 Lernzeiten: Bildungsgeschichten 3725.3 Karrieren: Erfolgs- und Abstiegsgeschichten 390Schlussbetrachtungen 407Dank ............... 417Transkriptionszeichen 419Abkürzungsverzeichnis 420Abbildungsverzeichnis 422Tabellenverzeichnis 423Literatur und Quellen
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Autoren-Porträt von Andrea Althaus
Andrea Althaus, Dr. phil., ist Zeithistorikerin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andrea Althaus
- 2017, 447 Seiten, Maße: 14,2 x 21,1 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593507048
- ISBN-13: 9783593507040
- Erscheinungsdatum: 05.05.2017
Pressezitat
»Neben der sozialwissenschaftlichen Analyse besticht Althaus' Dissertation durch die Erzählungen. Die Autorin verwebt diese geschickt mit politischen, rechtlichen und ökonomischen Regulativen. Die Berichte schildern eindrücklich, wie sich Überfremdungsangst, Diskriminierung und einseitige Abhängigkeit auswirkten.« Karin Unkrig, Kulturtipp, 17.10.2017»Nachdem das Forschungsinteresse lange auf den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit Migration gerichtet war, sind HistorikerInnen in jüngster Zeit darum bemüht, Migrierende als handlungsmächtige AkteurInnen sichtbar zu machen (...). Andrea Althaus leistet einen innovativen Beitrag zu diesem Perspektivenwechsel. (...) Althaus reflektiert diese Dimension erinnerter Geschichte allerdings stets mit, (...) was ihr Buch zu einem methodisch wie auch inhaltlich wichtigen Beitrag sowohl zur geschlechtersensiblen Migrationsforschung als auch zur Oral History und historischen Erinnerungsforschung macht.« Sarah Baumann, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 15.08.2018»Althaus schliesst mit ihrer Studie nicht nur eine Forschungslücke, sondern identifiziert ein Wanderungssystem und bietet erstmals für die Geschichte der weiblichen Arbeitsmigration aus Deutschland und Österreich eine dichte, fakten- und quellenreiche Darstellung.«, H-Soz-Kult, 02.10.2018
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