Hundeliebe (ePub)
Line ist eine Münsterländer-Mischlingsdame: klein, drahtig, schwarz und immer gut für einen Spaß. Doch eines Tages kommt ein zweiter Hund auf den alten Bauernhof in Westfalen: der Golden Retriever Anton. Anton ist jung und dumm und viel langsamer als die...
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Produktinformationen zu „Hundeliebe (ePub)“
Line ist eine Münsterländer-Mischlingsdame: klein, drahtig, schwarz und immer gut für einen Spaß. Doch eines Tages kommt ein zweiter Hund auf den alten Bauernhof in Westfalen: der Golden Retriever Anton. Anton ist jung und dumm und viel langsamer als die kleine Line - aber sie verliebt sich trotzdem auf den ersten Blick in ihren tapsigen Gefährten. Und ein Jahr später tummeln sich schon neun Hunde auf dem Hof ... Hinreißend und mit viel Herz erzählt Caroline Lühring von einem Liebespaar auf acht Pfoten.
Lese-Probe zu „Hundeliebe (ePub)“
Hundeliebe von Caroline Lühring Ein paar Worte, bevor es richtig losgeht
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Was habe ich eigentlich früher gemacht?«, frage ich mich, während ich auf dem Boden Knie und sechzehn verschlammte Pfoten säubere. »Warum habe ich mir das angetan?«, überlege ich, denn an diesem Tag ist wieder mal passiert, was so oft geschieht. Ausgerechnet dann, wenn man es eilig hat!
Ich wollte in die Stadt und vorher noch unsere lieben Kleinen in den Garten lassen, damit sie ihr Geschäft erledigten. Doch ausgerechnet in diesem Augenblick ging ein Spaziergänger mit seinem Hund an unserem Garten vorbei.
O nein, das hat mir gerade noch gefehlt. Nichts gegen die Leute, die hier ihre Spazierrunde drehen, doch aus Hundesicht muss unser Grundstück natürlich vor dem Eindringling beschützt werden: Also erstmal ordentlich Alarm schlagen und am Zaun rauf und runter laufen!
Im Prinzip kein Problem, eigentlich haben sie es ja brav gemacht. Allerdings ist der Zeitpunkt für die Revierverteidigung sehr ungünstig. Ich will doch in die Stadt!
Um dem Übel noch eins draufzusetzen, ist der Matsch der letzten verregneten Tage nun auch noch überall auf den lieben Kleinen verteilt. Nein, nicht nur an den Pfoten, am ganzen Fell sind dicke Dreckklumpen! Aus einem goldenen Fell ist ein dunkles Braun geworden. Bei den schwarzen Vierbeinern fällt es wenigstens nicht sofort auf. Unsere Hunde hatten jedenfalls ihren Spaß, und den Spaziergänger haben sie offensichtlich vertrieben. Zumindest glauben das die vier.
Für mich heißt es nun, ruhig bleiben. Die guten Sachen ausziehen und alte Klamotten an. Denn so können die verschlammten Vierbeiner auf keinen Fall ins Haus!
Nachdem ich etliche Handtücher im Hausflur ausgebreitet und mich mit einem Eimer und einem Waschlappen ausgerüstet habe, beginnt die große Säuberungsaktion.
Anton geht dann oft bereits im Flur seiner allergrößten Leidenschaft nach : schlafen ! Und wenn Anton erstmal schläft, rührt er sich kein Stück mehr. Das hat zur Folge, dass man zum Trockenrubbeln gut 30 Kilogramm herumwuchten muss.
Wenn dann alle einigermaßen sauber sind, kann ich mich selbst wieder umziehen. Eigentlich könnte auch ich nach dieser Anstrengung und Aufregung noch einmal duschen gehen.
Aber nachdem nun alle brav und sauber im Haus sind, kann ich mich endlich auf den Weg machen.
Komisch, die meisten unserer Freunde bemitleiden mich immer, doch ich glaube, ich habe mit meinen Tieren das große Los gezogen. Ich bin sehr, sehr glücklich mit ihnen, und nicht einen unserer Vierbeiner möchte ich missen. Wie viel Arbeit sie auch machen, sie geben ein Zigfaches zurück. Ob man eine Stunde weg ist oder nur fünf Minuten, niemand kann sich so herrlich freuen!
Und mal ganz ehrlich, was gibt es denn Schöneres, als an einem kalten Winterabend auf dem Teppich vorm Kamin zu liegen und vier Fellbüschel um sich herum zu haben?
Zumindest dann, wenn Anton nicht gerade pupsen muss. Denn das ist, neben vielen anderen Dingen, seine große Leidenschaft. Leider!
Aber sonst: Wir haben das große Glück, dass jeder einzelne unserer vierbeinigen Lieblinge außerordentlich lieb und verschmust ist.
Ja, sie haben es schon verstanden, uns zu erziehen ...
Und es gibt eine Geschichte dazu, die ich Ihnen gern erzählen will ...
Wie alles anfing
Früher, das ist noch gar nicht so lange her. Um genau zu sein, sind es dreizehn Jahre. Es war Ostern, als wir im Jahr 2000 in ein wunderschönes altes Haus umgezogen sind. Fast mitten in der Stadt und trotzdem im Grünen.
Wir, das sind mein Mann Jan und ich. Zu dem Haus gehörte ein herrliches Grundstück, sehr zu unserer Freude, denn in den nächsten Jahren verwandelten wir es mit Hingabe in einen wunderschönen Garten. Jede freie Minute verbrachten wir dort, denn es gab wirklich viel zu tun. Ich glaube, wir haben erst mal drei Monate gebraucht, um das Laub der letzten dreißig Jahre zu entfernen. Wir haben wirklich geschuftet und geackert, aber die Mühe hatte sich gelohnt.
Über uns wohnten unsere Freunde Georg und Eva, die fast zeitgleich mit uns eingezogen waren.
Wir lebten mittlerweile seit einem dreiviertel Jahr dort, und alles war ziemlich perfekt. Wir waren sehr glücklich und hatten eine wunderschöne Zeit. Im Sommer verbrachten wir die meiste Zeit im Garten und genossen es, denn jede Jahreszeit erschien uns dort wunderschön.
In der unteren Etage, in der wir zur Miete wohnten, gab es zu allen Seiten Fenster, und überall schauten wir ins Grüne. Das Grundstück grenzte an ein Wäldchen, durch das ein kleiner Spazierweg führte.
Selbst den Herbst und den Winter konnten wir dort richtig genießen und waren überglücklich, nicht mehr mitten in der Stadt zu wohnen.
Mittlerweile war es Dezember geworden. Weihnachten stand vor der Tür, und wir waren auf ein Gläschen Wein bei Georg und Eva eingeladen. Sie lockten uns nach oben, indem sie sagten, dass es eine Überraschung gäbe. Und so war es dann auch wirklich. Die Überraschung war ihnen voll und ganz gelungen.
In ihrem Wohnzimmer lief ein kleines, braunes, vierbeiniges Knäuel herum. Es war eine drei Monate alte Hündin, und ihr Name war Wilma. Jan und ich waren hin und weg, denn wir beide sind mit Hunden aufgewachsen und eben sehr »verhundet «.
Jans Eltern hatten zwei Münsterländer. Es waren beides Hündinnen, Trixi und Tina, und sie waren ausgesprochen lieb.
Meine Hundefamilie
Meine Eltern hatten zwei Dackel. Den ersten, sein Name war Flory, bekam meine Schwester zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt. Wir waren alle überglücklich. Na ja, wenn ich ehrlich bin, nicht alle. Unsere Oma streikte, denn sie war überhaupt nicht begeistert von dieser Idee. Um uns den Hund auszureden, sagte sie : »Wenn der Hund bleibt, ziehe ich aus !« Ihre Warnung nahm natürlich niemand so richtig ernst, und selbstverständlich blieb sie. Schließlich liebte sie ihren Flory so heiß und innig, dass sein Lieblingsplatz all die Jahre ihr Schoß war.
Unser zweiter Hund hieß Fridolin. Diesmal war mein Vater nicht besonders begeistert von der Idee, wieder einen Hund aufzunehmen. Eines Tages aber brachte meine Mutter diesen süßen, schwarzen Dackelwelpen mit nach Hause. Am ersten Abend lag ich mit Fridolin auf unserem Sofa, als mein Vater von der Arbeit nach Hause kam. Er kam ins Wohnzimmer hinein, und noch bevor er Fridolin überhaupt entdeckt hatte, vernahm er schon ein leises Brummeln.
Dieser kleine Kerl knurrte doch tatsächlich meinen Vater an! Das fing ja gut an - und so ging es eigentlich auch weiter.
Fridolin hatte auch gute Tage, doch leider entwickelte er sich im Laufe der Zeit zu einem wahren Kampfdackel. Wenn er bei irgendeinem Familienmitglied auf dem Schoß saß, war dringend davon abzuraten, sich dieser Person samt Hund zu nähern. Fridolin übernahm konsequent den Personenschutz und ließ niemanden mehr an »seinen Menschen« heran.
Wenn man mit ihm wegfahren wollte, war es überaus wichtig, vor ihm im Auto zu sitzen. Schaffte man es nicht, hatte man schlechte Karten. Er hielt das Auto für seinen liebsten Besitz und bewachte es mit Hingabe. Man hatte kaum noch eine Chance, einzusteigen. Meine Eltern waren ratlos. Was hatten sie bloß bei seiner Erziehung falsch gemacht?
Doch ansonsten war Fridolin ein wunderbarer Hund, und wir liebten ihn alle sehr. Alle - auch mein Vater. Nur leider wurde Fridolin nicht alt ; im Alter von acht Jahren musste er eingeschläfert werden, weil er einen schlimmen Tumor hatte.
Das war für unsere Familie ein sehr trauriges Erlebnis. Mein Vater litt furchtbar unter Fridolins Verlust und weigerte sich, noch mal einen Hund bei sich aufzunehmen. Und diesmal kam meine Mutter seinem Wunsch nach.
Nun aber noch mal zu meiner Schwiegermutter. Sie sagt immer, sie sei »verhundet und verkindet«: Jedes Mal wenn sie einen Hund oder ein Kind entdeckt, ist sie völlig aus dem Häuschen. Sie hat da auch überhaupt keine Hemmungen und spricht wildfremde Leute in der Stadt an, nur um einen Hund streicheln zu können.
Sie ist halt ein absoluter Hundemensch. Ich behaupte ja, es gibt Hundemenschen und dann all die anderen. Meine Meinung darüber habe ich schon sehr oft gesagt: Wer keine Hunde oder generell keine Tiere mag, liebt nur sich selbst. Und bislang hat sich das meistens als vollkommen richtig herausgestellt.
Wilma und Line
Nun aber zurück zu jenem Abend, als wir bei Georg und Eva eingeladen waren und diesen süßen Hund sahen. Wir konnten kaum die Finger von der kleinen Wilma lassen. Georg und Eva erzählten uns, dass sie Wilma von Evas Eltern hatten. Die betrieben zu dieser Zeit nämlich noch eine Hundepension. Die kleine Wilma und ihre beiden Geschwister seien von einem Bauern abgegeben worden, der nicht wusste, was er mit den Welpen anfangen sollte. Wären sie nicht bei Evas Eltern aufgenommen worden, hätte er sie vermutlich ertränkt. Es ist sehr traurig, dass es noch Menschen gibt, die dazu wirklich fähig sind.
Georg erzählte uns, dass bei seinen Schwiegereltern noch zwei von Wilmas Geschwistern seien. Sie würden nur darauf warten, ein gutes Zuhause zu finden.
Natürlich konnten wir den ganzen Abend an nichts anderes mehr denken.
Gleich am nächsten Morgen, wir hatten Gott sei Dank Urlaub, sind wir zur Tierpension gefahren.
Nur mal gucken!
Das haben wir uns jedenfalls auf der ganzen Autofahrt eingeredet. Und dann waren wir da, natürlich nur zum Gucken!
Wir gingen hinein, und dann war es sehr schnell um uns geschehen. Wir waren »auf den Hund gekommen«.
Mitnehmen konnten wir »den Hund« allerdings noch nicht, denn ausgerechnet an diesem Abend, dem 20. Dezember, hatten wir unsere Weihnachtsfeier. Einen Augenblick haben wir tatsächlich überlegt, diese ausfallen zu lassen, aber das wäre wohl ein wenig unverschämt gewesen. Na ja, so hatten wir wenigstens noch einen ganzen Tag lang Zeit, uns mit diversen »Hundesachen« auszustatten.
Unsere nächste Station war also ein Tierfachhandel.
Kurz vor Weihnachten wittert doch jeder Verkäufer noch das große Geschäft, und bei uns hatte er damit tatsächlich ins Schwarze getroffen. Der Mann im Laden erblickte uns sofort, eilte auf uns zu und sagte : »Kann ich Ihnen behilflich sein ?«
Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen : »Wir brauchen eine Komplettaustattung für einen Hund. Bitte mit allem, was dazugehört.«
Das Leuchten in seinen Augen war nicht zu übersehen. Sein Grinsen erst recht nicht. Er hat uns aber hervorragend bedient, und am Ende war unser Auto voll bis unters Dach und unser Portemonnaie leer.
Nachdem endlich alles verstaut war, fuhren wir nach Hause und packten die vielen Tüten aus. Es wäre vielleicht nicht alles unbedingt sofort notwendig gewesen, aber wir wollten schließlich gewappnet sein für die Dinge, die auf uns zukommen sollten ...
Die Weihnachtsfeier am Abend wurde lang und länger. Ich fand das herrlich, denn je weniger Schlaf ich bekam, umso schneller konnte ich wieder aufstehen. Ich konnte es wirklich gar nicht mehr abwarten.
So schliefen wir nur kurz und standen nach zwei Stunden äußerst zerknittert auf. Als wir bei der ersten Tasse Kaffee saßen, stellten wir fest, dass noch viele Tassen folgen würden, bis wir losfahren konnten. Es war erst sieben Uhr, und es wäre wohl ein wenig frech gewesen, um viertel nach sieben bei Evas Eltern vorzufahren. Also mussten wir die Zeit totschlagen, Kaffee trinken und warten.
Bis halb neun haben wir durchgehalten, dann konnte uns nichts mehr aufhalten. Wie heißt es schließlich : »Der frühe Vogel fängt den Wurm !«
Ja, und dann ? Dann ging es los, unser »Hundeleben«. Und weil niemand davon besser erzählen kann als der Hund selbst, kommt jetzt erst mal Line zu Wort. Sie erzählt eine Geschichte für alle, die Hunde lieben ...
Lines Geschichte 1
Der Frühling ist fast vorbei, und der Sommer steht vor der Tür. Oh, was freue ich mich auf die langen, warmen Tage, die nun wieder vor uns liegen. Den ganzen Vormittag waren wir draußen, und von der vielen Lauferei im Garten sind wir ganz erschossen. Ich liege im Wohnzimmer auf einem unserer Kissen und genieße das Faulenzen. Wir alle waren heute also schon lange auf den Pfoten, und Ausschlafen ist nicht mehr so leicht möglich wie früher. Meine Kleinen sind leider immer ziemlich früh wach.
Wer meine Kleinen sind? Das ist eine lange Geschichte. Die träume ich gerade. Ich träume die Geschichte meines bisherigen Lebens.
Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Line. Außerdem besitze ich noch etliche Spitznamen. Meistens nennen sie mich Linchen. Das Problem ist, dass wir uns diese ganzen Namen erst mal merken müssen. Mann, oh Mann, es wäre für uns viel einfacher, wenn die Menschen uns immer auf die gleiche Weise ansprechen würden. Man müsste sich dann nicht so viel merken. Ein kleiner Tipp von mir: Sprecht eure Hunde möglichst immer gleich an. Macht sie aufmerksam, indem ihr den Namen grundsätzlich als Erstes sagt.
Hier ein Beispiel: Ich soll kommen. Wenn es heißt: »Komm hierher!«, woher soll ich dann wissen, dass gerade ich gemeint bin ? Besser wäre es doch: »Line, komm hierher!« Meist weiß ich natürlich, wenn ich gemeint bin. Schließlich bin ich ein schlauer Hund! Und manchmal will ich es natürlich auch gar nicht so genau wissen.
Viele Menschen meinen, der Hund muss lernen. Richtig. Doch oft müssen zuerst die Menschen lernen! Bei meinen habe ich das übrigens ziemlich gut hinbekommen.
Das Durcheinander von Kommandos, und davon gibt es sehr, sehr viele, ist nicht für jeden Hund schnell zu verstehen. Ich möchte es aber noch einmal erwähnen, ich bin selbstverständlich intelligent. Vielleicht, weil ich ein Mischling bin. In den Generationen meiner Vorfahren ist viel vertreten: Schäferhund, Labrador, Münsterländer ...
Auf jeden Fall lerne ich fix und das bestätigte sogar vor einigen Jahren eine Hundetrainerin, auch wenn sie es vorher anders vermutet hatte. Ihr Favorit war eindeutig Anton.
Ausgerechnet Anton! Mir war schon viel früher klar, dass dieser faule Kerl gar keine Lust hat, freiwillig auch nur irgendetwas zu lernen. Oft nutzten selbst die heiß geliebten Leckerlis nichts, um ihn zu motivieren. Ja, ja, mit Anton, das ist so eine Geschichte. Aber wenn ich ehrlich bin, ohne ihn wäre sie hier rasch zu Ende. Und ich will ja auch noch nicht zu viel verraten.
Nun, wenn ich mich beschreiben soll, würde ich sagen, ich bin mittelgroß. Im Vergleich zu meinen Kleinen allerdings »eine halbe Portion«. Gegenüber dem Rest meines Rudels habe ich jedoch einen großen Vorteil, denn ich passe noch auf Frauchens oder Herrchens Schoß. Außerdem bin ich ein ziemliches Fliegengewicht. Aber so muss ich wenigstens nicht darauf achten, was ich tagsüber alles in mich hineinfuttere. Ich werd und werd einfach nicht dicker. Anton hingegen muss ein Leckerli nur angucken und schon hat man das Gefühl, dass ein Speckröllchen an seinem Bauch heranwächst.
Mein Fell ist, bis auf einen weißen Fleck am Hals, pechschwarz. Ein winziges, graues Ziegenbärtchen ziert meine Schnauze, und Schlappohren gehören auch zu meinem Outfit.
Auch wenn man eine Dame nicht nach dem Alter fragt, kann ich es ja sagen: Im September werde ich schon dreizehn Jahre alt. Und ich habe auch wirklich schon eine ganze Menge erlebt.
Da bin ich
Ich kann mich noch vage an den Tag erinnern, als ich auf die Welt kam. Irgendetwas war auf einmal anders, ich kann es kaum beschreiben. Meine Augen waren noch zu, aber plötzlich konnte ich mich lang ausstrecken, was vorher nicht möglich war. Irgendetwas knabberte an mir herum. Das tat nicht weh, ich wusste nur nicht, was in diesem Moment passierte. Natürlich weiß ich es heute : Das war meine Mama, die meine Nabelschnur durchgeknabbert hat.
Ich hatte riesigen Appetit. Auf dem Boden robbend, machte ich mich auf die Suche. Bald hatte ich die Zitzen gefunden. Milch, so viel ich nur trinken konnte.
Bis ich pappsatt war, konnte ich mich bedienen. Nanu, was war denn das? Besser gesagt, wer war das? Ich war ganz offensichtlich nicht allein. Sehr bald lernte ich meine Geschwister kennen. Ich habe einen Bruder und eine Schwester. Wie mein Bruder heißt, weiß ich nicht, aber er war genauso schwarz wie ich. Meine Schwester heißt Wilma und sieht völlig anders aus. Sie ist kleiner, braun und hat Stehohren. Wilma verhält sich auch ganz anders. Sie ist schüchtern und ängstlich. Ich dagegen, ich möchte am liebsten immer nur toben.
Wir wurden immer größer, und bald konnten wir irgendwann sehen und laufen.
Eines Tages kam ein Mann und nahm uns mit. Wahrscheinlich hat er uns das Leben gerettet. Aber das war auch der Moment, an dem ich meine Mama das letzte Mal gesehen habe.
Ich war sehr traurig, weil ich sie so schrecklich vermisste. Sie war warm und weich gewesen, und ihre Milch schmeckte so gut! Nein, ohne sie war das Leben erst mal ganz schön schwierig.
Unser neues Zuhause war fortan ein großer Zwinger. Wir konnten sogar nach draußen gehen, das war ganz schön und tröstete uns über die Einsamkeit hinweg.
Es dauerte auch nicht sehr lange, bis wir eines Tages Besuch bekamen. Erst mal freuten wir uns riesig darüber, doch so schön war das eigentlich nicht, wie sich recht schnell herausstellte. Denn meine Schwester wurde einfach mitgenommen, und sie kam an diesem Tag auch nicht mehr zu uns zurück. Ich befürchtete, dass ich sie, wie meine Mama, nicht mehr wiedersehen würde. Ich war unendlich traurig.
Jetzt waren wir nur noch zu zweit, und in dieser Nacht kuschelte ich mich eng an meinen Bruder. Am nächsten Morgen kamen schon wieder Menschen, und ich hatte schreckliche Angst, dass ich diese Nacht eventuell alleine in diesem großen Zwinger liegen müsste.
Aber was, wenn sie mich mitnehmen würden? Wäre das gut oder schlecht?
Es waren ein Mann und eine Frau, die sich unserem Zwinger näherten. Sie sahen freundlich aus und lächelten meinen Bruder und mich fröhlich an.
Ich dachte mir folgenden Plan aus. Irgendwie musste ich schnell auffallen, positiv natürlich. Meine erste Maßnahme war, kräftig mit dem Schwanz zu wackeln, dann auf die beiden zuzulaufen und ganz lieb zu gucken.
Das Letztere ist nämlich eine besondere Fähigkeit von mir, damit kriege ich fast jeden rum, habe ich inzwischen festgestellt.
Die beiden freuten sich sehr, lachten mich an und bückten sich zu mir herunter. Sie streichelten mich überschwänglich. »Oh, ist die süß!«, sagten sie und nahmen mich liebevoll auf den Arm.
Was jetzt geschah, hatte nichts mehr mit meinem Plan zu tun: Es war einfach Liebe auf den ersten Blick!
Umso entsetzter war ich, als sie den Zwinger wieder verließen. Ohne mich!
Ich war traurig. Hatte ich mir nur eingebildet, dass sie mich toll finden würden? Wahrscheinlich. Meinen Bruder hatten sie auch nicht mitgenommen. Na gut, so war ich wenigstens nicht allein. Komisch war das Ganze trotzdem, denn als sie weggingen, haben sie sich noch ein paar Mal nach mir umgedreht und miteinander getuschelt.
Meine Menschen
Ziemlich früh am nächsten Morgen, während ich noch so vor mich hinträumte, ging plötzlich die Tür auf, und wir hörten Stimmen. Moment mal, dachte ich, die Stimmen kenne ich doch. Das kann doch nicht sein ...
Da standen sie und lächelten mich strahlend an. Sie waren wiedergekommen! YIPPIE und JUCHUUU! Ruckzuck war ich auf dem Arm der Frau und wurde erstmal ordentlich durchgeknuddelt. Und das, obwohl ich bestimmt nicht sehr gut gerochen habe.
Das war jedoch Nebensache. Sie nahmen mich trotzdem mit, und im Nu saß ich im Auto.
Das Autofahren wurde übrigens noch zu meiner großen Leidenschaft. Ich liebe es, und bei jeder Gelegenheit versuche ich, mich mit ins Auto zu schmuggeln.
Ich saß also auf dem Schoß der Frau und konnte herrlich beobachten, wie der Rest der Welt aussah.
Irgendwann hielten wir an und stiegen aus. Wow ! Das war ja große Klasse! Wir standen in einem riesigen Garten mit ganz vielen Bäumen, und eine Wiese zum Toben gab es auch.
Das erste Hindernis sah ich jedoch auch sofort, denn eine sehr hohe Treppe machte meine weitere Entdeckungsreise unmöglich.
Meine Neugier war allerdings so groß, dass ich nicht auf Hilfe warten wollte. Ich musste unbedingt jetzt da hoch, um zu sehen, was mich alles erwarten würde. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und erklomm die erste Stufe. Puh, geschafft! Aber die nächsten zehn lagen noch vor mir.
Während ich mich hochquälte, hörte ich ein: »Nein, Nein !«
Dass man mich meinte, konnte ich nicht mehr wahrnehmen, denn genau in diesem Augenblick dachte ich, ich würde träumen! Vor der Tür stand sie! Meine Schwester Wilma!
Meine Freude war riesengroß, und ich lief auf sie zu, um es ihr zu zeigen. Bei Wilma allerdings schlug die anfängliche Freude schnell in Angst um. Das war typisch Wilma! Zwei Tage nicht gesehen, und schon hatte sie Schiss!
Es war vergebene Liebesmühe, sie zum Spiel zu animieren. Sie hielt es für viel spannender, sich vor mir auf den Boden zu legen und abzuwarten. Ein bisschen hatte sie sich bestimmt gefreut, mich zu sehen. Mit mir zu spielen, das ging ihr jedoch zu weit.
Das wird schon, dachte ich, aber es war zu viel gehofft.
Ja, ich gebe es ja zu, ich bin immer schon sehr wild gewesen, doch deswegen brauchte sie doch keine Angst vor mir zu haben!
Da ich sehr neugierig war, wollte ich sehen, wo ich leben würde. Vor mir stand eine große Tür offen. Da ich für den Garten sowieso länger brauchen würde, um ihn durchzuschnuppern, entschied ich mich zunächst für das Haus. Also nichts wie los und an Wilma vorbei!
Mein ausgeprägter Geruchssinn sagte mir, dass ich geradeaus laufen musste. Oben wohnte Wilma, so viel war mir klar.
Mit fliegenden Pfoten raste ich vor Freude einfach los. Schnell wurde mir jedoch bewusst, dass ich zu viel Tempo hatte. Der Boden glich einer Eisbahn, und ich hatte vorher nicht überlegt, dass ich nicht immer nur geradeaus laufen konnte. In dem Moment musste ich eine scharfe Rechtskurve einleiten.
Klatsch! Da war es passiert! Meine Beine rutschten unter mir weg, und ich machte eine saubere Bauchlandung. Die weitere Erkundungsreise würde ich erheblich langsamer angehen müssen. Als ich endlich wieder sicher auf meinen Pfoten stand, setzte ich meine Tour fort und gelangte in die Küche. Na ja, zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, welches Zimmer welche Bedeutung hatte.
Eines aber bemerkte ich sofort: Dieses riesige, wunderschöne Körbchen konnte nur für mich sein!
Ich pirschte mich an und hätte vor Freude Haken schlagen können. Spielzeug, nur für mich! Am meisten hatte es mir ein kleiner Hund angetan, der mir damals recht groß vorkam. Jetzt muss ich darüber schmunzeln, denn mittlerweile würde er komplett in mein Maul passen. Heute allerdings wird das gesamte Spielzeug von zwei anderen in Beschlag genommen. Anton und Mariechen haben die Angewohnheit, alles Erdenkliche durch die Gegend zu schleppen. Es kommt sogar vor, dass Anton mehrere Sachen gleichzeitig im Maul mit sich herumträgt. Und die Freude ist dann auf allen Seiten riesengroß. Anton freut sich allerdings selbst am meisten und ist dann stolz wie Oskar!
Ich für meinen Teil habe im Laufe der Jahre eine Vorliebe für Bälle entwickelt, und kein Ball ist vor mir sicher. Ich liebe es, sie zu apportieren, und da kann mir auch niemand von den anderen das Wasser reichen! Anton kann zwar auch hervorragend apportieren, doch er ist einfach zu langsam. Ist ja auch kein Wunder, bei dem, was er an Körpermasse mit sich herumschleppen muss. Außerdem ist er einfach zu faul, um sich freiwillig zu bewegen.
Nur abends kommt es oft vor, dass er seine Trägheit vergisst. Dann, urplötzlich, bekommt Anton im wahrsten Sinne des Wortes, seine wilden fünf Minuten. Wie ein aufgescheuchtes Huhn fängt er an, im Garten seine Runden zu drehen, und er schafft es dabei tatsächlich, auf ein ordentliches Tempo zu kommen.
Man kann sich nur wundern, wie schnell er dann unterwegs sein kann, und das trotz seiner »Speckröllchen«.
Den Grund für seine abendliche, sportliche Betätigung verstehe ich allerdings bis heute nicht, denn es hat weder Sinn noch Verstand, grundlos den Rasen fast platt zu walzen. Besonders dann, wenn es vorher geregnet hat und der Rasen durchgeweicht ist, schafft er es aufgrund seiner Körpermasse, ordentliche Schlaglöcher in den Boden zu rammen.
Wie gut, dass Jan säckeweise Rasensamen im Keller auf Vorrat verstaut hat.
Doch zurück zu diesem süßen Spielzeughund, der dort in meinem Körbchen lag. Er war schwarzweiß gefleckt, und wenn man mit ihm spielte, quietschte er vor Vergnügen, so dachte ich. Beim ersten Quietschen habe ich mich ein wenig erschrocken, so laut waren die Geräusche, die er machte. Aber es war herrlich!
Stundenlang hätte ich rumquietschen können, doch nach einer Weile fand das außer mir niemand mehr so lustig.
Der Name meines quietschenden Spielgefährten war Snoopie, und jetzt fragt ihr euch bestimmt, warum ich »war« gesagt habe. Nun, ehrlich gesagt, irgendwann habe ich es wohl etwas übertrieben. Ich bekam Zähne, und es tat äußerst gut, auf irgendetwas rumzukauen. Und plötzlich hatte Snoopie ein Loch im Ohr. O nein!
Wie durch Zauberei kam kein Laut mehr aus ihm heraus, egal was ich auch anstellte. Stille!
Jan und Caroline waren nicht sehr traurig darüber, denn endlich herrschte Ruhe.
Ich gab die Hoffnung jedoch nicht auf. Er wird schon wieder anfangen, dachte ich und kaute so lange auf ihm herum, bis sämtliche Teile seines kleinen Körpers in winzigen Stückchen vor mir auf dem Boden lagen.
Das war die Geschichte von Snoopie. Die Überreste wurden eingesammelt und landeten im Müll, denn Jan und Caroline hatten Sorge, dass ich sie aufessen würde.
Apropos Jan und Caroline, die beiden habe ich überhaupt noch nicht weiter erwähnt. Sie zu beschreiben geht aber recht schnell.
Jan ist groß und hat helles Fell auf dem Kopf, Caroline ist klein und hat dunkles Fell. Mehr brauche ich nicht zu sagen. Wichtig ist nur, dass wir uns alle sehr lieb haben!
O Mann, was haben die beiden sich gefreut, als ich das erste Mal in der Küche aus meinem eigenen Napf getrunken habe. Lustig!
Bei meiner ersten Rutschpartie durchs Haus hatte ich noch eine weitere Treppe entdeckt. Sie war sehr steil und verlief rund bis ins untere Geschoss hinab. Eine Wendeltreppe ! Diese Treppe habe ich ein paar Tage später auch mal ausprobiert, doch das ging gewaltig schief. Bereits nach der ersten Stufe rutschte ich aus und konnte mich gerade noch so festhalten. Meine Vorderbeine umschlangen die erste Stufe, und Gott sei Dank wurde ich sofort gerettet. Ein saftiger Sturz wäre sonst die Folge gewesen. Diese Art von Treppe ist für uns sehr gefährlich, denn meistens sind sie offen und schmal. Passt gut auf, wenn ihr so etwas zu Hause habt ! Das war das erste und letzte Mal, dass ich so eine Wendeltreppe ausprobieren würde. Davon war ich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls überzeugt.
Mein neues Zuhause
Nun aber zurück zu meinem besonderen ersten Tag im neuen Zuhause. Zu weiteren Erkundungstouren kam ich nicht, denn ich wurde in den Garten gebracht, wo auch Wilma schon saß und sich vor Angst gleich zwischen die Beine ihres Herrchens quetschte.
Nicht, dass ihr mich falsch versteht, Wilma ist eine ganz Liebe! Sie kneift eben nur bei jeder Gelegenheit sofort den Schwanz ein, im wahrsten Sinne des Wortes.
Allerdings, wenn ich es mir so recht überlege, muss ich sagen, dass wir auch so ein Exemplar zu Hause haben. Vielleicht hat Fritzi das ja von seiner Tante Wilma geerbt. Von mir hat er es bestimmt nicht! Ja, das würde Sinn machen, denn Fritzi ist der größte Angsthase unter uns.
Aber der Junge hat es auch nicht einfach. Jeder hackt auf ihm herum und ärgert ihn. Wir haben das aber ehrlich gesagt schon oft ausgenutzt.
Letzten Sommer zum Beispiel, da vergaß Anton mal für einen Augenblick seine Faulheit und heckte mit Mariechen einen Streich aus. Diese wunderschöne, weiß blühende Hochstammrose in dem frisch angelegten Blumengarten war eindeutig im Weg.
Genau an dieser Stelle könnte man doch herrlich ein Loch buddeln. Also machten sich die beiden hemmungslos an die Arbeit. Für Anton war es natürlich überhaupt kein Problem, das dünne Stämmchen mal eben zu halbieren.
Mit der Blütenpracht im Schlepptau marschierten die beiden auf den Rasen, um auch den letzten Rest der Rose unkenntlich zu machen. Wie dumm von Fritzi, gerade in diesem Moment mitspielen zu wollen! Denn kaum war er an diesem zerfledderten Rest der Pflanze angekommen, als auch Jan um die Ecke kam.
Anton und Mariechen machten auf Unschuldslämmer und verkrümelten sich.
Da lag Fritzi nun vor dem Rest der wunderschönen Rose und kaute fröhlich auf einem Stückchen davon herum. Anton und Mariechen haben sich garantiert angegrinst! Das ist typisch für die beiden. Darum nennen wir sie auch oft »das doppelte Lottchen«.
Fritzi war unschuldig, das war uns ziemlich schnell klar.
Jan hatte das Drama zwar etwas spät, aber trotzdem richtig erkannt. Die Rose war hin, doch Fritzi war nicht der eigentliche Übeltäter.
Ja, das ist ein Teil seiner Geschichte. Doch dazu später mehr.
Zurück zu meinem ersten Tag im neuen Zuhause. Wir waren nun alle draußen. Es war sehr kalt, wir hatten ja Winter! Alle zitterten, aber statt einfach ins Haus zu gehen, wo es schön warm war, sagten sie immer wieder: »Mach du fein Pipi!«
Was sollte ich denn damit anfangen? Sie wiederholten es immer und immer wieder. Ich verstand kein Wort. Aber irgendwann musste ich ganz dringend mein kleines Geschäft erledigen, setzte mich auf den kalten Rasen und strullerte los.
Ein Aufschrei ! Die ganze anwesende Kompanie rief überglücklich: »Fein, fein hast du Pipi gemacht!«
Noch während ich überlegte, was hier überhaupt vorgefallen war, schob man mir gleich etwas Leckeres ins Maul, und ich wurde von allen Seiten überschwänglich gestreichelt.
Na, die freuen sich ja, dachte ich, und so freute ich mich einfach mit. Wir gingen ins Haus, und man trug mich hinab ins untere Geschoss.
Meine Güte, wie viele Treppen doch in einer Wohnung sein konnten. Diese war jedenfalls nicht so steil wie die Wendeltreppe und auch für mich begehbar.
Die beiden brachten mich nun ins Badezimmer, wo es herrlich warm war. Caroline drehte an einem Hebel, und wie von Zauberhand schoss Wasser aus einem Rohr in ein großes Becken.
Ehe ich mich's versah, setzte mich Caroline in die Badewanne. Huch, das Wasser ist ja warm, dachte ich noch, und da war ich auch schon patschnass. Ich wurde mit einem seltsam riechenden Zeug eingeschäumt, und als die ganze Tortur beendet war, roch ich vollkommen anders. Nicht besonders gut, aber auch nicht besonders schlecht. Anders eben. Als sie mich dann endlich fröhlich aus der Badewanne herausgehoben hatten, stellte ich mich ebenso fröhlich (weil ich diese Aktion erfolgreich hinter mich gebracht hatte) auf alle viere und schüttelte mich hemmungslos durch. Die Begeisterung von Jan und Caroline hielt sich entsprechend in Grenzen.
Ermattet, wie ich nun von all den Aufregungen war, wollte ich nur noch eines: schlafen! Welch ein Segen, sie legten mich zu Snoopie ins Körbchen, der zu dem Zeitpunkt ja noch heil und ganz war. Eine kleine Weile spielte ich noch mit ihm, bis mir irgendwann die Augen zufielen. Ich schlummerte und träumte.
Als ich erwachte und mit einem Auge blinzelte, sah ich die beiden vor mir stehen. Sie sind noch da, es war also kein Traum, dachte ich. Dann kann ich ja noch ein bisschen weiternickern.
Doch Caroline und Jan sprangen sofort auf, denn sie hatten nicht übersehen, dass ich langsam wach wurde. Sie nahmen mich auf den Arm, und wir marschierten umgehend in den Garten. Och Mann, dachte ich, lasst mich doch einfach weiternickern. Doch sie kannten kein Pardon!
Caroline sagte: »Wir gehen raus, Pipi machen.« Wie bitte? Ich hatte keine Ahnung, was sie meinten. Egal, Garten war immer gut.
Draußen tobte ich erst ein wenig herum, und dann musste ich strullern. Der gleiche Aufschrei wie zuvor : »Fein, fein hast du Pipi gemacht.« Ich bekam ein Leckerli ins Maul und wurde mit Streicheleinheiten belohnt.
Ich durchstöberte weiter den Garten und merkte dann, da kommt noch mehr. Ich schaute mich um. Der Busch da ist genau richtig. Prima, dort kann ich hervorragend mein großes Geschäft machen.
Kurz darauf folgte wieder das gleiche Theater, nur ein paar Worte waren anders. »Fein, fein hast du einen Haufen gemacht «.
Ich wusste nicht, was los war, aber die Freude war auf beiden Seiten riesengroß, und wir gingen zurück ins Haus.
In den folgenden Stunden kam ich nicht dazu, ausgiebig an etwas zu schnuppern. Ständig wurde ich verfolgt, und kaum roch ich etwas länger an irgendeinem Gegenstand, wurde ich unterbrochen und musste in den Garten. Das war ganz schön nervig. Aber das Ritual war jedes Mal das gleiche, und ich bekam draußen immer leckere Sachen. Der Garten hatte also wirklich viele Vorteile.
Langsam wurde es dunkel, und mein Körbchen wurde ins Wohnzimmer getragen. Jetzt kam wohl die gemütliche Zeit.
Die zwei legten sich aufs Sofa, und von der vielen Lauferei waren wir alle so müde, dass wir irgendwann einschliefen.
Als ich erwachte, schlummerten die beiden noch friedlich. Aber mir war furchtbar langweilig, und so stieg ich aus meinem Körbchen heraus, um etwas zu erleben.
Während ich gemütlich durch das Wohnzimmer stöberte, musste ich plötzlich ganz dringend strullern. Sorglos setzte ich mich hin und pillerte los.
»NEIN! PFUI! AUS!«
Das waren die Worte, die ich noch vernahm, ehe man mich recht unsanft vor die Tür setzte. Meine Güte, was war denn nun schon wieder?
Im Garten angekommen, hatte ich unendlich viel Lust zu laufen. Ich lief und lief, und die zwei immer brav hinter mir her. Sie riefen immer : »Komm hierher, komm hierher«.
Super, sie wollen Packen spielen, dachte ich. Und nachdem sie mich endlich gefangen hatten, gingen wir wieder zurück ins Haus.
Das war toll. Fangen spielen macht Spaß! Ich werde es öfter spielen, dachte ich. Aber warum habe ich diesmal nichts Schönes bekommen? Schade!
Die folgende Nacht war sehr anstrengend. Kaum habe ich mich bewegt, wurde ich nach draußen gebracht. Jedes Mal war es das gleiche Ritual.
Relativ unausgeschlafen, aber trotzdem einigermaßen munter, stiegen wir am nächsten Morgen ins Auto. Ich hoffte nur, man würde mich nicht wieder wegbringen.
Während der Fahrt fielen immer wieder die Worte: »Jetzt fahren wir zu Oma und Opa.« Ich verstand zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ganz genau, was sie eigentlich damit meinten.
Oma und Opa
Irgendwann hielt der Wagen an. Wir stiegen aus und gingen durch ein kleines Gartentor.
Ich möchte dazu sagen, dass ich hoffe, meine Oma nimmt mir diese Zeilen nicht übel. Ich denke, sie weiß, wie lieb ich sie habe. Das zeige ich ihr heute übrigens jedes Mal, wenn sie uns mit Anna besuchen kommt. Ich weiche ihr dann nämlich nicht mehr von der Pelle. Okay, ich gebe es ja zu, natürlich auch, weil es bei ihr immer etwas Schönes zu essen gibt.
Also, wir gingen durchs Tor. Eine kleine Frau kam auf uns zu, und sie strahlte mich über beide Backen an.
Ich wackelte daraufhin eifrig mit dem Schwanz.
Das Erste, was sie von sich gab war: »Ja, wo isse denn?«
Die Arme, dachte ich, sie kann mich gar nicht sehen!
Diese Worte fielen immer wieder: »Ja, wo isse denn?«
Dafür, dass sie nichts sehen konnte, zielte sie aber ziemlich treffsicher nach mir, um mich zu streicheln.
Jetzt weiß ich es natürlich besser. Sie sagt das einfach nur so, und heute freue ich mich einfach mit ihr.
Caroline amüsiert sich immer noch köstlich über diesen Ausdruck.
Meinen Opa lernte ich natürlich auch an diesem Tag kennen, und er war ein ganz lieber Opa! Ich wurde von beiden immer mit Streicheleinheiten und Leckerlis verwöhnt. Natürlich auch von meinen anderen Großeltern! Ich hab nämlich beziehungsweise hatte zwei Opas und habe heute noch zwei Omas. Und Ich liebe sie beide heiß und innig.
Aber meine Oma »Ingemaus« sehe ich öfter. Sie kommt uns mindestens zweimal in der Woche mit Anna besuchen. Da ist die Aufregung jedes Mal groß, denn wir können es gar nicht abwarten. Ich wegen meiner Oma, die anderen wegen Anna.
Anna ist übrigens auch so ein lustiger Kandidat. Jedesmal hat man das Gefühl, sie wäre am Verdursten, wenn sie ankommt. Umgehend schmeißt sie sich vor den Wassernapf, haut sich auf alle viere und säuft und säuft. Ich glaube, sie ist einfach immer so aufgeregt, ihre Geschwister wiederzusehen, dass sie vor lauter Freude ein bisschen in Hektik verfällt. Aber war ich anders? Nein! Wenn ich überlege, was ich immer für einen Affenzirkus veranstaltet habe, wenn ich Wilma im Garten gesehen habe, muss ich gestehen, dass ich genauso war.
Als der Antrittsbesuch bei meinen Großeltern zu Ende war, fuhren wir wieder nach Hause. Und ich kann euch sagen, die nächsten Tage vergingen wie im Fluge.
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Was habe ich eigentlich früher gemacht?«, frage ich mich, während ich auf dem Boden Knie und sechzehn verschlammte Pfoten säubere. »Warum habe ich mir das angetan?«, überlege ich, denn an diesem Tag ist wieder mal passiert, was so oft geschieht. Ausgerechnet dann, wenn man es eilig hat!
Ich wollte in die Stadt und vorher noch unsere lieben Kleinen in den Garten lassen, damit sie ihr Geschäft erledigten. Doch ausgerechnet in diesem Augenblick ging ein Spaziergänger mit seinem Hund an unserem Garten vorbei.
O nein, das hat mir gerade noch gefehlt. Nichts gegen die Leute, die hier ihre Spazierrunde drehen, doch aus Hundesicht muss unser Grundstück natürlich vor dem Eindringling beschützt werden: Also erstmal ordentlich Alarm schlagen und am Zaun rauf und runter laufen!
Im Prinzip kein Problem, eigentlich haben sie es ja brav gemacht. Allerdings ist der Zeitpunkt für die Revierverteidigung sehr ungünstig. Ich will doch in die Stadt!
Um dem Übel noch eins draufzusetzen, ist der Matsch der letzten verregneten Tage nun auch noch überall auf den lieben Kleinen verteilt. Nein, nicht nur an den Pfoten, am ganzen Fell sind dicke Dreckklumpen! Aus einem goldenen Fell ist ein dunkles Braun geworden. Bei den schwarzen Vierbeinern fällt es wenigstens nicht sofort auf. Unsere Hunde hatten jedenfalls ihren Spaß, und den Spaziergänger haben sie offensichtlich vertrieben. Zumindest glauben das die vier.
Für mich heißt es nun, ruhig bleiben. Die guten Sachen ausziehen und alte Klamotten an. Denn so können die verschlammten Vierbeiner auf keinen Fall ins Haus!
Nachdem ich etliche Handtücher im Hausflur ausgebreitet und mich mit einem Eimer und einem Waschlappen ausgerüstet habe, beginnt die große Säuberungsaktion.
Anton geht dann oft bereits im Flur seiner allergrößten Leidenschaft nach : schlafen ! Und wenn Anton erstmal schläft, rührt er sich kein Stück mehr. Das hat zur Folge, dass man zum Trockenrubbeln gut 30 Kilogramm herumwuchten muss.
Wenn dann alle einigermaßen sauber sind, kann ich mich selbst wieder umziehen. Eigentlich könnte auch ich nach dieser Anstrengung und Aufregung noch einmal duschen gehen.
Aber nachdem nun alle brav und sauber im Haus sind, kann ich mich endlich auf den Weg machen.
Komisch, die meisten unserer Freunde bemitleiden mich immer, doch ich glaube, ich habe mit meinen Tieren das große Los gezogen. Ich bin sehr, sehr glücklich mit ihnen, und nicht einen unserer Vierbeiner möchte ich missen. Wie viel Arbeit sie auch machen, sie geben ein Zigfaches zurück. Ob man eine Stunde weg ist oder nur fünf Minuten, niemand kann sich so herrlich freuen!
Und mal ganz ehrlich, was gibt es denn Schöneres, als an einem kalten Winterabend auf dem Teppich vorm Kamin zu liegen und vier Fellbüschel um sich herum zu haben?
Zumindest dann, wenn Anton nicht gerade pupsen muss. Denn das ist, neben vielen anderen Dingen, seine große Leidenschaft. Leider!
Aber sonst: Wir haben das große Glück, dass jeder einzelne unserer vierbeinigen Lieblinge außerordentlich lieb und verschmust ist.
Ja, sie haben es schon verstanden, uns zu erziehen ...
Und es gibt eine Geschichte dazu, die ich Ihnen gern erzählen will ...
Wie alles anfing
Früher, das ist noch gar nicht so lange her. Um genau zu sein, sind es dreizehn Jahre. Es war Ostern, als wir im Jahr 2000 in ein wunderschönes altes Haus umgezogen sind. Fast mitten in der Stadt und trotzdem im Grünen.
Wir, das sind mein Mann Jan und ich. Zu dem Haus gehörte ein herrliches Grundstück, sehr zu unserer Freude, denn in den nächsten Jahren verwandelten wir es mit Hingabe in einen wunderschönen Garten. Jede freie Minute verbrachten wir dort, denn es gab wirklich viel zu tun. Ich glaube, wir haben erst mal drei Monate gebraucht, um das Laub der letzten dreißig Jahre zu entfernen. Wir haben wirklich geschuftet und geackert, aber die Mühe hatte sich gelohnt.
Über uns wohnten unsere Freunde Georg und Eva, die fast zeitgleich mit uns eingezogen waren.
Wir lebten mittlerweile seit einem dreiviertel Jahr dort, und alles war ziemlich perfekt. Wir waren sehr glücklich und hatten eine wunderschöne Zeit. Im Sommer verbrachten wir die meiste Zeit im Garten und genossen es, denn jede Jahreszeit erschien uns dort wunderschön.
In der unteren Etage, in der wir zur Miete wohnten, gab es zu allen Seiten Fenster, und überall schauten wir ins Grüne. Das Grundstück grenzte an ein Wäldchen, durch das ein kleiner Spazierweg führte.
Selbst den Herbst und den Winter konnten wir dort richtig genießen und waren überglücklich, nicht mehr mitten in der Stadt zu wohnen.
Mittlerweile war es Dezember geworden. Weihnachten stand vor der Tür, und wir waren auf ein Gläschen Wein bei Georg und Eva eingeladen. Sie lockten uns nach oben, indem sie sagten, dass es eine Überraschung gäbe. Und so war es dann auch wirklich. Die Überraschung war ihnen voll und ganz gelungen.
In ihrem Wohnzimmer lief ein kleines, braunes, vierbeiniges Knäuel herum. Es war eine drei Monate alte Hündin, und ihr Name war Wilma. Jan und ich waren hin und weg, denn wir beide sind mit Hunden aufgewachsen und eben sehr »verhundet «.
Jans Eltern hatten zwei Münsterländer. Es waren beides Hündinnen, Trixi und Tina, und sie waren ausgesprochen lieb.
Meine Hundefamilie
Meine Eltern hatten zwei Dackel. Den ersten, sein Name war Flory, bekam meine Schwester zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt. Wir waren alle überglücklich. Na ja, wenn ich ehrlich bin, nicht alle. Unsere Oma streikte, denn sie war überhaupt nicht begeistert von dieser Idee. Um uns den Hund auszureden, sagte sie : »Wenn der Hund bleibt, ziehe ich aus !« Ihre Warnung nahm natürlich niemand so richtig ernst, und selbstverständlich blieb sie. Schließlich liebte sie ihren Flory so heiß und innig, dass sein Lieblingsplatz all die Jahre ihr Schoß war.
Unser zweiter Hund hieß Fridolin. Diesmal war mein Vater nicht besonders begeistert von der Idee, wieder einen Hund aufzunehmen. Eines Tages aber brachte meine Mutter diesen süßen, schwarzen Dackelwelpen mit nach Hause. Am ersten Abend lag ich mit Fridolin auf unserem Sofa, als mein Vater von der Arbeit nach Hause kam. Er kam ins Wohnzimmer hinein, und noch bevor er Fridolin überhaupt entdeckt hatte, vernahm er schon ein leises Brummeln.
Dieser kleine Kerl knurrte doch tatsächlich meinen Vater an! Das fing ja gut an - und so ging es eigentlich auch weiter.
Fridolin hatte auch gute Tage, doch leider entwickelte er sich im Laufe der Zeit zu einem wahren Kampfdackel. Wenn er bei irgendeinem Familienmitglied auf dem Schoß saß, war dringend davon abzuraten, sich dieser Person samt Hund zu nähern. Fridolin übernahm konsequent den Personenschutz und ließ niemanden mehr an »seinen Menschen« heran.
Wenn man mit ihm wegfahren wollte, war es überaus wichtig, vor ihm im Auto zu sitzen. Schaffte man es nicht, hatte man schlechte Karten. Er hielt das Auto für seinen liebsten Besitz und bewachte es mit Hingabe. Man hatte kaum noch eine Chance, einzusteigen. Meine Eltern waren ratlos. Was hatten sie bloß bei seiner Erziehung falsch gemacht?
Doch ansonsten war Fridolin ein wunderbarer Hund, und wir liebten ihn alle sehr. Alle - auch mein Vater. Nur leider wurde Fridolin nicht alt ; im Alter von acht Jahren musste er eingeschläfert werden, weil er einen schlimmen Tumor hatte.
Das war für unsere Familie ein sehr trauriges Erlebnis. Mein Vater litt furchtbar unter Fridolins Verlust und weigerte sich, noch mal einen Hund bei sich aufzunehmen. Und diesmal kam meine Mutter seinem Wunsch nach.
Nun aber noch mal zu meiner Schwiegermutter. Sie sagt immer, sie sei »verhundet und verkindet«: Jedes Mal wenn sie einen Hund oder ein Kind entdeckt, ist sie völlig aus dem Häuschen. Sie hat da auch überhaupt keine Hemmungen und spricht wildfremde Leute in der Stadt an, nur um einen Hund streicheln zu können.
Sie ist halt ein absoluter Hundemensch. Ich behaupte ja, es gibt Hundemenschen und dann all die anderen. Meine Meinung darüber habe ich schon sehr oft gesagt: Wer keine Hunde oder generell keine Tiere mag, liebt nur sich selbst. Und bislang hat sich das meistens als vollkommen richtig herausgestellt.
Wilma und Line
Nun aber zurück zu jenem Abend, als wir bei Georg und Eva eingeladen waren und diesen süßen Hund sahen. Wir konnten kaum die Finger von der kleinen Wilma lassen. Georg und Eva erzählten uns, dass sie Wilma von Evas Eltern hatten. Die betrieben zu dieser Zeit nämlich noch eine Hundepension. Die kleine Wilma und ihre beiden Geschwister seien von einem Bauern abgegeben worden, der nicht wusste, was er mit den Welpen anfangen sollte. Wären sie nicht bei Evas Eltern aufgenommen worden, hätte er sie vermutlich ertränkt. Es ist sehr traurig, dass es noch Menschen gibt, die dazu wirklich fähig sind.
Georg erzählte uns, dass bei seinen Schwiegereltern noch zwei von Wilmas Geschwistern seien. Sie würden nur darauf warten, ein gutes Zuhause zu finden.
Natürlich konnten wir den ganzen Abend an nichts anderes mehr denken.
Gleich am nächsten Morgen, wir hatten Gott sei Dank Urlaub, sind wir zur Tierpension gefahren.
Nur mal gucken!
Das haben wir uns jedenfalls auf der ganzen Autofahrt eingeredet. Und dann waren wir da, natürlich nur zum Gucken!
Wir gingen hinein, und dann war es sehr schnell um uns geschehen. Wir waren »auf den Hund gekommen«.
Mitnehmen konnten wir »den Hund« allerdings noch nicht, denn ausgerechnet an diesem Abend, dem 20. Dezember, hatten wir unsere Weihnachtsfeier. Einen Augenblick haben wir tatsächlich überlegt, diese ausfallen zu lassen, aber das wäre wohl ein wenig unverschämt gewesen. Na ja, so hatten wir wenigstens noch einen ganzen Tag lang Zeit, uns mit diversen »Hundesachen« auszustatten.
Unsere nächste Station war also ein Tierfachhandel.
Kurz vor Weihnachten wittert doch jeder Verkäufer noch das große Geschäft, und bei uns hatte er damit tatsächlich ins Schwarze getroffen. Der Mann im Laden erblickte uns sofort, eilte auf uns zu und sagte : »Kann ich Ihnen behilflich sein ?«
Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen : »Wir brauchen eine Komplettaustattung für einen Hund. Bitte mit allem, was dazugehört.«
Das Leuchten in seinen Augen war nicht zu übersehen. Sein Grinsen erst recht nicht. Er hat uns aber hervorragend bedient, und am Ende war unser Auto voll bis unters Dach und unser Portemonnaie leer.
Nachdem endlich alles verstaut war, fuhren wir nach Hause und packten die vielen Tüten aus. Es wäre vielleicht nicht alles unbedingt sofort notwendig gewesen, aber wir wollten schließlich gewappnet sein für die Dinge, die auf uns zukommen sollten ...
Die Weihnachtsfeier am Abend wurde lang und länger. Ich fand das herrlich, denn je weniger Schlaf ich bekam, umso schneller konnte ich wieder aufstehen. Ich konnte es wirklich gar nicht mehr abwarten.
So schliefen wir nur kurz und standen nach zwei Stunden äußerst zerknittert auf. Als wir bei der ersten Tasse Kaffee saßen, stellten wir fest, dass noch viele Tassen folgen würden, bis wir losfahren konnten. Es war erst sieben Uhr, und es wäre wohl ein wenig frech gewesen, um viertel nach sieben bei Evas Eltern vorzufahren. Also mussten wir die Zeit totschlagen, Kaffee trinken und warten.
Bis halb neun haben wir durchgehalten, dann konnte uns nichts mehr aufhalten. Wie heißt es schließlich : »Der frühe Vogel fängt den Wurm !«
Ja, und dann ? Dann ging es los, unser »Hundeleben«. Und weil niemand davon besser erzählen kann als der Hund selbst, kommt jetzt erst mal Line zu Wort. Sie erzählt eine Geschichte für alle, die Hunde lieben ...
Lines Geschichte 1
Der Frühling ist fast vorbei, und der Sommer steht vor der Tür. Oh, was freue ich mich auf die langen, warmen Tage, die nun wieder vor uns liegen. Den ganzen Vormittag waren wir draußen, und von der vielen Lauferei im Garten sind wir ganz erschossen. Ich liege im Wohnzimmer auf einem unserer Kissen und genieße das Faulenzen. Wir alle waren heute also schon lange auf den Pfoten, und Ausschlafen ist nicht mehr so leicht möglich wie früher. Meine Kleinen sind leider immer ziemlich früh wach.
Wer meine Kleinen sind? Das ist eine lange Geschichte. Die träume ich gerade. Ich träume die Geschichte meines bisherigen Lebens.
Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Line. Außerdem besitze ich noch etliche Spitznamen. Meistens nennen sie mich Linchen. Das Problem ist, dass wir uns diese ganzen Namen erst mal merken müssen. Mann, oh Mann, es wäre für uns viel einfacher, wenn die Menschen uns immer auf die gleiche Weise ansprechen würden. Man müsste sich dann nicht so viel merken. Ein kleiner Tipp von mir: Sprecht eure Hunde möglichst immer gleich an. Macht sie aufmerksam, indem ihr den Namen grundsätzlich als Erstes sagt.
Hier ein Beispiel: Ich soll kommen. Wenn es heißt: »Komm hierher!«, woher soll ich dann wissen, dass gerade ich gemeint bin ? Besser wäre es doch: »Line, komm hierher!« Meist weiß ich natürlich, wenn ich gemeint bin. Schließlich bin ich ein schlauer Hund! Und manchmal will ich es natürlich auch gar nicht so genau wissen.
Viele Menschen meinen, der Hund muss lernen. Richtig. Doch oft müssen zuerst die Menschen lernen! Bei meinen habe ich das übrigens ziemlich gut hinbekommen.
Das Durcheinander von Kommandos, und davon gibt es sehr, sehr viele, ist nicht für jeden Hund schnell zu verstehen. Ich möchte es aber noch einmal erwähnen, ich bin selbstverständlich intelligent. Vielleicht, weil ich ein Mischling bin. In den Generationen meiner Vorfahren ist viel vertreten: Schäferhund, Labrador, Münsterländer ...
Auf jeden Fall lerne ich fix und das bestätigte sogar vor einigen Jahren eine Hundetrainerin, auch wenn sie es vorher anders vermutet hatte. Ihr Favorit war eindeutig Anton.
Ausgerechnet Anton! Mir war schon viel früher klar, dass dieser faule Kerl gar keine Lust hat, freiwillig auch nur irgendetwas zu lernen. Oft nutzten selbst die heiß geliebten Leckerlis nichts, um ihn zu motivieren. Ja, ja, mit Anton, das ist so eine Geschichte. Aber wenn ich ehrlich bin, ohne ihn wäre sie hier rasch zu Ende. Und ich will ja auch noch nicht zu viel verraten.
Nun, wenn ich mich beschreiben soll, würde ich sagen, ich bin mittelgroß. Im Vergleich zu meinen Kleinen allerdings »eine halbe Portion«. Gegenüber dem Rest meines Rudels habe ich jedoch einen großen Vorteil, denn ich passe noch auf Frauchens oder Herrchens Schoß. Außerdem bin ich ein ziemliches Fliegengewicht. Aber so muss ich wenigstens nicht darauf achten, was ich tagsüber alles in mich hineinfuttere. Ich werd und werd einfach nicht dicker. Anton hingegen muss ein Leckerli nur angucken und schon hat man das Gefühl, dass ein Speckröllchen an seinem Bauch heranwächst.
Mein Fell ist, bis auf einen weißen Fleck am Hals, pechschwarz. Ein winziges, graues Ziegenbärtchen ziert meine Schnauze, und Schlappohren gehören auch zu meinem Outfit.
Auch wenn man eine Dame nicht nach dem Alter fragt, kann ich es ja sagen: Im September werde ich schon dreizehn Jahre alt. Und ich habe auch wirklich schon eine ganze Menge erlebt.
Da bin ich
Ich kann mich noch vage an den Tag erinnern, als ich auf die Welt kam. Irgendetwas war auf einmal anders, ich kann es kaum beschreiben. Meine Augen waren noch zu, aber plötzlich konnte ich mich lang ausstrecken, was vorher nicht möglich war. Irgendetwas knabberte an mir herum. Das tat nicht weh, ich wusste nur nicht, was in diesem Moment passierte. Natürlich weiß ich es heute : Das war meine Mama, die meine Nabelschnur durchgeknabbert hat.
Ich hatte riesigen Appetit. Auf dem Boden robbend, machte ich mich auf die Suche. Bald hatte ich die Zitzen gefunden. Milch, so viel ich nur trinken konnte.
Bis ich pappsatt war, konnte ich mich bedienen. Nanu, was war denn das? Besser gesagt, wer war das? Ich war ganz offensichtlich nicht allein. Sehr bald lernte ich meine Geschwister kennen. Ich habe einen Bruder und eine Schwester. Wie mein Bruder heißt, weiß ich nicht, aber er war genauso schwarz wie ich. Meine Schwester heißt Wilma und sieht völlig anders aus. Sie ist kleiner, braun und hat Stehohren. Wilma verhält sich auch ganz anders. Sie ist schüchtern und ängstlich. Ich dagegen, ich möchte am liebsten immer nur toben.
Wir wurden immer größer, und bald konnten wir irgendwann sehen und laufen.
Eines Tages kam ein Mann und nahm uns mit. Wahrscheinlich hat er uns das Leben gerettet. Aber das war auch der Moment, an dem ich meine Mama das letzte Mal gesehen habe.
Ich war sehr traurig, weil ich sie so schrecklich vermisste. Sie war warm und weich gewesen, und ihre Milch schmeckte so gut! Nein, ohne sie war das Leben erst mal ganz schön schwierig.
Unser neues Zuhause war fortan ein großer Zwinger. Wir konnten sogar nach draußen gehen, das war ganz schön und tröstete uns über die Einsamkeit hinweg.
Es dauerte auch nicht sehr lange, bis wir eines Tages Besuch bekamen. Erst mal freuten wir uns riesig darüber, doch so schön war das eigentlich nicht, wie sich recht schnell herausstellte. Denn meine Schwester wurde einfach mitgenommen, und sie kam an diesem Tag auch nicht mehr zu uns zurück. Ich befürchtete, dass ich sie, wie meine Mama, nicht mehr wiedersehen würde. Ich war unendlich traurig.
Jetzt waren wir nur noch zu zweit, und in dieser Nacht kuschelte ich mich eng an meinen Bruder. Am nächsten Morgen kamen schon wieder Menschen, und ich hatte schreckliche Angst, dass ich diese Nacht eventuell alleine in diesem großen Zwinger liegen müsste.
Aber was, wenn sie mich mitnehmen würden? Wäre das gut oder schlecht?
Es waren ein Mann und eine Frau, die sich unserem Zwinger näherten. Sie sahen freundlich aus und lächelten meinen Bruder und mich fröhlich an.
Ich dachte mir folgenden Plan aus. Irgendwie musste ich schnell auffallen, positiv natürlich. Meine erste Maßnahme war, kräftig mit dem Schwanz zu wackeln, dann auf die beiden zuzulaufen und ganz lieb zu gucken.
Das Letztere ist nämlich eine besondere Fähigkeit von mir, damit kriege ich fast jeden rum, habe ich inzwischen festgestellt.
Die beiden freuten sich sehr, lachten mich an und bückten sich zu mir herunter. Sie streichelten mich überschwänglich. »Oh, ist die süß!«, sagten sie und nahmen mich liebevoll auf den Arm.
Was jetzt geschah, hatte nichts mehr mit meinem Plan zu tun: Es war einfach Liebe auf den ersten Blick!
Umso entsetzter war ich, als sie den Zwinger wieder verließen. Ohne mich!
Ich war traurig. Hatte ich mir nur eingebildet, dass sie mich toll finden würden? Wahrscheinlich. Meinen Bruder hatten sie auch nicht mitgenommen. Na gut, so war ich wenigstens nicht allein. Komisch war das Ganze trotzdem, denn als sie weggingen, haben sie sich noch ein paar Mal nach mir umgedreht und miteinander getuschelt.
Meine Menschen
Ziemlich früh am nächsten Morgen, während ich noch so vor mich hinträumte, ging plötzlich die Tür auf, und wir hörten Stimmen. Moment mal, dachte ich, die Stimmen kenne ich doch. Das kann doch nicht sein ...
Da standen sie und lächelten mich strahlend an. Sie waren wiedergekommen! YIPPIE und JUCHUUU! Ruckzuck war ich auf dem Arm der Frau und wurde erstmal ordentlich durchgeknuddelt. Und das, obwohl ich bestimmt nicht sehr gut gerochen habe.
Das war jedoch Nebensache. Sie nahmen mich trotzdem mit, und im Nu saß ich im Auto.
Das Autofahren wurde übrigens noch zu meiner großen Leidenschaft. Ich liebe es, und bei jeder Gelegenheit versuche ich, mich mit ins Auto zu schmuggeln.
Ich saß also auf dem Schoß der Frau und konnte herrlich beobachten, wie der Rest der Welt aussah.
Irgendwann hielten wir an und stiegen aus. Wow ! Das war ja große Klasse! Wir standen in einem riesigen Garten mit ganz vielen Bäumen, und eine Wiese zum Toben gab es auch.
Das erste Hindernis sah ich jedoch auch sofort, denn eine sehr hohe Treppe machte meine weitere Entdeckungsreise unmöglich.
Meine Neugier war allerdings so groß, dass ich nicht auf Hilfe warten wollte. Ich musste unbedingt jetzt da hoch, um zu sehen, was mich alles erwarten würde. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und erklomm die erste Stufe. Puh, geschafft! Aber die nächsten zehn lagen noch vor mir.
Während ich mich hochquälte, hörte ich ein: »Nein, Nein !«
Dass man mich meinte, konnte ich nicht mehr wahrnehmen, denn genau in diesem Augenblick dachte ich, ich würde träumen! Vor der Tür stand sie! Meine Schwester Wilma!
Meine Freude war riesengroß, und ich lief auf sie zu, um es ihr zu zeigen. Bei Wilma allerdings schlug die anfängliche Freude schnell in Angst um. Das war typisch Wilma! Zwei Tage nicht gesehen, und schon hatte sie Schiss!
Es war vergebene Liebesmühe, sie zum Spiel zu animieren. Sie hielt es für viel spannender, sich vor mir auf den Boden zu legen und abzuwarten. Ein bisschen hatte sie sich bestimmt gefreut, mich zu sehen. Mit mir zu spielen, das ging ihr jedoch zu weit.
Das wird schon, dachte ich, aber es war zu viel gehofft.
Ja, ich gebe es ja zu, ich bin immer schon sehr wild gewesen, doch deswegen brauchte sie doch keine Angst vor mir zu haben!
Da ich sehr neugierig war, wollte ich sehen, wo ich leben würde. Vor mir stand eine große Tür offen. Da ich für den Garten sowieso länger brauchen würde, um ihn durchzuschnuppern, entschied ich mich zunächst für das Haus. Also nichts wie los und an Wilma vorbei!
Mein ausgeprägter Geruchssinn sagte mir, dass ich geradeaus laufen musste. Oben wohnte Wilma, so viel war mir klar.
Mit fliegenden Pfoten raste ich vor Freude einfach los. Schnell wurde mir jedoch bewusst, dass ich zu viel Tempo hatte. Der Boden glich einer Eisbahn, und ich hatte vorher nicht überlegt, dass ich nicht immer nur geradeaus laufen konnte. In dem Moment musste ich eine scharfe Rechtskurve einleiten.
Klatsch! Da war es passiert! Meine Beine rutschten unter mir weg, und ich machte eine saubere Bauchlandung. Die weitere Erkundungsreise würde ich erheblich langsamer angehen müssen. Als ich endlich wieder sicher auf meinen Pfoten stand, setzte ich meine Tour fort und gelangte in die Küche. Na ja, zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, welches Zimmer welche Bedeutung hatte.
Eines aber bemerkte ich sofort: Dieses riesige, wunderschöne Körbchen konnte nur für mich sein!
Ich pirschte mich an und hätte vor Freude Haken schlagen können. Spielzeug, nur für mich! Am meisten hatte es mir ein kleiner Hund angetan, der mir damals recht groß vorkam. Jetzt muss ich darüber schmunzeln, denn mittlerweile würde er komplett in mein Maul passen. Heute allerdings wird das gesamte Spielzeug von zwei anderen in Beschlag genommen. Anton und Mariechen haben die Angewohnheit, alles Erdenkliche durch die Gegend zu schleppen. Es kommt sogar vor, dass Anton mehrere Sachen gleichzeitig im Maul mit sich herumträgt. Und die Freude ist dann auf allen Seiten riesengroß. Anton freut sich allerdings selbst am meisten und ist dann stolz wie Oskar!
Ich für meinen Teil habe im Laufe der Jahre eine Vorliebe für Bälle entwickelt, und kein Ball ist vor mir sicher. Ich liebe es, sie zu apportieren, und da kann mir auch niemand von den anderen das Wasser reichen! Anton kann zwar auch hervorragend apportieren, doch er ist einfach zu langsam. Ist ja auch kein Wunder, bei dem, was er an Körpermasse mit sich herumschleppen muss. Außerdem ist er einfach zu faul, um sich freiwillig zu bewegen.
Nur abends kommt es oft vor, dass er seine Trägheit vergisst. Dann, urplötzlich, bekommt Anton im wahrsten Sinne des Wortes, seine wilden fünf Minuten. Wie ein aufgescheuchtes Huhn fängt er an, im Garten seine Runden zu drehen, und er schafft es dabei tatsächlich, auf ein ordentliches Tempo zu kommen.
Man kann sich nur wundern, wie schnell er dann unterwegs sein kann, und das trotz seiner »Speckröllchen«.
Den Grund für seine abendliche, sportliche Betätigung verstehe ich allerdings bis heute nicht, denn es hat weder Sinn noch Verstand, grundlos den Rasen fast platt zu walzen. Besonders dann, wenn es vorher geregnet hat und der Rasen durchgeweicht ist, schafft er es aufgrund seiner Körpermasse, ordentliche Schlaglöcher in den Boden zu rammen.
Wie gut, dass Jan säckeweise Rasensamen im Keller auf Vorrat verstaut hat.
Doch zurück zu diesem süßen Spielzeughund, der dort in meinem Körbchen lag. Er war schwarzweiß gefleckt, und wenn man mit ihm spielte, quietschte er vor Vergnügen, so dachte ich. Beim ersten Quietschen habe ich mich ein wenig erschrocken, so laut waren die Geräusche, die er machte. Aber es war herrlich!
Stundenlang hätte ich rumquietschen können, doch nach einer Weile fand das außer mir niemand mehr so lustig.
Der Name meines quietschenden Spielgefährten war Snoopie, und jetzt fragt ihr euch bestimmt, warum ich »war« gesagt habe. Nun, ehrlich gesagt, irgendwann habe ich es wohl etwas übertrieben. Ich bekam Zähne, und es tat äußerst gut, auf irgendetwas rumzukauen. Und plötzlich hatte Snoopie ein Loch im Ohr. O nein!
Wie durch Zauberei kam kein Laut mehr aus ihm heraus, egal was ich auch anstellte. Stille!
Jan und Caroline waren nicht sehr traurig darüber, denn endlich herrschte Ruhe.
Ich gab die Hoffnung jedoch nicht auf. Er wird schon wieder anfangen, dachte ich und kaute so lange auf ihm herum, bis sämtliche Teile seines kleinen Körpers in winzigen Stückchen vor mir auf dem Boden lagen.
Das war die Geschichte von Snoopie. Die Überreste wurden eingesammelt und landeten im Müll, denn Jan und Caroline hatten Sorge, dass ich sie aufessen würde.
Apropos Jan und Caroline, die beiden habe ich überhaupt noch nicht weiter erwähnt. Sie zu beschreiben geht aber recht schnell.
Jan ist groß und hat helles Fell auf dem Kopf, Caroline ist klein und hat dunkles Fell. Mehr brauche ich nicht zu sagen. Wichtig ist nur, dass wir uns alle sehr lieb haben!
O Mann, was haben die beiden sich gefreut, als ich das erste Mal in der Küche aus meinem eigenen Napf getrunken habe. Lustig!
Bei meiner ersten Rutschpartie durchs Haus hatte ich noch eine weitere Treppe entdeckt. Sie war sehr steil und verlief rund bis ins untere Geschoss hinab. Eine Wendeltreppe ! Diese Treppe habe ich ein paar Tage später auch mal ausprobiert, doch das ging gewaltig schief. Bereits nach der ersten Stufe rutschte ich aus und konnte mich gerade noch so festhalten. Meine Vorderbeine umschlangen die erste Stufe, und Gott sei Dank wurde ich sofort gerettet. Ein saftiger Sturz wäre sonst die Folge gewesen. Diese Art von Treppe ist für uns sehr gefährlich, denn meistens sind sie offen und schmal. Passt gut auf, wenn ihr so etwas zu Hause habt ! Das war das erste und letzte Mal, dass ich so eine Wendeltreppe ausprobieren würde. Davon war ich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls überzeugt.
Mein neues Zuhause
Nun aber zurück zu meinem besonderen ersten Tag im neuen Zuhause. Zu weiteren Erkundungstouren kam ich nicht, denn ich wurde in den Garten gebracht, wo auch Wilma schon saß und sich vor Angst gleich zwischen die Beine ihres Herrchens quetschte.
Nicht, dass ihr mich falsch versteht, Wilma ist eine ganz Liebe! Sie kneift eben nur bei jeder Gelegenheit sofort den Schwanz ein, im wahrsten Sinne des Wortes.
Allerdings, wenn ich es mir so recht überlege, muss ich sagen, dass wir auch so ein Exemplar zu Hause haben. Vielleicht hat Fritzi das ja von seiner Tante Wilma geerbt. Von mir hat er es bestimmt nicht! Ja, das würde Sinn machen, denn Fritzi ist der größte Angsthase unter uns.
Aber der Junge hat es auch nicht einfach. Jeder hackt auf ihm herum und ärgert ihn. Wir haben das aber ehrlich gesagt schon oft ausgenutzt.
Letzten Sommer zum Beispiel, da vergaß Anton mal für einen Augenblick seine Faulheit und heckte mit Mariechen einen Streich aus. Diese wunderschöne, weiß blühende Hochstammrose in dem frisch angelegten Blumengarten war eindeutig im Weg.
Genau an dieser Stelle könnte man doch herrlich ein Loch buddeln. Also machten sich die beiden hemmungslos an die Arbeit. Für Anton war es natürlich überhaupt kein Problem, das dünne Stämmchen mal eben zu halbieren.
Mit der Blütenpracht im Schlepptau marschierten die beiden auf den Rasen, um auch den letzten Rest der Rose unkenntlich zu machen. Wie dumm von Fritzi, gerade in diesem Moment mitspielen zu wollen! Denn kaum war er an diesem zerfledderten Rest der Pflanze angekommen, als auch Jan um die Ecke kam.
Anton und Mariechen machten auf Unschuldslämmer und verkrümelten sich.
Da lag Fritzi nun vor dem Rest der wunderschönen Rose und kaute fröhlich auf einem Stückchen davon herum. Anton und Mariechen haben sich garantiert angegrinst! Das ist typisch für die beiden. Darum nennen wir sie auch oft »das doppelte Lottchen«.
Fritzi war unschuldig, das war uns ziemlich schnell klar.
Jan hatte das Drama zwar etwas spät, aber trotzdem richtig erkannt. Die Rose war hin, doch Fritzi war nicht der eigentliche Übeltäter.
Ja, das ist ein Teil seiner Geschichte. Doch dazu später mehr.
Zurück zu meinem ersten Tag im neuen Zuhause. Wir waren nun alle draußen. Es war sehr kalt, wir hatten ja Winter! Alle zitterten, aber statt einfach ins Haus zu gehen, wo es schön warm war, sagten sie immer wieder: »Mach du fein Pipi!«
Was sollte ich denn damit anfangen? Sie wiederholten es immer und immer wieder. Ich verstand kein Wort. Aber irgendwann musste ich ganz dringend mein kleines Geschäft erledigen, setzte mich auf den kalten Rasen und strullerte los.
Ein Aufschrei ! Die ganze anwesende Kompanie rief überglücklich: »Fein, fein hast du Pipi gemacht!«
Noch während ich überlegte, was hier überhaupt vorgefallen war, schob man mir gleich etwas Leckeres ins Maul, und ich wurde von allen Seiten überschwänglich gestreichelt.
Na, die freuen sich ja, dachte ich, und so freute ich mich einfach mit. Wir gingen ins Haus, und man trug mich hinab ins untere Geschoss.
Meine Güte, wie viele Treppen doch in einer Wohnung sein konnten. Diese war jedenfalls nicht so steil wie die Wendeltreppe und auch für mich begehbar.
Die beiden brachten mich nun ins Badezimmer, wo es herrlich warm war. Caroline drehte an einem Hebel, und wie von Zauberhand schoss Wasser aus einem Rohr in ein großes Becken.
Ehe ich mich's versah, setzte mich Caroline in die Badewanne. Huch, das Wasser ist ja warm, dachte ich noch, und da war ich auch schon patschnass. Ich wurde mit einem seltsam riechenden Zeug eingeschäumt, und als die ganze Tortur beendet war, roch ich vollkommen anders. Nicht besonders gut, aber auch nicht besonders schlecht. Anders eben. Als sie mich dann endlich fröhlich aus der Badewanne herausgehoben hatten, stellte ich mich ebenso fröhlich (weil ich diese Aktion erfolgreich hinter mich gebracht hatte) auf alle viere und schüttelte mich hemmungslos durch. Die Begeisterung von Jan und Caroline hielt sich entsprechend in Grenzen.
Ermattet, wie ich nun von all den Aufregungen war, wollte ich nur noch eines: schlafen! Welch ein Segen, sie legten mich zu Snoopie ins Körbchen, der zu dem Zeitpunkt ja noch heil und ganz war. Eine kleine Weile spielte ich noch mit ihm, bis mir irgendwann die Augen zufielen. Ich schlummerte und träumte.
Als ich erwachte und mit einem Auge blinzelte, sah ich die beiden vor mir stehen. Sie sind noch da, es war also kein Traum, dachte ich. Dann kann ich ja noch ein bisschen weiternickern.
Doch Caroline und Jan sprangen sofort auf, denn sie hatten nicht übersehen, dass ich langsam wach wurde. Sie nahmen mich auf den Arm, und wir marschierten umgehend in den Garten. Och Mann, dachte ich, lasst mich doch einfach weiternickern. Doch sie kannten kein Pardon!
Caroline sagte: »Wir gehen raus, Pipi machen.« Wie bitte? Ich hatte keine Ahnung, was sie meinten. Egal, Garten war immer gut.
Draußen tobte ich erst ein wenig herum, und dann musste ich strullern. Der gleiche Aufschrei wie zuvor : »Fein, fein hast du Pipi gemacht.« Ich bekam ein Leckerli ins Maul und wurde mit Streicheleinheiten belohnt.
Ich durchstöberte weiter den Garten und merkte dann, da kommt noch mehr. Ich schaute mich um. Der Busch da ist genau richtig. Prima, dort kann ich hervorragend mein großes Geschäft machen.
Kurz darauf folgte wieder das gleiche Theater, nur ein paar Worte waren anders. »Fein, fein hast du einen Haufen gemacht «.
Ich wusste nicht, was los war, aber die Freude war auf beiden Seiten riesengroß, und wir gingen zurück ins Haus.
In den folgenden Stunden kam ich nicht dazu, ausgiebig an etwas zu schnuppern. Ständig wurde ich verfolgt, und kaum roch ich etwas länger an irgendeinem Gegenstand, wurde ich unterbrochen und musste in den Garten. Das war ganz schön nervig. Aber das Ritual war jedes Mal das gleiche, und ich bekam draußen immer leckere Sachen. Der Garten hatte also wirklich viele Vorteile.
Langsam wurde es dunkel, und mein Körbchen wurde ins Wohnzimmer getragen. Jetzt kam wohl die gemütliche Zeit.
Die zwei legten sich aufs Sofa, und von der vielen Lauferei waren wir alle so müde, dass wir irgendwann einschliefen.
Als ich erwachte, schlummerten die beiden noch friedlich. Aber mir war furchtbar langweilig, und so stieg ich aus meinem Körbchen heraus, um etwas zu erleben.
Während ich gemütlich durch das Wohnzimmer stöberte, musste ich plötzlich ganz dringend strullern. Sorglos setzte ich mich hin und pillerte los.
»NEIN! PFUI! AUS!«
Das waren die Worte, die ich noch vernahm, ehe man mich recht unsanft vor die Tür setzte. Meine Güte, was war denn nun schon wieder?
Im Garten angekommen, hatte ich unendlich viel Lust zu laufen. Ich lief und lief, und die zwei immer brav hinter mir her. Sie riefen immer : »Komm hierher, komm hierher«.
Super, sie wollen Packen spielen, dachte ich. Und nachdem sie mich endlich gefangen hatten, gingen wir wieder zurück ins Haus.
Das war toll. Fangen spielen macht Spaß! Ich werde es öfter spielen, dachte ich. Aber warum habe ich diesmal nichts Schönes bekommen? Schade!
Die folgende Nacht war sehr anstrengend. Kaum habe ich mich bewegt, wurde ich nach draußen gebracht. Jedes Mal war es das gleiche Ritual.
Relativ unausgeschlafen, aber trotzdem einigermaßen munter, stiegen wir am nächsten Morgen ins Auto. Ich hoffte nur, man würde mich nicht wieder wegbringen.
Während der Fahrt fielen immer wieder die Worte: »Jetzt fahren wir zu Oma und Opa.« Ich verstand zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ganz genau, was sie eigentlich damit meinten.
Oma und Opa
Irgendwann hielt der Wagen an. Wir stiegen aus und gingen durch ein kleines Gartentor.
Ich möchte dazu sagen, dass ich hoffe, meine Oma nimmt mir diese Zeilen nicht übel. Ich denke, sie weiß, wie lieb ich sie habe. Das zeige ich ihr heute übrigens jedes Mal, wenn sie uns mit Anna besuchen kommt. Ich weiche ihr dann nämlich nicht mehr von der Pelle. Okay, ich gebe es ja zu, natürlich auch, weil es bei ihr immer etwas Schönes zu essen gibt.
Also, wir gingen durchs Tor. Eine kleine Frau kam auf uns zu, und sie strahlte mich über beide Backen an.
Ich wackelte daraufhin eifrig mit dem Schwanz.
Das Erste, was sie von sich gab war: »Ja, wo isse denn?«
Die Arme, dachte ich, sie kann mich gar nicht sehen!
Diese Worte fielen immer wieder: »Ja, wo isse denn?«
Dafür, dass sie nichts sehen konnte, zielte sie aber ziemlich treffsicher nach mir, um mich zu streicheln.
Jetzt weiß ich es natürlich besser. Sie sagt das einfach nur so, und heute freue ich mich einfach mit ihr.
Caroline amüsiert sich immer noch köstlich über diesen Ausdruck.
Meinen Opa lernte ich natürlich auch an diesem Tag kennen, und er war ein ganz lieber Opa! Ich wurde von beiden immer mit Streicheleinheiten und Leckerlis verwöhnt. Natürlich auch von meinen anderen Großeltern! Ich hab nämlich beziehungsweise hatte zwei Opas und habe heute noch zwei Omas. Und Ich liebe sie beide heiß und innig.
Aber meine Oma »Ingemaus« sehe ich öfter. Sie kommt uns mindestens zweimal in der Woche mit Anna besuchen. Da ist die Aufregung jedes Mal groß, denn wir können es gar nicht abwarten. Ich wegen meiner Oma, die anderen wegen Anna.
Anna ist übrigens auch so ein lustiger Kandidat. Jedesmal hat man das Gefühl, sie wäre am Verdursten, wenn sie ankommt. Umgehend schmeißt sie sich vor den Wassernapf, haut sich auf alle viere und säuft und säuft. Ich glaube, sie ist einfach immer so aufgeregt, ihre Geschwister wiederzusehen, dass sie vor lauter Freude ein bisschen in Hektik verfällt. Aber war ich anders? Nein! Wenn ich überlege, was ich immer für einen Affenzirkus veranstaltet habe, wenn ich Wilma im Garten gesehen habe, muss ich gestehen, dass ich genauso war.
Als der Antrittsbesuch bei meinen Großeltern zu Ende war, fuhren wir wieder nach Hause. Und ich kann euch sagen, die nächsten Tage vergingen wie im Fluge.
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Autoren-Porträt von CAROLINE LÜHRING
Caroline Lühring wurde 1973 in Herford geboren. Tiere sind von jeher ihre Leidenschaft, so verbringt sie ihre freie Zeit am liebsten mit ihrem Pferd oder natürlich mit Anton. Mit ihm wohnt die Autorin und Künstlerin in Herford. Mehr über sie finden Sie auf www.herforderlandpinsellust.de.Bibliographische Angaben
- Autor: CAROLINE LÜHRING
- 2013, 128 Seiten, Deutsch
- Verlag: Weltbild Deutschland
- ISBN-10: 386365871X
- ISBN-13: 9783863658717
- Erscheinungsdatum: 29.07.2013
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