Der zuerst als Sänger und Tänzer auftretende Jean Gabin (1904-1976, eig. Jean-Alexis Moncorgé) hat in den 30er und 50er Jahren wesentlich zur Weltgeltung des französischen Kinos beigetragen. Zur Zeit der Volksfrontregierung war Gabin in den Filmen von Jean Renoir ("Die große Illusion", "Bestie Mensch"), Julien Duvivier ("Pépé-le-Moko") und Marcel Carné ("Der Tag bricht an", "Hafen im Nebel") der proletarische Held, Aussenseiter, Deserteur, Fabrikarbeiter, Lokomotivführer oder im Exil lebender Gangster, dessen grobschlächtiges Verhalten und bewusstes Schweigen als Protest und Rebellion gegen die Gesellschaft die Stimmung der Bevölkerung trafen. Nach dem Weltkrieg konnte er seine Karriere trotz eines Darstellerpreises in Venedig 1951 für "So nimm denn meine Hände" nicht recht fortsetzen. Eine triumphale Rückkehr zum Erfolg erlebte er 1953 als alternder Gangster Max in Jacques Beckers stilbildendem Unterweltfilm "Wenn es Nacht wird in Paris". Von da an beherrschte Gabin das französische Filmschaffen, interessanterweise in völligem Gegensatz zu den Rollen der 30er Jahre. Jetzt war Gabin der Patriarch schlechthin, autoritär und unangreifbar. Dennoch erbrachte er im Klima dieses gemäßigten Konservatismus' erstaunliche Porträts: so den Galeerensträfling in der nach wie vor besten Verfilmung von Victor Hugos "Les Misérables" (1957), den Anwalt, der von Brigitte Bardot in "Mit den Waffen einer Frau" (1958) verführt wird, oder die Idealverkörperung von Georges Simenons Kommissar Maigret. Für seinen lebensfrohen und trinkfreudigen Clochard in "Im Kittchen ist kein Zimmer frei" (1959) wurde er mit dem Darstellerpreis in Berlin ausgezeichnet. In den 60ern war Gabin in einer Reihe von milden Komödien und teils sehr spannenden Kriminalfilmen ("Der Clan der Sizilianer") an der Seite von Alain Delon und Lino Ventura zu sehen. Gabin, der privat einen Bauernhof und eine Pferdezucht betrieb, hatte im amerikanischen Exil Marlene Dietrich kennengelernt und wurde ihre große Liebe.
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