Flüsterkind
Dein Mann hat mich missbraucht | Ein Brief an meine Mutter
Mona war fünf, als sie zum ersten Mal von ihrem Stiefvater missbraucht wurde. Jahrelang erduldet sie das Martyrium. Heute, mit über 40 Jahren, schreibt sie einen Brief an ihre Mutter, die all die Jahre wegschaute.
Endlich erzählt sie ihr...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Flüsterkind “
Mona war fünf, als sie zum ersten Mal von ihrem Stiefvater missbraucht wurde. Jahrelang erduldet sie das Martyrium. Heute, mit über 40 Jahren, schreibt sie einen Brief an ihre Mutter, die all die Jahre wegschaute.
Endlich erzählt sie ihr all das, was sie damals nicht sagen durfte.
Klappentext zu „Flüsterkind “
Als sie fünf ist, wird Mona zum ersten Mal von ihrem Stiefvater missbraucht. Jahrelang fügt sie sich seinen Drohungen und erduldet ihr Martyrium in dem Glauben, dass ihr niemand helfen kann. Als sie es nicht mehr aushält, erzählt sie ihrer Mutter von den Dingen, die niemand wissen darf. Die jedoch schenkt ihr kein Gehör und verurteilt sie damit zu einem unentrinnbaren Kreislauf aus Leiden, Angst und Scham. Hilflos muss Mona mitanschauen, wie sich der brutale Stiefvater auch noch an ihrer kleinen Schwester vergeht.Erst dreißig Jahre später schreibt Mona einen Brief an ihre Mutter. Die wegschaute, die nichts wissen wollte, die den Missbrauch duldete. Endlich erzählt Mona ihr all das, was sie damals nicht sagen durfte. Mit beklemmender Eindringlichkeit konfrontiert sie ihre Mutter mit der schrecklichen Wahrheit. Doch mehr als um die Mutter geht es um Mona selbst: Wort für Wort befreit sie sich von ihrer Vergangenheit. Flüsterkind ist der ehrliche, schonungslose Bericht einer Betroffenen, der zeigt, dass es mehr als einen Schuldigen gibt, wenn es um Kindesmissbrauch geht: den Täter und diejenigen, die wegschauen und ihn gewähren lassen. Eine Tochter klagt ihre Mutter an: ein erschütterndes und mutiges Buch!
Als sie fünf ist, wird Mona zum ersten Mal von ihrem Stiefvater missbraucht. Jahrelang fügt sie sich seinen Drohungen und erduldet ihr Martyrium in dem Glauben, dass ihr niemand helfen kann. Als sie es nicht mehr aushält, erzählt sie ihrer Mutter von den Dingen, die niemand wissen darf. Die jedoch schenkt ihr kein Gehör und verurteilt sie damit zu einem unentrinnbaren Kreislauf aus Leiden, Angst und Scham. Hilflos muss Mona mitanschauen, wie sich der brutale Stiefvater auch noch an ihrer kleinen Schwester vergeht.
Erst dreißig Jahre später schreibt Mona einen Brief an ihre Mutter. Die wegschaute, die nichts wissen wollte, die den Missbrauch duldete. Endlich erzählt Mona ihr all das, was sie damals nicht sagen durfte. Mit beklemmender Eindringlichkeit konfrontiert sie ihre Mutter mit der schrecklichen Wahrheit. Doch mehr als um die Mutter geht es um Mona selbst: Wort für Wort befreit sie sich von ihrer Vergangenheit.
Flüsterkind ist der ehrliche, schonungslose Bericht einer Betroffenen, der zeigt, dass es mehr als einen Schuldigen gibt, wenn es um Kindesmissbrauch geht: den Täter und diejenigen, die wegschauen und ihn gewähren lassen.
Eine Tochter klagt ihre Mutter an: ein erschütterndes und mutiges Buch!
Erst dreißig Jahre später schreibt Mona einen Brief an ihre Mutter. Die wegschaute, die nichts wissen wollte, die den Missbrauch duldete. Endlich erzählt Mona ihr all das, was sie damals nicht sagen durfte. Mit beklemmender Eindringlichkeit konfrontiert sie ihre Mutter mit der schrecklichen Wahrheit. Doch mehr als um die Mutter geht es um Mona selbst: Wort für Wort befreit sie sich von ihrer Vergangenheit.
Flüsterkind ist der ehrliche, schonungslose Bericht einer Betroffenen, der zeigt, dass es mehr als einen Schuldigen gibt, wenn es um Kindesmissbrauch geht: den Täter und diejenigen, die wegschauen und ihn gewähren lassen.
Eine Tochter klagt ihre Mutter an: ein erschütterndes und mutiges Buch!
Lese-Probe zu „Flüsterkind “
Flüsterkind von Mona Michaelsen Irma, es widerstrebt mir, Dich Irma zu nennen. Es widerstrebt mir aber noch mehr, Dich Mama zu nennen. Irgendeine Anrede muss ich aber benutzen, sonst fühlst Du Dich am Ende gar nicht angesprochen.
Ich weiß, Du wunderst Dich, nach so vielen Jahren von mir zu hören. Egal, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist, ich kann mir ganz genau vorstellen, was für ein Gesicht Du jetzt machst. Ich weiß sogar ziemlich genau, was Du gesagt hast, als Du dieses Schreiben in die Hand bekommen hast: »Hmm…was will die denn von mir?«
Ich sag’s Dir, Irma, endlich aufräumen will ich. Mit meiner Vergangenheit.
Ausschlaggebend dafür war ein Radiomoderator. Er hat vor ein paar Tagen die allerscheußlichsten Schmalzlieder aller Zeiten präsentiert. Und auf einem der vorderen Plätze, weißt Du, wer da rangierte? Der gute alte Hein Simons, früher hieß er Heintje.
Heidschi Bumbeidschi.
... mehr
Während der Zeit, die das Lied dauerte, war ich nicht mehr vierundvierzig Jahre alt, ich war wieder fünf. Ich habe hier in meiner Küche gestanden, habe mich nicht bewegt, habe vielleicht auch nicht geatmet. Ich stand einfach da und machte diese Zeitreise zurück in meine Kindheit.
Spätestens jetzt, schätze ich, weißt Du, auf was ich hinauswill. Diese Zeitreise hat mir mit einem gewaltigen Schlag klargemacht, dass ich mein Trauma, meine Leiden, meine Angst und meine Albträume niemals bewältigen werde, wenn ich nicht endlich, endlich anfange, die Spinnweben der Vergangenheit zu zerreißen. Wenn ich nicht versuche, wenigstens ein klein wenig Ordnung in das Chaos meines Ichs zu bringen, wenn ich nicht endlich den Mut aufbringe, mein von Euch verbogenes Rückgrat zu straffen und mich so aufrecht wie möglich hinzustellen.
Therapien haben nichts gebracht, Verdrängung funktioniert nur zeitweise. Es ist völlig gleichgültig, wie alt ich werde, es wird immer Momente geben, in denen ich mich plötzlich in meiner Kindheit wiederfinde. Es wird mich mein ganzes Leben lang begleiten.
Ich werde es nie vergessen.
Und ich werde es nie verzeihen.
Wie könnte ich auch vergessen, was er mir angetan hat?
Wie könnte ich auch verzeihen, dass Du es ihm erlaubt hast?
Sexueller Kindesmissbrauch, Irma.
Lass Dir das auf der Zunge zergehen.
Angst. Verzweiflung. Hilflosigkeit. Scham. Einsamkeit.
Lass diese Worte in feuerroten Buchstaben vor Deinem geistigen Auge erscheinen.
Heute muss man darüber nicht mehr schweigen, um nicht etwa Schande über die Familie zu bringen, um nicht auszusprechen, was nicht ausgesprochen werden darf. Heute gibt es Organisationen, die den Missbrauch bekämpfen, die versuchen, den Opfern zu helfen. Heute gibt es Internetforen, in denen sich die Opfer treffen und sprechen können über das, was sie nie vergessen werden. Und, oh Gott, wir sind so viele!
Menschen wie uns, Kinder wie uns wird es immer geben, aber vielleicht, ganz vielleicht wird sich in Zukunft der ein oder andere pädophile Mistkerl ganz genau überlegen, was er einem Kind antut. Heute werden solche Verbrecher an die Öffentlichkeit gezerrt, heute wird ihre Gier nach Kinderfleisch in den Medien breitgetreten, ihre Fotos werden im Fernsehen gezeigt und im Radio wird vermeldet, dass der Polizei wieder so ein Verbrecher ins Netz gegangen ist.
Die Welt steht auf der Seite der Kinder und das ist richtig so! Heute dürfen Leute wie ich darüber reden. Und mich wird davon nichts abhalten! Ich werde reden und Dir all das erzählen, was Du so detailliert nie hast wissen wollen. Was Du nie, auch nicht in späteren Jahren, hinterfragt hast und was Du abgeblockt hast, wann immer ich die Sprache darauf gebracht habe. Ich werde kein Blatt vor den Mund nehmen und die Dinge beim Namen nennen, und es wird mir nicht leidtun, Dich zu schockieren. Ich werde Dir haarklein all das erzählen, was Dein Mann, mein Stiefvater, mir angetan hat. Ich werde Dich, wenigstens durch meine Erinnerungen, teilhaben lassen an dem Elend, an der Scheiße, an der Kindheit, die keine war. Ich bin vierundvierzig Jahre alt, und ich bin seit fast vierzig Jahren erwachsen. Mein Kindsein war vorbei, als der Missbrauch begann.
Jetzt, ob Du willst oder nicht, wirst Du das alles erfahren. Und Du, Irma, wirst das alles lesen, Wort für Wort, bis zum Ende. Hin und wieder wirst Du sicher in Versuchung geraten, meinen Brief einfach zu zerreißen, besonders, wenn Du Dinge über Dich selbst liest, die Du nur allzu gern vergessen hast und die Dir nicht sonderlich gefallen. Aber ich weiß, es wird bei der Versuchung bleiben. Ich baue auf Deine Neugier.
Du wirst Dich vielleicht fragen, warum Du es bist, die diesen Brief bekommt, und nicht Deine Müllhaufenratte von Mann, denn schließlich war er es ja, der mir das alles angetan hat. Die Antwort ist einfach: Er kennt die Details. Ihm muss ich nicht erzählen, was er getan hat. Er weiß es.
Und obwohl Du die Einzelheiten (noch) nicht kennst, bist Du in meinen Augen genauso schlimm wie er! Du hast jahrelang von meinem und dem Elend meiner Schwester gewusst, Du hast immer gewusst, dass alles wahr ist, was ich Dir erzählt habe. Und Du hast nichts unternommen, um dem ein Ende zu setzen und uns zu beschützen.
So, ich schlage vor, Du lässt Dir jetzt von Antje oder von Deiner Enkelin Irma III. eine Schachtel Zigaretten und ein paar Pralinen bringen und machst es Dir bequem, das hier wird nämlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Am besten legst Du auch gleich ein paar Deiner Pillen zurecht: die fürs Herz, die für den Blutdruck und wegen der Pralinen auch gleich die für Deinen Blutzucker. Und dann lehne Dich zurück und lies. 2
Heidschi Bumbeidschi hat mich, wie gesagt, ohne jede Vorwarnung in meine Kindheit zurückkatapultiert. Ich war ganz plötzlich wieder in der Wohnküche des Hauses, das die Leute gemeinhin das Armenhaus nannten. Du erinnerst Dich, ein paar Schritte aus der Haustür nach rechts und man stand auf dem Friedhof. Ganz früher hat mir die unmittelbare Nähe all der Gräber nichts ausgemacht, ich war es gewohnt. Später bekam ich Albträume von frisch ausgehobenen Gruben und Leichenzügen.
Aber um ehrlich zu sein, war und ist meine Kindheit ein noch viel schlimmerer Albtraum. Ich hatte gedacht, dass das irgendwann aufhören würde, dass ich aufwachen würde, erwachsen wäre und alles wäre gut. Aber das Einzige, was irgendwann aufhörte, waren die tatsächlichen Übergriffe. Die Angst davor, die Panik, die ständige Unruhe und sogar die Erwartung Er kommt gleich! sind mir in meinen Träumen bis heute geblieben.3
Ich war fünf, als Dein Kretin von Mann anfing, mich zu streicheln. Nicht meine Hand oder meinen Kopf, sondern meinen Rücken, meinen Bauch, dann an den Oberschenkeln und schließlich zwischen den Beinen und unter meiner Unterhose. Er tat das, während Du im selben Raum warst! Sehen konntest Du es nicht. Der Küchentisch, der vor dem Sofa stand, hat das, was seine Hand unter meinem Schlüpfer tat, gut verborgen.
Jeden Abend nach dem Essen musste ich zu ihm auf den Schoß und ihm was erzählen oder vorsingen, während seine Hand stetig von den Knien bis zu meiner Unterhose hinaufwanderte. Kannst Du Dir vorstellen, wie unangenehm mir diese Berührungen waren? Einerseits kamen sie mir nicht richtig vor, ich mochte sie nicht, habe mich geschämt. Andererseits konnte es ja aber nichts Schlimmes sein, denn er tat es, während alle dabei waren. Du warst da, Antje und Klein-Irma, Ulla lag schlafend auf der anderen Seite des Sofas.
Weißt Du noch, was Du gesagt hast, als ich nicht mehr bei ihm, sondern lieber bei Dir sitzen wollte? Warum ich so bockig sei, hast Du gefragt. Und dann gemeint, ich solle lieber froh sein, einen so guten Papa zu haben, der sich so um mich kümmert. Also musste ich weiter auf seinen Schoß und singen, während er an mir herumfingerte. Lange Zeit ging das so: Ich sang, er fummelte.
Jetzt weiß ich natürlich, dass ich spätestens zu dem Zeitpunkt ein Riesengeschrei hätte veranstalten müssen. Vielleicht wäre mir einiges erspart geblieben, hätte ich den Mut gehabt, aufzustehen und zu sagen: »Ich will nicht, dass du deine Hand in meine Unterhose steckst!«
Warum ich es nicht gesagt habe? Nun ja, ich war fünf, ich wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, und ich hatte gelernt, dass Erwachsene, besonders Mama und Papa, immer recht haben und keine Fehler machen, und erst recht wusste ich, dass Ungehorsam und dumme Fragen bestraft werden.
Spätestens jetzt, schätze ich, weißt Du, auf was ich hinauswill. Diese Zeitreise hat mir mit einem gewaltigen Schlag klargemacht, dass ich mein Trauma, meine Leiden, meine Angst und meine Albträume niemals bewältigen werde, wenn ich nicht endlich, endlich anfange, die Spinnweben der Vergangenheit zu zerreißen. Wenn ich nicht versuche, wenigstens ein klein wenig Ordnung in das Chaos meines Ichs zu bringen, wenn ich nicht endlich den Mut aufbringe, mein von Euch verbogenes Rückgrat zu straffen und mich so aufrecht wie möglich hinzustellen.
Therapien haben nichts gebracht, Verdrängung funktioniert nur zeitweise. Es ist völlig gleichgültig, wie alt ich werde, es wird immer Momente geben, in denen ich mich plötzlich in meiner Kindheit wiederfinde. Es wird mich mein ganzes Leben lang begleiten.
Ich werde es nie vergessen.
Und ich werde es nie verzeihen.
Wie könnte ich auch vergessen, was er mir angetan hat?
Wie könnte ich auch verzeihen, dass Du es ihm erlaubt hast?
Sexueller Kindesmissbrauch, Irma.
Lass Dir das auf der Zunge zergehen.
Angst. Verzweiflung. Hilflosigkeit. Scham. Einsamkeit.
Lass diese Worte in feuerroten Buchstaben vor Deinem geistigen Auge erscheinen.
Heute muss man darüber nicht mehr schweigen, um nicht etwa Schande über die Familie zu bringen, um nicht auszusprechen, was nicht ausgesprochen werden darf. Heute gibt es Organisationen, die den Missbrauch bekämpfen, die versuchen, den Opfern zu helfen. Heute gibt es Internetforen, in denen sich die Opfer treffen und sprechen können über das, was sie nie vergessen werden. Und, oh Gott, wir sind so viele!
Menschen wie uns, Kinder wie uns wird es immer geben, aber vielleicht, ganz vielleicht wird sich in Zukunft der ein oder andere pädophile Mistkerl ganz genau überlegen, was er einem Kind antut. Heute werden solche Verbrecher an die Öffentlichkeit gezerrt, heute wird ihre Gier nach Kinderfleisch in den Medien breitgetreten, ihre Fotos werden im Fernsehen gezeigt und im Radio wird vermeldet, dass der Polizei wieder so ein Verbrecher ins Netz gegangen ist.
Die Welt steht auf der Seite der Kinder und das ist richtig so! Heute dürfen Leute wie ich darüber reden. Und mich wird davon nichts abhalten! Ich werde reden und Dir all das erzählen, was Du so detailliert nie hast wissen wollen. Was Du nie, auch nicht in späteren Jahren, hinterfragt hast und was Du abgeblockt hast, wann immer ich die Sprache darauf gebracht habe. Ich werde kein Blatt vor den Mund nehmen und die Dinge beim Namen nennen, und es wird mir nicht leidtun, Dich zu schockieren. Ich werde Dir haarklein all das erzählen, was Dein Mann, mein Stiefvater, mir angetan hat. Ich werde Dich, wenigstens durch meine Erinnerungen, teilhaben lassen an dem Elend, an der Scheiße, an der Kindheit, die keine war. Ich bin vierundvierzig Jahre alt, und ich bin seit fast vierzig Jahren erwachsen. Mein Kindsein war vorbei, als der Missbrauch begann.
Jetzt, ob Du willst oder nicht, wirst Du das alles erfahren. Und Du, Irma, wirst das alles lesen, Wort für Wort, bis zum Ende. Hin und wieder wirst Du sicher in Versuchung geraten, meinen Brief einfach zu zerreißen, besonders, wenn Du Dinge über Dich selbst liest, die Du nur allzu gern vergessen hast und die Dir nicht sonderlich gefallen. Aber ich weiß, es wird bei der Versuchung bleiben. Ich baue auf Deine Neugier.
Du wirst Dich vielleicht fragen, warum Du es bist, die diesen Brief bekommt, und nicht Deine Müllhaufenratte von Mann, denn schließlich war er es ja, der mir das alles angetan hat. Die Antwort ist einfach: Er kennt die Details. Ihm muss ich nicht erzählen, was er getan hat. Er weiß es.
Und obwohl Du die Einzelheiten (noch) nicht kennst, bist Du in meinen Augen genauso schlimm wie er! Du hast jahrelang von meinem und dem Elend meiner Schwester gewusst, Du hast immer gewusst, dass alles wahr ist, was ich Dir erzählt habe. Und Du hast nichts unternommen, um dem ein Ende zu setzen und uns zu beschützen.
So, ich schlage vor, Du lässt Dir jetzt von Antje oder von Deiner Enkelin Irma III. eine Schachtel Zigaretten und ein paar Pralinen bringen und machst es Dir bequem, das hier wird nämlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Am besten legst Du auch gleich ein paar Deiner Pillen zurecht: die fürs Herz, die für den Blutdruck und wegen der Pralinen auch gleich die für Deinen Blutzucker. Und dann lehne Dich zurück und lies. 2
Heidschi Bumbeidschi hat mich, wie gesagt, ohne jede Vorwarnung in meine Kindheit zurückkatapultiert. Ich war ganz plötzlich wieder in der Wohnküche des Hauses, das die Leute gemeinhin das Armenhaus nannten. Du erinnerst Dich, ein paar Schritte aus der Haustür nach rechts und man stand auf dem Friedhof. Ganz früher hat mir die unmittelbare Nähe all der Gräber nichts ausgemacht, ich war es gewohnt. Später bekam ich Albträume von frisch ausgehobenen Gruben und Leichenzügen.
Aber um ehrlich zu sein, war und ist meine Kindheit ein noch viel schlimmerer Albtraum. Ich hatte gedacht, dass das irgendwann aufhören würde, dass ich aufwachen würde, erwachsen wäre und alles wäre gut. Aber das Einzige, was irgendwann aufhörte, waren die tatsächlichen Übergriffe. Die Angst davor, die Panik, die ständige Unruhe und sogar die Erwartung Er kommt gleich! sind mir in meinen Träumen bis heute geblieben.3
Ich war fünf, als Dein Kretin von Mann anfing, mich zu streicheln. Nicht meine Hand oder meinen Kopf, sondern meinen Rücken, meinen Bauch, dann an den Oberschenkeln und schließlich zwischen den Beinen und unter meiner Unterhose. Er tat das, während Du im selben Raum warst! Sehen konntest Du es nicht. Der Küchentisch, der vor dem Sofa stand, hat das, was seine Hand unter meinem Schlüpfer tat, gut verborgen.
Jeden Abend nach dem Essen musste ich zu ihm auf den Schoß und ihm was erzählen oder vorsingen, während seine Hand stetig von den Knien bis zu meiner Unterhose hinaufwanderte. Kannst Du Dir vorstellen, wie unangenehm mir diese Berührungen waren? Einerseits kamen sie mir nicht richtig vor, ich mochte sie nicht, habe mich geschämt. Andererseits konnte es ja aber nichts Schlimmes sein, denn er tat es, während alle dabei waren. Du warst da, Antje und Klein-Irma, Ulla lag schlafend auf der anderen Seite des Sofas.
Weißt Du noch, was Du gesagt hast, als ich nicht mehr bei ihm, sondern lieber bei Dir sitzen wollte? Warum ich so bockig sei, hast Du gefragt. Und dann gemeint, ich solle lieber froh sein, einen so guten Papa zu haben, der sich so um mich kümmert. Also musste ich weiter auf seinen Schoß und singen, während er an mir herumfingerte. Lange Zeit ging das so: Ich sang, er fummelte.
Jetzt weiß ich natürlich, dass ich spätestens zu dem Zeitpunkt ein Riesengeschrei hätte veranstalten müssen. Vielleicht wäre mir einiges erspart geblieben, hätte ich den Mut gehabt, aufzustehen und zu sagen: »Ich will nicht, dass du deine Hand in meine Unterhose steckst!«
Warum ich es nicht gesagt habe? Nun ja, ich war fünf, ich wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, und ich hatte gelernt, dass Erwachsene, besonders Mama und Papa, immer recht haben und keine Fehler machen, und erst recht wusste ich, dass Ungehorsam und dumme Fragen bestraft werden.
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Autoren-Porträt von Mona Michaelsen
Mona Michaelsen wurde 1964 in Niedersachsen geboren und wuchs dort in ländlicher Umgebung auf. Sie heiratete und bekam zwei Söhne, die inzwischen erwachsen sind. Nach der Scheidung lernte sie ihren jetzigen Mann kennen, mit dem sie heute in einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein lebt. Sie ist ausgebildete Seminarleiterin und Pädagogin für Entspannungsverfahren.
Bibliographische Angaben
- Autor: Mona Michaelsen
- 2010, 288 Seiten, Maße: 12,6 x 19,1 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf
- ISBN-10: 3896029517
- ISBN-13: 9783896029515
- Erscheinungsdatum: 02.03.2010
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