Wahn
Wenn du Dinge siehst, die sein werden. Wenn dein Geist tötet. Wenn du die bösen Mächte der Unterwelt entfesselst - dann ist das WAHN!
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Wenn du Dinge siehst, die sein werden. Wenn dein Geist tötet. Wenn du die bösen Mächte der Unterwelt entfesselst - dann ist das WAHN!
Das Schicksal hat Edgar Freemantle übel mitgespielt. Er hat bei einem Unfall einen Arm verloren und schwere Kopfverletzungen bereiten ihm unsägliche Schmerzen - und eine veränderte Wahrnehmung. Aus therapeutischen Gründen zieht er sich auf die Insel Duma Key zurück und beginnt zu malen. Ein nie geglaubtes Talent entfaltet sich plötzlich in Edgar. Und mit seinen Bildern das Böse! Denn was er wie im Fieberwahn malt, verändert die Welt, tötet oder macht Menschen zu Bestien. Edgar entdeckt, dass der Wahn, der ihn befallen hat, ein Dämon der Insel ist. Er muss ihn besiegen. Denn auch seine Tochter hat ein Bild vom ihm bekommen.
''Stephen King hat eine Muse, die küsst wie ein MG.''
Süddeutsche Zeitung
Nach einem schrecklichen Unfall sucht Edgar Freemantle auf einer einsamen Insel Trost in der Malerei. Die Insel aber übt eine dämonische Macht aus, und bald schon entwickeln Edgars Bilder ein tödliches Eigenleben ... Mit 'Wahn' hat Stephen King - wie schon mit seinem Bestseller 'Love' - ein Meisterwerk des Unheimlichen geschaffen, einen Roman über die Beharrlichkeit der Liebe und die Gefahren enthemmter Kreativität.
Der reiche Bauunternehmer Edgar Freemantle hat bei einem schweren Unfall den rechten Arm eingebüßt und mehrere Knochenbrüche erlitten. Seine Kopfverletzung führt zu Lücken in der Erinnerung, und die Schmerzen treiben ihn in den Wahnsinn. Auf Anraten seines Arztes zieht er sich in ein Strandhaus auf der Florida-Insel Duma Key zurück, um dort Linderung in der Malerei zu finden. Die Insel gehört der alten Dame Elizabeth Eastlake, deren tragische und mysteriöse Familiengeschichte sich Edgar immer mehr erschließt, je mehr er die pittoreske, aber auch unheimliche Szenerie der Insel zeichnet und malt. Seine Bilder entstehen wie im Fieberwahn, und die Insel scheint ein in ihm schlummerndes Talent auf seltsame Weise zu verstärken. Bald wird klar, dass seinen Bildern die unbändige Kraft innewohnt, die Wirklichkeit zu verändern. Als dann auch noch die Geister aus Elizabeths Kindheit ihr Unwesen zu treiben drohen und die Bilder schließlich ein unheilvolles Eigenleben entwickeln, nimmt der Wahnsinn vollends seinen Lauf ...
Einen Roman wie diesen kann nur einer schreiben. Der neue große Stephen King.
Der Wahn von Stephen King
LESEPROBE
1
Meinanderes Leben
1 Mein Nameist Edgar Freemantle. Ich war mal eine große Nummerim Baugewerbe. Das war in Minnesota, in meinem anderen Leben. Diese Mein-anderes- Leben-Sache habeich von Wireman gelernt. Ich möchte Ihnen von Wireman erzählen, aber erst wollen wir den Minnesota-Teilabhandeln.
Man kann esnicht anders sagen: Ich war ein echter amerikanischer Erfolgsmensch. Ich habemich in der Firma, bei der ich angefangen hatte, hochgearbeitet, und als ichdort nicht weiter aufsteigen konnte, bin ich gegangen und habe eine eigeneFirma aufgemacht. Mein ehemaliger Boss hat mich ausgelacht und mir prophezeit,in spätestens einem Jahr würde ich pleite sein. Ich denke, dass die meistenBosse das sagen, wenn irgendein ehrgeiziger Jungspund sich selbstständig macht.
Mir istalles geglückt. Als Minneapolis-St. Paul boomte, hatauch die Freemantle Company geboomt. War das Geld malknapper, habe ich nie versucht, etwas zu forcieren. Aber ich habe mich auf meinGespür verlassen und damit meist richtig gelegen. Als ich fünfzig war, warenPam und ich fünfzig Millionen Dollar schwer. Und unsere Beziehung war nochimmer intakt. Wir hatten zwei Mädchen, und am Ende unseres eigenen GoldenenZeitalters war Ilse an der Brown University und Melinda im Rahmen einesAustauschprogramms als Lehrerin in Frankreich. Kurz bevor alles schiefging, haben meine Frau und ich Pläne geschmiedet, siedort zu besuchen.
Ich hatteauf einer Baustelle einen Unfall. Ziemlich einfache Geschichte; wenn ein Pick-up, selbst ein Dodge Ram mitallem Drum und Dran, sich mit einem zwölfstöckigenKran anlegt, zieht er in jedem Falle den Kürzeren. Die rechte Seite meinesSchädels wurde eingedrückt. Die linke Seite knallte so heftig gegen dieTürsäule des Rams, dass sie an drei Stelleneingedellt wurde. Vielleicht auch an fünf. Mein Gedächtnis ist besser geworden,aber längst nicht das, was es mal war.
Die Ärztenennen das, was mein Kopf erlitten hat, ein Schädel-Hirn-Trauma, und oft hat soetwas schlimmere Folgen als die ursprüngliche Verletzung. Meine Rippen wurdengebrochen. Meine rechte Hüfte war zertrümmert. Und obwohl ich siebzig Prozentdes Sehvermögens meines rechten Auges behielt (an guten Tagen mehr), verlor ichden rechten Arm.
Ich hättemein Leben verlieren sollen, aber das tat ich nicht. Wegen der Hirnprellungsollte ich geistig beeinträchtigt bleiben; das war ich zunächst auch, aber esverging wieder. Gewissermaßen. Bis es so weit war, war meine Frau gegangen -und das nicht nur gewissermaßen. Wir waren fünfundzwanzig Jahre verheiratet,aber Sie wissen ja, wie es so schön heißt: Shit happens.Vermutlich spielt das keine Rolle; fort ist fort. Und vorbei ist vorbei. Dashat manchmal auch sein Gutes.
Wenn ichsage, dass ich geistig beeinträchtigt war, meine ich damit, dass ich anfangsLeute nicht erkannte - nicht mal meine Frau - oder nicht wusste, was passiertwar. Ich kapierte nicht, warum ich so grässliche Schmerzen hatte. An Stärke undBeschaffenheit dieser Schmerzen kann ich mich jetzt, vier Jahre später, nichtmehr erinnern. Ich weiß, dass ich Schmerzen hatte und dass sie unerträglichwaren, aber das ist alles ziemlich theoretisch. Damals waren sie nichttheoretisch. Damals kam ich mir vor, als wäre ich in die Hölle geraten, ohne zuwissen, weshalb.
Erst hattestdu Angst, du stirbst, dann hattest du Angst, du stirbst nicht. Das sagt Wireman, der es gewusst haben muss; er hatte selbst eineZeit in der Hölle verbracht.
Alles tatständig weh. Ich hatte ununterbrochen dröhnende Kopfschmerzen; hinter meinerStirn war es ständig Mitternacht im größten Uhrengeschäft der Welt. Weil meinrechtes Auge ziemlich kaputt war, sah ich die Welt durch einen Blut. lm - undwusste noch immer kaum, was die Welt war. Nichts hatte einen Namen. Icherinnere mich an einen Tag, an dem Pam im Zimmer war - ich war noch imKrankenhaus - und an meinem Bett stand. Ich war stinksauer, weil sie sich nichthinsetzte, obwohl das Ding, auf das man sich setzte, gleich drüben in derMaismiete stand.
»Hol denFreund«, sagte ich. »Setz dich auf den Freund.«
»Wie meinstdu das, Edgar?«, fragte sie.
»DenFreund, den Kumpel!«, brüllte ich. »Hol dengottverdammten Kameraden her, du dumme Kuh!« DieKopfschmerzen brachten mich um, und sie begann zu weinen. Ich hasste sie dafür.Sie hatte nichts zu weinen, denn nicht sie steckte im Käfig und sah alles durchrote Nebel. Nicht sie war der Affe im Käfig. Und dann fiel es mir ein. »Hol denSpezi her und setz dich um Himmels willen!« Näher kammein verwirrtes demoliertes Hirn nicht an Stuhl heran. ()
Man glaubtnicht, dass solche Schmerzen jemals aufhören werden, aber das tun sie. Dannwird man nach Hause verfrachtet und die Schmerzen durch die Agonie körperlicherRehabilitation ersetzt. Das Rot begann aus meinem Gesichtsfeld zu verschwinden.Ein auf Hypnosetherapie spezialisierter Psychologe zeigte mir ein paar tolleTricks zur Bewältigung von Juckreiz und Phantomschmerzen in meinem fehlendenArm. Das war Kamen. Es war Kamen, der mir Rebamitbrachte: eines der wenigen Dinge, die ich mitnahm, als ich aus meinemanderen Leben in das auf Duma Key hinüberhinkte.
»Dies istkeine anerkannte psychologische Therapie für Wutmanagement«, sagte Dr. Kamen,obwohl er vielleicht auch nur log, um Rebaattraktiver zu machen. Er forderte mich auf, ihr einen Namen zu geben, den ichverabscheute. Zwar sah sie wie Lucy Ricardo aus, aber ich nannte sie nach einerTante, die mich als Kind in die Finger gezwickt hatte, wenn ich nicht alleKarotten aufaß. Ich hatte sie noch keine zwei Tage, als ich ihren Namen vergaß.Mir fielen bloß Jungennamen ein, von denen mich einer wütender machte als derandere: Randall, Russell, Rudolph, sogar River-fucking-Phoenix.
Inzwischenwar ich wieder zu Hause. Pam kam mit meinem Morgenimbiss herein, und ich konntesehen, dass sie sich auf einen Ausbruch gefasst machte. Aber obwohl ich denNamen der flauschig roten Zornpuppe vergessen hatte, erinnerte ich mich daran,wie ich sie in einer solchen Situation gebrauchen sollte.
»Pam«, sagteich, »ich brauche fünf Minuten, um mich unter Kontrolle zu bringen. Ich schaffedas.«
»Bist dusicher «
»Ja, siehnur zu, dass du diese Kalbsachse rausbringst und indeinen Gesichtspuder steckst. Ich schaffe das.«
Ich wusstenicht, ob ich es wirklich konnte oder nicht, aber das sollte ich sagen: Ichschaffe das. Ich konnte mich nicht an den Namen der gottverdammten Puppeerinnern, aber Ich schaffe das konnte ich mir merken. Zu den klarenErinnerungen aus der Genesungszeit in meinem anderen Leben gehört, dass ichimmer wieder Ich schaffe das sagte, obwohl ich wusste, dass ich im Regen stand,erledigt, total im Arsch.
»Ichschaffe das«, sagte ich, und weiß der Teufel, wie ich ausgesehen habe, aber sieging nur wortlos rückwärts hinaus. Auf dem Tablett, das sie weiter in denHänden hielt, klapperte die Tasse auf der Untertasse.
Als siegegangen war, hielt ich die Puppe vor meinem Gesicht hoch und starrte in ihredämlichen blauen Augen, während meine Fingerkuppen sich in ihren dämlichennachgiebigen Leib bohrten. »Wie heißt du, du schleimgesichtige Schlampe?«, brüllte ich sie an. Ich kam nie auf die Idee, dass Pammich über die Sprechanlage zur Teeküche belauschte, sie gemeinsam mit derTagschwester. Aber wäre die Sprechanlage defekt gewesen, hätten sie mich durchdie Tür gehört. An diesem Tag war ich gut bei Stimme.
Ichschüttelte die Puppe. Ihr Kopf schwang vor und zurück, und ihre künstlichen I love Lucy-Haare flogen. Ihre blauen Cartoon-Augen schienenzu sagen: Aua, du böser Mann! Wie Betty Boop in einemdieser alten Zeichentrickfilme, die sie im Kabel fernsehen manchmal nochzeigen.
»Wie heißtdu, du Miststück? Wie heißt du, du Fotze? Wie heißt du, du billige, mit Lumpenausgestopfte Nutte? Sag mir deinen Namen, sonst bringe ich dich um! Sag mirdeinen Namen, sonst bringe ich dich um! Sag mir deinen Namen, sonst schneideich dir die Augen heraus und hacke dir die Nase ab und reiße dir die «
Dannstellte mein Verstand eine Überkreuzverbindung her, was noch jetzt, vier Jahredanach, hier unten in der Stadt Tamazunchale imBundesstaat San Luis Potosí in Mexiko, Edgar Freemantles Wohnsitz in seinem dritten Leben, manchmalpassiert - allerdings weit weniger häufig.
Für einenMoment saß ich in meinem Pick-up, im Fußraum vor demrechten Sitz klapperte mein Schreibbrett gegen den alten Henkelmann aus Stahl(bestimmt war ich nicht der einzige arbeitende US-Millionär, der noch einenHenkelmann mit herumschleppte, aber man hätte uns vermutlich nach Dutzendenzählen können), und mein PowerBook lag auf demBeifahrersitz. Und aus dem Radio kam die Stimme einer Frau, die mitmissionarischem Eifer »It was RED!«rief. Nur drei Wörter, aber drei waren genug. Der Song handelte von einer armenFrau, die ihre hübsche Tochter auf den Strich schickt. Ich hörte »Fancy« von Reba McEntire.
»Reba«, flüsterte ich und drückte die Puppe an mich. »Dubist Reba. Reba-Reba-Reba.Das vergesse ich nie wieder. « In der folgenden Woche tat ich es doch, aberbeim nächsten Mal wurde ich nicht wütend. Nein. Ich hielt sie wie einen kleinenSchatz an mich gedrückt, schloss die Augen und stellte mir den bei dem Unfalldemolierten Pick-up vor. Die Stahlklammer desSchreibbretts klapperte gegen den Henkelmann aus Stahl, und dann hörte ichwieder die Frauenstimme aus dem Radio, die mit demselben missionarischen Eiferfrohlockte: »It was RED!«
Dr. Kamennannte das einen Durchbruch. Er war ganz aufgeregt. Meine Frau wirkte weitweniger aufgeregt, und der Kuss, den sie mir auf die Wange drückte, war von derpflichtschuldigen Art. Ungefähr zwei Monate später erklärte sie mir, sie wollesich scheiden lassen.
© HeyneVerlag
Übersetzung:Wulf Bergner
Many of his books have been turned into celebrated films. Over the years, King has had various cameo roles in film adaptations of his books as well as playing rhythm guitar in the Rock Bottom Remainders, a rock and roll band made up of some of America's bestselling and best-loved writers
He was the recipient of the 2003 National Book Foundation Medal for Distinguished Contribution to American Letters. He lives with his wife, novelist Tabitha King, in Maine, USA.
- Autor: Stephen King
- 2008, 2, 891 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Wulf Bergner
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453265858
- ISBN-13: 9783453265851
- Erscheinungsdatum: 15.02.2008
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