Wie im richtigen Film
Roman
Der Erfolgs-Roman des beliebten Schauspielers Oliver Wnuk.
Eine Liebe, eine Ex, ein Kind, ein Vater, ein ganzes Leben
und dazwischen ... ich
Jan ist Schauspieler und wartet auf die Rolle seines Lebens. Dabei spielt er eigentlich schon so viele...
Eine Liebe, eine Ex, ein Kind, ein Vater, ein ganzes Leben
und dazwischen ... ich
Jan ist Schauspieler und wartet auf die Rolle seines Lebens. Dabei spielt er eigentlich schon so viele...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Wie im richtigen Film “
Klappentext zu „Wie im richtigen Film “
Der Erfolgs-Roman des beliebten Schauspielers Oliver Wnuk.Eine Liebe, eine Ex, ein Kind, ein Vater, ein ganzes Leben
und dazwischen ... ich
Jan ist Schauspieler und wartet auf die Rolle seines Lebens. Dabei spielt er eigentlich schon so viele Rollen, dass er sich fast selbst vergisst. Als Familienmensch wäre gerne für alle da, aber manchmal doch am liebsten allein. Und deshalb geht Jan mitten im Leben auf die Suche nach dem Sinn des Liebens.
»Eine gelungenen Mischung aus Komik und Tragik, aus alltäglichen Lebenslügen und großen Einsichten.« Brigitte
»Eine echte Entdeckung!« Für Sie
Lese-Probe zu „Wie im richtigen Film “
Wie im richtigen Film von Oliver WnukProlog
»Papa?«
»Hm?«
»Schläfst du?«
»Hm.«
...
»Machst du noch mal Licht an?«
Knips.
Luca beugt sich über meinen Kopf hinweg zur Nachttischlampe und schaut direkt in die Glühbirne.
Ich liebe den Geruch, der in ihrem Pyjama nistet. So müffelig rosig.
»Und jetzt wieder ausmachen«, ordnet sie an und lässt sich zurückplumpsen.
Knips.
»Und? Wie viele Glühwürmchen siehst du?«, frage ich.
»Ganz viele.«
...
»Papa?«
»Hm?«
»Ich will ans Meer.«
»Aha ... Na, vielleicht nächsten Sommer.«
»Au ja. Fahren wir nächsten Sommer ans Meer? Mit der Mama?«
»Vielleicht eher mit der Clara.«
»Ich will aber mit der Mama.«
»Ich glaube, das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil dann die Clara traurig ist ... und der Steffen bestimmt auch.«
»Okay ... dann mit dir alleine.«
»Okay ... und warum nicht mit der Clara?«
»Weil dann die Mama traurig ist.«
»Das glaube ich nicht.«
»Das glaube ich schon.«
»Schlaf jetzt.«
...
»Papa?«
»Hm?«
»Wann ist Sommer?«
»Noch zweihundert Mal schlafen, ungefähr.«
...
»Papa?«
»Hm!?«
»Machst du noch mal Licht an?«
»Nein!«
1.
... mehr
»Ist das jetzt ein Heiratsantrag?« Mir wird ganz heiß. Meine Halsschlagader pocht spürbar und eindeutig unrhythmisch. »Tom, hast du mir da etwa gerade einen Antrag gemacht?« Erwartungsvoll sucht sie die Antwort in meinen Augen. Und findet sie nicht. Ich schwitze und stottere ein undefiniertes, kaum hörbares: »Ähm ...?« Ich lache etwas verlegen. Ich nehme mir Zeit. Jetzt nicht zu schnell werden. Trotz der angespannten Situation koste ich jeden einzelnen Moment aus. Immer wieder bin ich das hier durchgegangen. Jetzt, wo es drauf ankommt, darf ich es nicht vermasseln. Also, mach langsam, Junge. »Ich weiß nicht ... ja ... ich denke, ja, das ist wohl ein ... Antrag. « »Liebling, wenn du mich heiraten willst, dann musst du mich aber auch richtig fragen.« Ach du meine Güte, das gibt's doch nicht. Was macht sie denn da? Das kann doch nicht wahr sein. Sie macht mir alles kaputt. Sie grimassiert in einer Art, als ob sie gleich ganz schrecklich pupsen müsste und es krampfhaft zu unterdrücken versucht. Anders kann ich mir das nicht erklären. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so reagiert, wenn er einen Antrag bekommt. Ehrlich enttäuscht über ihre Entgleisung, versuche ich trotzdem Haltung zu bewahren.
»Ach so, ja ... Mirjam, ich liebe dich ... Das weißt du ...« Ich merke, wie mir die Schweißperlen den Rücken herunterkullern und ihren Weg in die Poritze finden. Unangenehm. Das hier muss klappen. »Mirjam, nichts würde ich mir mehr wünschen ... nach all dem, was wir gemeinsam erlebt haben, nach all dem, was du für mich getan hast ...« Meine Unterlippe beginnt plötzlich ungewollt zu zittern, und ich kann nichts dagegen tun. Es überkommt mich. »Was ich ... schluchz ... ich«, ich benutze das Unterlippenzittern, »was ich eigentlich ... schnief ... sagen will ...« Ich atme durch. Ich reiße mich zusammen. »Du bist ein so einzigartiger Mensch. Du hast so viel Liebe in dir, so viele Talente und Fähigkeiten. Du erfüllst mich mit einer so ... unbändigen Freude ...« Wieder einmal bin ich überrascht, wie gut ich lügen kann, und setze zum Finale an: »Willst du mich heiraten?«
Irgendwas sagt mir, dass meine Freundin sich auch über so eine Art Antrag freuen würde. Und ich frage mich, ob ich das gut finden sollte und wie genau ich ihn machen müsste. Nicht, dass ich es unbedingt wollen würde oder sie ... oder ... Aber jetzt nicht an Clara denken. Schön bei der Sache bleiben. Du liegst gerade in den Armen einer anderen Frau, und das hier ist jetzt wichtiger. Ich bin ihr ganz nah und bin gebannt von ihrem bröckelnden Makeup, das eigentlich die Aufgabe hatte, die prall gefüllten Mitesser auf ihrer Nase zu verdecken, aber gerade, wie auch der Rest von ihr, jämmerlich zu versagen scheint. Gleich bekomme ich Blitzherpes. Zwischenzeitlich hat sie offensichtlich emotionales Atmen mit Hyperventilieren verwechselt und sich so sehr mit ihrer Befindlichkeit beschäftigt, dass sie puterrot geworden ist. Was das nur soll?
»Tom, ich liebe dich auch.« Ich glaube ihr kein Wort. Und dann haucht sie noch ein weniger überzeugendes: »Ja, ich will für immer mit dir zusammen sein.« Aber nun naht die Stelle, vor der mir graut. Der Kuss. Ach, du Scheiße. Bah, sie küsst ja ... offen. Mit offenem Mund. Ich werd' nicht mehr. Sie lässt mir keine Chance. Ich kann ja nicht mit spitzen Lippen ihre Zähne küssen. Da muss ich jetzt durch. Ahh, schööön! Ich schmecke Aschenbecher, Kaffee und Mettbrötchen. Das ist eine Unverschämtheit. Mach den Mund zu, du Schnalle. Und lass ja die Zunge drin. »Danke!«, tönt es erlösend aus dem Off. Ja, allerdings danke. Unsere Münder lösen sich langsam voneinander. Endlich. Nicht zu ruckartig, denn man will schließlich zeigen, dass man sich sympathisch ist und als Paar funktionieren könnte. In Wahrheit wünsche ich mir aber gerade nichts sehnlicher herbei als eine Zahnund Zungenbürste. Für uns beide. »Das war wirklich sehr süß. Schön. Jan, danke. Ganz toll, Paula.« Was war denn daran toll? Aufgesetztes Schmierentheater war das. Bestenfalls Pilcher. Selbst der Kameramann scheint froh zu sein, dass er nicht mehr so genau hinschauen muss, und gönnt sich augenblicklich die Zigarette danach. »Habt ihr euch gut gefühlt?« »Also, ich schon«, lüge ich. »Ich weiß ja nicht genau, wie ihr die Rolle seht. Ich kenne ja nur Auszüge aus dem Drehbuch. Deswegen hab ich es jetzt halt mal so angelegt, wie ich sie gelesen habe. Also eher weicher. Er ist ja jetzt kein Macho oder so. Oder?« »Wir sehen die Rolle genauso, wie du sie uns gerade präsentiert hast, mein lieber Jan.«
Neben der Casterin sitzt Ute Wanger - eine der bedeutendsten Fernsehproduzentinnen Deutschlands. Mindestens genauso bedeutend wie dick. »Jan, du hast es ganz toll gemacht so. Ehrlich.« »Danke, Frau Wanger. Das freut mich sehr, wenn Sie das sagen. « Das Mettbrötchen auf zwei Beinen fühlt sich, überflüssigerweise, auch zu einem Kommentar gezwungen. »Ja, find ich auch.« Alle blicken sie fragend an, aber mehr scheint da wohl nicht zu kommen. »Findest du auch, Paula, ja?«, hakt die dicke Wanger dennoch nach. »Könntest du dir denn vorstellen, unseren Jan hier zu heiraten? Also, im Film ... mein' ich.« Die gewaltige Wanger prustet feucht los. Die Casterin steigt hysterisch mit ein. Wahrscheinlich ist sie im chinesischen Sternzeichen Ziege. Alle lachen. Hach, wie lustig. Nachdem Kollegin Paula ihr aufgesetztes Gekicher abgestellt hat, sagt sie gönnerhaft: »Ja, ich glaube schon. Ich finde ihn sehr süß.« Ich finde dich auch süß. Du talentfreies Geschöpf. Privat ist sie erstaunlicherweise mindestens genauso unnatürlich wie im Spiel. Was ein Grund mehr wäre, sie jetzt aus ganz aufrichtigem Interesse zu fragen, wie viele Redakteursschwänze sie für diesen Job hat lutschen müssen. Aber stattdessen sage ich: »Danke.« Denn sicherlich hat mindestens einer dieser Schwänze auch erheblichen Einfluss auf meine Karriere. »Ja, und ... ähm ... jetzt?« Die Situation ist mir unangenehm. Ich will weg. Raus hier. So viel Falschheit ertrage ich nicht. Vor allem von mir nicht. »Also ... sollen wir's noch mal spielen? Oder irgendwie ... anders?« Mir graut vor der Antwort. Die Wanger drückt sich aus dem Stuhl auf ihre bemitleidenswerten Knie. »Nein, das reicht mir. Ach, ihr Süßen, wisst ihr was ...?« Bevor sie weiterreden kann, muss sie erst noch einmal verschnaufen. Zu viel Bewegung. »Ich glaube, wir haben unsere Turteltäubchen gefunden«, flötet sie neckisch in die Runde. Debil grinsend schäme ich mich eine Runde fremd, und die Casterin nickt wie ein Wackeldackel. Zum Abschied drückt die Wanger mich an ihr DoppelG und beschmatzt meine Wangen mit den Worten: »Also, wenn es nach mir geht, bist du's. Aber du weißt ja, das habe ich nicht zu entscheiden. Das muss der Jürgen beim Sender machen.« Natürlich. Klar. »Aber wir wissen spätestens morgen Bescheid. Wenn nicht sogar noch heute. Wir stellen das Band gleich auf den Server, und dann kann er's sich sofort angucken.« Und ich sage noch: »Schön. Also ... dann.« Küsschen hier, Küsschen da. Grüß mal den und grüß mal die und natürlich soll ich Clara grüßen. Natürlich. Klar. »Mit euch zusammen müssten wir mal was machen, Jan, mit dir und Clara.« Ja, dann mach halt. Und tschüss. Raus an die Luft. Durchatmen.
Nachdem ich ein bisschen Frischluft geatmet habe, fange ich an, mich zu ärgern. Und zwar einzig und allein über mich selbst. Die Kollegin Mettbrötchen war gar nicht so schlecht, und Mettbrötchen habe ich auch nicht rausgeschmeckt. Aber Kaffee. Kaffee ganz bestimmt. Aber ansonsten war die völlig okay. Und die Wanger ist zwar dick, aber kein Walross, und überhaupt wollten sicherlich alle nur, dass ich mich wohl fühle. Schließlich haben sie mich zum Casting eingeladen, weil sie an mich glauben und mir reelle Chancen einräumen. Punkt. Und all mein eigener Gram hat mich wieder mal vom Wesentlichen abgelenkt.
Die miese Laune war reiner Selbstschutz. Angst davor, nicht ausreichend ernst genommen zu werden. Angst vor Ablehnung. Angst. Angst. Angst. Eigentlich liebe ich meinen Beruf.
Auf einer Mitnahmepostkarte im Toilettenvorraum lese ich: »Die Zukunft bringt dir das, was für dich am besten ist.« Als ich wieder an einem der Tische auf dem Bürgersteig Platz nehme, hat Johnny mir schon ein Glas Rotwein samt kleinem AntipastiTeller hingestellt. »Dottore, bisse du heute schon so früh bei mir?«, grinst der ewig gut gelaunte Johnny. »Gehte dir gut?« »Danke, Johnny. Es geht.« »Musse du nich so viel denke. Musse du lebe.« In seiner südländischen Art streicht er mir liebevoll über den Kopf. Er gehört zu dem MännerTyp, bei dem einem so was nicht unangenehm zu sein braucht. Im Gegenteil. Wahrscheinlich wegen dieser Ruhe und Aufrichtigkeit, die er ausstrahlt. Weil er authentisch und warmherzig ist. Mein Wirt Johnny wäre bei dem Casting eben zweifellos der Bessere von uns beiden gewesen.
Eine knappe Stunde später klingelt das Handy. Meine Agentin Annalena kommt direkt zur Sache: »Der Jürgen vom Sender hat Nein gesagt. Er will was Glatteres. Du bist ihm zu speziell. Außerdem sind sie sich noch nicht sicher, ob sie nicht doch einen bekannten Comedian für die Rolle verpflichten wollen.« »Was soll das denn? Das ist ein ganz normaler Beziehungsfilm. Keine Comedy.« »Ach, Jan. Darum geht's doch nicht. Das weißt du doch.« Weiß ich. »Es tut mir leid. Du warst bestimmt sehr gut bei dem Casting. «
Ich war gut. »Jan? Bist du noch dran?« »Ja.« »Lass den Kopf nicht hängen. Kommt bestimmt bald wieder was rein.« »Ja.« »Okay, dann ... ich weiß jetzt auch nicht mehr, was ich noch sagen soll. Mach's gut, mein Lieber.« »Ja.«
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
»Ist das jetzt ein Heiratsantrag?« Mir wird ganz heiß. Meine Halsschlagader pocht spürbar und eindeutig unrhythmisch. »Tom, hast du mir da etwa gerade einen Antrag gemacht?« Erwartungsvoll sucht sie die Antwort in meinen Augen. Und findet sie nicht. Ich schwitze und stottere ein undefiniertes, kaum hörbares: »Ähm ...?« Ich lache etwas verlegen. Ich nehme mir Zeit. Jetzt nicht zu schnell werden. Trotz der angespannten Situation koste ich jeden einzelnen Moment aus. Immer wieder bin ich das hier durchgegangen. Jetzt, wo es drauf ankommt, darf ich es nicht vermasseln. Also, mach langsam, Junge. »Ich weiß nicht ... ja ... ich denke, ja, das ist wohl ein ... Antrag. « »Liebling, wenn du mich heiraten willst, dann musst du mich aber auch richtig fragen.« Ach du meine Güte, das gibt's doch nicht. Was macht sie denn da? Das kann doch nicht wahr sein. Sie macht mir alles kaputt. Sie grimassiert in einer Art, als ob sie gleich ganz schrecklich pupsen müsste und es krampfhaft zu unterdrücken versucht. Anders kann ich mir das nicht erklären. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so reagiert, wenn er einen Antrag bekommt. Ehrlich enttäuscht über ihre Entgleisung, versuche ich trotzdem Haltung zu bewahren.
»Ach so, ja ... Mirjam, ich liebe dich ... Das weißt du ...« Ich merke, wie mir die Schweißperlen den Rücken herunterkullern und ihren Weg in die Poritze finden. Unangenehm. Das hier muss klappen. »Mirjam, nichts würde ich mir mehr wünschen ... nach all dem, was wir gemeinsam erlebt haben, nach all dem, was du für mich getan hast ...« Meine Unterlippe beginnt plötzlich ungewollt zu zittern, und ich kann nichts dagegen tun. Es überkommt mich. »Was ich ... schluchz ... ich«, ich benutze das Unterlippenzittern, »was ich eigentlich ... schnief ... sagen will ...« Ich atme durch. Ich reiße mich zusammen. »Du bist ein so einzigartiger Mensch. Du hast so viel Liebe in dir, so viele Talente und Fähigkeiten. Du erfüllst mich mit einer so ... unbändigen Freude ...« Wieder einmal bin ich überrascht, wie gut ich lügen kann, und setze zum Finale an: »Willst du mich heiraten?«
Irgendwas sagt mir, dass meine Freundin sich auch über so eine Art Antrag freuen würde. Und ich frage mich, ob ich das gut finden sollte und wie genau ich ihn machen müsste. Nicht, dass ich es unbedingt wollen würde oder sie ... oder ... Aber jetzt nicht an Clara denken. Schön bei der Sache bleiben. Du liegst gerade in den Armen einer anderen Frau, und das hier ist jetzt wichtiger. Ich bin ihr ganz nah und bin gebannt von ihrem bröckelnden Makeup, das eigentlich die Aufgabe hatte, die prall gefüllten Mitesser auf ihrer Nase zu verdecken, aber gerade, wie auch der Rest von ihr, jämmerlich zu versagen scheint. Gleich bekomme ich Blitzherpes. Zwischenzeitlich hat sie offensichtlich emotionales Atmen mit Hyperventilieren verwechselt und sich so sehr mit ihrer Befindlichkeit beschäftigt, dass sie puterrot geworden ist. Was das nur soll?
»Tom, ich liebe dich auch.« Ich glaube ihr kein Wort. Und dann haucht sie noch ein weniger überzeugendes: »Ja, ich will für immer mit dir zusammen sein.« Aber nun naht die Stelle, vor der mir graut. Der Kuss. Ach, du Scheiße. Bah, sie küsst ja ... offen. Mit offenem Mund. Ich werd' nicht mehr. Sie lässt mir keine Chance. Ich kann ja nicht mit spitzen Lippen ihre Zähne küssen. Da muss ich jetzt durch. Ahh, schööön! Ich schmecke Aschenbecher, Kaffee und Mettbrötchen. Das ist eine Unverschämtheit. Mach den Mund zu, du Schnalle. Und lass ja die Zunge drin. »Danke!«, tönt es erlösend aus dem Off. Ja, allerdings danke. Unsere Münder lösen sich langsam voneinander. Endlich. Nicht zu ruckartig, denn man will schließlich zeigen, dass man sich sympathisch ist und als Paar funktionieren könnte. In Wahrheit wünsche ich mir aber gerade nichts sehnlicher herbei als eine Zahnund Zungenbürste. Für uns beide. »Das war wirklich sehr süß. Schön. Jan, danke. Ganz toll, Paula.« Was war denn daran toll? Aufgesetztes Schmierentheater war das. Bestenfalls Pilcher. Selbst der Kameramann scheint froh zu sein, dass er nicht mehr so genau hinschauen muss, und gönnt sich augenblicklich die Zigarette danach. »Habt ihr euch gut gefühlt?« »Also, ich schon«, lüge ich. »Ich weiß ja nicht genau, wie ihr die Rolle seht. Ich kenne ja nur Auszüge aus dem Drehbuch. Deswegen hab ich es jetzt halt mal so angelegt, wie ich sie gelesen habe. Also eher weicher. Er ist ja jetzt kein Macho oder so. Oder?« »Wir sehen die Rolle genauso, wie du sie uns gerade präsentiert hast, mein lieber Jan.«
Neben der Casterin sitzt Ute Wanger - eine der bedeutendsten Fernsehproduzentinnen Deutschlands. Mindestens genauso bedeutend wie dick. »Jan, du hast es ganz toll gemacht so. Ehrlich.« »Danke, Frau Wanger. Das freut mich sehr, wenn Sie das sagen. « Das Mettbrötchen auf zwei Beinen fühlt sich, überflüssigerweise, auch zu einem Kommentar gezwungen. »Ja, find ich auch.« Alle blicken sie fragend an, aber mehr scheint da wohl nicht zu kommen. »Findest du auch, Paula, ja?«, hakt die dicke Wanger dennoch nach. »Könntest du dir denn vorstellen, unseren Jan hier zu heiraten? Also, im Film ... mein' ich.« Die gewaltige Wanger prustet feucht los. Die Casterin steigt hysterisch mit ein. Wahrscheinlich ist sie im chinesischen Sternzeichen Ziege. Alle lachen. Hach, wie lustig. Nachdem Kollegin Paula ihr aufgesetztes Gekicher abgestellt hat, sagt sie gönnerhaft: »Ja, ich glaube schon. Ich finde ihn sehr süß.« Ich finde dich auch süß. Du talentfreies Geschöpf. Privat ist sie erstaunlicherweise mindestens genauso unnatürlich wie im Spiel. Was ein Grund mehr wäre, sie jetzt aus ganz aufrichtigem Interesse zu fragen, wie viele Redakteursschwänze sie für diesen Job hat lutschen müssen. Aber stattdessen sage ich: »Danke.« Denn sicherlich hat mindestens einer dieser Schwänze auch erheblichen Einfluss auf meine Karriere. »Ja, und ... ähm ... jetzt?« Die Situation ist mir unangenehm. Ich will weg. Raus hier. So viel Falschheit ertrage ich nicht. Vor allem von mir nicht. »Also ... sollen wir's noch mal spielen? Oder irgendwie ... anders?« Mir graut vor der Antwort. Die Wanger drückt sich aus dem Stuhl auf ihre bemitleidenswerten Knie. »Nein, das reicht mir. Ach, ihr Süßen, wisst ihr was ...?« Bevor sie weiterreden kann, muss sie erst noch einmal verschnaufen. Zu viel Bewegung. »Ich glaube, wir haben unsere Turteltäubchen gefunden«, flötet sie neckisch in die Runde. Debil grinsend schäme ich mich eine Runde fremd, und die Casterin nickt wie ein Wackeldackel. Zum Abschied drückt die Wanger mich an ihr DoppelG und beschmatzt meine Wangen mit den Worten: »Also, wenn es nach mir geht, bist du's. Aber du weißt ja, das habe ich nicht zu entscheiden. Das muss der Jürgen beim Sender machen.« Natürlich. Klar. »Aber wir wissen spätestens morgen Bescheid. Wenn nicht sogar noch heute. Wir stellen das Band gleich auf den Server, und dann kann er's sich sofort angucken.« Und ich sage noch: »Schön. Also ... dann.« Küsschen hier, Küsschen da. Grüß mal den und grüß mal die und natürlich soll ich Clara grüßen. Natürlich. Klar. »Mit euch zusammen müssten wir mal was machen, Jan, mit dir und Clara.« Ja, dann mach halt. Und tschüss. Raus an die Luft. Durchatmen.
Nachdem ich ein bisschen Frischluft geatmet habe, fange ich an, mich zu ärgern. Und zwar einzig und allein über mich selbst. Die Kollegin Mettbrötchen war gar nicht so schlecht, und Mettbrötchen habe ich auch nicht rausgeschmeckt. Aber Kaffee. Kaffee ganz bestimmt. Aber ansonsten war die völlig okay. Und die Wanger ist zwar dick, aber kein Walross, und überhaupt wollten sicherlich alle nur, dass ich mich wohl fühle. Schließlich haben sie mich zum Casting eingeladen, weil sie an mich glauben und mir reelle Chancen einräumen. Punkt. Und all mein eigener Gram hat mich wieder mal vom Wesentlichen abgelenkt.
Die miese Laune war reiner Selbstschutz. Angst davor, nicht ausreichend ernst genommen zu werden. Angst vor Ablehnung. Angst. Angst. Angst. Eigentlich liebe ich meinen Beruf.
Auf einer Mitnahmepostkarte im Toilettenvorraum lese ich: »Die Zukunft bringt dir das, was für dich am besten ist.« Als ich wieder an einem der Tische auf dem Bürgersteig Platz nehme, hat Johnny mir schon ein Glas Rotwein samt kleinem AntipastiTeller hingestellt. »Dottore, bisse du heute schon so früh bei mir?«, grinst der ewig gut gelaunte Johnny. »Gehte dir gut?« »Danke, Johnny. Es geht.« »Musse du nich so viel denke. Musse du lebe.« In seiner südländischen Art streicht er mir liebevoll über den Kopf. Er gehört zu dem MännerTyp, bei dem einem so was nicht unangenehm zu sein braucht. Im Gegenteil. Wahrscheinlich wegen dieser Ruhe und Aufrichtigkeit, die er ausstrahlt. Weil er authentisch und warmherzig ist. Mein Wirt Johnny wäre bei dem Casting eben zweifellos der Bessere von uns beiden gewesen.
Eine knappe Stunde später klingelt das Handy. Meine Agentin Annalena kommt direkt zur Sache: »Der Jürgen vom Sender hat Nein gesagt. Er will was Glatteres. Du bist ihm zu speziell. Außerdem sind sie sich noch nicht sicher, ob sie nicht doch einen bekannten Comedian für die Rolle verpflichten wollen.« »Was soll das denn? Das ist ein ganz normaler Beziehungsfilm. Keine Comedy.« »Ach, Jan. Darum geht's doch nicht. Das weißt du doch.« Weiß ich. »Es tut mir leid. Du warst bestimmt sehr gut bei dem Casting. «
Ich war gut. »Jan? Bist du noch dran?« »Ja.« »Lass den Kopf nicht hängen. Kommt bestimmt bald wieder was rein.« »Ja.« »Okay, dann ... ich weiß jetzt auch nicht mehr, was ich noch sagen soll. Mach's gut, mein Lieber.« »Ja.«
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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Autoren-Porträt von Oliver K. Wnuk
Wnuk, OliverOliver Wnuk, Jahrgang 1976, ist in Konstanz aufgewachsen, hat in München Schauspiel studiert und lebt heute in Berlin. Als facettenreicher Schauspieler etabliert, schreibt er seit mehreren Jahren auch für den Rundfunk, fürs Theater und verfasst Songtexte.Nach seinem von Kritikern und Lesern hochgelobten Debüt 'Wie im richtigen Film' ist 'Luftholen' sein zweiter beeindruckender Roman.
Bibliographische Angaben
- Autor: Oliver K. Wnuk
- 2013, 1. Auflage., 256 Seiten, Maße: 12,3 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596188806
- ISBN-13: 9783596188802
- Erscheinungsdatum: 21.02.2013
Rezension zu „Wie im richtigen Film “
Das Buch unterhält weit über die obligaten 90 Filmminuten hinaus. [Es] ist ein temporeiches Buch, das mehr ist als ein Abendalternativprogramm Schweizer Radio und Fernsehen DRS 3 20110530
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