Nach einer Liebeshochzeit mit dem älteren Jacob findet sich die selbstbewusste Akademikerin Beth als Heimchen am Herd auf dem Lande wieder. Im Dorffrauenverein lässt sie sich leichtsinnigerweise überreden, die Weihnachtsparty...
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Nach einer Liebeshochzeit mit dem älteren Jacob findet sich die selbstbewusste Akademikerin Beth als Heimchen am Herd auf dem Lande wieder. Im Dorffrauenverein lässt sie sich leichtsinnigerweise überreden, die Weihnachtsparty zu organisieren, wie es Jacobs erste Frau all die Jahre zuvor getan hatte. Beth ahnt nicht, dass ihre Vorgängerin Standards gesetzt hat, die mit ein paar Schnittchen und Punsch kaum zu erreichen sind ...
»Die perfekte Lektüre, um sich vor den Kamin zu kuscheln und zu schmökern - Liebe, Eifersucht, Herzschmerz und Humor.« THE SUN
Prolog
«Nichts ist magischer als der Widerschein von Kerzenlicht auf den rosigen Wangen kleiner Kinder, wenn sie sich um den Weihnachtsbaum versammeln ...»
Was für ein Schwachsinn. Wie konnte sich Kerzenlicht auf Wangen widerspiegeln? Holly drückte die Löschtaste, zog sich die Strickjacke fester über die Arme, auf denen sich Gänsehaut gebildet hatte, und probierte es noch einmal.
«Wer wird nicht vom Zauber des Kiefernnadelduftes und des funkelnden Scheins erfasst ...?» Holly zögerte, seufzte tief auf und trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. Nein. Sie schwang ihren Drehstuhl herum und fuhr mit dem Zeigefinger über den kleinen CD-Stapel, der sich im Regal hinter ihr befand, entschied sich dann für eine CD, die fast ganz unten lag, und legte sie in ihren CD-Player ein. Während sie sich ein weiteres Weihnachtsplätzchen in den Mund schob, schloss sie die Augen und ließ sich vom quälend süßen Klang, der durch den Lautsprecher drang, einlullen, bis sie schließlich spürte, wie sich in ihr eine wohlige Wärme breitmachte und es ein wenig vor Aufregung in ihr kribbelte. Einst in der Stadt König Davids ... trällerten die Chorknaben. Holly öffnete die Augen, ließ die Finger knacken und begann, entschlossen zu tippen.
«Wenn die Luft in diesem Monat vom Duft nach Zimt und Kiefernnadeln erfüllt ist, stimmen Sie sich freudig auf die fröhliche Jahreszeit mit dunkelrotem Weihnachtsschmuck, funkelnden Festtagsdekorationen ...» Oh, das gefällt mir, das gefällt mir. Holly begann, schneller zu tippen «... und herrlich ... herrlich?» Sie hielt inne. Was zum Teufel konnte herrlich sein? Wieder schloss sie die Augen.
... und ein Stall bot ihm Zuflucht ...
«... herrlich eingepackten Geschenken unter dem Weihnachtsbaum ein. Wir haben die zehn besten Tipps für das schönste Weihnachtsfest Ihres Lebens.»
«Super!» Sie zog aus der untersten Schublade ihres Schreibtischs ein flachgedrücktes Partyhütchen hervor, versuchte, die Pappe einigermaßen in ihre ursprüngliche Form zurückzubringen, setzte sich das Hütchen auf die dunklen Locken und schob sich das Gummiband unter das Kinn.
Endlich hatte die Muse sie geküsst.
Eine halbe Stunde später fehlten noch immer etwas mehr als einhundert Wörter. Was konnte sie noch schreiben? Sie hatte es geschafft, eine aberwitzige Liste von Dingen zu erstellen, angefangen von Schleifen aus einem exklusiven Dekoladen über einige neuartige Einfälle für die stilvolle Weihnachtsbeleuchtung bis hin zu einer Übersicht, wo man das beste Weihnachtsgebäck kaufen konnte. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Mist, jetzt musste sie sich beeilen. Was könnte das Weihnachtsfest noch köstlich und perfekt machen?
«Hi, du siehst aber niedlich aus. Wie läuft's denn so?» Denise aus der Grafikabteilung steckte ihren Kopf um die Ecke. «Müsstest du nicht schon längst unterwegs sein?»
Holly stöhnte auf. «Verdammter Mist, ich weiß, aber ich bin mit dem Artikel noch nicht fertig, und ich hätte ihn eigentlich schon heute Morgen abgeben sollen. Komm schon, Den. Ich brauche noch ein paar Ideen. Weihnachten? Das perfekte Fest?»
Die junge Frau lehnte sich gegen die Stellwand und ließ ihre Finger über die Lippen gleiten, während sie nachdachte. «Ach, ich weiß nicht. Du bist doch die Frau der Worte. Bedruckte Unterhosen? Wenn ich ehrlich sein darf, würde ich am liebsten so weit wie möglich wegfahren. Du weißt schon, ein wunderhübsches Häuschen irgendwo auf dem Land. Holzfeuer? Röstkastanien? Der ganze Kram.»
Holly blickte sie durchdringend an, während vor ihrem inneren Auge ein Gedanke Form annahm. «Ich glaube, das ist es! Jetzt muss ich nur noch ein paar Telefonate erledigen, dann bin ich weg!»
Denise zuckte mit den Schultern und wandte sich um. «Schön, dass ich dir helfen konnte. Viel Spaß, wir sehen uns dann.»
Holly winkte ihr geistesabwesend zu, während sie weiter-tippte, sich schwülstige Phrasen aus den Fingern sog und sie mit jedem abgedroschenen Adjektiv mehr übertrieb. Sie kannte das Landhaus, das sie für das «perfekte Weihnachten» beschrieb - ein ziemlich nichtssagendes, kleines Häuschen, das in ihrem Heimatort hinter der Kirche versteckt lag -, es war nicht ganz so idyllisch, wie sie behauptete, aber sie hatte jetzt einfach keine Zeit mehr. Eine kurze Google-Suche förderte das Bild eines pittoresken, kleinen Landhauses zutage, das zum Text passen würde. Zehn Minuten später klickte sie auf «Speichern», machte sich in Gedanken eine Notiz, ihre Stiefmutter nach ihrer Rückkehr anzurufen und zu bitten, jeden Interessenten, der sich meldete, um das Haus zu buchen, abzulehnen, und stand dann auf, während sie sich sanft das Hütchen vom Kopf streifte und froh war, das Gummiband loszuwerden, das bereits einschnitt.
Der Artikel über «Ihr schönstes Weihnachtsfest aller Zeiten» würde ein Erfolg auf der ganzen Linie werden. Mit theatralischer Geste schaltete sie den Ventilator auf ihrem Schreibtisch ab, nahm ihre Handtasche, schnappte sich ihre Sonnenbrille und ging durch die Glastür am Empfang vorbei hinaus in die glühende Augusthitze.
Kapitel 1
September
Es ist nie zu früh, mit den Weihnachts-
vorbereitungen zu beginnen. Schreiben Sie Ihre Aufgabenlisten lange
im Voraus und nehmen Sie sie immer mit, wo Sie auch gehen und
stehen, dann werden Sie der Hektik ein Schnippchen schlagen und die
Konkurrenz weit hinter sich lassen!
«Es tut mir leid. Es tut mir wirklich so leid.» Leicht schwitzend trat Beth aus der heißen Septembersonne in die dunkle Stadthalle. Der Rest des Komitees war natürlich schon anwesend, saß auf Klappstühlen, die man um eine aufgebockte Holzplatte gestellt hatte, und hielt die Unterlagen effizient vor sich ausgebreitet. Als sie sich zum einzigen Stuhl begab, der noch nicht besetzt war, fühlte sich der Holzboden unter ihren Sandalen ein bisschen an wie Kies (das lag wahrscheinlich an den Badminton-Stunden von Mittwochabend).
«Nun, jetzt sind Sie ja da, das ist die Hauptsache.» Irene, die ihren Vorsitz mit furchteinflößender Grandezza wahrnahm, lächelte sie rasch und mit nur einer leichten Spur von Missbilligung an. «Und Sie kommen gerade rechtzeitig zum Kaffee.»
Wie aufs Stichwort schob sich scheppernd ein völlig überladenes Tablett durch die Schwingtür aus der Küche, hinter dem die winzige, in Tweed gekleidete Gestalt von Mrs Godfrey auftauchte. Beth zwang sich, nicht zuzusehen, wie die alte Dame langsam auf sie zugewackelt kam. Ihr schneeweißes Haar war wie stets so stark dauergewellt, dass es aussah, als trage sie einen Blumenkohl auf dem Kopf. Es war gerade einmal drei Monate her, dass Beth auf ihrer allerersten Sitzung der SUG (Städtische Unterhaltungs-Gruppe) instinktiv aufgesprungen war, um der zarten Achtzigjährigen ihre Hilfe anzubieten - ein Fehler, den sie kein zweites Mal begehen würde. Nicht nach dem Rüffel, den sie daraufhin hatte einstecken müssen. Es schien überhaupt keine Rolle zu spielen, dass der halbe Kaffee auf den Untertassen landete oder dass das besonders stoßfeste Porzellan mit seinem markanten blauen Rand schneller dahinschwand als der Morgentau auf den Dächern der Stadt. Ganz offensichtlich war Mrs Godfrey seit den späten 50er-Jahren dafür zuständig, dem Komitee Tee und Kaffee zu servieren, und in absehbarer Zeit hatte sie nicht vor, auf diese Aufgabe zu verzichten, herzlichen Dank auch. Jetzt beäugte sie Beth mit mürrischem Argwohn - wobei sie sich Jacob zufolge jedem gegenüber so verhalten hatte, der in den vergangenen vierzig Jahren nach Milton St. David gezogen war.
Nachdem das Tablett sicher auf dem Tisch abgestellt war, zwang sich Beth, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die anstehenden Aufgaben zu richten. Die Tagesordnung war schon immer eher Ausgangspunkt für ausschweifende Diskussionen gewesen als etwas, das man sklavisch hätte befolgen müssen, und diesmal diente Punkt drei - das umstrittene Safari-Dinner - als Sprungbrett für eine Debatte um die Meriten verschiedener Fernsehköche.
Beth kippte die laue Brühe aus ihrer halbvollen Tasse hinunter und blickte sich am Tisch um. Zu ihrer Rechten saßen die Alten - zumeist tüchtige, rüstige Witwen, denen die schönsten und größten Häuser der Stadt gehörten. Stets makellos zurechtgemacht, kleideten sie sich sommers wie winters in praktischen Tweed und waren trotz ihrer Erscheinung die wahren Antriebskräfte in der Gemeinde. Und weil sie schon seit Jahren hier lebten, konnten sie mit allen Präzedenzfällen aufwarten, mit denen sich das Komitee jemals hatte befassen müssen - dabei neigten sie zu einem Revisionismus, der selbst Stalin hätte erröten lassen.
Zu Beths linker Seite saßen die angehenden Berufsmütter - sie hatte sie die ‹Städtischen Schicksalsgöttinnen› getauft -, eine furchteinflößende und äußerst konkurrenzbewusste Truppe. Im Hochglanz-Look und mit teuren Accessoires aufgemotzt, hatten diese Frauen ihre Karrieren «draußen» aufgegeben und widmeten ihre beachtlichen Fähigkeiten und Energien nun dem häuslichen Dasein, ihren Kindern, denen sie pompöse Namen gegeben hatten, und ihrem einzig wahren Ziel, das darin bestand, das kleine Städtchen Milton St. David - wie in einem edlen Einrichtungsmagazin - zu einem beliebten und eleganten Ort zu machen.
Es war nicht das erste Mal, dass Beth sich zwischen diesen beiden Parteien sitzend fand, und so lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück, um das Beste aus der Sache zu machen. Sie blieb absolut neutral, genau wie die Schweiz. Keine der beiden Seiten schien bislang Anspruch auf sie zu erheben, und als Neue in der Stadt hatte man ihr bis jetzt nur den Abwasch oder den Verkauf von Tombola-Losen überlassen, und das trotz Jacobs sanftem Druck, sie möge sich in das Leben der Gemeinde «einbringen». Obwohl sie genauso alt wie die Schicksalsgöttinnen war, bedeutete der Umstand, dass sie einen «richtigen Job» und obendrein auch noch einen Doktortitel besaß, keine Kinder hatte und auch nicht das Bedürfnis verspürte, sich ihre eintönige Leier über das Leid mit den Kindermädchen und die Vor- und Nachteile von dreirädrigen Kinderwagen anzuhören, dass es keinerlei Gemeinsamkeiten zwischen ihnen gab. Sie war so sehr damit beschäftigt, sich auf die unmittelbare Ankunft der neuen Studenten zu Beginn des nächsten Semesters vorzubereiten, dass ein «schnelles Doppel auf dem Tennisplatz und ein kleiner Mittagsimbiss» zum Glück völlig außer Frage standen. Darüber hinaus hatte ihre Hochzeit mit Jacob vor sieben Monaten zur Folge, dass man sie an seiner Seite mit den Älteren in der Stadt assoziierte. Wussten die denn nicht, dass die Sechziger von früher die Vierziger von heute waren?
Bei der Schicksalsgöttin, die Beth an diesem Tag ihre Aufmerksamkeit schenkte, handelte es sich um Tamara Sinclair - langbeinig und mit verführerisch verwuschelten Haaren. Schnuppernd drehte sie sich zu Beth um und sah dabei ein wenig wie ein afghanischer Windhund aus. «Mmm. Tolles Parfüm. Sehr würzig.»
Beth spürte, wie sie rot wurde. Verdammter Mist! Der Duft ihrer Kochorgie von heute Morgen hing wohl noch in ihrer Kleidung. «Äh, ja», improvisierte sie, «so ist es. Jo Malone. Ich liebe es, Sie auch? Besonders die Muskat- und Ingwernoten.» Tamara betrachtete sie anerkennend, und Beth wandte sich lächelnd ab. Und dann ist da noch ein Hauch von Rindertalg, dachte sie und lachte innerlich.
«Ich bitte um Ruhe!» Irene schlug mit dem Löffel an ihre Tasse und blickte mit unverhohlener Verachtung auf das Blatt vor sich. «Tja, damit hätten wir also das Safari-Dinner geregelt. Natürlich haben wir etwas Derartiges bislang noch nie veranstaltet, aber es wird schon gutgehen. Wir werden sehen, nicht wahr? Eventuell können wir eine kleine Mitteilung im Newsletter machen, Alison, Sie könnten das vielleicht verfassen und erklären, worum es geht? Ich persönlich denke, dass es besser ist, auf Altbekanntes und Bewährtes zurückzugreifen. Unsere Whist-Karten-Turniere waren bisher immer ein voller Erfolg.»
Die Schicksalsgöttinnen lehnten sich zurück und tauschten amüsierte, aber triumphierende Blicke aus, da ihr Vorschlag angenommen wurde, wenn auch mit leichten Auflagen von Seiten der Alten. Irene räusperte sich und fuhr fort: «Wie sieht es mit unserem Mistelzweig-Fest aus? Nachdem es nun schon ein paar Jahre nicht stattgefunden hat, glaube ich, es sollte wieder zum Leben erweckt werden. Wie sehen Sie die Sache?»
Schweigen.
Irene blickte sich im Raum um, doch alle hielten die Blicke abgewandt. Beth sah sich um. Das war ja interessant. Normalerweise kämpften die Älteren und die Schicksalsgöttinnen darum, Aufgaben zu übernehmen, mit denen sie die Kontrolle über die Festivitäten hatten.
«Es hat uns doch immer solchen Spaß bereitet, und es wäre gut, wenn wir eine Veranstaltung hätten, mit der wir die Menschen unserer Stadt an Weihnachten zusammenbringen. Wer wagt den Sprung ins kalte Wasser?» Mit ihrem Blick, dem alle geflissentlich auswichen, betrachtete sie die Mitglieder des Komitees. «Beth, vielleicht möchten Sie die Organisation für dieses Jahr übernehmen?» Man konnte förmlich hören, wie die Alten unterdrückt nach Luft schnappten, doch Irenes Stimme klang warm und schmeichelnd. «Das wäre doch genau das Richtige für Sie. Es würde Ihnen helfen, die Menschen hier kennenzulernen. Und Ihnen stünden viele helfende Hände zur Verfügung, nicht wahr?» Alle nickten und lächelten. «Dann trage ich Sie also dafür ein. Die Details können wir später durchgehen. Ich denke, dass wir die Listen aus den Vorjahren noch irgendwo aufbewahrt haben. Ich werde sie Ihnen zukommen lassen, damit Sie loslegen können.»
Moment mal - das klang ja richtig konkret. Wovon zum Teufel redeten die bloß? «Entschuldigen Sie, aber wovon genau sprechen wir hier? Ich meine, Mistelzweig - also wird es sich dabei vermutlich um eine Weihnachtsveranstaltung handeln, oder?»
Irene antwortete ihr in einem Ton, den sie höchstwahrscheinlich sonst in Gesprächen mit Geisteskranken anschlug. «Es handelt sich dabei um eine Tradition unserer Stadt, meine Liebe, die ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Wahrscheinlich hat Jacob Ihnen davon noch nicht erzählt. Die Veranstaltung findet an Heiligabend statt. Das hat sie immer schon. Und zwar schon seit rund 140 Jahren. Ich weiß, dass das jetzt nach einer dieser Jagdveranstaltungen klingen mag - du lieber Himmel, wie schrecklich politisch unkorrekt das heutzutage ist -, aber der Titel der Veranstaltung stammt aus früheren Zeiten, und seine Herkunft ist uns heute nicht mehr bekannt. Im Wesentlichen ist es einfach eine wundervolle Weihnachtsparty, die uns allen Anlass gibt zusammenzukommen. Die Veranstaltung ist ein stolzer Bestandteil unserer Stadttradition und war bisher immer ein fabelhaftes Ereignis - nicht wahr, meine Damen?»
Beth fühlte sich ein wenig zu sehr genötigt, und es war ja nicht gerade so, als hätte sie nicht ohnehin genug zu tun. Weihnachten war beruflich ohne Zweifel eine hektische Zeit. Das komplette Kunstgeschichte-Institut würde unter Hochdruck Noten verteilen, Bewerbungsgespräche abhalten und Studienberatungen durchführen, und sie würde kaum die Zeit finden, für Jacob ein Geschenk zu besorgen, geschweige denn, eine komplette Party zu organisieren. «Tja, also vielleicht könnte ich meine Hilfe dabei anbieten. Aber ich weiß wirklich nicht. Die Zeit wird für mich an der Uni sehr stressig ...»
Mitleidig lächelte Irene sie an. «Diese Zeit des Jahres ist für uns alle sehr hektisch, meine Liebe, und gerade den berufstätigen Frauen unter uns wird es schwerfallen, alle Pflichten unter einen Hut zu bringen, aber wir dachten, dass Ihnen diese Aufgabe dabei helfen könnte, in unserer Stadt Fuß zu fassen.»
Beth zögerte. Gott, was für ein Aufheben die deswegen machten. Eine Weihnachtsparty zu veranstalten war ja wohl nicht das Schwierigste der Welt, oder? Getränke, Würstchen im Blätterteig, Partyhütchen. Es würde nicht aufwendiger werden als eine Feier für ihre Tutorengruppe. Die Sache würde ihr vielleicht sogar Spaß machen - und würde Jacob nicht vom Glauben abfallen? Unbarmherzig hatte er sich über die warme Flasche Chardonnay und die Schüssel Erdnüsse lustig gemacht, die sie ihren Freunden vorgesetzt hatte, als sie ihre Verlobung bekannt gegeben hatten. Er hatte betont, dass ihr Talent eindeutig in der Kunst der Renaissance läge und sie gut beraten wäre, ihren Beruf nie aufzugeben. Was würde er bloß dazu sagen? Das wäre wirklich ein Spaß. Sie spürte alle Blicke auf sich ruhen. «Mmm, vielleicht.»
«Aber jede von uns wird Sie unterstützen - nicht wahr?» Wieder wurde kräftig - fast schon manisch - genickt. «Also gut. Wenn ich keine andere Wahl habe.»
Ihr kam es ein wenig so vor, als sei die Atmosphäre im Raum etwas freundlicher geworden.
«Gut, dann hätten wir auch das beschlossen.» Irene strich den Punkt von ihrer Liste. «Ich schaue später vorbei, Beth, um die Details mit Ihnen zu besprechen. Haben Sie herzlichen Dank dafür. Ich bin mir sicher, Sie werden Ihre Sache wunderbar machen.»
Beths Miene war skeptisch. «Also, darauf würde ich nicht wetten ...»
Doch das Komitee war schon wieder in unermüdliches Geplauder vertieft, und diesmal schienen sich alle in einer Hinsicht einig zu sein. «Man kann nie früh genug mit den Weihnachtsvorbereitungen beginnen», murmelte Mrs Godfrey finster, und sowohl die Alten als auch die Schicksalsgöttinnen stimmten ihr mit weisem Nicken zu. Beth verfiel wieder in Schweigen und lauschte dem plötzlichen Gleichklang der Gespräche zum Thema Weihnachtsfeierlichkeiten. «... Gänseschmalz ist das einzig Wahre ...» , «... ich dachte, wir versuchen es zur Abwechslung einmal mit einem Perlhuhn ... », «... wenn es im Dezember nicht friert, schmeckt der Rosenkohl nicht ...» Prima. Tipps. Heimlich kritzelte sie ein paar Notizen auf ihren Block.
«Und nun zur Burns-Nacht ...»
Der Rest der Sitzung zog verschwommen an Beth vorbei. So viel zu Jacobs Beteuerung, sie solle nur geduldig sein und abwarten, dass sich die Leute nach ihrer Hochzeit an sie gewöhnen würden. So wie es jetzt lief, würde sie innerhalb kürzester Zeit den Vorsitz des Komitees übernehmen. Sie warf einen Blick auf die Uhr - er hatte gesagt, dass er heute Nachmittag früher nach Hause kommen würde. Vielleicht konnten sie ja gemeinsam mit den Hunden rausgehen, bevor sie sich wieder an ihren Schreibtisch und die Unterlagen für das Symposium setzte. So würde sie sich nicht allein darum kümmern müssen und konnte alles mit ihm besprechen.
Als die Sitzung sich dem Ende zuneigte und Beth eilig aufsprang, wurde sie von Stephanie Jackman aufgehalten, die es ganz besonders darauf abgesehen hatte, sie mit Geschichten über ihren kleinen Inigo zu langweilen (und mit den Schwierigkeiten, die sie auf der Suche nach der richtigen Kinderkrippe für ihn durchzustehen hatte). In der Hoffnung, sich mitfühlend genug geäußert zu haben, befreite Beth sich aus dem Gespräch. Bevor sie zur Tür ging, schenkte sie Mrs Godfrey noch ihr aufrichtigstes Lächeln - und es berührte sie auf sonderbare Weise, als die alte Dame ihr herzlich den Arm drückte. Sie lief aus der Sitzungshalle und murmelte, als sie außer Hörweite war: «Milton St. David - ich bin angekommen!»
Als sie fünf Minuten später die Auffahrt hinauflief, verlangsamte Beth ihren Schritt. Jacobs Auto stand nicht da, und bereits von hier war zu hören, wie die Hunde bellten und sich gegen die Küchentür warfen. O Gott! Sie würde mit ihnen spazieren gehen müssen - und zwar sofort. Wenn sie wartete, bis Jacob nach Hause kam, hatten die Hunde sie sicher längst bei lebendigem Leib verschlungen. Sobald sie hörten, wie sich der Schlüssel im Türschloss drehte, würden sie total ausflippen, und es gäbe kein Zurück mehr. Vielleicht konnte sie sich für ein paar Minuten im Garten zu verstecken. Auf Zehenspitzen folgte Beth dem Pfad, der neben dem Haus verlief, und duckte sich, als sie am Küchenfenster vorbeikam, damit die Hunde sie nicht sehen konnten. Sie hatte es fast geschafft, als ihr Handy klingelte und die Hunde beim Ertönen des Klingeltons gleich doppelt so laut anschlugen.
«Hallo?»
«Verdammt nochmal, Beth. Ich dachte, die Jagd wäre mittlerweile verboten worden - es hört sich an, als stündest du mitten in einem Rudel von Bluthunden.»
«Aber nein, Sal!» Beth lief hinunter in den Garten und hielt sich das freie Ohr zu, um das Gejaule zu überhören. «Das sind bloß die Höllenhunde - eigentlich sind es nur zwei, aber sie hören sich wie eine ganze Meute an. Vorhin bin ich sie losgeworden, indem ich sie mit Hundeschokodrops bestochen habe, damit sie vom Garten ins Haus kamen - Jacob kann gar nicht verstehen, warum sie so dick werden -, und dann kam ich schließlich zu spät zu meiner Sitzung und das auch noch voller Hundehaare.»
«Ich dachte, das sei die vorgeschriebene Kleidung in Mingbury St. Dummfeld», entgegnete Sal sarkastisch. «Wie auch immer, welche Sitzung hast du denn besucht? Das Semester hat doch noch gar nicht angefangen, oder?»
«Äh, nein. Es war so eine Sitzung, bei der man bespricht, was in der Stadt organisiert werden muss.» Beth konnte förmlich sehen, wie Sallys Augen aufleuchteten, und in Erwartung ihrer nächsten Frage zog sie eine Grimasse.
«Was, meinst du einen Interessenverband oder etwas Politisches?»
Als sie sich schwer auf die Holzschaukel fallen ließ, die Jacob vor Jahren für seine Tochter am Apfelbaum angebracht hatte, beschlich Beth das unangenehme Gefühl, dass ihre alte Freundin nicht lockerlassen würde, und so versuchte sie, das Thema zu wechseln. «Nichts Großartiges, nur eine städtische Angelegenheit. Und wie geht es dir?», fragte sie hastig. «Wie laufen die Proben? Höre ich da die Camden Highstreet im Hintergrund?»
Vom anderen Ende der Leitung erklang schadenfrohes Gelächter. «Du hast es getan, oder? Du bist der Frauenvereinigung beigetreten. Tja, da wird dein Herr und Gebieter sicher sehr erfreut sein. Dort wirst du lernen, wie man Victoria-Torte und Apfelkuchen backt. Und bevor du dichs versiehst, wirst du ein anständiges Frauchen sein ...»
«Du bist doch nur neidisch! Wenn du es genau wissen willst, es wurden bei der Sitzung lokale Projekte besprochen», übertrieb Beth und war plötzlich beschämt, dass sie ihre beste Freundin anschwindelte. «Es ist eine Art Bürgerinitiative, zu deren Aufgaben auch das Gemeinwohl gehört, du weißt schon, der öffentliche Busverkehr in ländlichen Gebieten und so weiter. Jedenfalls wird hier traditionell ein Fest an Heiligabend veranstaltet, das es schon seit Hunderten von Jahren gibt - so eine Art Party für alle Einwohner -, und ich habe mich freiwillig gemeldet, um die diesjährige Organisation in die Hand zu nehmen. Und was machst du zu Weihnachten, meine abgebrühte, großstädtisch-verwahrloste alte Freundin, während wir rotwangigen Bauerntrampel ausgelassen unser Mistelzweig-Fest abhalten? Hättest du vielleicht Lust, uns zu unserem ländlichen Weihnachten die Ehre zu geben? Wir lümmeln uns gemeinsam vor den Kamin und entspannen. Das wäre doch ein Riesenspaß.»
Zum ersten Mal klang Sally beeindruckt, zumindest einen Moment lang. «Oh, das klingt wirklich ziemlich verlockend. Sehr malerisch und so naturbewusst. Ich wäre sofort mit von der Partie, aber leider trete ich bei einem Weihnachtstheater in Bolton auf, und wenn ich dann noch etwas Zeit finde, werde ich mich an meinen Süßen kuscheln. Ich sehe dich schon jetzt vor meinem inneren Auge als mildtätige Dame, die Almosen an die Bauern verteilt, während ihr altersschwacher, tattriger Göttergatte ihr stolz dabei zusieht -»
«Ach, halt doch die Klappe! Du wärst doch nur zu gern an meiner Stelle.» Beth lachte. «Bald wird er nach Hause kommen, um mich vermutlich wieder einmal leidenschaftlich zu lieben. Mit dem Alter reift eben auch die Erfahrung. Und jetzt habe ich keine Zeit mehr, mit dir zu telefonieren. Ich muss los und meinen Kampf mit den Höllenhunden ausfechten, bevor ich in mein Negligé schlüpfe. Drück mir die Daumen!»
Das laute Bellen raubte ihr fast das Gehör, als sie die Haustür aufschloss und die frisch eingetroffene Flut von Weihnachtskatalogen aufhob, die noch immer an ihre Vorgängerin adressiert waren. Sie hielt kurz inne, um die Kataloge und ihre Handtasche im Flur unterhalb von Jacobs Jacken abzulegen, die in verschiedenen Farbnuancen von marmoriertem Grün bis Braun an der Garderobe hingen. Der Duft von Ingwer und Muskat, den Tamara auf der Sitzung bemerkt hatte, hing noch immer in der Luft. Sie hatte nicht die Zeit gefunden, die Kochtöpfe wegzuräumen, bevor sie losging, aber das musste sie jetzt tun, bevor Jacob nach Hause kam. Wie sollte sie das schaffen?
Sie schlich in Richtung Küche. «Brave Hunde», murmelte sie und hörte selbst das Beben in ihrer Stimme, als sie die Leinen aufhob. «Gassi!» Sie drückte sich flach gegen die Wand und streckte sich, um die Tür aufschwingen zu lassen. So musste sich die Spezialeinheit der britischen Armee fühlen, wenn sie im Einsatz war. Wie eine Flutwelle aus schwarzem Fell und wildwedelnden Schwänzen stürmten Flash und Jig-Jag an ihr vorbei, woraufhin sie wiederum in die Küche stürzte und die Tür hinter sich zuschlug, noch bevor die Hunde Zeit hatten zu verstehen, dass sie von ihr in den Flur gesperrt worden waren. Wenigstens waren sie ihr so für kurze Zeit aus dem Weg.
In der Speisekammer stand ihr Werk vom Morgen, drei große Keramikschüsseln, mit Frischhaltefolie bedeckt, die jeweils eine leicht unterschiedliche Mischung für die Füllung von Weihnachtspasteten enthielten, um sie miteinander zu vergleichen und einander gegenüberzustellen. Eine Schüssel enthielt ungeschälte Mandeln und frische Orangenschale. In der anderen waren kandierte Kirschen und Trockenfrüchte. Und in der dritten Schüssel befand sich Beths Meinung nach die abenteuerlichste Mischung mit gehackten Walnüssen und fein geschnittenen Datteln. Seit sie begonnen hatte, Rezepte für Weihnachtspasteten zu sammeln, hatte sie festgestellt, dass man damit tatsächlich bis in alle Ewigkeit weitermachen konnte. Doch Beth, die sich überaus bewusst war, in Fragen der Weihnachtsvorbereitung ziemlich unerfahren zu sein, hatte beschlossen, sich den bevorstehenden Herausforderungen der Festtage auf eine Art zu nähern, die ihrer Methodik entsprach: Sie nahm die Sache wie eine wissenschaftliche Arbeit in die Hand und hatte die feste Absicht, mit ihren Versuchen fortzufahren, bis sie das beste Ergebnis erzielt hatte.
...
Übersetzung: Ines Hein und Antje Nissen
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
- Autor: Annie Sanders
- 2013, 320 Seiten, Deutsch
- Verlag: Weltbild GmbH & Co. KG
- ISBN-10: 3955692183
- ISBN-13: 9783955692186
- Erscheinungsdatum: 14.11.2013
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- Dateiformat: ePub
- Größe: 0.75 MB
- Mit Kopierschutz
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5 Sterne
58 von 90 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Kitty R., 29.10.2011
Als Buch bewertetHabe mir von der Autorin auch schon GUCCI UND GUMMISTIEFEL bestellt und das Buch regelrecht verschlungen, supertolle Unterhaltung! Und dies hier scheint mir fast so etwas wie die Weihnachtsvariante davon zu sein, witzige Idee, auch das Cover entsprechend "anzupassen"! :-) Landfrauenvereine sprießen derzeit ja wieder total trendy aus dem Boden, bin mir sicher, dass es da zugeht wie bei Dallas und Denver Clan zusammen, Klatsch, Tratsch, Intrigen, Eifersucht, Spitzeleien... herrlich bissig, stelle ich mir das vor! Habe das Buch direkt bestellt, Weihnachten kann kommen! :-))
-
5 Sterne
36 von 53 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Münch E., 25.11.2011
Als Buch bewertetEin sehr amüsanter Roman, wie man Weihnachten feiern könnte, ohne Stress.
Annie Sanders liest sich immer wieder gut. Leichte heitere Lektüre für triste Winterabende. -
4 Sterne
31 von 45 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
J. F., 11.12.2011
Als Buch bewertetSchöne Unterhaltung für die Weihnachtszeit.
Leicht zu lesen und wie erwartet nicht zu kompliziert.
Das Buch hat meine Erwartungen erfüllt.
Kann ich allen nur weiterempfehlen, die sich´s auf der Couch gemütlich machen wollen und
etwas Unterhaltung genießen möchten. -
5 Sterne
25 von 36 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Vera, 18.03.2013
Als Buch bewertetEine sehr schön geschriebene Geschichte, nicht nur zu Weihnachten. Es dauerte bei mir etwas länger, bis ich alle Personen auseinander halten konnte, aber dann musste ich das Buch in eins durchlesen. Dies war mein erstes Buch von Annie Sanders und ich habe mir sofort ein Neues bestellt.
-
5 Sterne
27 von 42 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Dany R., 12.01.2012
Als Buch bewertetDieses Buch ist witzig, romantisch, spannend und vor allem stimmt es einen total super auf Weihnachten ein! Dieses Jahr lese ich es wieder!!! :-)
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