Zwei an einem Tag, Film Tie-in
Der Roman zum Film
Endlich kommt der Roman auf die Kinoleinwand! Verfilmt mit der zauberhaften Anne Hathaway als Emma.
Emma und Dexter lernen sich an einem 15. Juli auf der Abschlussfeier kennen - und gehen danach getrennte Wege. So verbringen sie einen...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Zwei an einem Tag, Film Tie-in “
Endlich kommt der Roman auf die Kinoleinwand! Verfilmt mit der zauberhaften Anne Hathaway als Emma.
Emma und Dexter lernen sich an einem 15. Juli auf der Abschlussfeier kennen - und gehen danach getrennte Wege. So verbringen sie einen 15. Juli nach dem anderen, Jahr für Jahr, ohne sich aus den Augen zu verlieren. Doch erst 20 Jahre später erkennen sie, dass sie füreinander bestimmt sind.
SPIEGEL Bestseller Platz 4!
Klappentext zu „Zwei an einem Tag, Film Tie-in “
Alle sind sich einig: der schönste Liebesroman der letzten Jahre15. Juli 1988. Am Tag ihrer Examensfeier lernen sich Emma und Dexter kennen. Sie verbringen die Nacht miteinander, aber am nächsten Tag trennen sich ihre Wege. Obwohl die beiden unterschiedlicher nicht sein könnten, können sie einander nicht vergessen. Immer wieder kreuzen sich ihre Wege an jenem magischen Tag, dem 15. Juli. Es vergehen 20 Jahre, bis die zwei endlich erkennen, wonach sie immer gesucht haben.
Lese-Probe zu „Zwei an einem Tag, Film Tie-in “
Zwei an einem Tag von David NichollsKAPITEL EINS
Die Zukunft
FREITAG, 15. JULI 1988
Rankeillor Street, Edinburgh
... mehr
»Ich glaube, das Wichtigste ist, irgendwas zu verändern«, sagte sie. »Du weißt schon, wirklich zu verbessern.«
»Wie, meinst du etwa ›die Welt verbessern‹?«
»Nicht gleich die ganze Welt. Nur das kleine Stück um dich rum.«
Für einen Augenblick lagen sie schweigend und eng umschlungen in dem schmalen Einzelbett, dann lachten beide in der Dunkelheit vor Sonnenaufgang leise vor sich hin. »Ich kann es nicht fassen, dass ich das gesagt habe«, stöhnte sie. »Klingt ganz schön abgedroschen, was?«
»Schon ein wenig.«
»Ich versuche hier, dich zu inspirieren! Ich versuche, deine schwarze Seele auf das große Abenteuer einzustimmen, das vor dir liegt.« Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. »Nicht, dass du es nötig hättest. Du hast deine Zukunft bestimmt schon total verplant, heißen Dank auch. Hast wohl irgendwo einen Masterplan deines Lebens rumliegen.«
»Wohl kaum.«
»Was hast du denn sonst vor? Wie sieht der große Plan aus?«
»Na ja, meine Eltern holen mein Zeug ab, nehmen es mit nach Hause, und dann verbringe ich ein paar Tage in ihrer Wohnung in London und besuche Freunde. Danach ab nach Frankreich ...«
»Wie nett ...«
»Später gucke ich mich vielleicht ein bisschen in China um, anschließend eventuell weiter nach Indien, ein bisschen rumreisen ...«
»Reisen«, seufzte sie. »War ja klar.«
»Was hast du gegen Reisen?«
»Klingt mehr nach Realitätsflucht.«
»Ich finde, die Realität wird überbewertet«, sagte er in der Hoffnung, düster und charismatisch zu klingen.
Sie schniefte. »Schätze, das geht in Ordnung, wenn man es sich leisten kann. Aber warum sagst du nicht gleich: >Ich nehm zwei Jahre Urlaub‹? Ist doch gehopst wie gesprungen.«
»Weil Reisen den Horizont erweitert«, sagte er, stützte sich auf den Ellbogen und küsste sie.
»Also, ich glaube, in deinem Fall hieße das Eulen nach Athen tragen«, sagte sie und wandte das Gesicht ab, zumindest für den Moment. Sie ließen sich auf das Kissen zurücksinken. »Egal, ich hab nicht gemeint, was du nächsten Monat machst, sondern in der richtigen Zukunft, wenn du, keine Ahnung ...« Sie schwieg, als versuchte sie sich etwas Fantastisches vorzustellen, etwa eine fünfte Dimension. »... 40 bist oder so. Was willst du mit 40 sein?«
»40?« Auch er hatte Mühe, sich das auszumalen. »Keinen Schimmer. Wie wärs mit >reich‹?«
»So was von oberflächlich.«
»Na gut, dann >berühmt‹.« Er knabberte an ihrem Nacken. »Etwas morbide, die Vorstellung, oder?«
»Nicht morbide, es ist ... aufregend.«
»>Aufregend!‹« Er ahmte ihren leichten Yorkshire-Akzent nach, so dass es bescheuert klang. Sie erlebte oft, wie reiche, verwöhnte Jungs Dialekte nachäfften, als ob sie ungewöhnlich oder seltsam wären, und nicht zum ersten Mal verspürte sie einen beruhigenden Anflug von Abneigung gegen ihn. Sie rückte von ihm ab und presste den Rücken an die kühle Wand.
»Ja, aufregend. Wir sollten schließlich aufgeregt sein, oder? So viele Möglichkeiten. Wie der Vizedekan schon sagte: >Alle Türen stehen Ihnen weit offen ...‹«
»>Ihre Namen werden dereinst die Zeitungen zieren ...‹« »Eher unwahrscheinlich.«
»Und, bist du aufgeregt?«
»Ich? Gott nein, ich mach gleich in die Hose.«
»Ich auch. Heilige Scheiße ...« Plötzlich drehte er sich um und griff nach den Zigaretten auf dem Boden neben dem Bett, wie um seine Nerven zu beruhigen. »40 Jahre. 40. Teufel auch.«
Sie lächelte über seine Panik und beschloss, noch einen draufzusetzen. »Und was willst denn du jetzt machen, wenn du 40 bist?«
Nachdenklich zündete er sich eine Zigarette an. »Tja, die Sache ist die, Em ... «
»>Em‹? Wer soll das denn sein?«
»Alle nennen dich Em. Ich habs gehört.«
»Ja, meine Freunde nennen mich Em.«
»Und, darf ich jetzt Em zu dir sagen?«
»Nur zu, Dex.«
»Also, ich habe ziemlich viel über diesen ganzen ›Erwachsenwerden‹-Kram nachgedacht und bin zum Schluss gekommen, dass ich genau so bleiben will, wie ich jetzt bin.«
Dexter Mayhew. Sie linste unter ihrem Pony zu ihm hoch, während er sich an das billige Vinyl-Knopfpolster lehnte, und selbst ohne Brille konnte sie klar erkennen, warum er genau so bleiben wollte, wie er war. Die Augen geschlossen, die Zigarette lässig im Mundwinkel, eine Seite des Gesichts vom warmen, durch den Vorhang rötlich gefärbten Licht des Sonnenaufgangs beschienen, hatte er die Gabe, ständig so auszusehen, als posierte er für ein Foto. »Wie ein junger Gott«, schoss es Emma Morley durch den Kopf, ein alberner Ausdruck aus dem 19. Jahrhundert, aber es gab wirklich keine treffendere Beschreibung, außer vielleicht »schön«. Er hatte eines der Gesichter, bei dem selbst die Knochen unter der Haut anziehend wirken, sogar sein Schädel schien attraktiv. Die Nase war fein, glänzte leicht fettig, und er hatte dunkle Ringe um die Augen, fast schon Veilchen, Ehrenmale, die er sich durch Rauchen und nächtelange, absichtlich verlorene Strip-Poker-Partien mit Mädchen von der Bedales-Schule erworben hatte. Er hatte etwas Katzenhaftes an sich: feine Augenbrauen, volle, etwas zu dunkle, bewusst zum Schmollmund verzogene Lippen, die jetzt trocken, rissig und rot vom bulgarischen Rotwein waren. Das erfreulich schrecklich aussehende Haar war hinten und an den Seiten kurzgeschnitten, aber vorn hatte er eine peinliche kleine Stirnlocke. Das Haargel hatte sich verflüchtigt, und die Tolle sah keck und aufgeplustert aus wie ein albernes Hütchen.
Mit geschlossenen Augen blies er den Rauch durch die Nase. Er schien genau zu wissen, dass er beobachtet wurde, denn er schob sich eine Hand unter die Achsel, so dass die Brustmuskeln und der Bizeps anschwollen. Wo hatte er die Muckis her? Mit Sicherheit nicht vom Sport, es sei denn, man zählte Nacktbaden und Billard dazu. Wahrscheinlich war es einfach die Art von guter Gesundheit, die in seiner Familie vererbt wurde, zusammen mit den Aktien, den Wertpapieren und den teuren Möbeln. Wie einjunger Gott, oder eben schön, die Boxershorts mit dem Paisleymuster bis auf die Hüftknochen heruntergezogen, war er nach vier Jahren College irgendwie hier in dem schmalen Bett ihres winzigen möblierten Zimmers gelandet. »Wie ein junger Gott«! Für wen hältst du dich, Jane Eyre? Werd erwachsen. Sei vernünftig. Reiß dich zusammen.
Sie nahm ihm die Zigarette aus dem Mund. »Ich kann mir vorstellen, wie du mit 40 bist«, sagte sie mit einer Spur Bosheit in der Stimme. »Ich sehs direkt vor mir.«
Er lächelte mit geschlossenen Augen. »Dann schieß mal los.«
»Na schön ...« Sie setzte sich auf, die Decke unter die Achseln geklemmt. »Du hockst in 'nem offenen Sportkabrio in Kensington, Chelsea oder irgendeinem anderen Nobelviertel, und das Tolle an dem Auto ist, dass es absolut geräuschlos fährt, wie alle Autos im Jahr, keine Ahnung - 2006?«
Er rechnete mit zusammengekniffenen Augen. »2004 ...«
»Das Auto schwebt zehn Zentimeter über dem Boden die Kings Road entlang, dein Bäuchlein klemmt unter dem Lederlenkrad wie ein kleines Kissen, du trägst diese Rennfahrerhandschuhe mit Luftlöchern, hast kein Kinn, und dein Haar lichtet sich. Du bist ein dicker Mann in einem kleinen Auto, knackbraun wie ein gebratener Truthahn ...«
»Themenwechsel?«
»Und neben dir sitzt eine Frau mit Sonnenbrille, deine dritte, nein, vierte Frau, bildschön, ein Model, nein, ein Ex-Model, 23 Jahre alt, du hast sie getroffen, als sie bei einer Autoausstellung in Nizza auf einer Motorhaube lag oder so, und sie ist atemberaubend schön und dumm wie Brot ...« »Klingt gut. Kinder?«
»Keine Kinder, bloß drei Scheidungen, es ist ein Freitag im Juli, ihr seid auf dem Weg zu irgendeinem Landhaus, im winzigen Kofferraum deines schwebenden Autos liegen Tennis- und Krocketschläger, ein Korb voll mit edlem Weißwein, südafrikanischen Trauben, ein paar bedauernswerten kleinen Wachteln und Spargel, und der Wind weht dir durch die Geheimratsecken, du bist unglaublich selbstzufrieden, und Ehefrau Nummer drei, vier, weiß der Teufel, lächelt dich mit zweihundert strahlendweißen Beißerchen an, du lächelst zurück und versuchst zu verdrängen, dass ihr euch nichts, rein gar nichts zu sagen habt.«
Plötzlich brach sie ab. Du klingst total durchgeknallt, sagte sie sich. Versuch, normaler zu klingen. »Aber falls es dich tröstet, wir gehen sowieso alle vorher bei 'nem Atomkrieg drauf!«, fuhr sie fröhlich fort, doch er sah sie immer noch stirnrunzelnd an.
»Vielleicht sollte ich lieber gehen. Wenn ich so oberflächlich und verdorben bin ...«
»Nein, geh nicht«, sagte sie, etwas zu schnell. »Es ist doch erst vier.«
Er rutschte nach oben, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von ihrem entfernt war. »Keine Ahnung, wie du zu dieser Vorstellung von mir kommst, du kennst mich doch kaum.«
»Ich kenne deinen Typ.«
»Meinen Typ?«
»Ich habe euch gesehen, ihr lungert bei den Literatur- und Sprachwissenschaften rum, grölt euch Sachen zu, schmeißt Dinnerpartys im Smoking ...«
»Ich habe überhaupt keinen Smoking. Und grölen tu ich schon gar nicht ...«
»Schippert in den Semesterferien aufJachten durchs Mittelmeer, heititei, wir sind so toll ...«
»Wenn ich so schrecklich bin ...« Er legte ihr die Hand auf die Hüfte.
»... bist du.«
»... warum schläfst du dann mit mir?« Seine Hand lag jetzt auf dem warmen weichen Fleisch ihres Schenkels.
»Hab ich strenggenommen doch gar nicht, oder?«
»Kommt drauf an.« Er beugte sich vor und küsste sie. »Definier den Begriff.« Er legte ihr die Hand auf das Kreuz und ließ ein Bein zwischen ihre gleiten.
»Übrigens«, murmelte sie, den Mund gegen seinen gepresst.
»Was?« Er spürte, wie sie das Bein um seines schlang und ihn enger an sich zog.
»Du müsstest dir mal die Zähne putzen.«
»Mich störts nicht, wenns dich nicht stört.«
»Es ist schrecklich«, lachte sie. »Du schmeckst nach Wein und Kippen.«
»Na, dann sind wir ja quitt. Du nämlich auch.«
Abrupt drehte sie den Kopf weg. »Echt?«
»Mich störts nicht. Ich steh auf Wein und Kippen.«
»Bin gleich wieder da.« Sie schlug die Decke zurück und kletterte über ihn hinweg.
»Wo willst du hin?« Er legte ihr die Hand auf den nackten Rücken.
»Bloß auf den Lokus«, sagte sie und fischte ihre Brille vom Bücherstapel neben dem Bett; ein dickes, schwarzes Kassengestell Modell Nullachtfünfzehn.
»›Lokus‹, ›Lokus‹ ... das Wort ist mir leider ...«
Einen Arm über die Brust gelegt, blieb sie stehen, wobei sie darauf achtete, ihm den Rücken zuzudrehen. »Bleib, wo du bist«, sagte sie, tappte aus dem Zimmer und hakte zwei Finger in den Bund ihres Schlüpfers, um ihn herunterzuziehen. »Und spiel nicht an dir rum, während ich weg bin.«
Er atmete durch die Nase aus, setzte sich auf, sah sich in dem schäbigen Zimmer um und wusste mit absoluter Gewissheit, irgendwo zwischen den Kunstpostkarten und fotokopierten Plakaten von engagierten Theaterstücken lag ein Foto von Nelson Mandela-wie das Bild eines Schwarms. In den vergangenen vier Jahren hatte er, über die Stadt verteilt wie Tatorte auf einer Karte, unzählige solcher Schlafzimmer gesehen, in denen man nie weiter als zwei Meter von einem Nina-Simone-Album entfernt war. Und obwohl er selten zweimal dasselbe Schlafzimmer besuchte, kam ihm alles nur zu bekannt vor. Die kaputten Nachtlichter, die verwelkten Topfpflanzen und der Waschmittelgeruch der billigen, schlecht sitzenden Laken. Sie hatte auch die für künstlerisch angehauchte Mädchen typische Vorliebe für Fotomontagen: Schnappschüsse von Kommilitonen und der Familie inmitten von Chagalls, Vermeers, Kandinskys, Che Guevaras, Woody Allens und Samuel Becketts. Nichts war neutral, alles verriet irgendeine Anhängerschaft oder einen Standpunkt. Das Zimmer war ein Manifest, und seufzend erkannte Dexter sie als die Art von Mädchen, die »Bourgeois« für ein Schimpfwort hält. Er verstand, warum »Faschist« negative Konnotationen hatte, aber er mochte das Wort »Bourgeois« und alles, was damit zusammenhängt. Sicherheit, Reisen, Ehrgeiz, gutes Essen und gute Manieren; weshalb sollte er sich dafür entschuldigen?
Er sah den Rauchkringeln seiner Zigarette aus seinem Mund nach. Dann machte er sich auf die Suche nach einem Aschenbecher und fand neben dem Bett ein Buch. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, dessen Rücken an den »erotischen« Stellen geknickt war. Das Schlimme an diesen ultraindividualistischen Mädchen war, dass sie alle gleich waren. Noch ein Buch: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Was für ein Idiot, dachte er in der Gewissheit, dass ihm so ein Irrtum nie unterlaufen würde.
Mit 23 Jahren hatte Dexter Mayhew ähnlich nebulöse Zukunftsvorstellungen wie Emma Morley. Er hoffte, Erfolg zu haben, seine Eltern stolz zu machen und mit mehr als einer Frau gleichzeitig zu schlafen, aber wie ließ sich das alles vereinbaren? Er wollte, dass Zeitschriftenartikel über ihn erschienen, und hoffte, es werde eines Tages eine Retrospektive seiner Werke geben, ohne einen Schimmer zu haben, was für Werke das sein könnten. Er wollte das Leben voll und ganz auskosten, ohne Schlamassel und Komplikationen. Wenn ein Fotograf von einem beliebigen Augenblick seines Lebens ein Foto machte, sollte es ein cooles Bild werden. Alles sollte perfekt aussehen. Es sollte jede Menge Spaß und nicht mehr Traurigkeit darin geben als unbedingt notwendig.
Das war kein besonders toller Plan, und er hatte auch schon Fehler gemacht. Diese Nacht beispielsweise würde bestimmt nicht ohne unangenehme Folgen bleiben: Tränen, peinliche Telefongespräche und Vorwürfe. Am besten, er verdrückte sich so schnell wie möglich, und zur Fluchtvorbereitung sah er sich nach seinen abgelegten Kleidern um. Als aus dem Badezimmer das warnende Scheppern und Rauschen einer antiken Toilettenspülung ertönte, legte er das Buch hastig zurück, fand unter dem Bett ein kleines gelbes Colman's-Senfglas, öffnete es, um festzustellen, ja, es enthielt Kondome sowie die winzigen, grauen Überbleibsel eines Joints, die aussahen wie Mäusedreck. Das kleine gelbe Senf-
glas und die Aussicht auf Sex und Drogen gaben ihm neue Hoffnung, und er beschloss, wenigstens noch ein Weilchen zu bleiben.
...
Übersetzung: Simone Jakob
Copyright © 2011 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
»Ich glaube, das Wichtigste ist, irgendwas zu verändern«, sagte sie. »Du weißt schon, wirklich zu verbessern.«
»Wie, meinst du etwa ›die Welt verbessern‹?«
»Nicht gleich die ganze Welt. Nur das kleine Stück um dich rum.«
Für einen Augenblick lagen sie schweigend und eng umschlungen in dem schmalen Einzelbett, dann lachten beide in der Dunkelheit vor Sonnenaufgang leise vor sich hin. »Ich kann es nicht fassen, dass ich das gesagt habe«, stöhnte sie. »Klingt ganz schön abgedroschen, was?«
»Schon ein wenig.«
»Ich versuche hier, dich zu inspirieren! Ich versuche, deine schwarze Seele auf das große Abenteuer einzustimmen, das vor dir liegt.« Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. »Nicht, dass du es nötig hättest. Du hast deine Zukunft bestimmt schon total verplant, heißen Dank auch. Hast wohl irgendwo einen Masterplan deines Lebens rumliegen.«
»Wohl kaum.«
»Was hast du denn sonst vor? Wie sieht der große Plan aus?«
»Na ja, meine Eltern holen mein Zeug ab, nehmen es mit nach Hause, und dann verbringe ich ein paar Tage in ihrer Wohnung in London und besuche Freunde. Danach ab nach Frankreich ...«
»Wie nett ...«
»Später gucke ich mich vielleicht ein bisschen in China um, anschließend eventuell weiter nach Indien, ein bisschen rumreisen ...«
»Reisen«, seufzte sie. »War ja klar.«
»Was hast du gegen Reisen?«
»Klingt mehr nach Realitätsflucht.«
»Ich finde, die Realität wird überbewertet«, sagte er in der Hoffnung, düster und charismatisch zu klingen.
Sie schniefte. »Schätze, das geht in Ordnung, wenn man es sich leisten kann. Aber warum sagst du nicht gleich: >Ich nehm zwei Jahre Urlaub‹? Ist doch gehopst wie gesprungen.«
»Weil Reisen den Horizont erweitert«, sagte er, stützte sich auf den Ellbogen und küsste sie.
»Also, ich glaube, in deinem Fall hieße das Eulen nach Athen tragen«, sagte sie und wandte das Gesicht ab, zumindest für den Moment. Sie ließen sich auf das Kissen zurücksinken. »Egal, ich hab nicht gemeint, was du nächsten Monat machst, sondern in der richtigen Zukunft, wenn du, keine Ahnung ...« Sie schwieg, als versuchte sie sich etwas Fantastisches vorzustellen, etwa eine fünfte Dimension. »... 40 bist oder so. Was willst du mit 40 sein?«
»40?« Auch er hatte Mühe, sich das auszumalen. »Keinen Schimmer. Wie wärs mit >reich‹?«
»So was von oberflächlich.«
»Na gut, dann >berühmt‹.« Er knabberte an ihrem Nacken. »Etwas morbide, die Vorstellung, oder?«
»Nicht morbide, es ist ... aufregend.«
»>Aufregend!‹« Er ahmte ihren leichten Yorkshire-Akzent nach, so dass es bescheuert klang. Sie erlebte oft, wie reiche, verwöhnte Jungs Dialekte nachäfften, als ob sie ungewöhnlich oder seltsam wären, und nicht zum ersten Mal verspürte sie einen beruhigenden Anflug von Abneigung gegen ihn. Sie rückte von ihm ab und presste den Rücken an die kühle Wand.
»Ja, aufregend. Wir sollten schließlich aufgeregt sein, oder? So viele Möglichkeiten. Wie der Vizedekan schon sagte: >Alle Türen stehen Ihnen weit offen ...‹«
»>Ihre Namen werden dereinst die Zeitungen zieren ...‹« »Eher unwahrscheinlich.«
»Und, bist du aufgeregt?«
»Ich? Gott nein, ich mach gleich in die Hose.«
»Ich auch. Heilige Scheiße ...« Plötzlich drehte er sich um und griff nach den Zigaretten auf dem Boden neben dem Bett, wie um seine Nerven zu beruhigen. »40 Jahre. 40. Teufel auch.«
Sie lächelte über seine Panik und beschloss, noch einen draufzusetzen. »Und was willst denn du jetzt machen, wenn du 40 bist?«
Nachdenklich zündete er sich eine Zigarette an. »Tja, die Sache ist die, Em ... «
»>Em‹? Wer soll das denn sein?«
»Alle nennen dich Em. Ich habs gehört.«
»Ja, meine Freunde nennen mich Em.«
»Und, darf ich jetzt Em zu dir sagen?«
»Nur zu, Dex.«
»Also, ich habe ziemlich viel über diesen ganzen ›Erwachsenwerden‹-Kram nachgedacht und bin zum Schluss gekommen, dass ich genau so bleiben will, wie ich jetzt bin.«
Dexter Mayhew. Sie linste unter ihrem Pony zu ihm hoch, während er sich an das billige Vinyl-Knopfpolster lehnte, und selbst ohne Brille konnte sie klar erkennen, warum er genau so bleiben wollte, wie er war. Die Augen geschlossen, die Zigarette lässig im Mundwinkel, eine Seite des Gesichts vom warmen, durch den Vorhang rötlich gefärbten Licht des Sonnenaufgangs beschienen, hatte er die Gabe, ständig so auszusehen, als posierte er für ein Foto. »Wie ein junger Gott«, schoss es Emma Morley durch den Kopf, ein alberner Ausdruck aus dem 19. Jahrhundert, aber es gab wirklich keine treffendere Beschreibung, außer vielleicht »schön«. Er hatte eines der Gesichter, bei dem selbst die Knochen unter der Haut anziehend wirken, sogar sein Schädel schien attraktiv. Die Nase war fein, glänzte leicht fettig, und er hatte dunkle Ringe um die Augen, fast schon Veilchen, Ehrenmale, die er sich durch Rauchen und nächtelange, absichtlich verlorene Strip-Poker-Partien mit Mädchen von der Bedales-Schule erworben hatte. Er hatte etwas Katzenhaftes an sich: feine Augenbrauen, volle, etwas zu dunkle, bewusst zum Schmollmund verzogene Lippen, die jetzt trocken, rissig und rot vom bulgarischen Rotwein waren. Das erfreulich schrecklich aussehende Haar war hinten und an den Seiten kurzgeschnitten, aber vorn hatte er eine peinliche kleine Stirnlocke. Das Haargel hatte sich verflüchtigt, und die Tolle sah keck und aufgeplustert aus wie ein albernes Hütchen.
Mit geschlossenen Augen blies er den Rauch durch die Nase. Er schien genau zu wissen, dass er beobachtet wurde, denn er schob sich eine Hand unter die Achsel, so dass die Brustmuskeln und der Bizeps anschwollen. Wo hatte er die Muckis her? Mit Sicherheit nicht vom Sport, es sei denn, man zählte Nacktbaden und Billard dazu. Wahrscheinlich war es einfach die Art von guter Gesundheit, die in seiner Familie vererbt wurde, zusammen mit den Aktien, den Wertpapieren und den teuren Möbeln. Wie einjunger Gott, oder eben schön, die Boxershorts mit dem Paisleymuster bis auf die Hüftknochen heruntergezogen, war er nach vier Jahren College irgendwie hier in dem schmalen Bett ihres winzigen möblierten Zimmers gelandet. »Wie ein junger Gott«! Für wen hältst du dich, Jane Eyre? Werd erwachsen. Sei vernünftig. Reiß dich zusammen.
Sie nahm ihm die Zigarette aus dem Mund. »Ich kann mir vorstellen, wie du mit 40 bist«, sagte sie mit einer Spur Bosheit in der Stimme. »Ich sehs direkt vor mir.«
Er lächelte mit geschlossenen Augen. »Dann schieß mal los.«
»Na schön ...« Sie setzte sich auf, die Decke unter die Achseln geklemmt. »Du hockst in 'nem offenen Sportkabrio in Kensington, Chelsea oder irgendeinem anderen Nobelviertel, und das Tolle an dem Auto ist, dass es absolut geräuschlos fährt, wie alle Autos im Jahr, keine Ahnung - 2006?«
Er rechnete mit zusammengekniffenen Augen. »2004 ...«
»Das Auto schwebt zehn Zentimeter über dem Boden die Kings Road entlang, dein Bäuchlein klemmt unter dem Lederlenkrad wie ein kleines Kissen, du trägst diese Rennfahrerhandschuhe mit Luftlöchern, hast kein Kinn, und dein Haar lichtet sich. Du bist ein dicker Mann in einem kleinen Auto, knackbraun wie ein gebratener Truthahn ...«
»Themenwechsel?«
»Und neben dir sitzt eine Frau mit Sonnenbrille, deine dritte, nein, vierte Frau, bildschön, ein Model, nein, ein Ex-Model, 23 Jahre alt, du hast sie getroffen, als sie bei einer Autoausstellung in Nizza auf einer Motorhaube lag oder so, und sie ist atemberaubend schön und dumm wie Brot ...« »Klingt gut. Kinder?«
»Keine Kinder, bloß drei Scheidungen, es ist ein Freitag im Juli, ihr seid auf dem Weg zu irgendeinem Landhaus, im winzigen Kofferraum deines schwebenden Autos liegen Tennis- und Krocketschläger, ein Korb voll mit edlem Weißwein, südafrikanischen Trauben, ein paar bedauernswerten kleinen Wachteln und Spargel, und der Wind weht dir durch die Geheimratsecken, du bist unglaublich selbstzufrieden, und Ehefrau Nummer drei, vier, weiß der Teufel, lächelt dich mit zweihundert strahlendweißen Beißerchen an, du lächelst zurück und versuchst zu verdrängen, dass ihr euch nichts, rein gar nichts zu sagen habt.«
Plötzlich brach sie ab. Du klingst total durchgeknallt, sagte sie sich. Versuch, normaler zu klingen. »Aber falls es dich tröstet, wir gehen sowieso alle vorher bei 'nem Atomkrieg drauf!«, fuhr sie fröhlich fort, doch er sah sie immer noch stirnrunzelnd an.
»Vielleicht sollte ich lieber gehen. Wenn ich so oberflächlich und verdorben bin ...«
»Nein, geh nicht«, sagte sie, etwas zu schnell. »Es ist doch erst vier.«
Er rutschte nach oben, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von ihrem entfernt war. »Keine Ahnung, wie du zu dieser Vorstellung von mir kommst, du kennst mich doch kaum.«
»Ich kenne deinen Typ.«
»Meinen Typ?«
»Ich habe euch gesehen, ihr lungert bei den Literatur- und Sprachwissenschaften rum, grölt euch Sachen zu, schmeißt Dinnerpartys im Smoking ...«
»Ich habe überhaupt keinen Smoking. Und grölen tu ich schon gar nicht ...«
»Schippert in den Semesterferien aufJachten durchs Mittelmeer, heititei, wir sind so toll ...«
»Wenn ich so schrecklich bin ...« Er legte ihr die Hand auf die Hüfte.
»... bist du.«
»... warum schläfst du dann mit mir?« Seine Hand lag jetzt auf dem warmen weichen Fleisch ihres Schenkels.
»Hab ich strenggenommen doch gar nicht, oder?«
»Kommt drauf an.« Er beugte sich vor und küsste sie. »Definier den Begriff.« Er legte ihr die Hand auf das Kreuz und ließ ein Bein zwischen ihre gleiten.
»Übrigens«, murmelte sie, den Mund gegen seinen gepresst.
»Was?« Er spürte, wie sie das Bein um seines schlang und ihn enger an sich zog.
»Du müsstest dir mal die Zähne putzen.«
»Mich störts nicht, wenns dich nicht stört.«
»Es ist schrecklich«, lachte sie. »Du schmeckst nach Wein und Kippen.«
»Na, dann sind wir ja quitt. Du nämlich auch.«
Abrupt drehte sie den Kopf weg. »Echt?«
»Mich störts nicht. Ich steh auf Wein und Kippen.«
»Bin gleich wieder da.« Sie schlug die Decke zurück und kletterte über ihn hinweg.
»Wo willst du hin?« Er legte ihr die Hand auf den nackten Rücken.
»Bloß auf den Lokus«, sagte sie und fischte ihre Brille vom Bücherstapel neben dem Bett; ein dickes, schwarzes Kassengestell Modell Nullachtfünfzehn.
»›Lokus‹, ›Lokus‹ ... das Wort ist mir leider ...«
Einen Arm über die Brust gelegt, blieb sie stehen, wobei sie darauf achtete, ihm den Rücken zuzudrehen. »Bleib, wo du bist«, sagte sie, tappte aus dem Zimmer und hakte zwei Finger in den Bund ihres Schlüpfers, um ihn herunterzuziehen. »Und spiel nicht an dir rum, während ich weg bin.«
Er atmete durch die Nase aus, setzte sich auf, sah sich in dem schäbigen Zimmer um und wusste mit absoluter Gewissheit, irgendwo zwischen den Kunstpostkarten und fotokopierten Plakaten von engagierten Theaterstücken lag ein Foto von Nelson Mandela-wie das Bild eines Schwarms. In den vergangenen vier Jahren hatte er, über die Stadt verteilt wie Tatorte auf einer Karte, unzählige solcher Schlafzimmer gesehen, in denen man nie weiter als zwei Meter von einem Nina-Simone-Album entfernt war. Und obwohl er selten zweimal dasselbe Schlafzimmer besuchte, kam ihm alles nur zu bekannt vor. Die kaputten Nachtlichter, die verwelkten Topfpflanzen und der Waschmittelgeruch der billigen, schlecht sitzenden Laken. Sie hatte auch die für künstlerisch angehauchte Mädchen typische Vorliebe für Fotomontagen: Schnappschüsse von Kommilitonen und der Familie inmitten von Chagalls, Vermeers, Kandinskys, Che Guevaras, Woody Allens und Samuel Becketts. Nichts war neutral, alles verriet irgendeine Anhängerschaft oder einen Standpunkt. Das Zimmer war ein Manifest, und seufzend erkannte Dexter sie als die Art von Mädchen, die »Bourgeois« für ein Schimpfwort hält. Er verstand, warum »Faschist« negative Konnotationen hatte, aber er mochte das Wort »Bourgeois« und alles, was damit zusammenhängt. Sicherheit, Reisen, Ehrgeiz, gutes Essen und gute Manieren; weshalb sollte er sich dafür entschuldigen?
Er sah den Rauchkringeln seiner Zigarette aus seinem Mund nach. Dann machte er sich auf die Suche nach einem Aschenbecher und fand neben dem Bett ein Buch. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, dessen Rücken an den »erotischen« Stellen geknickt war. Das Schlimme an diesen ultraindividualistischen Mädchen war, dass sie alle gleich waren. Noch ein Buch: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Was für ein Idiot, dachte er in der Gewissheit, dass ihm so ein Irrtum nie unterlaufen würde.
Mit 23 Jahren hatte Dexter Mayhew ähnlich nebulöse Zukunftsvorstellungen wie Emma Morley. Er hoffte, Erfolg zu haben, seine Eltern stolz zu machen und mit mehr als einer Frau gleichzeitig zu schlafen, aber wie ließ sich das alles vereinbaren? Er wollte, dass Zeitschriftenartikel über ihn erschienen, und hoffte, es werde eines Tages eine Retrospektive seiner Werke geben, ohne einen Schimmer zu haben, was für Werke das sein könnten. Er wollte das Leben voll und ganz auskosten, ohne Schlamassel und Komplikationen. Wenn ein Fotograf von einem beliebigen Augenblick seines Lebens ein Foto machte, sollte es ein cooles Bild werden. Alles sollte perfekt aussehen. Es sollte jede Menge Spaß und nicht mehr Traurigkeit darin geben als unbedingt notwendig.
Das war kein besonders toller Plan, und er hatte auch schon Fehler gemacht. Diese Nacht beispielsweise würde bestimmt nicht ohne unangenehme Folgen bleiben: Tränen, peinliche Telefongespräche und Vorwürfe. Am besten, er verdrückte sich so schnell wie möglich, und zur Fluchtvorbereitung sah er sich nach seinen abgelegten Kleidern um. Als aus dem Badezimmer das warnende Scheppern und Rauschen einer antiken Toilettenspülung ertönte, legte er das Buch hastig zurück, fand unter dem Bett ein kleines gelbes Colman's-Senfglas, öffnete es, um festzustellen, ja, es enthielt Kondome sowie die winzigen, grauen Überbleibsel eines Joints, die aussahen wie Mäusedreck. Das kleine gelbe Senf-
glas und die Aussicht auf Sex und Drogen gaben ihm neue Hoffnung, und er beschloss, wenigstens noch ein Weilchen zu bleiben.
...
Übersetzung: Simone Jakob
Copyright © 2011 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von David Nicholls
David Nicholls, geb. 1966, war Schauspieler, bevor er Drehbuchautor von britischen Serien wie 'Cold Feet', 'I Saw You' und 'Rescue me' wurde. Er lebt in London.
Bibliographische Angaben
- Autor: David Nicholls
- 2011, 6. Aufl., 541 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Jakob, Simone
- Übersetzer: Simone Jakob
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453503902
- ISBN-13: 9783453503908
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