Geister aus einer kleinen Stadt (ePub)
Roman
In einer kleinen Stadt im Banat, an einem Wasserlauf, der sich gerne Fluss nennen lässt, wiewohl er nur ein Kanal ist, leben die Menschen Ende der dreißiger Jahre im harmonischen, nahezu idyllischen Miteinander, in einem »melting pot« von Sprachen und...
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Produktinformationen zu „Geister aus einer kleinen Stadt (ePub)“
In einer kleinen Stadt im Banat, an einem Wasserlauf, der sich gerne Fluss nennen lässt, wiewohl er nur ein Kanal ist, leben die Menschen Ende der dreißiger Jahre im harmonischen, nahezu idyllischen Miteinander, in einem »melting pot« von Sprachen und Religionen.
Im Haus des Arztes etwa sprechen die Eltern miteinander ungarisch, mit den Kindern deutsch, mit dem Zimmermädchen serbisch und mit den Patienten nach deren jeweiligen Bedürfnissen.
Leicht kommt der serbisch-orthodoxe Pope nicht damit zurecht, dass sich seine älteste Tochter ausgerechnet in den Sohn des jüdischen Apothekers verliebt hat, ebenso wie die jüdischen Bäckersleute und das deutsche Fabrikantenehepaar, deren Kinder, der singende Rechtsanwalt und das blonde Fräulein, zu heiraten beschließen. Doch man einigt sich, und noch nicht einmal die Juden gestehen sich ihre Sorgen darüber ein, dass in Deutschland ein Herr Hitler an die Macht gekommen ist.
Dann kommt der Krieg und nichts bleibt, wie es war.
Ivan Ivanji lässt die Menschen eines kleinen Balkanstädtchens wiederauferstehen, mit ihren Sehnsüchten und Träumen, mit ihren Vorlieben und unterschiedlichen Lebensstilen. Jeder von ihnen hat eine andere Strategie, sich auf die Zukunft einzustellen - doch kaum einer wird den Nationalsozialismus überleben.
Im Haus des Arztes etwa sprechen die Eltern miteinander ungarisch, mit den Kindern deutsch, mit dem Zimmermädchen serbisch und mit den Patienten nach deren jeweiligen Bedürfnissen.
Leicht kommt der serbisch-orthodoxe Pope nicht damit zurecht, dass sich seine älteste Tochter ausgerechnet in den Sohn des jüdischen Apothekers verliebt hat, ebenso wie die jüdischen Bäckersleute und das deutsche Fabrikantenehepaar, deren Kinder, der singende Rechtsanwalt und das blonde Fräulein, zu heiraten beschließen. Doch man einigt sich, und noch nicht einmal die Juden gestehen sich ihre Sorgen darüber ein, dass in Deutschland ein Herr Hitler an die Macht gekommen ist.
Dann kommt der Krieg und nichts bleibt, wie es war.
Ivan Ivanji lässt die Menschen eines kleinen Balkanstädtchens wiederauferstehen, mit ihren Sehnsüchten und Träumen, mit ihren Vorlieben und unterschiedlichen Lebensstilen. Jeder von ihnen hat eine andere Strategie, sich auf die Zukunft einzustellen - doch kaum einer wird den Nationalsozialismus überleben.
Lese-Probe zu „Geister aus einer kleinen Stadt (ePub)“
Flachland (S. 22-23)Im Winter endloses, vereistes Stoppelfeld. Rauch aus Schornsteinen einsamer Weiler. Vor die Schlitten werden Pferde gespannt. Über Schnee und vereiste Landstraßen, die von Akazien, Pappeln und Maulbeerbäumen bewacht werden, kann man so noch schneller als im Sommer von Gehöft zu Gehöft, von Dorf zu Dorf jagen. Maulbeerbäume strecken im Winter ihre Äste erwartungsvoll dem Sommer entgegen, sie sind der billige Schatz der weniger begüterten Dorfbewohner. Mit ihren Blättern werden Seidenraupen gefüttert. Die Arbeit für Kinder und kleine Leute besteht darin, die Kokons abzukochen und das Seidengarn sorgfältig abzuwickeln. Die weißen oder schwarzen Beeren klauben die Kinder von den Straßen auf, um sie in den Mund zu stecken, die Erwachsenen brennen daraus Schnaps. Brot wird zu Hause gebacken, ein Laib ist rund, bis zu zweieinhalb Kilogramm schwer und duftet nach Leben. Manchmal muss er freilich für die ganze Woche herhalten.
Das Klo befindet sich im Hof, es ist sauber, riecht mehr nach Holz als nach dem, was in die Grube fällt, der Sitz ist ein Loch im Deckel einer Brettertruhe. Auf einem Eisennagel sind sauber in Quadrate geschnittene Zeitungsfetzen aufgespießt, aber manch einer lockt junge Gänse an und wischt sich mit ihrem noch gelbem, weichem Flaum den Hintern ab. Der Inhalt der Senkgrube ist bester Dünger. Die Krähen sind nirgendwo zu überhören. Jetzt können endlich die gemästeten Schweine geschlachtet werden. Das Jahr über geht allmorgendlich der Schweinehirt auf seiner Trompete blasend durch die Siedlung, und man öffnet seinem Borstenvieh das Tor.
Abends kehren die Säue – denn die Eber mussten meist im Stall bleiben – satt und zufrieden von der Weide zurück und jedes der klugen Tiere weiß, wo es zu Hause ist. Ahnt es nicht, dass dort eines Wintertags auch der
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Schlächter die Messer wetzen wird? Nur einige Wochen vor der Schlachtung werden sie mit Kukuruz oder Kraftfutter gemästet. Henkersmahlzeiten? Das geschlachtete Schwein wird auf Spreizen gehängt, als würde es gekreuzigt – aber das ist ein blasphemischer Gedanke, den man schnell abdrängen muss – und ausgenommen. Hunde versammeln sich und warten hungrig mit weit aufgerissenen Augen auf ihren Anteil. Hunde sind wichtig.
Sie hüten Haus und Hof und nehmen es auch mit den Wölfen auf, wenn die Raubtiere Mensch und Hornvieh zu nahe kommen. In der Nacht ist mitunter trotzdem ein Heulen zu hören, dem die Hunde antworten. Verstehen sie sich mit den Wölfen? Schreien sie einander Schimpfworte zu wie die Menschen aus den Schützengräben vor dem Kampf? Allen Nachbarn werden Platten mit frischer Blutwurst, Leberwurst und Grammeln geschickt. Das ist nicht nur im Dorf Sitte, sondern auch in den kleinen Städten im Umfeld.
Der Bürger kauft ein Jungschwein beim Bauern, lässt es aber vorerst bei ihm im Stall und sagt, wie er es gemästet haben will, je nachdem, ob er mehr auf Schmalz oder auf Fleisch Wert legt. Im Winter wird das arme Tier lebend in den Hof des Stadthauses gebracht, erst dort abgestochen und auf dem Balken gespreizt, auf dem sonst Teppiche geklopft werden. Jede anständige Familie hat ihre eigenen Wurstrezepte, die man seinem Metzger mitteilt. Man verabredet sich im Wohnblock, die Schlachtfeste möglichst nicht gleichzeitig zu veranstalten, so versorgt man einander wochenlang freundschaftlich mit frisch Geschlachtetem. Fast als Glücksfall wird empfunden, dass zwischen Weihnachten, wenn die Geburt Christi von katholischen und protestantischen Menschen – Ungarn, Slowaken, Deutschen – gefeiert wird und demselben Feiertag der Orthodoxen – Serben, Rumänen, Montenegrinern – zwei Wochen liegen.
Sie hüten Haus und Hof und nehmen es auch mit den Wölfen auf, wenn die Raubtiere Mensch und Hornvieh zu nahe kommen. In der Nacht ist mitunter trotzdem ein Heulen zu hören, dem die Hunde antworten. Verstehen sie sich mit den Wölfen? Schreien sie einander Schimpfworte zu wie die Menschen aus den Schützengräben vor dem Kampf? Allen Nachbarn werden Platten mit frischer Blutwurst, Leberwurst und Grammeln geschickt. Das ist nicht nur im Dorf Sitte, sondern auch in den kleinen Städten im Umfeld.
Der Bürger kauft ein Jungschwein beim Bauern, lässt es aber vorerst bei ihm im Stall und sagt, wie er es gemästet haben will, je nachdem, ob er mehr auf Schmalz oder auf Fleisch Wert legt. Im Winter wird das arme Tier lebend in den Hof des Stadthauses gebracht, erst dort abgestochen und auf dem Balken gespreizt, auf dem sonst Teppiche geklopft werden. Jede anständige Familie hat ihre eigenen Wurstrezepte, die man seinem Metzger mitteilt. Man verabredet sich im Wohnblock, die Schlachtfeste möglichst nicht gleichzeitig zu veranstalten, so versorgt man einander wochenlang freundschaftlich mit frisch Geschlachtetem. Fast als Glücksfall wird empfunden, dass zwischen Weihnachten, wenn die Geburt Christi von katholischen und protestantischen Menschen – Ungarn, Slowaken, Deutschen – gefeiert wird und demselben Feiertag der Orthodoxen – Serben, Rumänen, Montenegrinern – zwei Wochen liegen.
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Autoren-Porträt von Ivan Ivanji
Ivan Ivanji, 1929 im Banat geboren, war unter anderem Journalist, Diplomat und Dolmetscher Titos. Romane, Essays, Erzählungen und Hörspiele. Er lebt als freier Schriftsteller und Übersetzer in Wien und Belgrad. Im Picus Verlag erschienen zahlreiche Romane, darunter "Barbarossas Jude", "Das Kinderfräulein", "Der Aschenmensch von Buchenwald", "Die Tänzerin und der Krieg", "Geister aus einer kleinen Stadt", "Buchstaben von Feuer", die Neuauflage seines Erfolgs "Schattenspringen" sowie 2014 "Mein schönes Leben in der Hölle".
Bibliographische Angaben
- Autor: Ivan Ivanji
- 2011, 1. Auflage, 199 Seiten, Deutsch
- Verlag: Picus Verlag GmbH
- ISBN-10: 3711750761
- ISBN-13: 9783711750761
- Erscheinungsdatum: 01.11.2011
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