Chaos, Angst und Ordnung (PDF)
Wie wir unsere Lebenswelt gestalten
Jede Ordnung in unserem Leben müssen wir dem allumfassenden Chaos abringen. Die moderne Systemforschung belegt, was schon die alten Weisheitslehren wussten: Wir leben in einer Welt, die als ein einziger komplexer, chaotischer Prozess begriffen werden...
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Produktinformationen zu „Chaos, Angst und Ordnung (PDF)“
Jede Ordnung in unserem Leben müssen wir dem allumfassenden Chaos abringen. Die moderne Systemforschung belegt, was schon die alten Weisheitslehren wussten: Wir leben in einer Welt, die als ein einziger komplexer, chaotischer Prozess begriffen werden muss.Der ständige Kampf darum, das Chaos zu verbannen, führt allzu oft zu Zwangsstrukturen, die bedrohlich werden und viel Leid mit sich bringen können. Aus Angst vor dem Chaos bauen wir verhärtende Ordnungen auf, die sich wiederum gegen die Menschen selbst wenden - in der Politik wie in Familien, in Betrieben wie bei Paarbeziehungen, auch bei der Organisation des eigenen Selbst.Jürgen Kriz stellt seine Erfahrungen aus der humanistischen und systemischen Psychotherapie und der Systemforschung in Beziehung zu dem zerstörerischen Potential der wissenschaftlichen Technik und den Bedrohungen unserer Welt. Allgemeinverständlich legt er die Schlussfolgerungen seiner Einsichten dar: Er mahnt, die Zwangsordnungen zu überwinden für mehr Handlungsfreiheit des Menschen. Und er macht Mut, sich der schöpferischen Potenziale dieser chaotischen Komplexität zu bedienen.
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III Chaos, Angst und Wissenschaft (S. 59-60)Mensch, wo bist du?
Als Rabbi Schneur Salman, der Raw von Reussen … in Petersburg gefangen saß und dem Verhör entgegensah, kam der Oberste der Gendarmerie in seine Zelle. Das mächtige und stille Antlitz des Raw, der ihn zuerst, in sich versunken, nicht bemerkte, ließ den nachdenklichen Mann ahnen, welcher Art sein Gefangener war. Er kam mit ihm ins Gespräch und brachte bald manche Frage vor, die ihm beim Lesen der Schrift aufgetaucht war.
Zuletzt fragte er : »Wie ist es zu verstehen, daß Gott der Allwissende zu Adam spricht: ›Wo bist du?‹« »Glaubt Ihr daran«, entgegnete der Raw, »daß die Schrift ewig ist und jede Zeit, jedes Geschlecht und jeder Mensch in ihr beschlossen sind?« »Ich glaube daran«, sagte er. »Nun wohl«, sprach der Raw, »in jeder Zeit ruft Gott jeden Menschen an: ›Wo bist du in deinerWelt ?
So viele Jahre und Tage von den dir zugemessenen sind vergangen, wie weit bist du derweil in deiner Welt gekommen?‹ So etwa spricht Gott : ›Sechsundvierzig Jahre hast du gelebt, wo hältst du?‹« Als der Oberste die Zahl seiner Lebensjahre nennen hörte, raffte er sich zusammen, legte dem Raw die Hand auf die Schulter und rief : »Bravo!« Aber sein Herz flatterte (Buber, 1977, S. 7).
Fragen haben in unserer Gesellschaft über die Erhebung von Information hinaus meistens einen abfragenden, bloßstellenden, auf Machtausübung und Kontroverse ausgerichteten Charakter. In einem solchen Kontext könnte man auch die Frage: »Adam, wo bist du?« auf den ersten Blick verstehen wollen. Ebenso zielt die Frage des Obersten an den Rabbiner eher auf eine Kontroverse. Denn eigentlich, so schreibt auch Buber, ist der Oberst darauf aus, einen Widerspruch in der jüdischen
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Glaubenswelt aufdecken zu wollen. Doch für den Rabbi ist weder der Informationsaspekt noch die sachliche Kontroverse in der Begegnung von Bedeutung. Vielmehr spricht er den Obersten auf der Ebene von dessen Lebensgeschichte und ureigenster Persönlichkeit an.
Die beschriebene Begegnung im Gefängnis ist nicht nur typisch für das, was Buber eine »dialogische Haltung« nennt, sondern sie ist ebenso typisch für das, was für mich das Wesentliche an Psychotherapie ausmacht (wenn auch bei Buber idealtypisch verdichtet): Auch ein Therapeut will nämlich mit seinen Fragen selten etwas von seinem Gegenüber wissen, was er nicht weiß – und selbst dann nicht aus bloßer Neugier oder um jenen etwas abzufragen. Sondern er will, um nochmals Buber zu zitieren, »im Menschen etwas bewirken, was eben nur durch eine solche Frage bewirkt wird, vorausgesetzt, dass sie den Menschen ins Herz trifft, dass sich der Mensch von ihr ins Herz treffen lässt«.
Ganz anders geht es in der Wissenschaft zu. Dort steht die Erhebung von Information imZentrum; und bei der Aufnahme in die Wissenschaftlergemeinschaft ist der wissenschaftliche Disput in der Disputation – wie die mündliche Prüfung zur Promotion heißt – geradezu institutionalisiert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Wissenschaftler und Psychotherapeuten gewöhnlich als Repräsentanten zweier gegensätzlicher Orientierungen verstanden werden: Wissenschaft, so wird gesagt, habe den Blick auf Gesetzmäßiges, Prognostizierbares und auf mögliche Gemeinsamkeiten in den Phänomenen zu richten und damit von der Individualität und der Einmaligkeit der Abläufe in dieser Welt zu abstrahieren.
Die beschriebene Begegnung im Gefängnis ist nicht nur typisch für das, was Buber eine »dialogische Haltung« nennt, sondern sie ist ebenso typisch für das, was für mich das Wesentliche an Psychotherapie ausmacht (wenn auch bei Buber idealtypisch verdichtet): Auch ein Therapeut will nämlich mit seinen Fragen selten etwas von seinem Gegenüber wissen, was er nicht weiß – und selbst dann nicht aus bloßer Neugier oder um jenen etwas abzufragen. Sondern er will, um nochmals Buber zu zitieren, »im Menschen etwas bewirken, was eben nur durch eine solche Frage bewirkt wird, vorausgesetzt, dass sie den Menschen ins Herz trifft, dass sich der Mensch von ihr ins Herz treffen lässt«.
Ganz anders geht es in der Wissenschaft zu. Dort steht die Erhebung von Information imZentrum; und bei der Aufnahme in die Wissenschaftlergemeinschaft ist der wissenschaftliche Disput in der Disputation – wie die mündliche Prüfung zur Promotion heißt – geradezu institutionalisiert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Wissenschaftler und Psychotherapeuten gewöhnlich als Repräsentanten zweier gegensätzlicher Orientierungen verstanden werden: Wissenschaft, so wird gesagt, habe den Blick auf Gesetzmäßiges, Prognostizierbares und auf mögliche Gemeinsamkeiten in den Phänomenen zu richten und damit von der Individualität und der Einmaligkeit der Abläufe in dieser Welt zu abstrahieren.
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Autoren-Porträt von Jürgen Kriz
Prof. Dr. Jürgen Kriz, approbierter Psychologischer Psychotherapeut, ist Emeritus für Psychotherapie und Klinische Psychologie an der Universität Osnabrück. Er hatte zudem über 25 Jahre einen Lehrstuhl in Statistik, Forschungsmethoden und Wissenschaftstheorie und zahlreiche Gastdozenturen im Ausland inne. Er ist Ehrenmitglied mehrerer psychotherapeutischer Fachgesellschaften. Zu seinen Auszeichnungen gehören u. a. der Viktor-Frankl-Preis der Stadt Wien (2004), der AGHPT-Award der Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (2014) und der Ehrenpreis der Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung (GwG).
Bibliographische Angaben
- Autor: Jürgen Kriz
- 2011, 3., bearbeitete Auflage 2011, 117 Seiten, Deutsch
- Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
- ISBN-10: 3647404438
- ISBN-13: 9783647404431
- Erscheinungsdatum: 26.10.2011
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