Der Prinzessinnenmörder / Kreuthner und Wallner Bd.1
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Heiliger Zorn - Mordsgschicht'n aus Oberbayern
Nicola Förg, Jörg Maurer, Oliver Pötzsch, Andreas Föhr
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In der Idylle lauert das Grauen:
der erste Teil der Krimi-Reihe um die Kult-Ermittler Wallner und Kreuthner vom Tegernsee von Bestseller-Autor Andreas Föhr
An einem eisigen Januarmorgen wird im zugefrorenen oberbayerischen Spitzingsee die Leiche eines 15-jährigen Mädchens gefunden. Kurioses Detail: Sie wurde durch einen Stich mitten ins Herz getötet und trägt ein goldenes Brokatkleid. Als man im Mund des Opfers eine Plakette mit einer eingravierten Eins findet, ahnt Kommissar Wallner von der Kripo Miesbach, dass dies nur der Anfang einer grauenvollen Mordserie ist. Mehr oder weniger vorschriftsmäßig unterstützt vom ewig grantelnden Polizeiobermeister Kreuthner, beginnt Wallner mit den Ermittlungen, die ihn zu einem schicksalsträchtigen Tag zurückführen ...
Mit Kommissar Clemens Wallner und Polizeiobermeister Leonhardt Kreuthner, dem »Leichen-Leo«, hat der erfolgreiche Drehbuch-Autor Andreas Föhr ein Ermittler-Duo geschaffen, das längst Kult-Status genießt. Spannende Fälle, schwarzer Humor und ein typisch bayerischer Anarchismus zeichnen seine Krimi-Reihe aus.Alle Bände der »Wallner & Kreuthner«-Krimis auf einen Blick:
Band 1 - Prinzessinnenmörder
Band 2 - Schafkopf
Band 3 - Karwoche
Band 4 - Schwarze Piste
Band 5 - Totensonntag
Band 6 - Wolfsschlucht
Band 7 - Schwarzwasser
Band 8 - Tote Hand
1. Kapitel
Es war heiß im Wagen. Die Heizung lief auf Maximum. Vor dem Wagen lag ein Stück verschneite Straße im Scheinwerferlicht. Links und rechts der Fahrbahn Wände aus Schnee, glitzernd, mit Eiskristallen darauf. Hinter den Schneewänden - schwächer angeleuchtet - Fichten, deren Äste sich unter der weißen Last bogen. Es war kalt draußen. Minus achtzehn Grad. Polizeiobermeister Leonhard Kreuthner gähnte und fingerte eine Zigarette aus einer zwei Tage alten Schachtel auf der Mittelkonsole des Wagens. Beim Anzünden der Zigarette musste er sich einen Moment auf die Feuerzeugflamme konzentrieren. In diesem Augenblick stieß der Wagen mit etwas auf der Straße zusammen. Der dumpfe Aufprall brachte Kreuthner zu Bewusstsein, dass er ziemlich erschöpft war. Im Rückspiegel sah er einen großen Eisbrocken auf der vom Rücklicht rötlich gefärbten Piste entlangkullern. Er nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette, schüttelte sich wach und blickte wieder nach vorne.
Kreuthner hatte eine anstrengende Nacht hinter sich. Seit neun Uhr war er im Mautner gesessen und hatte mit Freunden Bier getrunken. Es war ein kurzweiliger Abend gewesen. Sie hatten über den Ausflug nach Südtirol im Oktober vor drei Jahren geredet. Kurz nach zehn war ein Streit darüber entbrannt, ob der Wiebek Toni, der damals noch dabei war, sich seinen legendären Rausch entgegen seiner sonstigen Art mit dem Lagreiner beigebracht hatte oder ob er nicht auch beim Törggelen dem Bier treu geblieben war.
Der Sennleitner behauptete, der Wiebek könne sich mit Bier gar nicht so zusaufen, wie damals geschehen. Das sei bei dem biologisch unmöglich. Doch Kreuthner konterte mit dem Argument, der Wiebek sei ein Mann von Prinzipien. Der habe seit seinem elften Lebensjahr keine andere Flüssigkeit als Bier zu sich genommen. Ein Anruf beim Wiebek hätte Klarheit gebracht. Aber der Wiebek hatte vor einem Jahr geheiratet und ging jetzt jeden Abend um zehn ins Bett, weil die Kleine ab fünf wach war und er dann aufstehen musste. Bloße Rücksichtnahme hätte Kreuthner und seine Kumpane nicht davon abgehalten, beim Wiebek an zurufen. Aber es war bekannt, dass die Wiebeks die Angewohnheit hatten, abends um acht den Telefon stecker aus der Dose zu ziehen. Angeblich wegen der Kleinen. Wahrscheinlich wollten sie einfach ihre Ruhe haben. Ja - so kann ein Mensch vor die Hunde gehen, musste sich Kreuthner denken. Vor drei Jahren noch Jahrhunderträusche, jetzt um zehn ins Bett.
Gegen vier war das Thema Wiebek immer noch nicht geklärt. Aber die drei Freunde wurden von der Be dienung gebeten, ihre Ärsche an die frische Luft zu bewegen. Und so stand Kreuthner auf dem Parkplatz des Mautner neben seinem vereisten Wagen und befand, er habe eindeutig zu viel getrunken, um ins Bett zu gehen. Da könne es nicht schaden, zum Ausnüchtern ein bisschen in der Gegend herumzufahren. Zwischen Tegernsee und Schliersee überkam ihn ein nützlicher Gedanke. In zwei Wochen würde das jährliche Eisstockschießen der Oberlandpolizisten stattfinden. Kreuthner saß im Organisationskomitee, denn dieses Jahr waren die Miesbacher mit der Ver anstaltung dran. Als
Austragungsort hatte man den Spitzingsee gewählt. Das war ein kleiner See hoch oben in den Bergen gelegen, auf über tausend Metern, und damit eissicher. Der Tegernsee war schon seit Jahren nicht mehr zugefroren. Und selbst bei dem kleineren und nicht so tiefen Schliersee war das eher Glückssache. Der Spitzingsee hingegen war eine Bank. Zwischen Tegernsee und Schliersee kam Kreuthner also der Gedanke, eine Ortsbesichtigung durchzuführen.
Als sich Kreuthner dem Spitzingsee näherte, begann sich der Himmel im Osten schon blass zu färben. Er stellte den Wagen auf einem geräumten Parkplatz ab, der tagsüber von Skitouristen benutzt wurde. Als Kreuthner ausstieg, schnitt ihm die Morgenluft fast den Atem ab, so kalt war es da draußen. Er setzte sich eine Mütze auf, zog Handschuhe an und holte eine Schaufel vom Rücksitz seines Wagens. Im Winter hatte er immer eine Schaufel dabei. Die konnte vielfach von Nutzen sein. Sei es beim Ausschaufeln verschneiter Autos oder auch beim Bau einer Schneebar. Oft war er schon verlacht worden wegen seiner Schaufel. Aber das war ihm egal. Wer zu dumm war, den Sinn einer Schaufel zu erkennen, der sollte halt lachen.
Mit trotzigen Gedanken im Kopf und der Schaufel in der Hand stapfte Kreuthner durch knirschenden Schnee zum Seeufer hinab. Sein Atem kondensierte und fror am Kragen fest. Kreuthner spürte förmlich, wie der Alkohol aus seinem Körper in die Morgenluft verdunstete. Eine unglaubliche Frische machte sich in Lungen und Kopf breit, und er sah hinauf zum Himmel. Dort verblassten gerade die letzten Sterne. Es würde ein klarer, wolkenlos blauer Januartag werden. Kreuthner betrat den zugefrorenen See. Er war etwa dreißig Zentimeter hoch mit Schnee bedeckt. Kreuthner stieß die Schaufel in den Schnee und stellte fest, dass er pulverig war und leicht. Hier oben waren die Temperaturen seit drei Wochen nicht über minus fünf Grad gestiegen. Der Schnee lag locker auf der Eisschicht. Kein Tauwetter hatte ihn mit dem Eis verklebt. Er musste nur noch weggeschaufelt werden.
Kreuthner ging hinaus auf den See. Etwa fünfzig Meter weit. Es knirschte. Kreuthner konnte nicht ergründen, ob es der Schnee war, der knirschte oder das Eis darunter. Ein weiteres Mal steckte er seine Schaufel in den Schnee und hob den Schnee vorsichtig vom Eis. Dann arbeitete er sich zwei Meter in die Länge vor. Von dem freien Streifen aus trug er zur Linken zwei weitere Meter Schnee ab, bis er eine vier Quadrat meter große Fläche blanken Eises hatte. Erschöpft ließ sich Kreuthner in der Mitte seines MiniaturEissta dions niedersinken. Es war inzwischen hell geworden. Mit den Händen wischte er die letzten Schneebrösel zu Seite und betrachtete fasziniert das Eis. Wenn man genau hinsah, dann war es nicht vollkommen eben. Winzige Erhebungen waren zu erkennen, kleine Hochebenen und Tafelberge, platt gedrückt wie Kaugummi auf der Straße. Im Eis selbst sah Kreuthner kleinste Luftblasen und jenseits davon Dunkelheit. Die Eisschicht mochte hier vielleicht dreißig Zenti meter messen. Darunter waren es zwanzig Meter bis zum Seegrund.
Kreuthner starrte auf das dunkle Eis. Die Kälte biss sich durch die Hose, die bereits am Eis festgefroren war, in seine Knie. Doch das kümmerte Kreuthner in diesem Moment nicht. Etwas anderes fesselte seine Aufmerksamkeit: Er meinte mit einem Mal zu sehen, wie sich die Dunkelheit unter dem Eis aufhellte. Ein goldfarbener Fleck mit unscharfen Konturen bildete sich dort in der Tiefe. Der Fleck wurde langsam heller und größer, fast hatte es den Anschein, als komme er auf ihn zu. Kreuthner hatte auf einmal das beklemmende Gefühl, dieses Etwas könne in wenigen Sekunden durch den Eispanzer brechen und sich auf ihn stürzen, ihn packen und mit sich in die Tiefe zerren. Ein Fluchtreflex stieg in ihm hoch. Doch Kreuthner widerstand der Versuchung, aufzustehen und zum Ufer zu rennen. Zum einen klebten die Knie am Eis. Zum anderen sagte er sich, das Eis sei bestimmt dick genug, um das, was da auf ihn zukam - was immer es auch war - aufzuhalten. Aber was war es? Ein Fisch? Dafür war es zu groß. Eine Luftblase? Wo sollte die herkommen? Und auch für eine Luftblase war es zu groß, wie man jetzt erkennen konnte, da das Ding immer näher kam. Ein Teil davon hatte eine käsig bleiche Farbe, die Kreuthner an die Gesichtsfarbe vom Wiebek Toni bei seinem Jahrhundertrausch erinnerte. Je näher das weiße Etwas kam, desto mehr Einzel heiten waren zu erkennen. Es waren Punkte auf dem Weiß, das wiederum umgeben war von einer Art goldener Aura. Die Punkte im Weiß erinnerten an ein menschliches Gesicht. Und wie er diesen Gedanken dachte, da schoss Kreuthner das Adrenalin bis in die Haarspitzen. Denn das, was da näher kam, war ein menschliches Gesicht! Immer deutlicher war es zu erkennen. Lautlos schwebte es auf Kreuthner zu. Langsam und schwerelos, wie im Weltall. Bis es schließlich mit einem Ruck unterhalb des Eises zur Ruhe kam. Es war das Gesicht eines jungen Mädchens. Es hatte die Augen geöffnet und starrte Kreuthner an. Und um das Mädchen gesicht herum die goldene Aura, die Kreuthner sehr verwirrte.
2. Kapitel
Wallner kam mit seinem Wagen nicht allzu nah an den Tatort heran. Er musste ihn etwa zweihundert Meter vom See entfernt am Straßenrand abstellen. Die meisten Kollegen waren schon eingetroffen. Ebenso die Feuerwehr, die in der Zwischenzeit das Eis aufgesägt und die Leiche geborgen hatte. Die Feuerwehrleute räumten gerade ihre Sachen zusammen und hinterließen einen spurensicherungstechnischen Trümmerhaufen. Wallner betrachtete das Treiben. Er hatte keine Eile.
Wallner war achtunddreißig Jahre alt, groß und halbwegs schlank - was im Augenblick nicht zu erkennen war. Denn Wallner trug eine voluminöse Daunenjacke. Die trug er den ganzen Winter. Das heißt von Ende September bis Anfang Mai. Wallner litt an einem Leiden, das sonst zumeist den Frauen nachgesagt wird: Wallner fror. Ständig. Im Winter sowieso. Aber auch im Sommer. Wenn andere Männer nachts im Bier garten ihre Unverfrorenheit zur Schau stellten, wenn sie, als sei man in der Karibik, in T-Shirt oder dünnem Baumwollhemd unterm freien Sternenhimmel saßen, trug Wallner schon Strickjacke oder einen Wollpullover, von denen er eine große Auswahl besaß. Wallners größter Feind aber war der Luftzug. Nicht dass sich Wallner Sorgen um seine Gesundheit machte. Er fror einfach, wenn es zog. Andere Menschen waren oft erstaunlich unsensibel in der Hinsicht. Wallner hin gegen hatte die empfindlichsten Antennen für Luft, die nicht stillstehen wollte. Hier am See war die Luft still. Bei minus dreizehn Grad.
Auf einer Wiese am See stand ein Campingtisch im Schnee. Auf dem Tisch Pappbecher und Thermoskannen. Wallner kannte den Tisch. Die Kollegen vom K 3, der Abteilung für Spurensicherung, führten den mit. Eine Insel der Kaffee-und-Kuchen-Gemütlichkeit an traurigen Orten. Sogar ein Teller mit Plätzchen stand darauf. Wallner ging zum Tisch und zapfte sich einen Becher dampfenden Kaffee. Während er sich umsah, trank er in kleinen Schlucken. Der Becher wärmte die Finger. Wallner griff gerade nach einem Zimtstern, als ihm der Gedanke kam, dass der Zimtstern wahrscheinlich steinhart gefroren war. Aber da hatte er ihn bereits in der Hand. Er drückte den Stern ein bisschen zwischen den Fingern. Man hätte damit eine Windschutzscheibe einschmeißen können. Wallner überlegte, ob er den Zimtstern zurücklegen sollte, entschied dann aber, ihn in die Tasche seiner Daunenjacke zu stecken.
In einiger Entfernung sah er Tina und Lutz, die an der nackten Leiche einer jungen Frau arbeiteten. Die Leiche lag auf dem Eis. Daneben hatte man in einer großen durchsichtigen Plastiktüte etwas Goldenes verstaut. Wallner konnte nicht erkennen, was es war. Nur, dass es groß war. Eigenartig groß. Was sollte eine Wasserleiche so viel Gold bei sich haben? In diesem Augenblick fiel ein erster Sonnenstrahl auf das goldene Ding. Und es war, als ginge es in Flammen auf, so leuchtete es. Als habe einer ein Lagerfeuer auf dem gefrorenen See entfacht.
»Als Letzter kommen, nix arbeiten und den anderen an Kaffee wegsaufen. San doch immer die Gleichen.«
Wallner blickte in Mike Hankes übernächtigtes Gesicht, das gleichwohl spitzbübische Laune verstrahlte. Mike gluckste und freute sich wie ein Kind über den Spruch, den er schon Dutzende Male angebracht hatte. Wallner goss Mike einen Kaffee ein und reichte ihm den Becher.
»Hier. Tu was für dein Gesicht. Was sind denn das für Ringe um die Augen?«
»War gestern noch mit dem Kreuthner unterwegs.« Wallner war um die frühe Zeit noch nicht auf der Höhe seiner geistigen Beweglichkeit. Aber »Kreuthner« sagte ihm etwas.
»Hat der nicht die Leiche gefunden?«
»Hat er«, sagte Mike und nickte dabei, als mische dieser Umstand dem Fall besondere Tragik bei.
Mike berichtete, was vorgefallen war. Wie der Kreuthner vom Mautner in den Morgenstunden noch an den Spitzingsee gefahren war und dort unterm Eis die Leiche gesehen hatte. Er habe nicht lange gefackelt und die Kripo verständigt, weil ihm sofort klar ge wesen sei, dass da Fremdverschulden im Spiel war. Er habe sogar gewusst, dass Tina in dieser Nacht Bereitschaft hatte, und sie direkt zu Hause angerufen. Tina habe zunächst an eine Wichtigtuerei des Kreuthner geglaubt und dieser Vermutung mit ein paar derben Sätzen - man kenne Tina ja - bei ihrer Ankunft am Tatort Ausdruck verliehen, sich dann aber bei der Untersuchung der Leiche selber von der Angemessenheit der vom Kreuthner ergriffenen Maßnahmen überzeugen können. Soweit Mike mitbekommen hatte, war unter dem linken Rippenbogen eine große Einstichwunde - mitten ins Herz. Kreuthner habe nach der Entdeckung der Wunde Tina auf die bösen Verdächtigungen bei ihrer Ankunft angesprochen und gemeint, ob da nicht eine kleine Entschuldigung angebracht sei. Tina habe dem Kreuthner entgegnet, er solle sich lieber von ihrem Tatort verpissen, was der Stimmung nicht eben zuträglich gewesen sei. Das mit dem Tatort sei auch ungerecht gewesen, da Kreuthner tadel lose Vorkehrungen zu dessen Sicherung getroffen, vor allem für die Einrichtung eines Trampelpfades Sorge getragen habe. Aber die »Sackgesichter von der Feuerwehr«, wie Kreuthner sie genannt habe, hätten da überhaupt keinen Sinn dafür gehabt und alles kaputt getreten und Zigarettenkippen fallen lassen. Der Schaden halte sich freilich in Grenzen, weil für die Spurensicherung bei dem vielen Schnee ohnehin nicht viel zu holen sei.
»Was ist da passiert?«, fragte Wallner mit Blick auf die Leiche.
»Ich hab net die geringste Ahnung. Das Mädel ist etwa fünfzehn. Tina meint, sie hätt sie mal gesehen. Vielleicht an der Schule.«
Das rief Wallner in Erinnerung, dass Tina eine fünfzehnjährige Tochter hatte. Er sah Tina neben dem Gesicht des toten Mädchens knien. Sie hatte eine Hand der Toten in der ihren und suchte unter den Fingernägeln nach Hautpartikeln und anderen Fremdkörpern.
»Ist das gut, dass Tina die Leiche ...«
»Sie hat gesagt, es wär okay«, sagte Mike. Aber auch er hatte offenbar Zweifel, ob ausgerechnet Tina die Leiche untersuchen sollte.
Wallner verzichtete darauf, zu Tina zu gehen. In diesem Stadium hatte er unmittelbar am Tatort nichts verloren.
Das war jetzt das Reich der Spurensicherung. Lutz kam auf sie beide zu. Er hatte den Plastikbeutel dabei, aus dem es so golden schimmerte, und ließ ihn jetzt neben den Tisch plumpsen. Wallner versuchte zu erkennen, was darin war. Es sah aus wie Brokat.
»Schöne Scheiße«, begann Lutz das Gespräch.
»Ja, ziemlich jung, das Mädel«, meinte Wallner.
»Und schau dir mal den Tatort an. Das sind ja Vandalen.« Lutz meinte die Feuerwehr.
»Ist nicht so wild, wie's ausschaut. Die Leiche ist da ja nur aufgetaucht. Weiß jemand, wo sie in den See geworfen wurde?«
»Vom Ufer aus kann sie kaum dort hingetrieben worden sein. Wir haben mal das Bodenprofil vom See unter die Lupe genommen.« Mike zog eine gefaxte Karte des Spitzingsees hervor, auf der akribisch die Höhenlinien eingetragen waren. Er deutete auf ein Kreuz, das den Fundort der Leiche markierte. »Da hätte die irgendwann bergauf treiben müssen.«
Wallner warf einen flüchtigen Blick auf die Karte, nahm einen Schluck von dem Kaffee, der inzwischen nur noch handwarm war, und wandte sich an Lutz. »Wie lange ist sie da unten gelegen?«
»Schwer zu sagen. Bei dem kalten Wasser ist die Verwesung erheblich verlangsamt. Das müssen die in der Gerichtsmedizin klären. Ich sag mal so: Sie schaut ziemlich frisch aus.« »Wie lange ist der See schon zugefroren?«
Mike zuckte die Schultern. »Genau hat das hier keiner gewusst. Die vom Hotel sagen, dass sie schon Silvester auf dem Eis gewesen sind.«
Wallner ließ seinen Blick über den See schweifen. »Das heißt, die Leiche wurde vor Silvester in den See geworfen oder jemand hat ein Loch ins Eis gehackt, um sie zu versenken. Gibt's eine Vermisstenanzeige?«
Mike schüttelte den Kopf. »Nicht hier, nicht in Bayern. Die anderen Bundesländer checken wir gerade. Aber wahrscheinlich ist sie eh aus dem Landkreis. Tina hat gesagt ...« »Ja, hast du erzählt.« Wallner blinzelte in die auf gehende Sonne. »Irgendwas stimmt hier doch nicht. Eine Fünfzehnjährige, die Tage oder Wochen abgängig ist - das muss doch mal einer gemeldet haben.«
»Mei - es passieren die seltsamsten Sachen.«
Mit dieser Erklärung war Wallner nicht wirklich zufrieden. Aber im Augenblick fiel ihm auch nichts Besseres ein. Er nahm den Plastiksack und betrachtete den Inhalt. »Goldbrokat?«
»Ein goldenes Kleid. So eine Art Prinzessinnenkleid für den Fasching.«
»Das hatte die Tote an?«
»Ja.«
»Das kann nicht sein, dass sie nach einem Faschingsfest erstochen und in den See geworfen wurde? Mal ganz blöd gefragt.«
»Kaum«, meinte Lutz. »Unter so einem Kleid trägt man normalerweise Unterwäsche.«
»Du meinst, sie hatte nur das Kleid an?«
»Ja. Und sie ist in dem Kleid auch nicht erstochen worden. Es gibt keine Einstichstelle im Kleid.«
»Das heißt, der Mörder ...«
»... hat ihr das Kleid hinterher angezogen.«
Wallners Blick wanderte zu der Leiche des Mädchens. Er hatte schon den einen oder anderen Mord erlebt. Der Landkreis Miesbach war nicht die Bronx. Aber ein bisschen gemordet wurde immer. Wallner hatte auch brutalere Morde als diesen gesehen. Blutbäder mit verstümmelten Leichen. Aber die Gründe waren immer die gleichen: Eifersucht. Drogen. Habgier. In neun von zehn Fällen stand der Täter innerhalb einer Stunde fest, man musste ihn nur finden und festnehmen. Der Rest war irgendwie kalkulierbar. Das hier war anders. Der Mörder dieses Mädchens hatte keines der üblichen Motive. Er wollte durch die Machart des Verbrechens etwas mitteilen. Die Frage war: Was und wem?
Copyright © 2008 Knaur Verlag.
- Autor: Andreas Föhr
- 2011, 16. Aufl., 399 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426504855
- ISBN-13: 9783426504857
- Erscheinungsdatum: 12.09.2011

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5 Sterne
58 von 91 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Petra, 22.09.2009
Als Buch bewertetDieser Krimi ist einfach genial. Ein Buch, das man gar nicht mehr aus der Hand legen will. Die Personen wachsen einem schnell ans Herz, vor allem der Polizeiobermeister Kreuthner mit seinen eigenwilligen Ermittlungsmethoden. Raffinierte Story mit witzigen Dialogen, viel Liebe zum Detail und jeder Menge Spannung. Ein absolutes Lesevergnügen!
-
5 Sterne
49 von 89 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Barbara, 22.09.2009
Als Buch bewertetIch habe das Buch gestern bekommen und in einem Zug durchgelesen. Unglaublich spannend mit vielen liebenswerten Figuren! Eine echte Entdeckung! Ich bin begeistert! Wirklich zu empfehlen!
-
5 Sterne
32 von 55 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
I.O., 28.02.2013
Als Buch bewertetSuper spannend!!! Unbedingt lesen!
Dieses Buch ist hervorragend zu lesen,geht ermittlungstechnisch in die Tiefe der Arbeit bei der Kripo. Lustige Szenen fehlen auch nicht. Ich war begeistert. -
5 Sterne
53 von 101 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
U., 24.05.2014
Als eBook bewertetAbsolut lesenswert! Gut und auch spannend geschrieben. Auch die Charaktäre gefallen mir gut, werde mir auf jeden Fall weitere Bücher des Autors holen
-
5 Sterne
35 von 65 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
sabatayn76, 23.07.2010
Als Buch bewertetAndreas Föhr hat einen spannenden, authentischen und gut lesbaren Krimi geschrieben, der durchgehend fesselt und Spaß macht. Seine Protagonisten sind urig, sympathisch und allesamt Personen, die durch ihre Unperfektheit menschlich und glaubwürdig wirken. Gefallen hat mir auch, dass oft Dialekt gesprochen wird, und man dadurch das Gefühl hat, mit am Schauplatz in Oberbayern zu sein. Mein Resümee: Ein toller Krimi. Spannend, urige Protagonisten, oberbayerische Stimmung.
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