Wege des Herzens
"Ein Buch, das uns lächeln lässt!"
FÜR SIE
Clara hat gerade einen Job als Chefärztin in einer Dubliner Klinik angenommen und ist ziemlich im Stress. Außerdem macht ihr Verwaltungschef Frank zusätzlich...
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Produktinformationen zu „Wege des Herzens “
"Ein Buch, das uns lächeln lässt!"
FÜR SIE
Clara hat gerade einen Job als Chefärztin in einer Dubliner Klinik angenommen und ist ziemlich im Stress. Außerdem macht ihr Verwaltungschef Frank zusätzlich das Leben schwer. Als ob das nicht reichen würde, machen ihr auch noch ihre Töchter Sorgen. Adi kämpft ständig gegen oder für etwas. Und Linda stürzt sich von einer Beziehung in die nächste. Doch Clara lässt sich nicht unterkriegen. Und hat zum Glück auch einige liebe Menschen an ihrer Seite.
Lese-Probe zu „Wege des Herzens “
Wege des Herzens von Maeve BinchyPROLOG
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Manche Projekte brauchen eine Ewigkeit, bis sie endlich Realität werden.
Eines davon war der Umbau des stillgelegten Depots, das zum St. Brigid Hospital gehörte, eine hässliche Ansammlung unterschiedlich großer Lagerhallen. Früher war dort alles untergebracht, was das Krankenhaus benötigte, aber mittlerweile lag das Depot zu ungünstig. Eine neue Einbahnstraßenregelung war daran schuld, dass man eine lange und beschwerliche Fahrt quer durch Dublin auf sich nehmen musste, um von einem Ort zum anderen zu gelangen.
In diesem Teil von Dublin gab es immer noch die alten Arbeiterhäuser und Fabrikgebäude, die in moderne Wohnblocks umgestaltet worden waren. Dieser Teil der Stadt »boomte« und war enorm »in«, wie die Immobilienleute es beschrieben; bald würden Spekulanten auch ein Auge auf die Lagerhallen werfen und dem Krankenhaus St. Brigid ein Angebot von der Art unterbreiten, das man nicht ablehnen konnte. Genau das war es, was Frank Ennis sich wünschte. Er hielt sich selbst für das Superhirn der Finanzverwaltung von St. Brigid, und eine riesige Finanzspritze, ein schöner Batzen Geld in seiner Amtszeit als Verwaltungschef, war genau das, was dem Krankenhaus fehlte.
Frank Ennis konnte das alles bereits Realität werden sehen. Natürlich gab es jedes Jahr, wenn das Planungskomitee sich bei der Hauptversammlung traf, das eine oder andere Problem, das Frank davon abhielt, diese lästige Immobilie zu verkaufen und das Geld in das Krankenhaus zu stecken. In dem einen Jahr waren es die Rheumalobbyisten, die sich eine Rheumaambulanz wünschten. Dann gab es die Abteilung für Lungenkrankheiten, die ein Zentrum für Patienten mit Beschwerden der Atemwegsorgane einrichten wollte. Ganz zu schweigen von der sich zusehends stärker zu Wort meldenden Herzfraktion. Ihre Befürworter behaupteten, dass genügend wissenschaftliche Gutachten vorlägen, die bewiesen, dass Patienten auch ambulant betreut werden könnten - und folglich weniger Krankenhausbetten nötig wären -, wenn sie nur eine entsprechende Anlaufstelle hätten. Die Kardiologen kamen Frank vor wie Hunde, die sich in einen Knochen verbissen hatten - sie wollten nicht mehr davon ablassen.
Frank seufzte, da ihnen ein weiterer Nachmittag in dem engen, muff gen Besprechungszimmer der Klinikleitung bevorstand, deren Mitglieder bereits um den Tisch versammelt waren. Frank betrachtete freudlos die übliche Ansammlung von Menschen, die jedem beliebigen Klinikdirektorium hätte angehören können. Da war die - wie er sie nannte - Nonne in Zivil. Früher war St. Brigid ausschließlich von Nonnen geleitet worden; jetzt waren gerade mal vier Ordensschwestern übrig geblieben. Daneben saßen die offiziellen Vertreter der Gesundheitsbehörde, alles ältere Herrschaften, die bereits auf anderen Gebieten ihre Verdienste erworben hatten. Und da war der gutmütige amerikanische Philanthrop Chester Kovac, der etliche Meilen entfernt auf dem Land ein privates Gesundheitszentrum errichtet hatte.
Die Ordensschwester in Zivil würde wie immer alle Fenster aufreißen, so dass die Papiere über den Tisch geweht wurden, woraufhin irgendjemand die Fenster wieder schließen musste. Frank hatte dies viele Male miterlebt. Doch bei der heutigen Gelegenheit witterte er Morgenluft, und der Sieg schien ihm nahe, denn er hatte ein schriftliches Angebot über eine enorme Summe von einem Bauträger vorliegen, der ihnen sofort das umstrittene und für sie völlig nutzlose Grundstück um das Depot abkaufen würde - eine Summe, die jeden von ihnen aufhorchen lassen würde.
Unweigerlich würde daraufhin die Frage im Raum stehen, wofür das Geld am besten auszugeben sei. Würde es in den Topf für die ultramodernen Computertomographen wandern? Oder doch eher dazu verwendet werden, die Fassade des Krankenhauses radikal umzugestalten? Wie bei vielen Gebäuden aus dieser Zeit, dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, führte eine unpraktische Steintreppe hinauf zum Haupteingang. Eine Rampe oder Ähnliches wäre wesentlich geeigneter, um schwachen und gebrechlichen Patienten leichter Zugang zu gewähren.
Außerdem herrschte stets Bettenmangel in der chirurgischen Gynäkologie, und es wurden mehr Isolierzimmer benötigt. Auch die Überwachungsstation hatte in der letzten Zeit großen Druck gemacht, da man zu einer Intensivstation aufgewertet werden wollte, und das kostete Geld.
Wie auch immer. Auf jeden Fall würden sie heute dem Bauträger eine Antwort geben, sein Angebot akzeptieren und endlich damit aufhören können, Zeit für die diversen Einzelinteressen zu verschwenden, da doch alle nur ihren Machtbereich ausdehnen wollten.
Man servierte Kaffee und Kekse, die Tagesordnung wurde verteilt, und die Besprechung begann. Doch Frank wusste von Anfang an, dass etwas nicht stimmte.
Dummerweise standen die Mitglieder der Klinikleitung unter dem unheilvollen Einfluss einer erst kürzlich veröffentlichten Statistik. Diese schien zu belegen, dass die Iren überdurchschnittlich von Herzinfarkten bedroht waren, was wahrscheinlich mit ihrem Lebensstil und ihrer Ernährung zusammenhing, wobei Alkohol und Zigaretten zweifellos eine große Rolle spielten. Alle am Tisch diskutierten mit größtem Eifer Methoden, wie man betroffenen Patienten wieder neuen Lebensmut vermitteln könnte. Wie großartig wäre es, an vorderster Front im Kampf gegen Herzkrankheiten zu stehen, mit einer Tagesklinik als Anlaufstelle für diese Patienten. Frank Ennis hätte die Organisation verfluchen können, die nur Tage vor seinem Direktoriumstreffen diese Zahlen veröffentlicht hatte. Seinem Empfinden nach hätte durchaus Absicht dahinterstecken können - die Kardiologen in St. Brigid waren wirklich ziemlich arrogante Schnösel und hielten sich für allmächtig.
Hilfesuchend wanderte sein Blick zu Chester Kovac, in solchen Situationen normalerweise ein Mann mit gesundem Menschenverstand, auf den man sich verlassen konnte. Doch dieses Mal hatte Frank sich getäuscht. Chester war nämlich der Ansicht, dass dies eine Idee von visionärer Kraft sei und dass er sich freuen würde, wenn St. Brigid bei dieser Bewegung in vorderster Reihe mitmarschieren würde. Schließlich ginge es nur um Geld.
Frank schäumte vor Wut. Chester konnte leicht sagen, dass es nur um Geld ginge; er hatte schließlich jede Menge davon. Sicher war er sehr großzügig, aber was wusste er schon? Er war Amerikaner polnischer Abstammung mit einem irischen Großvater - ein leichtes Opfer für jeden, der es auf ihn abgesehen hatte.
Frank wurde immer wütender.
»Es ist nicht nur Geld, Chester. Hier steht eine riesige Summe auf dem Spiel, mit der man St. Brigid enorm aufwerten könnte.«
»Vergangenes Jahr wollten Sie dieses Stück Land schon mal verkaufen, um einen Parkplatz daraus zu machen«, sagte Chester.
»Aber das Angebot hier ist weitaus besser.« Frank war rot im Gesicht, so sehr regte ihn die ganze Sache auf.
»Nun, wir wären dumm gewesen, hätten wir vergangenes Jahr Ihren Vorschlag angenommen, Frank, wenn man sieht, wie sich die Dinge entwickelt haben«, entgegnete Chester freundlich, aber mit Nachdruck.
»Aber ich habe Wochen gebraucht, um das Angebot in die Höhe zu treiben ... «
»Und letztes Jahr waren wir uns alle einig, dass wir keinen Parkplatz wollten.«
»Aber das hier ist kein Parkplatz. Hier geht es um Luxuswohnungen - mit gehobener Ausstattung ... «, ereiferte sich Frank.
»Nicht unbedingt Sinn und Zweck eines Krankenhauses«, konterte Chester Kovac.
»Wenn wir schon auf einem so teuren Grundstück sitzen, dann sollten wir das auch nützen«, meldete sich einer der ehemaligen Industriemagnaten zu Wort.
»Wir werden es auch nützen. Wir werden ein kleines Vermögen dafür bekommen und es in das Krankenhaus investieren! « Frank hatte das Gefühl, es mit Leuten zu tun zu haben, die wirklich sehr schwer von Begriff waren.
Die Nonne in Zivil meldete sich zu Wort. »Wir würden ein Projekt bevorzugen, das etwas mehr dem Geist des ursprünglichen Ordens entspricht, der einst dieses Krankenhaus geleitet hat.«
»Wohnungen werden wohl kaum dem Geist des Ordens widersprechen, oder?«, fragte Frank.
»Luxuswohnungen mit gehobener Ausstattung mögen vielleicht nicht ganz im Sinn der wohltätigen Schwestern sein«, wandte Chester ein.
»Die wohltätigen Schwestern sind doch schon längst alle weg und ausgestorben!« Frank explodierte.
Chesters Blick fiel auf das Gesicht der Nonne in Zivil, die von dieser Bemerkung sehr verletzt zu sein schien. Er musste wohl wieder mal vermitteln.
»Mr. Ennis möchte damit ausdrücken, dass das Werk der Schwester vollendet und ihre Arbeit getan ist. Aber sie haben uns ihr Vermächtnis hinterlassen. Die hiesige Gemeinde benötigt dringend mehr medizinische Versorgung und weniger Luxuswohnungen mit Garagen für zwei Autos, die wiederum die Straßen noch weiter verstopfen werden. Sie benötigt mehr Einrichtungen im Gesundheitswesen. Den Menschen muss dabei geholfen werden, nach dem Schock bei einem Herzinfarkt wieder auf die Füße zu kommen und etwas aus ihrem Leben zu machen. Und um ganz offen zu sein - wenn es zur Abstimmung kommt, wäre mir dies das liebste Ergebnis, und dafür werde ich auch meine Stimme abgeben.«
Sein Monolog hatte etwas sehr Würdevolles an sich.
Frank Ennis war bitter enttäuscht. Sie würden das Grundstück wieder nicht loswerden, wie er an diesem Morgen noch so zuversichtlich gehofft hatte. Die Kardiologen hatten gewonnen. Es würden Monate vergehen, ehe man sich über die Kosten einig war, und weitere Monate, bis das Gebäude endlich stand und eingerichtet war. Man würde einen neuen Direktor berufen und neues Personal einstellen müssen. Frank stieß einen tiefen Seufzer aus. Warum besaßen diese Menschen nicht einen Funken Verstand? Sie hätten sich so viele Wünsche auf ihrer Liste erfüllen können, würden sie nur begreifen, wie diese Welt funktionierte. Stattdessen machten sie alles nur noch komplizierter.
Irgendwie stand er den Rest der Besprechung durch und hakte dabei automatisch einen Tagesordnungspunkt nach dem nächsten ab. Dann kam es zur Abstimmung über die Nutzungsänderung des zu St. Brigid gehörenden Geländes, besser bekannt als das sogenannte frühere Depot. Wie zu erwarten, war man einstimmig der Ansicht, dass dort eine Tagesklinik für koronare Herzerkrankungen errichtet werden sollte.
Frank schlug eine Machbarkeitsstudie vor, wurde aber prompt überstimmt. Keiner wollte etwas davon hören - sonst würde sie die Sache weitere sechs Jahre diskutieren. Beschlossen war beschlossen. Und machbar war es auch.
Trotzdem würde eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden müssen, sobald man sich über die Kosten geeinigt, Ausschreibungen diverser Bauunternehmen erhalten und mit der kardiologischen Abteilung die nötige Anzahl an neuen Mitarbeitern ausgehandelt hatte.
Alle blätterten in ihren Terminkalendern, und man einigte sich auf ein Datum.
Frank hatte einen Termin in sechs Monaten vorgeschlagen. Chester Kovac war jedoch der Meinung, dass ein paar Wochen genügen müssten, um die Angebote einzuholen. Die BAufirmen müssten doch wild auf Aufträge sein. Der Vertreter der Kardiologen bedankte sich im Namen seiner Kollegen von St. Brigid und kündigte an, dass sie ihre Forderungen rasch formulieren würden.
»Forderungen!«, schnaubte Frank Ennis.
»Und selbstverständlich muss der Posten des Direktors ausgeschrieben werden«, sagte die Nonne in Zivil.
»O ja, in der Tat. Ich wage zu vermuten, dass hinter den Kulissen bereits einer darauf wartet, hier bald eine ruhige Kugel schieben zu dürfen«, murmelte Frank, noch immer verbittert wegen seiner Niederlage.
»Einer oder eine«, fügte die Nonne mit fester Stimme hinzu.
»Gott - an die Frauenquote habe ich natürlich nicht gedacht«,
sagte Frank leise. Er war ein Mann, in dessen Leben Frauen nur eine untergeordnete Rolle spielten. Im Golfclub reagierte er jedes Mal empört, wenn er wegen des Damentags warten musste. Zu heiraten hatte er ebenfalls vollkommen vergessen, was für alle Beteiligten jedoch wahrscheinlich das Beste gewesen war. »Er oder sie, selbstverständlich«, sagte er laut. »Tut mir leid, aber ich bin noch vom alten Schlag, Schwester.«
»Das ist aber schlecht für Sie, Mr. Ennis«, erwiderte die Nonne in Zivil, während sie schwungvoll das Fenster öffnete, um ein weiteres Mal frische Luft ins Zimmer zu lassen.
Übersetzung: Gabriela Schönberger
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Manche Projekte brauchen eine Ewigkeit, bis sie endlich Realität werden.
Eines davon war der Umbau des stillgelegten Depots, das zum St. Brigid Hospital gehörte, eine hässliche Ansammlung unterschiedlich großer Lagerhallen. Früher war dort alles untergebracht, was das Krankenhaus benötigte, aber mittlerweile lag das Depot zu ungünstig. Eine neue Einbahnstraßenregelung war daran schuld, dass man eine lange und beschwerliche Fahrt quer durch Dublin auf sich nehmen musste, um von einem Ort zum anderen zu gelangen.
In diesem Teil von Dublin gab es immer noch die alten Arbeiterhäuser und Fabrikgebäude, die in moderne Wohnblocks umgestaltet worden waren. Dieser Teil der Stadt »boomte« und war enorm »in«, wie die Immobilienleute es beschrieben; bald würden Spekulanten auch ein Auge auf die Lagerhallen werfen und dem Krankenhaus St. Brigid ein Angebot von der Art unterbreiten, das man nicht ablehnen konnte. Genau das war es, was Frank Ennis sich wünschte. Er hielt sich selbst für das Superhirn der Finanzverwaltung von St. Brigid, und eine riesige Finanzspritze, ein schöner Batzen Geld in seiner Amtszeit als Verwaltungschef, war genau das, was dem Krankenhaus fehlte.
Frank Ennis konnte das alles bereits Realität werden sehen. Natürlich gab es jedes Jahr, wenn das Planungskomitee sich bei der Hauptversammlung traf, das eine oder andere Problem, das Frank davon abhielt, diese lästige Immobilie zu verkaufen und das Geld in das Krankenhaus zu stecken. In dem einen Jahr waren es die Rheumalobbyisten, die sich eine Rheumaambulanz wünschten. Dann gab es die Abteilung für Lungenkrankheiten, die ein Zentrum für Patienten mit Beschwerden der Atemwegsorgane einrichten wollte. Ganz zu schweigen von der sich zusehends stärker zu Wort meldenden Herzfraktion. Ihre Befürworter behaupteten, dass genügend wissenschaftliche Gutachten vorlägen, die bewiesen, dass Patienten auch ambulant betreut werden könnten - und folglich weniger Krankenhausbetten nötig wären -, wenn sie nur eine entsprechende Anlaufstelle hätten. Die Kardiologen kamen Frank vor wie Hunde, die sich in einen Knochen verbissen hatten - sie wollten nicht mehr davon ablassen.
Frank seufzte, da ihnen ein weiterer Nachmittag in dem engen, muff gen Besprechungszimmer der Klinikleitung bevorstand, deren Mitglieder bereits um den Tisch versammelt waren. Frank betrachtete freudlos die übliche Ansammlung von Menschen, die jedem beliebigen Klinikdirektorium hätte angehören können. Da war die - wie er sie nannte - Nonne in Zivil. Früher war St. Brigid ausschließlich von Nonnen geleitet worden; jetzt waren gerade mal vier Ordensschwestern übrig geblieben. Daneben saßen die offiziellen Vertreter der Gesundheitsbehörde, alles ältere Herrschaften, die bereits auf anderen Gebieten ihre Verdienste erworben hatten. Und da war der gutmütige amerikanische Philanthrop Chester Kovac, der etliche Meilen entfernt auf dem Land ein privates Gesundheitszentrum errichtet hatte.
Die Ordensschwester in Zivil würde wie immer alle Fenster aufreißen, so dass die Papiere über den Tisch geweht wurden, woraufhin irgendjemand die Fenster wieder schließen musste. Frank hatte dies viele Male miterlebt. Doch bei der heutigen Gelegenheit witterte er Morgenluft, und der Sieg schien ihm nahe, denn er hatte ein schriftliches Angebot über eine enorme Summe von einem Bauträger vorliegen, der ihnen sofort das umstrittene und für sie völlig nutzlose Grundstück um das Depot abkaufen würde - eine Summe, die jeden von ihnen aufhorchen lassen würde.
Unweigerlich würde daraufhin die Frage im Raum stehen, wofür das Geld am besten auszugeben sei. Würde es in den Topf für die ultramodernen Computertomographen wandern? Oder doch eher dazu verwendet werden, die Fassade des Krankenhauses radikal umzugestalten? Wie bei vielen Gebäuden aus dieser Zeit, dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, führte eine unpraktische Steintreppe hinauf zum Haupteingang. Eine Rampe oder Ähnliches wäre wesentlich geeigneter, um schwachen und gebrechlichen Patienten leichter Zugang zu gewähren.
Außerdem herrschte stets Bettenmangel in der chirurgischen Gynäkologie, und es wurden mehr Isolierzimmer benötigt. Auch die Überwachungsstation hatte in der letzten Zeit großen Druck gemacht, da man zu einer Intensivstation aufgewertet werden wollte, und das kostete Geld.
Wie auch immer. Auf jeden Fall würden sie heute dem Bauträger eine Antwort geben, sein Angebot akzeptieren und endlich damit aufhören können, Zeit für die diversen Einzelinteressen zu verschwenden, da doch alle nur ihren Machtbereich ausdehnen wollten.
Man servierte Kaffee und Kekse, die Tagesordnung wurde verteilt, und die Besprechung begann. Doch Frank wusste von Anfang an, dass etwas nicht stimmte.
Dummerweise standen die Mitglieder der Klinikleitung unter dem unheilvollen Einfluss einer erst kürzlich veröffentlichten Statistik. Diese schien zu belegen, dass die Iren überdurchschnittlich von Herzinfarkten bedroht waren, was wahrscheinlich mit ihrem Lebensstil und ihrer Ernährung zusammenhing, wobei Alkohol und Zigaretten zweifellos eine große Rolle spielten. Alle am Tisch diskutierten mit größtem Eifer Methoden, wie man betroffenen Patienten wieder neuen Lebensmut vermitteln könnte. Wie großartig wäre es, an vorderster Front im Kampf gegen Herzkrankheiten zu stehen, mit einer Tagesklinik als Anlaufstelle für diese Patienten. Frank Ennis hätte die Organisation verfluchen können, die nur Tage vor seinem Direktoriumstreffen diese Zahlen veröffentlicht hatte. Seinem Empfinden nach hätte durchaus Absicht dahinterstecken können - die Kardiologen in St. Brigid waren wirklich ziemlich arrogante Schnösel und hielten sich für allmächtig.
Hilfesuchend wanderte sein Blick zu Chester Kovac, in solchen Situationen normalerweise ein Mann mit gesundem Menschenverstand, auf den man sich verlassen konnte. Doch dieses Mal hatte Frank sich getäuscht. Chester war nämlich der Ansicht, dass dies eine Idee von visionärer Kraft sei und dass er sich freuen würde, wenn St. Brigid bei dieser Bewegung in vorderster Reihe mitmarschieren würde. Schließlich ginge es nur um Geld.
Frank schäumte vor Wut. Chester konnte leicht sagen, dass es nur um Geld ginge; er hatte schließlich jede Menge davon. Sicher war er sehr großzügig, aber was wusste er schon? Er war Amerikaner polnischer Abstammung mit einem irischen Großvater - ein leichtes Opfer für jeden, der es auf ihn abgesehen hatte.
Frank wurde immer wütender.
»Es ist nicht nur Geld, Chester. Hier steht eine riesige Summe auf dem Spiel, mit der man St. Brigid enorm aufwerten könnte.«
»Vergangenes Jahr wollten Sie dieses Stück Land schon mal verkaufen, um einen Parkplatz daraus zu machen«, sagte Chester.
»Aber das Angebot hier ist weitaus besser.« Frank war rot im Gesicht, so sehr regte ihn die ganze Sache auf.
»Nun, wir wären dumm gewesen, hätten wir vergangenes Jahr Ihren Vorschlag angenommen, Frank, wenn man sieht, wie sich die Dinge entwickelt haben«, entgegnete Chester freundlich, aber mit Nachdruck.
»Aber ich habe Wochen gebraucht, um das Angebot in die Höhe zu treiben ... «
»Und letztes Jahr waren wir uns alle einig, dass wir keinen Parkplatz wollten.«
»Aber das hier ist kein Parkplatz. Hier geht es um Luxuswohnungen - mit gehobener Ausstattung ... «, ereiferte sich Frank.
»Nicht unbedingt Sinn und Zweck eines Krankenhauses«, konterte Chester Kovac.
»Wenn wir schon auf einem so teuren Grundstück sitzen, dann sollten wir das auch nützen«, meldete sich einer der ehemaligen Industriemagnaten zu Wort.
»Wir werden es auch nützen. Wir werden ein kleines Vermögen dafür bekommen und es in das Krankenhaus investieren! « Frank hatte das Gefühl, es mit Leuten zu tun zu haben, die wirklich sehr schwer von Begriff waren.
Die Nonne in Zivil meldete sich zu Wort. »Wir würden ein Projekt bevorzugen, das etwas mehr dem Geist des ursprünglichen Ordens entspricht, der einst dieses Krankenhaus geleitet hat.«
»Wohnungen werden wohl kaum dem Geist des Ordens widersprechen, oder?«, fragte Frank.
»Luxuswohnungen mit gehobener Ausstattung mögen vielleicht nicht ganz im Sinn der wohltätigen Schwestern sein«, wandte Chester ein.
»Die wohltätigen Schwestern sind doch schon längst alle weg und ausgestorben!« Frank explodierte.
Chesters Blick fiel auf das Gesicht der Nonne in Zivil, die von dieser Bemerkung sehr verletzt zu sein schien. Er musste wohl wieder mal vermitteln.
»Mr. Ennis möchte damit ausdrücken, dass das Werk der Schwester vollendet und ihre Arbeit getan ist. Aber sie haben uns ihr Vermächtnis hinterlassen. Die hiesige Gemeinde benötigt dringend mehr medizinische Versorgung und weniger Luxuswohnungen mit Garagen für zwei Autos, die wiederum die Straßen noch weiter verstopfen werden. Sie benötigt mehr Einrichtungen im Gesundheitswesen. Den Menschen muss dabei geholfen werden, nach dem Schock bei einem Herzinfarkt wieder auf die Füße zu kommen und etwas aus ihrem Leben zu machen. Und um ganz offen zu sein - wenn es zur Abstimmung kommt, wäre mir dies das liebste Ergebnis, und dafür werde ich auch meine Stimme abgeben.«
Sein Monolog hatte etwas sehr Würdevolles an sich.
Frank Ennis war bitter enttäuscht. Sie würden das Grundstück wieder nicht loswerden, wie er an diesem Morgen noch so zuversichtlich gehofft hatte. Die Kardiologen hatten gewonnen. Es würden Monate vergehen, ehe man sich über die Kosten einig war, und weitere Monate, bis das Gebäude endlich stand und eingerichtet war. Man würde einen neuen Direktor berufen und neues Personal einstellen müssen. Frank stieß einen tiefen Seufzer aus. Warum besaßen diese Menschen nicht einen Funken Verstand? Sie hätten sich so viele Wünsche auf ihrer Liste erfüllen können, würden sie nur begreifen, wie diese Welt funktionierte. Stattdessen machten sie alles nur noch komplizierter.
Irgendwie stand er den Rest der Besprechung durch und hakte dabei automatisch einen Tagesordnungspunkt nach dem nächsten ab. Dann kam es zur Abstimmung über die Nutzungsänderung des zu St. Brigid gehörenden Geländes, besser bekannt als das sogenannte frühere Depot. Wie zu erwarten, war man einstimmig der Ansicht, dass dort eine Tagesklinik für koronare Herzerkrankungen errichtet werden sollte.
Frank schlug eine Machbarkeitsstudie vor, wurde aber prompt überstimmt. Keiner wollte etwas davon hören - sonst würde sie die Sache weitere sechs Jahre diskutieren. Beschlossen war beschlossen. Und machbar war es auch.
Trotzdem würde eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden müssen, sobald man sich über die Kosten geeinigt, Ausschreibungen diverser Bauunternehmen erhalten und mit der kardiologischen Abteilung die nötige Anzahl an neuen Mitarbeitern ausgehandelt hatte.
Alle blätterten in ihren Terminkalendern, und man einigte sich auf ein Datum.
Frank hatte einen Termin in sechs Monaten vorgeschlagen. Chester Kovac war jedoch der Meinung, dass ein paar Wochen genügen müssten, um die Angebote einzuholen. Die BAufirmen müssten doch wild auf Aufträge sein. Der Vertreter der Kardiologen bedankte sich im Namen seiner Kollegen von St. Brigid und kündigte an, dass sie ihre Forderungen rasch formulieren würden.
»Forderungen!«, schnaubte Frank Ennis.
»Und selbstverständlich muss der Posten des Direktors ausgeschrieben werden«, sagte die Nonne in Zivil.
»O ja, in der Tat. Ich wage zu vermuten, dass hinter den Kulissen bereits einer darauf wartet, hier bald eine ruhige Kugel schieben zu dürfen«, murmelte Frank, noch immer verbittert wegen seiner Niederlage.
»Einer oder eine«, fügte die Nonne mit fester Stimme hinzu.
»Gott - an die Frauenquote habe ich natürlich nicht gedacht«,
sagte Frank leise. Er war ein Mann, in dessen Leben Frauen nur eine untergeordnete Rolle spielten. Im Golfclub reagierte er jedes Mal empört, wenn er wegen des Damentags warten musste. Zu heiraten hatte er ebenfalls vollkommen vergessen, was für alle Beteiligten jedoch wahrscheinlich das Beste gewesen war. »Er oder sie, selbstverständlich«, sagte er laut. »Tut mir leid, aber ich bin noch vom alten Schlag, Schwester.«
»Das ist aber schlecht für Sie, Mr. Ennis«, erwiderte die Nonne in Zivil, während sie schwungvoll das Fenster öffnete, um ein weiteres Mal frische Luft ins Zimmer zu lassen.
Übersetzung: Gabriela Schönberger
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Autoren-Porträt von Maeve Binchy
Maeve Binchy wurde in der Nähe von Dublin geboren. Nach ihrem Studium war sie zunächst als Redakteurin für die Irish Times tätig. Seit Ende der siebziger Jahre arbeitet sie als freie Schriftstellerin. Ihre Romane, darunter Cathys Traum, Echo vergangener Tage, Der grüne See, Ein Haus in Irland und Im Kreis der Freunde wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Maeve Binchy lebt in Dublin und London.
Bibliographische Angaben
- Autor: Maeve Binchy
- 582 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Hochw. Broschur mit Klappeinb.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868004645
- ISBN-13: 9783868004649
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