Ein schottischer Sommer (ePub)
Roman - eine mutige Frau, zwei geheimnisvolle Männer und ein mysteriöses Schloss in den Highlands
Eine Liebe in den Highlands: Das Romance-Highlight »Ein schottischer Sommer« von Maryla Krüger jetzt als eBook bei dotbooks.
Die bezaubernde Jo kann ihr Glück kaum fassen: Dank ihrer erfolgreichen Reportage »Wer's glaubt, wird selig« bekommt sie eine...
Die bezaubernde Jo kann ihr Glück kaum fassen: Dank ihrer erfolgreichen Reportage »Wer's glaubt, wird selig« bekommt sie eine...
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Produktinformationen zu „Ein schottischer Sommer (ePub)“
Eine Liebe in den Highlands: Das Romance-Highlight »Ein schottischer Sommer« von Maryla Krüger jetzt als eBook bei dotbooks.
Die bezaubernde Jo kann ihr Glück kaum fassen: Dank ihrer erfolgreichen Reportage »Wer's glaubt, wird selig« bekommt sie eine Einladung nach Schottland - in den traumhaften Highlands soll sie Caitlin Castle untersuchen, in dem es angeblich spukt. Dort trifft sie auf ein Team aus sogenannten Geisterjägern, darunter die überaus attraktiven Brüder Marlin und Ryan. Obwohl Jo natürlich rein professionell sein will, dauert es nicht lange, bis sie sich in Ryans leuchtend grünen Augen zu verlieren droht - aber auch Marlin hat eine faszinierende Ausstrahlung, der sie sich kaum entziehen kann ... Während die drei versuchen, die Rätsel von Caitlin Castle zu entschlüsseln, beginnt Jo zu ahnen, dass nicht nur die alte Burg, sondern auch die beiden schönen Schotten ein Geheimnis hüten ...
Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der gefühlvoll-turbulente Feelgood-Roman »Ein schottischer Sommer« von Maryla Krüger. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks - der eBook-Verlag.
Die bezaubernde Jo kann ihr Glück kaum fassen: Dank ihrer erfolgreichen Reportage »Wer's glaubt, wird selig« bekommt sie eine Einladung nach Schottland - in den traumhaften Highlands soll sie Caitlin Castle untersuchen, in dem es angeblich spukt. Dort trifft sie auf ein Team aus sogenannten Geisterjägern, darunter die überaus attraktiven Brüder Marlin und Ryan. Obwohl Jo natürlich rein professionell sein will, dauert es nicht lange, bis sie sich in Ryans leuchtend grünen Augen zu verlieren droht - aber auch Marlin hat eine faszinierende Ausstrahlung, der sie sich kaum entziehen kann ... Während die drei versuchen, die Rätsel von Caitlin Castle zu entschlüsseln, beginnt Jo zu ahnen, dass nicht nur die alte Burg, sondern auch die beiden schönen Schotten ein Geheimnis hüten ...
Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der gefühlvoll-turbulente Feelgood-Roman »Ein schottischer Sommer« von Maryla Krüger. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks - der eBook-Verlag.
Lese-Probe zu „Ein schottischer Sommer (ePub)“
PrologZum Auftakt
Schottland – Wester Ross – Caitlin Castle
An und für sich war es nur ein leises Klicken – als würde jemand auf der anderen Seite mit einem Kiesel gegen das Mauerwerk schlagen, sanft und beständig. Klick-klick …
Nachdem eine Woche zuvor die Abrissarbeiten am alten Lehmputz beendet worden waren, zog sich der durch Zufall entdeckte Rundbogen schließlich über knapp zehn Fuß an der Mauer empor und bestach nicht nur durch seine Größe, sondern ebenso durch die zahlreichen Verzierungen an den Seiten und vor allem durch einen in den Bogen eingravierten Aphorismus.
Selbst in den frühesten Bauplänen war nichts von einem weiteren Durchgang zu finden, doch die staunenden Gesichter der Anwesenden bestätigten seine Existenz. Es wurde spekuliert, erwogen und erörtert. Alle redeten durcheinander, und die verrücktesten Theorien wurden aufgestellt, was sich dahinter wohl verbergen mochte.
Bei der darauf folgenden Baubesprechung wurde einstimmig entschieden, den zugemauerten Rundbogen zu öffnen.
Als die ersten Lagen Lehmziegel abgetragen waren, bemerkten die Arbeiter, dass sich dahinter nur ein kurzer Hohlraum befand, als hätte man von beiden Seiten gleichzeitig den Durchgang vermauert, was wiederum zu wilden Spekulationen Anlass gab.
Einen Tag danach hatte der Meißel aus unerklärlichen Gründen seinen Geist aufgegeben, und zwei der vier Arbeiter mussten wegen einer akuten Diarrhö zu Hause bleiben.
Und nun das …
Die beiden Arbeiter hielten mitten in ihrem Lunch inne und blickten sich an. Der ältere räusperte sich und deutete mit seinem angebissenen Brot am Mauerwerk hinauf. „Is nun mal ein alter Kasten. Da ist’s normal, wenn’s knackt und knirscht.“
Der jüngere nickte, schien jedoch nicht ganz überzeugt. Er stand auf, ging
... mehr
langsam auf den Rundbogen zu und legte sein Ohr an die Ziegelmauer. Klick-klick.
„Ich weiß nicht, Mac“, sagte er. „Das scheint irgendwie von drüben zu kommen.“
„Das ist der Zahn der Zeit, der daran nagt, Kleiner. Mach dir keinen Kopf!“ Der Alte schaute dem Jüngeren ins Gesicht, legte schließlich sein Brot beiseite, rieb sich lächelnd die Hände und erhob sich von der Bank. „Weißt du, ich kenn da einen alten Reim. Den hat mir noch mein Großvater beigebracht. Soll ich?“ Er zwinkerte.
Das Gesicht des Jüngeren hellte sich merklich auf, und er nickte. „Leg los, Mac! Kann nicht schaden, denke ich.“
„Aye, also.“ Der Alte räusperte sich noch einmal, holte einen kleinen Flachmann aus der Hosentasche und stellte sich so gerade hin, wie es sein kaputter Rücken zuließ. Er hob die Flasche wie zu einem Toast und rief in der Mundart der frühen Schotten:
„Und wenn ich hier nun sterben sollt Zwischen Heide, Moos und Stein Wenn ihr Geister mich nun holt Wird es nicht leicht für euch sein Aye, ihr Teufel! Fangt an zu beten! Denn des Whiskys brennend Geist Wird euch in den Hintern treten.“
Beide Arbeiter brachen in haltloses Gelächter aus – bis das von fern erklingende, kaum wahrnehmbare Lachen eines Dritten mit einstimmte.
Die beiden Arbeiter verstummten. Sie blickten sich an und spürten eine Kälte, die ihnen plötzlich in den Hemdkragen kroch. Sie sahen, wie der Mörtel sich an einigen Stellen zu Staub auflöste.
Dann brach die gesamte Wand in sich zusammen.
Erster Teil
Unglaube
Glaube nicht, dass der Unglaube dir zu Hilfe kommen wird, wenn du den Tatsachen ins Auge sehen musst.
Ein Jobangebot
Schottland – Edinburgh – drei Wochen später
Es war ein geräumiges Vorzimmer mit zwei großen Fenstern, die einen herrlichen Blick auf den Park boten. Die Wände waren nur zum Teil tapeziert, ansonsten hatte man die alten Steinmauern naturbelassen. In anderen Räumen hätte dies wohl gemütlich gewirkt, doch hier hatte ich das Gefühl, dass dem Ganzen etwas Verschrobenes anhaftete. An den Wänden hingen vergilbte Fotografien von Männern mit langen Bärten und Zylindern, die seltsame Gerätschaften in die Kamera hielten. Darunter standen in der einen Ecke ein mannshoher Ficus, der unbedingt gegossen werden sollte, und daneben eine lange Reihe Vitrinen, die mit unzähligen Urkunden und Orden, weiteren obskuren Gerätschaften und Unmengen von Büchern gefüllt waren.
In der anderen Ecke blickte das gemalte und lebensgroße Abbild eines altertümlichen Schotten unter seiner keck bis auf das rechte Ohr geschobenen Mütze auf mich herab. Bei genauerer Betrachtung erweckte Braveheart den Anschein, als würde er schielen und einen Drall zur linken Seite haben – so als könne er jeden Moment aus dem Bild kippen. Ich fragte mich, ob das Modell, der Künstler oder alle beide betrunken gewesen waren, und verwandelte mein erheitertes Prusten diskret in ein Räuspern. Die ältere Dame hinter dem Schreibtisch blickte von ihrer Tastatur auf, schob ihre goldene Brille auf die Nasenspitze herab und lächelte mich an. Ich erwiderte das Lächeln, strich mir eine Haarsträhne aus den Augen und versuchte, einigermaßen seriös zu wirken, als mein Blick auf den Nachttopf fiel. Er stand im untersten Regal zwischen einer rostigen Öllampe und der bauchigen Figur einer Schwangeren und war mit kleinen, nackten, tanzenden Teufeln bemalt.
Immer mehr hatte ich das Gefühl, in einer schlechten Folge von Versteckte Kamera mitzuspielen. Ich glaubte nicht an Geister und Spuk, und trotzdem hockte ich auf diesem Stuhl, klammerte mich an meine Ledermappe und blickte zum zehnten Mal auf das goldglänzende Türschild. Der Wortlaut blieb jedoch stets der gleiche.
The Royal Crookes Institut für paranormale Phänomene
Edinburgh, Schottland
Leitung: Prof. J. R. Sutherland
Auch die Tatsache, dass ich auf eine Einladung hin hier war, machte die ganze Sache in meinen Augen nicht besser.
Wann hatte ich eigentlich den Weg einer konstruktiven Berufslaufbahn verlassen und den Pfad hin zu einer zum Scheitern verurteilten Karriere eingeschlagen?
Früh!, sagte meine innere Stimme. Sehr früh!
Meine Mutter hatte damals recht gehabt, als sie sagte: „Kind, was willst du nur mit einem Philosophiestudium?“
In meinem jugendlichen Eifer hatte ich natürlich dagegengehalten, doch dreieinhalb Semester später hatte ich mich das Gleiche gefragt und das vierte kurzerhand in den Wind geschrieben. Ich war schon immer so. Meine armen Eltern verzweifelten fast an meinen ach so kurzlebigen Hobbys und Vorhaben: Klarinette spielen, Gitarre, Kontrabass, Ballettunterricht, Tennis, Curling, Mädchenfußball, ein Buch schreiben, Ärztin werden, Tierärztin werden, Kinderärztin werden, Sängerin, Schauspielerin, Popstar. Gemessen an all den Vorhaben, hielt die Absicht, Philosophin zu werden, ziemlich lange an.
Nach dem Abbruch meines Studiums fand ich mich allein in meiner Wuppertaler Einzimmerwohnung wieder, ohne Plan und Einkommen, und überlegte, was ich mit meinem Leben nun anfangen sollte. Ich hatte nicht vor, mich schon wieder von meinen spontanen Launen leiten zu lassen. Wenigstens einmal in meinem Leben wollte ich etwas Sinnvolles, etwas Großes und Bedeutendes tun. Da klopfte Linda an meine Tür und überredete mich dazu, für ihren Science-Esquire zu schreiben. Wäre ich doch nur an jenem Tag nicht zu Hause gewesen.
Die kleine, unscheinbare Zeitschrift über Geister und Spuk hatte sie ein Jahr zuvor ins Leben gerufen, nachdem sie ihre zahnmedizinische Laufbahn an den Nagel gehängt hatte und aus Gründen, die mit einer funktionsgestörten Glühlampe und einer missglückten Beziehung zu einem Marihuana rauchenden Veganer einhergingen, in die Esoterik-Ecke abgedriftet war. Ich begann mit harmlosen Dingen: Botengänge erledigen, kurze Textpassagen schreiben und hin und wieder ein paar Leserbriefe beantworten.
Sechs Monatsausgaben lang lief auch alles glatt, bis Linda auf die grandiose Idee kam, mich ungefragt für diese Feldforschung anzumelden, die in den unterirdischen Gängen der Wuppertaler Ölstadt vonstattengehen sollte. Das Essay, das ich danach für den Science-Esquire schrieb, verbreitete sich wie ein verdammtes Lauffeuer und brachte mich hierher.
Plötzlich ging die Tür zu Professor Sutherlands Büro ein Stück weit auf, und eine sonore Stimme rief: „Und, zum Donnerwetter noch mal, seht zu, dass ihr unter die Dusche kommt!“
Leises Gemurmel und Gelächter folgten, und schlussendlich traten drei Männer nacheinander durch die Tür. Einer von ihnen trug etwas, das einer antiken Stehlampe mit gigantischem Schirm glich. Die anderen hatten Kameras umgehängt. Ihre Kleidung war mit Spinnweben behangen und so verdreckt und staubig, dass bei jeder Bewegung kleine Schmutzwolken aufstiegen und Sand auf den spiegelblanken Parkettboden rieselte.
„Das … war zu erwarten, Jungs“, sagte die Dame am Schreibtisch mit erhobenem Finger, schob ihre Brille auf die Nasenspitze und betrachtete die drei von oben bis unten. „So, wie ihr ausseht, könnt ihr froh sein, dass der Professor euch nicht schnurstracks von Harrison mit dem Gartenschlauch abspritzen ließ. Ihr wolltet ja nicht hören. Ich hatte euch gewarnt.“
„Das hatten Sie“, erwiderten die drei, lachten und schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, wodurch noch mehr Dreck auf den Boden fiel.
„Herr! Lehre sie Demut, wo ich versagte“, meinte die Dame nur und schüttelte den steifgelockten Kopf.
„Letzter Tag heute, was, Ethel?“, fragte einer der drei und ging um den Schreibtisch herum. „Hätte nicht gedacht, dass das alte Schlitzohr Sie wirklich gehen lässt.“
„Ihm blieb nichts anderes übrig. Mein Pensionsanspruch ist schon seit drei Monaten durch, und nun gehe ich zu meiner Schwester nach Wales und überlasse euch eurem Schicksal.“
„Sie werden uns fehlen“, sagte ein anderer.
„Vielleicht schafft es ja meine Nachfolgerin, euch ein wenig Manieren einzubleuen.“
„Sind wir wirklich so schlimm?“
„Schlimmer!“, rief sie aus, blickte von einem zum anderen, und plötzlich wurden ihre Augen feucht. „Ach Jungs! Ich werde euch auch vermissen.“
Dann lachte sie auf, ließ sich zum Abschied von den Männern auf die Wangen küssen, und ich konnte sehen, wie sie trotz ihres Alters sanft errötete.
Die drei gingen an mir vorbei, ohne mich zu beachten, doch als sie das Vorzimmer verlassen wollten, blickte der mit der Lampe zurück und musterte mich. „Ist alles okay?“, fragte er. Ich drehte mich um, ob er vielleicht mit jemand anderem gesprochen hatte, doch neben mir befand sich nur ein nackter Kleiderständer. Lächelnd wandte ich mich ihm wieder zu. „Ähm, ja. Warum?“ „Du siehst blass aus. Du musst keine Angst vor ihm haben, hörst du?“ Er wies mit einem Kopfnicken auf Professor Sutherlands geschlossene Bürotür. „Er ist zwar manchmal etwas exzentrisch, aber nach einiger Zeit lernst du, seine Marotten zu ertragen. Ethel hat es auch geschafft.“
„Ähm. Danke.“ Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
Der Lampenmann lächelte und nickte mir zu, was wohl aufmunternd wirken sollte. Einen Moment später schloss sich die Tür hinter ihm.
„Miss Bergman?“, fragte die Vorzimmerdame.
Ich löste meine Augen von der Tür und drehte den Kopf. „Ja?“
Sie lächelte mich an und sagte: „Sie können jetzt hineingehen. Der Professor erwartet Sie.“ Damit erhob sie sich von ihrem Stuhl und holte Handfeger und Schaufel aus einem Schrank.
„Und? Wie ist er so?“, war Lindas erste Frage, als ich sie wie versprochen am Abend anrief. Ich stand am Fenster und beobachtete, wie die Sonne glutrot hinter Edinburgh Castle versank, zuckte mit den Schultern, schob die Vorhänge zu und sagte: „Er erinnert mich an meinen Großvater.“
Linda schnaubte vor Entrüstung. „Jo! Dieser Mann ist eine Koryphäe!“
„Das war mein Großvater auch.“
„Ja, natürlich! Was hat er denn gesagt?“
„Wer?“, fragte ich, schob meinen Koffer beiseite und ließ mich auf das Bett fallen.
„Na der Professor, du Dummchen!“
„Er hat mir noch einmal zu dem Artikel gratuliert. Mir gesagt, dass ich die Kernpunkte von paranormalen Forschungen sachlich und prägnant erfasst habe. Dass ich wohl ein Händchen und ein Näschen für die Arbeit eines Ghosthunters hätte – und er hat mir einen Job angeboten.“ Stille am anderen Ende der Leitung.
„Linda? Hallo?“
Ich schaute kurz auf das Display, aber die Verbindung bestand noch. „Linda, bist du da?“ „Über den Esquire hat er nichts gesagt?“, fragte sie endlich und klang enttäuscht. Oh, Mist! Ich biss mir auf die Unterlippe. „Ach, weißt du, er hatte nicht allzu viel Zeit.“ „Hm.“
„Hey! Dass er es bis hierher geschafft hat, ist doch schon ein Fortschritt“, sagte ich und merkte erst dann, wie erbärmlich sich das anhörte.
In diesem Moment kam zu meiner Rettung ein zweiter Anruf herein. „Ähm, tut mir leid, Linda! Da klopft jemand an. Das könnte meine Mutter sein.“
„Na gut!“
„Ich hab dich lieb. Und ärgere dich nicht so! Hörst du?“
„Du hast gut reden“, nörgelte sie.
Ohne etwas darauf zu erwidern, drückte ich sie weg und sagte: „Hallo?“ „Miss Bergman! Gut, dass ich Sie noch erreiche. Ich weiß, es ist schon spät.“ „Professor Sutherland!“ Ich sprang aus dem Bett und versuchte gleichzeitig mein Haar zu ordnen und meine Kleidung zu richten. „Nicht doch!“, rief ich. „Sie können mich jederzeit anrufen.“ „Danke, Miss Bergman! Haben Sie schon über mein Angebot nachdenken können?“ „Na ja, nein. Um ehrlich zu sein, ich glaube, ich stehe noch unter Schock.“ Sein Lachen war tief, warm und blieb einem noch lange im Ohr. „Meine liebe Miss Bergman!“, sagte er schließlich in väterlichem Tonfall. „Keine Sorge! Ich will nicht Ihre Seele. Mir geht es nur um Ihr Talent.“
„Das ist schön zu wissen.“
Er lachte erneut. „Wissen Sie … ich möchte Sie eigentlich nicht bedrängen.“ Er machte eine Pause und rückte schlussendlich doch mit der Sprache heraus: „Aber ich hätte gern, dass Sie mit dem Team nach Norden gehen.“ „Nach Norden?“, fragte ich. „Ja. Wester Ross, um genau zu sein. Ist eine wirklich schöne Gegend da oben.“ „Wann?“ „Nun, das ist das Prekäre. Sie müssten sich schnell entscheiden. Der Flieger geht morgen früh um sieben Uhr zweiundvierzig.“ „Und können Sie mir sagen, was mich dort oben erwartet?“ „Sie erfahren alles Nötige auf dem Flug. Nur so viel: Es ist eine alte Burg, die Sie aufsuchen werden. Haben Sie keine Angst! Ich verlange nichts Unmögliches von Ihnen. Sehen Sie es als Einladung zu einer Hospitation. Und wenn es Ihnen gefällt, reden wir danach noch einmal über mein Jobangebot.“ „Das klingt fair.“ „Denken Sie darüber nach, und wenn Sie sich entschieden haben, dann finden Sie sich morgen früh am Flughafen ein. Ein Ticket ist dort für Sie hinterlegt, und Ryan erwartet Sie am Gate.“ „Danke, Professor!“ „Ich habe zu danken, meine Liebe! Gute Nacht!“ „Ach, Professor?“
„Ja?“
„Warum ich?“
Er lachte wieder, diesmal jedoch leise und so, als hätte seine Heiterkeit mehr als einen Grund. „Sagen wir, es ist nicht so leicht, Geisterjäger zu finden, die nicht an Geister und Gespenster glauben. Doch das ist in meinen Augen eine der wichtigsten Voraussetzungen für diesen Job.“ „Diese Voraussetzung kann ich erfüllen.“
„Ich weiß“, sagte er, und der gewisse Unterton klang erneut mit. „Gute Nacht, Miss Bergman!“ „Gute Nacht, Professor!“
Ich legte auf und registrierte erst im Nachhinein, was er gesagt hatte. Wenn Sie sich entschieden haben …
Anscheinend war sich der Professor ziemlich sicher.
Ich hatte die halbe Nacht wachgelegen und hin und her überlegt. Auf der einen Seite war Linda, meine beste Freundin seit Kindertagen, die viel Vertrauen in mich gesetzt, die mir Arbeit gegeben hatte und stets mit Rat und Tat an meiner Seite war und der ich nun etwas zurückgeben konnte – Loyalität. Auf der anderen Seite war da ein unentdecktes Gebiet, das es zu erobern galt. Loyalität gegen Abenteuerlust. Und während ich noch all die Dinge aufzählte, die Linda und ich gemeinsam durchgemacht hatten, sah ich mich schon in alten, von Gold, Geschmeide und Gespenstern wimmelnden, unterirdischen Gängen umherkriechen.
Die Highlands
Daher war es eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass ich mich am nächsten Morgen ziemlich müde und mit einem Kaffee in der Hand vor der Anzeigetafel des Flughafens von Edinburgh wiederfand. Inverness also. Zumindest stand dies auf dem Ticket. Ich blickte hoch – Gate zwölf –, drehte mich um mich selbst auf der Suche nach dem fraglichen Terminal, nahm einen Schluck von meinem Kaffee und machte mich auf den Weg in mein erstes vielleicht richtiges Abenteuer. Ich hoffte sehr, dass dieser Ryan wusste, wer ich war oder wie ich aussah, denn ich hatte keine Ahnung, an wen ich mich wenden sollte. Doch als ich am Terminal ankam, musste ich zwar zweimal hinsehen – zumal ich ihn so attraktiv nicht in Erinnerung hatte –, doch ja, da stand der Lampenmann an eine Säule gelehnt und blickte mir freundlich lächelnd entgegen.
„Und ich hatte gedacht, du bist die neue Ethel“, sagte er und reichte mir seine Hand.
„Nein, tut mir leid. Ich bin nur Jo.“
„Hi, Jo! Ich bin Ryan. Das sind Finn und Lucas.“
Was Wasser und Seife doch so alles bewirken können, dachte ich und betrachtete die drei, die nun wie aus dem Ei gepellt vor mir standen. Sie waren alle größer als ich – was nicht weiter schwer war bei meinen knapp einen Meter fünfundsechzig – und ein wenig älter, aber irgendwie strahlten sie etwas Jungenhaftes aus. Ich vermutete, dass dies an ihren Jobs lag, denn ein reifer Erwachsener würde sicher nicht sein Geld mit der Jagd auf Gespenster verdienen. Als ich jedoch die Uhr an Ryans Handgelenk entdeckte, staunte ich nicht schlecht. Immerhin schien die Geisterjagd in Schottland doch recht einträglich zu sein. „So! Du bist also die mit dem Essay“, meinte Finn kopfnickend. „Nicht schlecht, Kleine! Wie war das noch?“ Er runzelte die Stirn. „Und vom philosophischen Standpunkt aus gesehen, liegt die Vermutung, dass in der Ölstadt Geister umgehen, in der abgeklärten Geschichte des Stadtteils begründet und dem tief in uns verwurzelten Wunsch, Geister der Vergangenheit nicht nur in uns selbst zu finden.“
„Du kannst mich zitieren“, stellte ich fest.
„Keine Kunst“, erwiderte Lucas unbeeindruckt. „Finn hat ein fotografisches Gedächtnis. Er ist unsere Rettung, wenn die echten Kameras über den Jordan gehen. Nur mit dem Blitzlicht hapert es noch.“ Lucas blinzelte wie eine geisteskranke Eule, was mich zum Lachen brachte. „Ladies und Gentlemen! Gäste des Fluges Neun-Zwei-Vier nach Inverness bitte zum Gate zwölf. Vielen Dank!“, sagte da die Lautsprecherstimme, und Ryan hob den Kopf. „Sie machen auf. Hast du alles?“, fragte er.
„Ja, habe ich.“
„Dann lasst uns gehen.“
Der Flug nach Inverness dauerte nur eine Dreiviertelstunde und war wegen des kleinen Fliegers und des böigen Windes alles andere als entspannend, doch schließlich landete das Flugzeug wohlbehalten auf einem knapp bemessenen Rollfeld, und Ryan lächelte erleichtert.
„Fliegst du nicht gerne?“, fragte ich.
„So könnte man das auch nennen“, meinte Lucas einen Sitz vor uns. „Eigentlich leidet er mehr unter einer primitiven Phobie gegen alles, was sich nicht über Land fortbewegt.“
„Schiffe?“, warf ich ein und lachte, als Ryan mir einen Blick zuwarf, den Kopf beinah unmerklich schüttelte und rote Ohren bekam. „Seine Lordschaft geht lieber zu Fuß“, erklärte Finn und klang dabei, als hätte er einen Stock im Hintern, doch ich stolperte nicht über den Sarkasmus in seinen Worten, sondern über die Worte selbst. „Seine Lordschaft?“, fragte ich leise, doch Ryan lächelte nur und zuckte mit den Schultern. „Nicht so wichtig“, meinte er und erhob sich aus seinem Sitz. „Komm! Nichts wie raus hier.“
Vor dem Flughafengebäude erwartete uns eine junge Frau, die sich als Lori Innes vorstellte und Ryan die Schlüssel für einen großen, grünen Landrover in die Hand drückte.
„Der Tank ist voll“, sagte sie. „Und der Professor hat eben noch mal angerufen und gesagt, dass ihr nicht zum Hotel fahren sollt. Ihr könnt wohl auf der Burg übernachten.“
„Na wunderbar!“, rief Lucas und zwinkerte mir zu. „So bekommt Jo gleich den richtigen Einstieg.“ Ryan, Finn und Lucas hatten mir während des Fluges nur kurz berichtet, was es mit der von Professor Sutherland erwähnten Burg auf sich hatte. Angeblich sollte es dort spuken, nachdem Arbeiter eine Wand eingerissen hatten.
Ich hielt mich und meine Meinung über eventuelle Gespenster geflissentlich zurück, um nicht unversehens gegen eine Mauer aus verletztem männlichen Stolz zu rennen, doch mir kam das alles vor, als befände ich mich mitten in einem John-Sinclair-Roman, daher betrachtete ich das Ganze auch als nicht allzu ernstzunehmendes Schaustück.
„Wie weit ist es eigentlich?“, fragte ich, als wir unser Gepäck im Kofferraum verstaut hatten und Finn nebenbei bemerkte, dass ich es mir ruhig gemütlich machen sollte. „Knapp drei Stunden“, kam die Antwort, woraufhin ich noch schnell mein Wasser und ein Buch aus dem Rucksack nahm und mich auf den Rücksitz setzte. Ryan hatte endlich wieder eine gesunde Gesichtsfarbe und übernahm mit einem befreiten Lächeln das Steuer. „Alle da? Alle bereit?“ „Nun mach schon! Ich will hier keine Wurzeln schlagen“, rief Lucas, der sich neben mir niederließ und fröhlich sein zweites Bier an diesem Morgen öffnete.
Die Landschaft um Inverness herum war durchzogen von geradlinig angelegten Kornfeldern, dichten, dunkelgrünen Wäldern und in mehreren Farben leuchtenden Berghängen. Ich hatte es mir nicht so schön vorgestellt. Je weiter wir nach Nordwesten fuhren, umso mehr veränderte sich die Landschaft; Kornfelder und Wälder wurden nach einiger Zeit von immer neuen riesigen Bergketten abgelöst, hinter denen langgestreckte, tiefblaue Seen auftauchten. Zum ersten Mal dachte ich: Wenn es denn Geister und Gespenster geben sollte – was natürlich nicht der Fall sein konnte, aber wenn–, dann war es nicht weiter verwunderlich, dass es sie hier gab. Die Gegend selbst wirkte fast gespenstisch, jedoch keineswegs im gruseligen Sinne, nein, eher wie die gespannte Erwartung als Kind, wenn der Weihnachtsmann vor der Tür stand.
„Du warst noch nie in Schottland, oder?“
Ich wandte mich um und sah, dass Lucas mich mit leicht geneigtem Kopf betrachtete. Ich lächelte. „Nein. Es ist wirklich schön hier.“
„Ja, das ist es. Ich bin in den Lowlands aufgewachsen. Als ich das erste Mal hier oben war, wusste ich gleich, dass ich für immer bleiben würde.“
„Es hält einen schon irgendwie gefangen, das muss ich zugeben. Wo kommst du her, Finn?“ „Meine Mutter ist Irin, mein Vater Isländer. Ich bin in der Nähe von Reykjavík groß geworden. Aber ich lebe schon fast zehn Jahre hier in Schottland. Bei uns gibt’s nur Feen und Elfen, und die stehen unter Staatsschutz.“
„Staatsschutz?“, fragte ich und bemühte mich, nicht zu lachen.
„Genau. Eine Lizenz, um sie zu jagen, ist schwer zu bekommen.“
„Hey, Jungs!“, meinte ich. „Mal ehrlich! Ihr glaubt doch nicht wirklich an all dieses Zeug, oder?“
Ich sah, wie Ryan mir im Rückspiegel einen ernsten Blick zuwarf, während Lucas und Finn Stein und Bein schworen, nichts von alldem zu glauben.
„Gegenfrage“, sagte Ryan. „Warum glaubst du nicht daran?“
„Ist die Frage ernst gemeint?“
„Aye.“
„Na gut!“, entgegnete ich und strich mir eine Haarsträhne aus den Augen. „Es gibt keinen zuverlässigen Beweis für die Existenz von Geistern.“
„Da hast du recht. Es gibt aber auch keinen Beweis, dass es sie nicht gibt.“
„Ja, schon, aber ich bitte dich – Gespenster?“
„Glaubst du an Gott, Jo?“
„Ich bin religionslos.“
„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“
Mir wurde klar, dass auch er mein Essay gelesen hatte und anscheinend nicht nur einmal, denn meine versteckte Anspielung auf die mögliche Existenz eines Gottes gemeinhin war nicht auf Anhieb zu entdecken.
„Ich glaube nicht an Gott im Speziellen, nein“, sagte ich, „ich glaube an – etwas. Der Gedanke, dass wir tatsächlich auf uns allein gestellt sind, behagt mir nicht.“
„Es gibt keinen zuverlässigen Beweis, dass es etwas gibt, das dafür sorgt, dass wir nicht allein auf uns gestellt sind.“
„Scherzkeks“, sagte ich, und Lucas fing an zu lachen.
„Und der Gewinner ist …“, rief Finn und vollbrachte mit den Fingern auf dem Armaturenbrett einen Trommelwirbel. „Seine Lordschaft, Ryan der Dritte.“
Ryan warf mir noch einen Blick im Rückspiegel zu, diesmal jedoch tanzte der Schalk in seinen Augen.
Eine halbe Stunde später war Lucas fast eingeschlafen, Finn wippte mit dem Kopf zum Takt der Musik, während er an einer seiner Kameras herumbastelte, und Ryan lenkte den Landrover mit stoischer Gelassenheit über die teils engen Straßen. Ich hatte endlich ein wenig Zeit, meinen eigenen Gedanken nachzuhängen und meine Weggefährten unauffällig genauer zu betrachten. Lucas war der Kumpeltyp, mit leichtem Bierbauch und leuchtend rotem, kurzem Haar. Seine Jeans hing etwas zu tief, so dass stets etwas von seinen karierten Boxershorts zu sehen war. Er strahlte Gemütlichkeit aus wie ein Teddybär.
Finn war das absolute Gegenteil. Etwa einen Meter neunzig groß, gertenschlank, mit dunklen, etwas längeren Haaren und betont eleganter Kleidung. Er sah gut aus, allerdings wusste er das auch, und durch seine Art, dies nicht zeigen zu wollen, unterstrich er es noch. Doch sein frisches, unkompliziertes Gemüt machte ihn zu einem angenehmen Kerl, und ich war mir seltsamerweise absolut sicher, dass er ein sehr ehrlicher Mensch war.
Ryan gab mir einige Rätsel auf. Er trieb dieselben, teilweise derben Scherze wie Finn und Lucas, und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass in seinem Inneren ein überaus ernsthafter Charakter steckte, und er hatte, da war ich mir wiederum sicher, ein paar Geheimnisse. Vielleicht schlug er sich mit den Geistern seiner Vergangenheit herum, so wie es viele von uns tun müssen. Er war genauso groß wie Finn; vielleicht noch einen Tick größer, jedoch breiter, kräftiger in der Figur, wie ein Schwimmer, und er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, was im Gegensatz zu seinem dunkelblonden, leicht verwuschelt aussehenden Haarschopf stand. Es schien mir so weich zu sein, dass ich dem Bedürfnis, ihm durchs Haar zu streichen, nur mit Mühe widerstehen konnte. Seine Augen waren leuchtend grün. Ich bekam einen leichten Schreck, als ich diese Augen erneut im Spiegel fand, und schaute schnell aus dem Fenster.
„Sag mal, mo charaid.“ Lucas beugte sich etwas vor und ließ seine leere Bierflasche vorsichtig zwischen den Knien zu Boden gleiten. „Kannst du dich noch an das Dobhran òr Inn erinnern? Da haben wir damals Halbzeit gemacht, als wir hoch nach Ullapool mussten. Weißt du noch – die kleine, blonde Kellnerin?“
„Aye, warum?“, fragte Ryan.
„Warum? Ich habe Hunger, verdammt!“
„Frühstück wäre eine gute Idee“, sagte Finn und drehte sich halb zu mir um. „Was meinst du, Jo?“ „Ja, klar! Gerne!“
Ryan blickte kurz auf seine Uhr und nickte. „Okay. Lasst uns was essen.“
„Ich weiß nicht, Mac“, sagte er. „Das scheint irgendwie von drüben zu kommen.“
„Das ist der Zahn der Zeit, der daran nagt, Kleiner. Mach dir keinen Kopf!“ Der Alte schaute dem Jüngeren ins Gesicht, legte schließlich sein Brot beiseite, rieb sich lächelnd die Hände und erhob sich von der Bank. „Weißt du, ich kenn da einen alten Reim. Den hat mir noch mein Großvater beigebracht. Soll ich?“ Er zwinkerte.
Das Gesicht des Jüngeren hellte sich merklich auf, und er nickte. „Leg los, Mac! Kann nicht schaden, denke ich.“
„Aye, also.“ Der Alte räusperte sich noch einmal, holte einen kleinen Flachmann aus der Hosentasche und stellte sich so gerade hin, wie es sein kaputter Rücken zuließ. Er hob die Flasche wie zu einem Toast und rief in der Mundart der frühen Schotten:
„Und wenn ich hier nun sterben sollt Zwischen Heide, Moos und Stein Wenn ihr Geister mich nun holt Wird es nicht leicht für euch sein Aye, ihr Teufel! Fangt an zu beten! Denn des Whiskys brennend Geist Wird euch in den Hintern treten.“
Beide Arbeiter brachen in haltloses Gelächter aus – bis das von fern erklingende, kaum wahrnehmbare Lachen eines Dritten mit einstimmte.
Die beiden Arbeiter verstummten. Sie blickten sich an und spürten eine Kälte, die ihnen plötzlich in den Hemdkragen kroch. Sie sahen, wie der Mörtel sich an einigen Stellen zu Staub auflöste.
Dann brach die gesamte Wand in sich zusammen.
Erster Teil
Unglaube
Glaube nicht, dass der Unglaube dir zu Hilfe kommen wird, wenn du den Tatsachen ins Auge sehen musst.
Ein Jobangebot
Schottland – Edinburgh – drei Wochen später
Es war ein geräumiges Vorzimmer mit zwei großen Fenstern, die einen herrlichen Blick auf den Park boten. Die Wände waren nur zum Teil tapeziert, ansonsten hatte man die alten Steinmauern naturbelassen. In anderen Räumen hätte dies wohl gemütlich gewirkt, doch hier hatte ich das Gefühl, dass dem Ganzen etwas Verschrobenes anhaftete. An den Wänden hingen vergilbte Fotografien von Männern mit langen Bärten und Zylindern, die seltsame Gerätschaften in die Kamera hielten. Darunter standen in der einen Ecke ein mannshoher Ficus, der unbedingt gegossen werden sollte, und daneben eine lange Reihe Vitrinen, die mit unzähligen Urkunden und Orden, weiteren obskuren Gerätschaften und Unmengen von Büchern gefüllt waren.
In der anderen Ecke blickte das gemalte und lebensgroße Abbild eines altertümlichen Schotten unter seiner keck bis auf das rechte Ohr geschobenen Mütze auf mich herab. Bei genauerer Betrachtung erweckte Braveheart den Anschein, als würde er schielen und einen Drall zur linken Seite haben – so als könne er jeden Moment aus dem Bild kippen. Ich fragte mich, ob das Modell, der Künstler oder alle beide betrunken gewesen waren, und verwandelte mein erheitertes Prusten diskret in ein Räuspern. Die ältere Dame hinter dem Schreibtisch blickte von ihrer Tastatur auf, schob ihre goldene Brille auf die Nasenspitze herab und lächelte mich an. Ich erwiderte das Lächeln, strich mir eine Haarsträhne aus den Augen und versuchte, einigermaßen seriös zu wirken, als mein Blick auf den Nachttopf fiel. Er stand im untersten Regal zwischen einer rostigen Öllampe und der bauchigen Figur einer Schwangeren und war mit kleinen, nackten, tanzenden Teufeln bemalt.
Immer mehr hatte ich das Gefühl, in einer schlechten Folge von Versteckte Kamera mitzuspielen. Ich glaubte nicht an Geister und Spuk, und trotzdem hockte ich auf diesem Stuhl, klammerte mich an meine Ledermappe und blickte zum zehnten Mal auf das goldglänzende Türschild. Der Wortlaut blieb jedoch stets der gleiche.
The Royal Crookes Institut für paranormale Phänomene
Edinburgh, Schottland
Leitung: Prof. J. R. Sutherland
Auch die Tatsache, dass ich auf eine Einladung hin hier war, machte die ganze Sache in meinen Augen nicht besser.
Wann hatte ich eigentlich den Weg einer konstruktiven Berufslaufbahn verlassen und den Pfad hin zu einer zum Scheitern verurteilten Karriere eingeschlagen?
Früh!, sagte meine innere Stimme. Sehr früh!
Meine Mutter hatte damals recht gehabt, als sie sagte: „Kind, was willst du nur mit einem Philosophiestudium?“
In meinem jugendlichen Eifer hatte ich natürlich dagegengehalten, doch dreieinhalb Semester später hatte ich mich das Gleiche gefragt und das vierte kurzerhand in den Wind geschrieben. Ich war schon immer so. Meine armen Eltern verzweifelten fast an meinen ach so kurzlebigen Hobbys und Vorhaben: Klarinette spielen, Gitarre, Kontrabass, Ballettunterricht, Tennis, Curling, Mädchenfußball, ein Buch schreiben, Ärztin werden, Tierärztin werden, Kinderärztin werden, Sängerin, Schauspielerin, Popstar. Gemessen an all den Vorhaben, hielt die Absicht, Philosophin zu werden, ziemlich lange an.
Nach dem Abbruch meines Studiums fand ich mich allein in meiner Wuppertaler Einzimmerwohnung wieder, ohne Plan und Einkommen, und überlegte, was ich mit meinem Leben nun anfangen sollte. Ich hatte nicht vor, mich schon wieder von meinen spontanen Launen leiten zu lassen. Wenigstens einmal in meinem Leben wollte ich etwas Sinnvolles, etwas Großes und Bedeutendes tun. Da klopfte Linda an meine Tür und überredete mich dazu, für ihren Science-Esquire zu schreiben. Wäre ich doch nur an jenem Tag nicht zu Hause gewesen.
Die kleine, unscheinbare Zeitschrift über Geister und Spuk hatte sie ein Jahr zuvor ins Leben gerufen, nachdem sie ihre zahnmedizinische Laufbahn an den Nagel gehängt hatte und aus Gründen, die mit einer funktionsgestörten Glühlampe und einer missglückten Beziehung zu einem Marihuana rauchenden Veganer einhergingen, in die Esoterik-Ecke abgedriftet war. Ich begann mit harmlosen Dingen: Botengänge erledigen, kurze Textpassagen schreiben und hin und wieder ein paar Leserbriefe beantworten.
Sechs Monatsausgaben lang lief auch alles glatt, bis Linda auf die grandiose Idee kam, mich ungefragt für diese Feldforschung anzumelden, die in den unterirdischen Gängen der Wuppertaler Ölstadt vonstattengehen sollte. Das Essay, das ich danach für den Science-Esquire schrieb, verbreitete sich wie ein verdammtes Lauffeuer und brachte mich hierher.
Plötzlich ging die Tür zu Professor Sutherlands Büro ein Stück weit auf, und eine sonore Stimme rief: „Und, zum Donnerwetter noch mal, seht zu, dass ihr unter die Dusche kommt!“
Leises Gemurmel und Gelächter folgten, und schlussendlich traten drei Männer nacheinander durch die Tür. Einer von ihnen trug etwas, das einer antiken Stehlampe mit gigantischem Schirm glich. Die anderen hatten Kameras umgehängt. Ihre Kleidung war mit Spinnweben behangen und so verdreckt und staubig, dass bei jeder Bewegung kleine Schmutzwolken aufstiegen und Sand auf den spiegelblanken Parkettboden rieselte.
„Das … war zu erwarten, Jungs“, sagte die Dame am Schreibtisch mit erhobenem Finger, schob ihre Brille auf die Nasenspitze und betrachtete die drei von oben bis unten. „So, wie ihr ausseht, könnt ihr froh sein, dass der Professor euch nicht schnurstracks von Harrison mit dem Gartenschlauch abspritzen ließ. Ihr wolltet ja nicht hören. Ich hatte euch gewarnt.“
„Das hatten Sie“, erwiderten die drei, lachten und schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, wodurch noch mehr Dreck auf den Boden fiel.
„Herr! Lehre sie Demut, wo ich versagte“, meinte die Dame nur und schüttelte den steifgelockten Kopf.
„Letzter Tag heute, was, Ethel?“, fragte einer der drei und ging um den Schreibtisch herum. „Hätte nicht gedacht, dass das alte Schlitzohr Sie wirklich gehen lässt.“
„Ihm blieb nichts anderes übrig. Mein Pensionsanspruch ist schon seit drei Monaten durch, und nun gehe ich zu meiner Schwester nach Wales und überlasse euch eurem Schicksal.“
„Sie werden uns fehlen“, sagte ein anderer.
„Vielleicht schafft es ja meine Nachfolgerin, euch ein wenig Manieren einzubleuen.“
„Sind wir wirklich so schlimm?“
„Schlimmer!“, rief sie aus, blickte von einem zum anderen, und plötzlich wurden ihre Augen feucht. „Ach Jungs! Ich werde euch auch vermissen.“
Dann lachte sie auf, ließ sich zum Abschied von den Männern auf die Wangen küssen, und ich konnte sehen, wie sie trotz ihres Alters sanft errötete.
Die drei gingen an mir vorbei, ohne mich zu beachten, doch als sie das Vorzimmer verlassen wollten, blickte der mit der Lampe zurück und musterte mich. „Ist alles okay?“, fragte er. Ich drehte mich um, ob er vielleicht mit jemand anderem gesprochen hatte, doch neben mir befand sich nur ein nackter Kleiderständer. Lächelnd wandte ich mich ihm wieder zu. „Ähm, ja. Warum?“ „Du siehst blass aus. Du musst keine Angst vor ihm haben, hörst du?“ Er wies mit einem Kopfnicken auf Professor Sutherlands geschlossene Bürotür. „Er ist zwar manchmal etwas exzentrisch, aber nach einiger Zeit lernst du, seine Marotten zu ertragen. Ethel hat es auch geschafft.“
„Ähm. Danke.“ Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
Der Lampenmann lächelte und nickte mir zu, was wohl aufmunternd wirken sollte. Einen Moment später schloss sich die Tür hinter ihm.
„Miss Bergman?“, fragte die Vorzimmerdame.
Ich löste meine Augen von der Tür und drehte den Kopf. „Ja?“
Sie lächelte mich an und sagte: „Sie können jetzt hineingehen. Der Professor erwartet Sie.“ Damit erhob sie sich von ihrem Stuhl und holte Handfeger und Schaufel aus einem Schrank.
„Und? Wie ist er so?“, war Lindas erste Frage, als ich sie wie versprochen am Abend anrief. Ich stand am Fenster und beobachtete, wie die Sonne glutrot hinter Edinburgh Castle versank, zuckte mit den Schultern, schob die Vorhänge zu und sagte: „Er erinnert mich an meinen Großvater.“
Linda schnaubte vor Entrüstung. „Jo! Dieser Mann ist eine Koryphäe!“
„Das war mein Großvater auch.“
„Ja, natürlich! Was hat er denn gesagt?“
„Wer?“, fragte ich, schob meinen Koffer beiseite und ließ mich auf das Bett fallen.
„Na der Professor, du Dummchen!“
„Er hat mir noch einmal zu dem Artikel gratuliert. Mir gesagt, dass ich die Kernpunkte von paranormalen Forschungen sachlich und prägnant erfasst habe. Dass ich wohl ein Händchen und ein Näschen für die Arbeit eines Ghosthunters hätte – und er hat mir einen Job angeboten.“ Stille am anderen Ende der Leitung.
„Linda? Hallo?“
Ich schaute kurz auf das Display, aber die Verbindung bestand noch. „Linda, bist du da?“ „Über den Esquire hat er nichts gesagt?“, fragte sie endlich und klang enttäuscht. Oh, Mist! Ich biss mir auf die Unterlippe. „Ach, weißt du, er hatte nicht allzu viel Zeit.“ „Hm.“
„Hey! Dass er es bis hierher geschafft hat, ist doch schon ein Fortschritt“, sagte ich und merkte erst dann, wie erbärmlich sich das anhörte.
In diesem Moment kam zu meiner Rettung ein zweiter Anruf herein. „Ähm, tut mir leid, Linda! Da klopft jemand an. Das könnte meine Mutter sein.“
„Na gut!“
„Ich hab dich lieb. Und ärgere dich nicht so! Hörst du?“
„Du hast gut reden“, nörgelte sie.
Ohne etwas darauf zu erwidern, drückte ich sie weg und sagte: „Hallo?“ „Miss Bergman! Gut, dass ich Sie noch erreiche. Ich weiß, es ist schon spät.“ „Professor Sutherland!“ Ich sprang aus dem Bett und versuchte gleichzeitig mein Haar zu ordnen und meine Kleidung zu richten. „Nicht doch!“, rief ich. „Sie können mich jederzeit anrufen.“ „Danke, Miss Bergman! Haben Sie schon über mein Angebot nachdenken können?“ „Na ja, nein. Um ehrlich zu sein, ich glaube, ich stehe noch unter Schock.“ Sein Lachen war tief, warm und blieb einem noch lange im Ohr. „Meine liebe Miss Bergman!“, sagte er schließlich in väterlichem Tonfall. „Keine Sorge! Ich will nicht Ihre Seele. Mir geht es nur um Ihr Talent.“
„Das ist schön zu wissen.“
Er lachte erneut. „Wissen Sie … ich möchte Sie eigentlich nicht bedrängen.“ Er machte eine Pause und rückte schlussendlich doch mit der Sprache heraus: „Aber ich hätte gern, dass Sie mit dem Team nach Norden gehen.“ „Nach Norden?“, fragte ich. „Ja. Wester Ross, um genau zu sein. Ist eine wirklich schöne Gegend da oben.“ „Wann?“ „Nun, das ist das Prekäre. Sie müssten sich schnell entscheiden. Der Flieger geht morgen früh um sieben Uhr zweiundvierzig.“ „Und können Sie mir sagen, was mich dort oben erwartet?“ „Sie erfahren alles Nötige auf dem Flug. Nur so viel: Es ist eine alte Burg, die Sie aufsuchen werden. Haben Sie keine Angst! Ich verlange nichts Unmögliches von Ihnen. Sehen Sie es als Einladung zu einer Hospitation. Und wenn es Ihnen gefällt, reden wir danach noch einmal über mein Jobangebot.“ „Das klingt fair.“ „Denken Sie darüber nach, und wenn Sie sich entschieden haben, dann finden Sie sich morgen früh am Flughafen ein. Ein Ticket ist dort für Sie hinterlegt, und Ryan erwartet Sie am Gate.“ „Danke, Professor!“ „Ich habe zu danken, meine Liebe! Gute Nacht!“ „Ach, Professor?“
„Ja?“
„Warum ich?“
Er lachte wieder, diesmal jedoch leise und so, als hätte seine Heiterkeit mehr als einen Grund. „Sagen wir, es ist nicht so leicht, Geisterjäger zu finden, die nicht an Geister und Gespenster glauben. Doch das ist in meinen Augen eine der wichtigsten Voraussetzungen für diesen Job.“ „Diese Voraussetzung kann ich erfüllen.“
„Ich weiß“, sagte er, und der gewisse Unterton klang erneut mit. „Gute Nacht, Miss Bergman!“ „Gute Nacht, Professor!“
Ich legte auf und registrierte erst im Nachhinein, was er gesagt hatte. Wenn Sie sich entschieden haben …
Anscheinend war sich der Professor ziemlich sicher.
Ich hatte die halbe Nacht wachgelegen und hin und her überlegt. Auf der einen Seite war Linda, meine beste Freundin seit Kindertagen, die viel Vertrauen in mich gesetzt, die mir Arbeit gegeben hatte und stets mit Rat und Tat an meiner Seite war und der ich nun etwas zurückgeben konnte – Loyalität. Auf der anderen Seite war da ein unentdecktes Gebiet, das es zu erobern galt. Loyalität gegen Abenteuerlust. Und während ich noch all die Dinge aufzählte, die Linda und ich gemeinsam durchgemacht hatten, sah ich mich schon in alten, von Gold, Geschmeide und Gespenstern wimmelnden, unterirdischen Gängen umherkriechen.
Die Highlands
Daher war es eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass ich mich am nächsten Morgen ziemlich müde und mit einem Kaffee in der Hand vor der Anzeigetafel des Flughafens von Edinburgh wiederfand. Inverness also. Zumindest stand dies auf dem Ticket. Ich blickte hoch – Gate zwölf –, drehte mich um mich selbst auf der Suche nach dem fraglichen Terminal, nahm einen Schluck von meinem Kaffee und machte mich auf den Weg in mein erstes vielleicht richtiges Abenteuer. Ich hoffte sehr, dass dieser Ryan wusste, wer ich war oder wie ich aussah, denn ich hatte keine Ahnung, an wen ich mich wenden sollte. Doch als ich am Terminal ankam, musste ich zwar zweimal hinsehen – zumal ich ihn so attraktiv nicht in Erinnerung hatte –, doch ja, da stand der Lampenmann an eine Säule gelehnt und blickte mir freundlich lächelnd entgegen.
„Und ich hatte gedacht, du bist die neue Ethel“, sagte er und reichte mir seine Hand.
„Nein, tut mir leid. Ich bin nur Jo.“
„Hi, Jo! Ich bin Ryan. Das sind Finn und Lucas.“
Was Wasser und Seife doch so alles bewirken können, dachte ich und betrachtete die drei, die nun wie aus dem Ei gepellt vor mir standen. Sie waren alle größer als ich – was nicht weiter schwer war bei meinen knapp einen Meter fünfundsechzig – und ein wenig älter, aber irgendwie strahlten sie etwas Jungenhaftes aus. Ich vermutete, dass dies an ihren Jobs lag, denn ein reifer Erwachsener würde sicher nicht sein Geld mit der Jagd auf Gespenster verdienen. Als ich jedoch die Uhr an Ryans Handgelenk entdeckte, staunte ich nicht schlecht. Immerhin schien die Geisterjagd in Schottland doch recht einträglich zu sein. „So! Du bist also die mit dem Essay“, meinte Finn kopfnickend. „Nicht schlecht, Kleine! Wie war das noch?“ Er runzelte die Stirn. „Und vom philosophischen Standpunkt aus gesehen, liegt die Vermutung, dass in der Ölstadt Geister umgehen, in der abgeklärten Geschichte des Stadtteils begründet und dem tief in uns verwurzelten Wunsch, Geister der Vergangenheit nicht nur in uns selbst zu finden.“
„Du kannst mich zitieren“, stellte ich fest.
„Keine Kunst“, erwiderte Lucas unbeeindruckt. „Finn hat ein fotografisches Gedächtnis. Er ist unsere Rettung, wenn die echten Kameras über den Jordan gehen. Nur mit dem Blitzlicht hapert es noch.“ Lucas blinzelte wie eine geisteskranke Eule, was mich zum Lachen brachte. „Ladies und Gentlemen! Gäste des Fluges Neun-Zwei-Vier nach Inverness bitte zum Gate zwölf. Vielen Dank!“, sagte da die Lautsprecherstimme, und Ryan hob den Kopf. „Sie machen auf. Hast du alles?“, fragte er.
„Ja, habe ich.“
„Dann lasst uns gehen.“
Der Flug nach Inverness dauerte nur eine Dreiviertelstunde und war wegen des kleinen Fliegers und des böigen Windes alles andere als entspannend, doch schließlich landete das Flugzeug wohlbehalten auf einem knapp bemessenen Rollfeld, und Ryan lächelte erleichtert.
„Fliegst du nicht gerne?“, fragte ich.
„So könnte man das auch nennen“, meinte Lucas einen Sitz vor uns. „Eigentlich leidet er mehr unter einer primitiven Phobie gegen alles, was sich nicht über Land fortbewegt.“
„Schiffe?“, warf ich ein und lachte, als Ryan mir einen Blick zuwarf, den Kopf beinah unmerklich schüttelte und rote Ohren bekam. „Seine Lordschaft geht lieber zu Fuß“, erklärte Finn und klang dabei, als hätte er einen Stock im Hintern, doch ich stolperte nicht über den Sarkasmus in seinen Worten, sondern über die Worte selbst. „Seine Lordschaft?“, fragte ich leise, doch Ryan lächelte nur und zuckte mit den Schultern. „Nicht so wichtig“, meinte er und erhob sich aus seinem Sitz. „Komm! Nichts wie raus hier.“
Vor dem Flughafengebäude erwartete uns eine junge Frau, die sich als Lori Innes vorstellte und Ryan die Schlüssel für einen großen, grünen Landrover in die Hand drückte.
„Der Tank ist voll“, sagte sie. „Und der Professor hat eben noch mal angerufen und gesagt, dass ihr nicht zum Hotel fahren sollt. Ihr könnt wohl auf der Burg übernachten.“
„Na wunderbar!“, rief Lucas und zwinkerte mir zu. „So bekommt Jo gleich den richtigen Einstieg.“ Ryan, Finn und Lucas hatten mir während des Fluges nur kurz berichtet, was es mit der von Professor Sutherland erwähnten Burg auf sich hatte. Angeblich sollte es dort spuken, nachdem Arbeiter eine Wand eingerissen hatten.
Ich hielt mich und meine Meinung über eventuelle Gespenster geflissentlich zurück, um nicht unversehens gegen eine Mauer aus verletztem männlichen Stolz zu rennen, doch mir kam das alles vor, als befände ich mich mitten in einem John-Sinclair-Roman, daher betrachtete ich das Ganze auch als nicht allzu ernstzunehmendes Schaustück.
„Wie weit ist es eigentlich?“, fragte ich, als wir unser Gepäck im Kofferraum verstaut hatten und Finn nebenbei bemerkte, dass ich es mir ruhig gemütlich machen sollte. „Knapp drei Stunden“, kam die Antwort, woraufhin ich noch schnell mein Wasser und ein Buch aus dem Rucksack nahm und mich auf den Rücksitz setzte. Ryan hatte endlich wieder eine gesunde Gesichtsfarbe und übernahm mit einem befreiten Lächeln das Steuer. „Alle da? Alle bereit?“ „Nun mach schon! Ich will hier keine Wurzeln schlagen“, rief Lucas, der sich neben mir niederließ und fröhlich sein zweites Bier an diesem Morgen öffnete.
Die Landschaft um Inverness herum war durchzogen von geradlinig angelegten Kornfeldern, dichten, dunkelgrünen Wäldern und in mehreren Farben leuchtenden Berghängen. Ich hatte es mir nicht so schön vorgestellt. Je weiter wir nach Nordwesten fuhren, umso mehr veränderte sich die Landschaft; Kornfelder und Wälder wurden nach einiger Zeit von immer neuen riesigen Bergketten abgelöst, hinter denen langgestreckte, tiefblaue Seen auftauchten. Zum ersten Mal dachte ich: Wenn es denn Geister und Gespenster geben sollte – was natürlich nicht der Fall sein konnte, aber wenn–, dann war es nicht weiter verwunderlich, dass es sie hier gab. Die Gegend selbst wirkte fast gespenstisch, jedoch keineswegs im gruseligen Sinne, nein, eher wie die gespannte Erwartung als Kind, wenn der Weihnachtsmann vor der Tür stand.
„Du warst noch nie in Schottland, oder?“
Ich wandte mich um und sah, dass Lucas mich mit leicht geneigtem Kopf betrachtete. Ich lächelte. „Nein. Es ist wirklich schön hier.“
„Ja, das ist es. Ich bin in den Lowlands aufgewachsen. Als ich das erste Mal hier oben war, wusste ich gleich, dass ich für immer bleiben würde.“
„Es hält einen schon irgendwie gefangen, das muss ich zugeben. Wo kommst du her, Finn?“ „Meine Mutter ist Irin, mein Vater Isländer. Ich bin in der Nähe von Reykjavík groß geworden. Aber ich lebe schon fast zehn Jahre hier in Schottland. Bei uns gibt’s nur Feen und Elfen, und die stehen unter Staatsschutz.“
„Staatsschutz?“, fragte ich und bemühte mich, nicht zu lachen.
„Genau. Eine Lizenz, um sie zu jagen, ist schwer zu bekommen.“
„Hey, Jungs!“, meinte ich. „Mal ehrlich! Ihr glaubt doch nicht wirklich an all dieses Zeug, oder?“
Ich sah, wie Ryan mir im Rückspiegel einen ernsten Blick zuwarf, während Lucas und Finn Stein und Bein schworen, nichts von alldem zu glauben.
„Gegenfrage“, sagte Ryan. „Warum glaubst du nicht daran?“
„Ist die Frage ernst gemeint?“
„Aye.“
„Na gut!“, entgegnete ich und strich mir eine Haarsträhne aus den Augen. „Es gibt keinen zuverlässigen Beweis für die Existenz von Geistern.“
„Da hast du recht. Es gibt aber auch keinen Beweis, dass es sie nicht gibt.“
„Ja, schon, aber ich bitte dich – Gespenster?“
„Glaubst du an Gott, Jo?“
„Ich bin religionslos.“
„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“
Mir wurde klar, dass auch er mein Essay gelesen hatte und anscheinend nicht nur einmal, denn meine versteckte Anspielung auf die mögliche Existenz eines Gottes gemeinhin war nicht auf Anhieb zu entdecken.
„Ich glaube nicht an Gott im Speziellen, nein“, sagte ich, „ich glaube an – etwas. Der Gedanke, dass wir tatsächlich auf uns allein gestellt sind, behagt mir nicht.“
„Es gibt keinen zuverlässigen Beweis, dass es etwas gibt, das dafür sorgt, dass wir nicht allein auf uns gestellt sind.“
„Scherzkeks“, sagte ich, und Lucas fing an zu lachen.
„Und der Gewinner ist …“, rief Finn und vollbrachte mit den Fingern auf dem Armaturenbrett einen Trommelwirbel. „Seine Lordschaft, Ryan der Dritte.“
Ryan warf mir noch einen Blick im Rückspiegel zu, diesmal jedoch tanzte der Schalk in seinen Augen.
Eine halbe Stunde später war Lucas fast eingeschlafen, Finn wippte mit dem Kopf zum Takt der Musik, während er an einer seiner Kameras herumbastelte, und Ryan lenkte den Landrover mit stoischer Gelassenheit über die teils engen Straßen. Ich hatte endlich ein wenig Zeit, meinen eigenen Gedanken nachzuhängen und meine Weggefährten unauffällig genauer zu betrachten. Lucas war der Kumpeltyp, mit leichtem Bierbauch und leuchtend rotem, kurzem Haar. Seine Jeans hing etwas zu tief, so dass stets etwas von seinen karierten Boxershorts zu sehen war. Er strahlte Gemütlichkeit aus wie ein Teddybär.
Finn war das absolute Gegenteil. Etwa einen Meter neunzig groß, gertenschlank, mit dunklen, etwas längeren Haaren und betont eleganter Kleidung. Er sah gut aus, allerdings wusste er das auch, und durch seine Art, dies nicht zeigen zu wollen, unterstrich er es noch. Doch sein frisches, unkompliziertes Gemüt machte ihn zu einem angenehmen Kerl, und ich war mir seltsamerweise absolut sicher, dass er ein sehr ehrlicher Mensch war.
Ryan gab mir einige Rätsel auf. Er trieb dieselben, teilweise derben Scherze wie Finn und Lucas, und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass in seinem Inneren ein überaus ernsthafter Charakter steckte, und er hatte, da war ich mir wiederum sicher, ein paar Geheimnisse. Vielleicht schlug er sich mit den Geistern seiner Vergangenheit herum, so wie es viele von uns tun müssen. Er war genauso groß wie Finn; vielleicht noch einen Tick größer, jedoch breiter, kräftiger in der Figur, wie ein Schwimmer, und er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, was im Gegensatz zu seinem dunkelblonden, leicht verwuschelt aussehenden Haarschopf stand. Es schien mir so weich zu sein, dass ich dem Bedürfnis, ihm durchs Haar zu streichen, nur mit Mühe widerstehen konnte. Seine Augen waren leuchtend grün. Ich bekam einen leichten Schreck, als ich diese Augen erneut im Spiegel fand, und schaute schnell aus dem Fenster.
„Sag mal, mo charaid.“ Lucas beugte sich etwas vor und ließ seine leere Bierflasche vorsichtig zwischen den Knien zu Boden gleiten. „Kannst du dich noch an das Dobhran òr Inn erinnern? Da haben wir damals Halbzeit gemacht, als wir hoch nach Ullapool mussten. Weißt du noch – die kleine, blonde Kellnerin?“
„Aye, warum?“, fragte Ryan.
„Warum? Ich habe Hunger, verdammt!“
„Frühstück wäre eine gute Idee“, sagte Finn und drehte sich halb zu mir um. „Was meinst du, Jo?“ „Ja, klar! Gerne!“
Ryan blickte kurz auf seine Uhr und nickte. „Okay. Lasst uns was essen.“
... weniger
Autoren-Porträt von Maryla Krüger
Maryla Krüger, geboren 1974 in Parchim (Mecklenburg), schrieb mit zwölf Jahren ihre ersten Geschichten auf der alten, mechanischen Schreibmaschine ihrer Mutter. Nach der Schule wurde sie jedoch Bürokauffrau, widmete sich aber weiterhin ihrer Leidenschaft fürs Schreiben. Während ihrer Zeit als freie Autorin für ein Musikmagazin verlor sie die Angst vor dem eigenen schriftstellerischen Talent und eines Tages, in einem völlig verregneten Urlaub, begann sie ihren ersten Roman zu schreiben. Sie liebt karge Gebirgslandschaften und raue Küsten, daher rührt ihre unauflösliche Verbundenheit mit Schottland, wo auch ihre Romane zu Hause sind. Die Website der Autorin: www.marylakrueger.de
Bibliographische Angaben
- Autor: Maryla Krüger
- 2020, 304 Seiten, Deutsch
- Verlag: dotbooks
- ISBN-10: 3955203158
- ISBN-13: 9783955203153
- Erscheinungsdatum: 25.08.2020
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