Homer & ich
Wie mir ein blindes Kätzchen die Freude am Leben zurückgab
Rührend, beglückend, entzückend, wunderbar.
In Gwens Leben passt gerade irgendwie gar nichts. Sie hat einen mies bezahlten Job und dazu noch eine gescheiterte Beziehung. Doch da begegnet ihr Homer, ein wenige Wochen...
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Produktinformationen zu „Homer & ich “
Rührend, beglückend, entzückend, wunderbar.
In Gwens Leben passt gerade irgendwie gar nichts. Sie hat einen mies bezahlten Job und dazu noch eine gescheiterte Beziehung. Doch da begegnet ihr Homer, ein wenige Wochen altes, blindes Kätzchen. Und Gwen ist hin und weg vor Liebe. Obwohl sie schon zwei Katzen hat, darf Homer mit zu ihr nach Hause. Und er entpuppt sich schnell als kleiner frecher, aber treuer und dankbarer Kater. Von ihm kann Gwen viel lernen. Und er schenkt ihr in der dunklen Zeit neue Hoffnung und Freude - und versöhnt sie sogar wieder mit der Liebe.
"Homer und ich wird sie vor Freude in die Luft springen lassen."
RITA MAE BROWN
Lese-Probe zu „Homer & ich “
Homer & ich von Gwen CooperPROLOG: DIE KATZE, DIE LEBTE
Singe mir, o Muse, die Taten des klugen, weit gereisten Mannes ...
Homer, Odyssee
... mehr
Wenn ich am Ende eines Tages nach Hause komme, folgt immer die gleiche Routine.
Das Kling! des Aufzugs ist für empfi ndliche Ohren der erste Hinweis darauf, dass meine Ankunft bevorsteht, und wenn mein Schlüssel ins Schloss triff t, höre ich an der ersten Seite der Tür leise Pfoten. Ich habe mir angewöhnt, alle Türen - auch die im Haus anderer Leute - so vorsichtig zu öff nen, dass kein pelziger Tunichtgut hinauspurzeln kann. Aber ich brauche gar nicht erst den Boden abzusuchen, denn schon nach wenigen Sekunden haben die Pfoten den Weg von der Tür zu meinen Beinen zurückgelegt, und ein kleiner schwarzer Kater bemüht sich nach Kräften, an mir hinaufzukriechen, als wäre ich ein Baumstamm.
Damit weder meine Kleider noch die Haut darunter zu Schaden kommt - seine Krallen sind klein, aber sehr griffi g -, gehe ich in die Hocke und rufe fröhlich: »Hallo, Homer-Bär!« (Diesen Spitznamen habe ich ihm gegeben, als er ein winziges Katzenkind war und einen glänzend-schwarzen Pelz hatte wie ein Grizzly.) Für Homer ist das die Auff orderung, auf meine Knie zu springen, die Vorderpfoten auf meine Schultern zu legen, die Nase an meiner Nase zu reiben, dabei laut zu schnurren, und eine Reihe kurzer, abgehackter Miaus von sich zu geben, die dem Jaulen eines Hündchens verblüff end ähnlich sind. »He, Kleiner«, sage ich und kraule ihn hinter den Ohren. Das löst bei Homer wahre Wogen des Entzückens aus, und da er jetzt mit bloßem Nasenkontakt nicht mehr zufrieden ist, presst er sein Gesicht an meine Stirn und lässt es hinunter zu meiner Wange und zurück gleiten.
Eine Hocke in den Stöckelschuhen, die ich trage (ich bin nur 155 Zentimeter groß, aber nicht bereit, als kleine Person durchs Leben zu laufen) ist schmerzhafter, als es klingt. Also hebe ich Homer hoch und setze ihn wieder auf den Boden. Dann stehe ich auf und betrete endlich das Apartment, das ich mit meinem Mann Laurence teile. Schlüssel, Mantel und Einkäufe sind schnell verstaut. Wenn man mit drei Katzen lebt, lernt man, Fellknäuel an den öff entlich getragenen Kleidern zu vermeiden, indem man gleich nach der Ankunft saloppe Sachen anzieht. Darum gehe ich ins Schlafzimmer und ziehe mich rasch um.
Ein pelziger Schatten folgt mir durch die Wohnung und hüpft unterwegs auf sämtliche Möbel. Homer springt mühelos vom Boden aus auf einen Stuhl, vom Stuhl auf den Esstisch und zurück auf den Boden, wie ein rasender Q*bert. Wenn ich aus dem Wohn-/Essbereich in den Flur gehe, sitzt Homer auf einem Beistelltisch. Dann hüpft er wagemutig quer durch den Gang auf das dritte Brett des Bücherregals, wo er sich einen prekären Augenblick lang zusammenkauert, bis ich vorbei bin. Dann ist er wieder auf dem Boden und saust vor mir her, wobei er gelegentlich vor Begeisterung mit einer der beiden anderen Katzen zusammenprallt, ehe er die Tür zum Schlafzimmer erreicht. Dort hält er jedes Mal an genau der gleichen Stelle inne, legt eine fast nicht bemerkbare, kurze Pause ein und rennt dann mit einer scharfen Linkskurve ins Zimmer, als wolle er ein großes L zeichnen. Er springt aufs Bett, denn er weiß, dass ich mich darauf niederlasse, um die Schuhe auszuziehen. Er krabbelt auf meinen Schoß, um noch einmal zu schnurren und sein Gesicht an meinem zu reiben.
Diese Routine ist jeden Tag die gleiche. Was sich ändert, ist die Art der genauen Inspektion der Wohnung nach dem Umziehen. Homer hat viele verschiedene Hobbys, und man weiß nie, mit welchen neuen Projekten er sich von Woche zu Woche beschäftigt. Eine Zeit lang wollte er anscheinend einen Weltrekord aufstellen und an einem einzigen Tag möglichst viele Sachen vom Kaff eetisch werfen. Laurence und ich sind beide schreibend tätig, darum liegen die üblichen Utensilien - Kulis, Notizblöcke und Notizzettel - zwischen Zeitschriften, Taschenbüchern, Papiertaschentüchern, Ticketabschnitten, Sonnenbrillen, Zündholzheftchen, Fernbedienungen, Pfeff erminzdrops und Speisekarten auf dem Tisch. Eines Tages kamen wir nach Hause und fanden unseren Kaff eetisch total leergefegt vor - alles lag verstreut auf dem Fußboden, der aussah wie eine Leinwand von Jackson Pol-lock. Wir legten die Sachen an ihren rechtmäßigen Platz zurück (nicht ohne etwas verschämt ein wenig aufzuräumen). So ging es mehrere Wochen lang weiter. Wir wussten nicht, welche Katze das dafür verantwortliche Phantom war, bis ich eines Abends nach Hause kam und Homer auf frischer Tat ertappte, bebend vor Stolz auf seine Leistung und ohne schlechtes Gewissen.
»Vielleicht mag er keine Unordnung«, sagte ich zu Laurence. »Es stört ihn wohl, dass alles an einem anderen Platz liegt, wann immer er auf den Tisch springt.«
Laurence neigt weniger als ich dazu, die verborgenen Motive unserer Haustiere zu erforschen. »Ich glaube, der Katze gefällt es einfach, Sachen vom Tisch zu schubsen«, erwiderte er.
Wir haben auch gelernt, die Gleittüre an den Schränken abzuschließen. Für einen kleinen Kater ist es anscheinend leichter, als man meinen möchte, sich mit seinem ganzen Körpergewicht an eine Jeans zu hängen (der Stoff ist schön robust und eignet sich gut zum Klettern), dann in ein Fach zu hüpfen, in dem Schachteln mit alten Fotos oder eingepackten Geburtstags- und Festtagsgeschenken stehen (die angenehm knistern, wenn man sie mit den Krallen aufreißt) und weiche Kleider gestapelt sind. In Abfalleimer - egal, wie hoch sie sind - kann man hineinspringen, oder man kann sie umkippen. Mit Seilen umwickelte Kratzbäume lassen sich vollständig schälen, wenn man hartnäckig ist. Bücherregale kann man erklimmen und dann Bücher von den höchsten Brettern hinunterwerfen. Das Gleiche gilt für gestapelte Platten, CDs und DVDs. Wenn eine junge Katze genügend Fantasie hat, sind ihren Possen und kleinen Missetaten an einem durchschnittlichen Werktag keine Grenzen gesetzt. Ich habe von Homer die wertvolle Lektion gelernt, wie wichtig es ist, seine Zeit mit sinnvollen Projekten auszufüllen.
Neulich hat Homer gelernt, die Toilette zu benutzen. Warum er im Alter von zwölf Jahren plötzlich beschlossen hat, seinem Repertoire diesen Trick hinzuzufügen, weiß ich nicht. Ich habe von Katzen gehört, die von ihren Besitzern dressiert wurden, die Toilette anstelle des Katzenklos zu benutzen, aber ich habe noch nie von einer Katze gehört, die diese Fertigkeit von selbst erlernt hat.
Es war Zufall, dass ich diese neueste Heldentat bemerkte. Ich wachte früh am Morgen auf und taumelte ins Badezimmer. Als ich das Licht anknipste, sah ich, dass das Bad ... schon besetzt war. Homer balancierte an der Kante der Toilettenschüssel.
»Oh, tut mir leid«, sagte ich automatisch, noch im Halbschlaf. Erst als ich hinausging und die Tür sorgfältig hinter mir schloss, dachte ich: Moment mal ...
»Unsere Katze ist ein Genie!«, schwärmte ich später.
»Erst ist ein Genie, wenn er selbst spülen lernt«, erwiderte Laurence.
Es stimmt: Die Kunst des Spülens beherrscht Homer noch nicht. Darum habe ich die Kontrolle der Toilette der mentalen Checkliste hinzugefügt, die ich abhake, wenn ich abends nach Hause komme und die Wohnung nach umgeworfenen Bilderrahmen, neugierig geöff neten Schränken und auf dem Boden herumliegenden Nippsachen absuche.
Da ich nie genau weiß, was mich erwartet, wenn ich durch die Tür gehe - und weil Homer für Uneingeweihte ein verblüffender Anblick ist -, versuche ich, Gäste vorzubereiten, wenn sie zum ersten Mal kommen. Seit ich Laurence geheiratet habe und nicht mehr mit anderen Männern ausgehe, muss ich das nicht mehr so oft tun, zumal ich allmählich ein Alter erreiche, in dem neue Freundschaften seltener werden.
Dennoch erinnere ich mich daran, dass ich es einmal versäumte, einen neuen Freund vor seinem ersten Besuch aufzuklären. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich ihn am Ende des Abends in meine Wohnung einladen würde. Und als die Entscheidung fiel, fürchtete ich, ein Gespräch über Katzen würde die romantische Stimmung trüben.
Damals liebte Homer es sehr, mit Tampons zu spielen. Nachdem er zufällig welche gefunden hatte, war er davon fasziniert, sie herumzurollen, und auch der Faden am Ende gefi el ihm. Er mochte sie so sehr, dass er herausfand, wo ich sie im Schrank unter dem Waschbecken aufbewahrte. Mit unermüdlicher Geduld und Präzision gelang es ihm, die Schranktür zu öff nen und die Tamponschachtel zu plündern.
Als ich mit meinem Freund hereinkam, lief Homer zur Tür, um mich zu begrüßen - und an seinem Mund hing ein Tampon. Der weiße Zellstoff hob sich auff allend von seinem schwarzen Pelz ab. Es war ein lebendiges, demütigendes Relief. Eine Weile tollte er vergnügt und triumphierend herum, dann rannte er prompt zu mir und hockte sich erwartungsvoll vor mich hin. Dem Tampon hielt er zwischen den Kiefern wie ein Hund einen Knochen.
Meine Verabredung sah verdutzt aus, um es vorsichtig zu formulieren. »Was zum ... ist das ein ... « Er stotterte einen Augenblick, dann brachte er endlich den Satz heraus: »Ist deiner Katze etwas passiert?«
Ich kauerte mich hin, Homer kletterte glücklich auf meinen Schoß und ließ den stibitzten Tampon vor meine Füße fallen. »Es geht ihm gut«, antwortete ich. »Er hat keine Augen, das ist alles.«
Das schien meinem Freund den Atem zu verschlagen. »Keine Augen?«, fragte er.
»Na ja, er wurde mit Augen geboren«, erklärte ich. »Aber man musste sie entfernen, als er ein kleines Kätzchen war.«
Man schätzt, dass es in rund 38 Millionen amerikanischen Haushalten etwa 90 Millionen Katzen gibt. Insofern ist Homer in gewisser Hinsicht typisch. Er frisst, schläft, schubst Papierknäuel herum und ist so unternehmungslustig, dass ich höchstens jedes zweite Missgeschick verhindern kann. Wie jede Katze weiß er genau, was er mag und was er nicht mag. Glück bedeutet für Homer, Thunfisch frisch aus der Dose zu vertilgen, auf alles zu klettern, was sein Gewicht trägt, mit gespieltem Grimm seine beiden arglosen (und viel, viel größeren) Schwestern zu boxen und im Sonnenlicht zu schlummern, das kurz vor Sonnenuntergang ins Wohnzimmer fällt. Unglücklich ist er, wenn er als Letzter einen Logenplatz neben Mama auf dem Sofa ergattert, wenn sein Katzenklo nicht tadellos sauber ist und wenn er wieder einmal nicht auf unseren Balkon darf (blinde Katze, große Höhe - es ist eine einfache Rechnung). Außerdem hasst er das Wort Nein.
In meiner Fantasie ist Homer überlebensgroß, und ich stelle mir seine Geschichte oft als Epos vor. Er ist die Katze, die lebte - ein verwaister, halb verhungerter Streuner, der eine Krankheit überstand, die so ernst war, dass sie ihm im Alter von zwei Wochen das Augenlicht raubte, und das niemand haben wollte, als feststand, dass er durchkommen würde. Er ist Daredevil, der berühmte Held der Marvel-Comics, der sein Sehvermögen bei einem Unfall verlor, als er einen Blinden rettete, wonach seine anderen Sinne eine übermenschliche Schärfe entwickelten. Wie bei Daredevil grenzt Homers Gehör ans Übernatürliche, ebenso sein Geruchssinn und seine Fähigkeit, alle Hindernisse in einem unbekannten Raum, den er nur einmal durchquert hat, zu erinnern und zu überwinden. Er ist ein Kater, der ein winziges Stück Thunfisch aus drei Zimmern Entfernung riechen, gut anderthalb Meter aus dem Stand hochspringen und eine summende Fliege in der Luft fangen kann. Jeder Sprung von einer Stuhllehne oder von einem Tisch ist Vertrauenssache und gleicht einem Sprung in den Abgrund. Jede Jagd nach einem Ball im Flur setzt großen Mut voraus. Jeder Vorhang, auf den er klettert, jede freundliche Begrüßung einer unbekannten Person, jeder Schritt nach vorn ohne Führung, hinein in die dunkle Leere seiner Umwelt, ist ein Wunder an Tapferkeit. Er hat keinen Blindenhund, keinen Stock, keine Sprache, in der man ihn aufmuntern oder ihm Form und Natur der vor ihm liegenden Hürden erklären könnte. Meine anderen Katzen können aus dem Fenster schauen, darum kennen sie die Grenzen ihrer Welt. Aber Homers Welt ist grenzenlos und letztlich unerkennbar. Jeder Raum, in dem er sich befi ndet, enthält alles, was ist, und ist daher unendlich. Obwohl er mit Zeit und Raum nur eine äußerst flüchtige Beziehung hat, transzendiert er beide.
Anfangs kam Homer zu mir, weil ihn niemand sonst haben wollte. Darum bin ich immer wieder erstaunt darüber, wie fasziniert die Leute sind - sogar jene, die sich nicht sonderlich für Katzen interessieren -, wenn sie ihm begegnen oder auch nur von ihm hören. Niemand bringt ein Gespräch so schnell in Gang wie er. Das hatte ich nicht erwartet, als ich ihn aufnahm. 90 Millionen Katzen im Land - das sind mindestens 90 Millionen Katzengeschichten. Aber - auf die Gefahr hin, unerträglich voreingenommen zu klingen - mir ist noch keine Katze begegnet, die so einzigartig ist wie Homer. Mindestens einmal in der Woche, in jeder Woche der vergangenen zwölf Jahre, tut er etwas, was mich amüsiert, wütend macht oder einfach verblüff t - und am erstaunlichsten ist er, wenn ich ihn wieder einmal mit den Augen eines anderen betrachte, als wäre er neu für mich.
Ach, wie traurig!, ist oft das Erste, was die Leute sagen, wenn sie hören, dass Homers Augen entfernt wurden, als er zwei Wochen alt war. Meist erwidere ich dann: »Zeig mir einen Kater auf der Welt, der glücklicher und ausgelassener ist - ich gebe dir 100 Dollar, wenn ich ihn nur einmal kurz anschauen kann.« Wie bewegt er sich?, fragen dann viele. »Mit den Beinen«, sage ich, »wie jede andere Katze auch.«
Manchmal, wenn er besonders ausgelassen spielt, höre ich einen dumpfen Ton, weil er mit dem Köpfchen an eine Wand gestoßen ist oder an ein Tischbein, das er vergessen hat. Das bringt mich immer zum Lachen, und gleichzeitig spüre ich den vertrauten Schmerz in meinem Herzen. Ich lache, weil jeder, der eine Katze beim fröhlichen Spiel, beim Runterfallen vom Sofa oder beim Zusammenstoß mit einer geschlossenen Glastür beobachtet hat, einfach kichern muss. Und mein Herz bricht, weil, wenn man Homer in der besten aller möglichen Welten eine Woche früher gefunden hätte, seine Infektion dann vielleicht schwer gewesen wäre, ihn aber nicht die Augen gekostet hätte.
Doch natürlich wäre Homer in dieser perfekten Welt mit großer Wahrscheinlichkeit nie in mein Leben getreten.
Mein Lieblingsmoment während der Feierlichkeiten zum Passahfest - es erinnert daran, dass Gott die Israeliten und Moses aus der ägyptischen Knechtschaft befreite und ins Gelobte Land führte - ist immer das Dajenu, ein fröhliches Lied, das laut gesungen wird, begleitet von Händeklatschen und Stampfen. Dajenu bedeutet auf Hebräisch »es hätte genügt«. Das Lied berichtet von den Wundern, die Gott für die Israeliten bewirkte, und von denen jedes Einzelne »genügt hätte«: Wenn er uns aus Ägypten geführt und den Ägyptern keine Plagen auferlegt hätte, dajenu! Wenn er ihnen Plagen gesandt, aber das Rote Meer nicht vor uns geteilt hätte, dajenu! Wenn er für uns das Meer geteilt, uns aber 40 Jahre lang in der Wüste versorgt hätte, dajenu!
Und so weiter.
Nach zwölf gemeinsamen Jahren mit Homer habe ich mein eigenes Dajenu gedichtet. Hätte Homer es nur geschaff t, länger als zwei Wochen zu leben, es hätte genügt. Hätte er nur gelernt, seinen Futternapf und sein Katzenklo allein zu finden, es hätte genügt. Wenn er nur gelernt hätte, in unserer Wohnung ohne Führung von einem Zimmer ins andere zu gehen, es hätte genügt. Wenn er nur gelernt hätte, zu laufen, zu hüpfen, zu spielen und furchtlos all das zu tun, was er ersten Prophezeiungen nach nie hätte tun können, es wäre genug gewesen. Hätte er mich nur dazu gebracht, mehr als ein Jahrzehnt lang jeden Tag laut zu lachen, es hätte genügt.
Und wenn er nichts weiter getan hätte, als eine der treuesten, liebevollsten und tapfersten Quellen der Freude und Inspiration zu werden, die ich je gekannt habe ... nun ja, das wäre mehr als genug gewesen.
Wenn kein vernünftiger Mensch in einer scheinbar hoff - nungslosen Situation irgendetwas Gutes erwarten kann und dann trotzdem alles Gute geschieht, sprechen wir von Wundern. Nur wenige von uns haben das Glück, solche Wunder im Alltag zu erleben.
Darum ist dieses Buch für Menschen bestimmt, die so sind wie ich, aber auch für jene, die nicht mehr an alltägliche Wunder und Helden glauben können. Ich habe es für Menschen geschrieben, die Katzen lieben, und für solche, die sich für überzeugte Katzenfeinde halten, für jene, die glauben, normal und ideal seien dasselbe, und für alle, die wissen, dass wir unser ganzes Leben bereichern können, wenn wir bisweilen einen kleinen Schritt von der Mitte weg tun, aus der Normalität heraus.
Ihnen allen stelle ich hiermit Homer, die Wunderkatze, vor.
Dajenu!
Wenn ich am Ende eines Tages nach Hause komme, folgt immer die gleiche Routine.
Das Kling! des Aufzugs ist für empfi ndliche Ohren der erste Hinweis darauf, dass meine Ankunft bevorsteht, und wenn mein Schlüssel ins Schloss triff t, höre ich an der ersten Seite der Tür leise Pfoten. Ich habe mir angewöhnt, alle Türen - auch die im Haus anderer Leute - so vorsichtig zu öff nen, dass kein pelziger Tunichtgut hinauspurzeln kann. Aber ich brauche gar nicht erst den Boden abzusuchen, denn schon nach wenigen Sekunden haben die Pfoten den Weg von der Tür zu meinen Beinen zurückgelegt, und ein kleiner schwarzer Kater bemüht sich nach Kräften, an mir hinaufzukriechen, als wäre ich ein Baumstamm.
Damit weder meine Kleider noch die Haut darunter zu Schaden kommt - seine Krallen sind klein, aber sehr griffi g -, gehe ich in die Hocke und rufe fröhlich: »Hallo, Homer-Bär!« (Diesen Spitznamen habe ich ihm gegeben, als er ein winziges Katzenkind war und einen glänzend-schwarzen Pelz hatte wie ein Grizzly.) Für Homer ist das die Auff orderung, auf meine Knie zu springen, die Vorderpfoten auf meine Schultern zu legen, die Nase an meiner Nase zu reiben, dabei laut zu schnurren, und eine Reihe kurzer, abgehackter Miaus von sich zu geben, die dem Jaulen eines Hündchens verblüff end ähnlich sind. »He, Kleiner«, sage ich und kraule ihn hinter den Ohren. Das löst bei Homer wahre Wogen des Entzückens aus, und da er jetzt mit bloßem Nasenkontakt nicht mehr zufrieden ist, presst er sein Gesicht an meine Stirn und lässt es hinunter zu meiner Wange und zurück gleiten.
Eine Hocke in den Stöckelschuhen, die ich trage (ich bin nur 155 Zentimeter groß, aber nicht bereit, als kleine Person durchs Leben zu laufen) ist schmerzhafter, als es klingt. Also hebe ich Homer hoch und setze ihn wieder auf den Boden. Dann stehe ich auf und betrete endlich das Apartment, das ich mit meinem Mann Laurence teile. Schlüssel, Mantel und Einkäufe sind schnell verstaut. Wenn man mit drei Katzen lebt, lernt man, Fellknäuel an den öff entlich getragenen Kleidern zu vermeiden, indem man gleich nach der Ankunft saloppe Sachen anzieht. Darum gehe ich ins Schlafzimmer und ziehe mich rasch um.
Ein pelziger Schatten folgt mir durch die Wohnung und hüpft unterwegs auf sämtliche Möbel. Homer springt mühelos vom Boden aus auf einen Stuhl, vom Stuhl auf den Esstisch und zurück auf den Boden, wie ein rasender Q*bert. Wenn ich aus dem Wohn-/Essbereich in den Flur gehe, sitzt Homer auf einem Beistelltisch. Dann hüpft er wagemutig quer durch den Gang auf das dritte Brett des Bücherregals, wo er sich einen prekären Augenblick lang zusammenkauert, bis ich vorbei bin. Dann ist er wieder auf dem Boden und saust vor mir her, wobei er gelegentlich vor Begeisterung mit einer der beiden anderen Katzen zusammenprallt, ehe er die Tür zum Schlafzimmer erreicht. Dort hält er jedes Mal an genau der gleichen Stelle inne, legt eine fast nicht bemerkbare, kurze Pause ein und rennt dann mit einer scharfen Linkskurve ins Zimmer, als wolle er ein großes L zeichnen. Er springt aufs Bett, denn er weiß, dass ich mich darauf niederlasse, um die Schuhe auszuziehen. Er krabbelt auf meinen Schoß, um noch einmal zu schnurren und sein Gesicht an meinem zu reiben.
Diese Routine ist jeden Tag die gleiche. Was sich ändert, ist die Art der genauen Inspektion der Wohnung nach dem Umziehen. Homer hat viele verschiedene Hobbys, und man weiß nie, mit welchen neuen Projekten er sich von Woche zu Woche beschäftigt. Eine Zeit lang wollte er anscheinend einen Weltrekord aufstellen und an einem einzigen Tag möglichst viele Sachen vom Kaff eetisch werfen. Laurence und ich sind beide schreibend tätig, darum liegen die üblichen Utensilien - Kulis, Notizblöcke und Notizzettel - zwischen Zeitschriften, Taschenbüchern, Papiertaschentüchern, Ticketabschnitten, Sonnenbrillen, Zündholzheftchen, Fernbedienungen, Pfeff erminzdrops und Speisekarten auf dem Tisch. Eines Tages kamen wir nach Hause und fanden unseren Kaff eetisch total leergefegt vor - alles lag verstreut auf dem Fußboden, der aussah wie eine Leinwand von Jackson Pol-lock. Wir legten die Sachen an ihren rechtmäßigen Platz zurück (nicht ohne etwas verschämt ein wenig aufzuräumen). So ging es mehrere Wochen lang weiter. Wir wussten nicht, welche Katze das dafür verantwortliche Phantom war, bis ich eines Abends nach Hause kam und Homer auf frischer Tat ertappte, bebend vor Stolz auf seine Leistung und ohne schlechtes Gewissen.
»Vielleicht mag er keine Unordnung«, sagte ich zu Laurence. »Es stört ihn wohl, dass alles an einem anderen Platz liegt, wann immer er auf den Tisch springt.«
Laurence neigt weniger als ich dazu, die verborgenen Motive unserer Haustiere zu erforschen. »Ich glaube, der Katze gefällt es einfach, Sachen vom Tisch zu schubsen«, erwiderte er.
Wir haben auch gelernt, die Gleittüre an den Schränken abzuschließen. Für einen kleinen Kater ist es anscheinend leichter, als man meinen möchte, sich mit seinem ganzen Körpergewicht an eine Jeans zu hängen (der Stoff ist schön robust und eignet sich gut zum Klettern), dann in ein Fach zu hüpfen, in dem Schachteln mit alten Fotos oder eingepackten Geburtstags- und Festtagsgeschenken stehen (die angenehm knistern, wenn man sie mit den Krallen aufreißt) und weiche Kleider gestapelt sind. In Abfalleimer - egal, wie hoch sie sind - kann man hineinspringen, oder man kann sie umkippen. Mit Seilen umwickelte Kratzbäume lassen sich vollständig schälen, wenn man hartnäckig ist. Bücherregale kann man erklimmen und dann Bücher von den höchsten Brettern hinunterwerfen. Das Gleiche gilt für gestapelte Platten, CDs und DVDs. Wenn eine junge Katze genügend Fantasie hat, sind ihren Possen und kleinen Missetaten an einem durchschnittlichen Werktag keine Grenzen gesetzt. Ich habe von Homer die wertvolle Lektion gelernt, wie wichtig es ist, seine Zeit mit sinnvollen Projekten auszufüllen.
Neulich hat Homer gelernt, die Toilette zu benutzen. Warum er im Alter von zwölf Jahren plötzlich beschlossen hat, seinem Repertoire diesen Trick hinzuzufügen, weiß ich nicht. Ich habe von Katzen gehört, die von ihren Besitzern dressiert wurden, die Toilette anstelle des Katzenklos zu benutzen, aber ich habe noch nie von einer Katze gehört, die diese Fertigkeit von selbst erlernt hat.
Es war Zufall, dass ich diese neueste Heldentat bemerkte. Ich wachte früh am Morgen auf und taumelte ins Badezimmer. Als ich das Licht anknipste, sah ich, dass das Bad ... schon besetzt war. Homer balancierte an der Kante der Toilettenschüssel.
»Oh, tut mir leid«, sagte ich automatisch, noch im Halbschlaf. Erst als ich hinausging und die Tür sorgfältig hinter mir schloss, dachte ich: Moment mal ...
»Unsere Katze ist ein Genie!«, schwärmte ich später.
»Erst ist ein Genie, wenn er selbst spülen lernt«, erwiderte Laurence.
Es stimmt: Die Kunst des Spülens beherrscht Homer noch nicht. Darum habe ich die Kontrolle der Toilette der mentalen Checkliste hinzugefügt, die ich abhake, wenn ich abends nach Hause komme und die Wohnung nach umgeworfenen Bilderrahmen, neugierig geöff neten Schränken und auf dem Boden herumliegenden Nippsachen absuche.
Da ich nie genau weiß, was mich erwartet, wenn ich durch die Tür gehe - und weil Homer für Uneingeweihte ein verblüffender Anblick ist -, versuche ich, Gäste vorzubereiten, wenn sie zum ersten Mal kommen. Seit ich Laurence geheiratet habe und nicht mehr mit anderen Männern ausgehe, muss ich das nicht mehr so oft tun, zumal ich allmählich ein Alter erreiche, in dem neue Freundschaften seltener werden.
Dennoch erinnere ich mich daran, dass ich es einmal versäumte, einen neuen Freund vor seinem ersten Besuch aufzuklären. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich ihn am Ende des Abends in meine Wohnung einladen würde. Und als die Entscheidung fiel, fürchtete ich, ein Gespräch über Katzen würde die romantische Stimmung trüben.
Damals liebte Homer es sehr, mit Tampons zu spielen. Nachdem er zufällig welche gefunden hatte, war er davon fasziniert, sie herumzurollen, und auch der Faden am Ende gefi el ihm. Er mochte sie so sehr, dass er herausfand, wo ich sie im Schrank unter dem Waschbecken aufbewahrte. Mit unermüdlicher Geduld und Präzision gelang es ihm, die Schranktür zu öff nen und die Tamponschachtel zu plündern.
Als ich mit meinem Freund hereinkam, lief Homer zur Tür, um mich zu begrüßen - und an seinem Mund hing ein Tampon. Der weiße Zellstoff hob sich auff allend von seinem schwarzen Pelz ab. Es war ein lebendiges, demütigendes Relief. Eine Weile tollte er vergnügt und triumphierend herum, dann rannte er prompt zu mir und hockte sich erwartungsvoll vor mich hin. Dem Tampon hielt er zwischen den Kiefern wie ein Hund einen Knochen.
Meine Verabredung sah verdutzt aus, um es vorsichtig zu formulieren. »Was zum ... ist das ein ... « Er stotterte einen Augenblick, dann brachte er endlich den Satz heraus: »Ist deiner Katze etwas passiert?«
Ich kauerte mich hin, Homer kletterte glücklich auf meinen Schoß und ließ den stibitzten Tampon vor meine Füße fallen. »Es geht ihm gut«, antwortete ich. »Er hat keine Augen, das ist alles.«
Das schien meinem Freund den Atem zu verschlagen. »Keine Augen?«, fragte er.
»Na ja, er wurde mit Augen geboren«, erklärte ich. »Aber man musste sie entfernen, als er ein kleines Kätzchen war.«
Man schätzt, dass es in rund 38 Millionen amerikanischen Haushalten etwa 90 Millionen Katzen gibt. Insofern ist Homer in gewisser Hinsicht typisch. Er frisst, schläft, schubst Papierknäuel herum und ist so unternehmungslustig, dass ich höchstens jedes zweite Missgeschick verhindern kann. Wie jede Katze weiß er genau, was er mag und was er nicht mag. Glück bedeutet für Homer, Thunfisch frisch aus der Dose zu vertilgen, auf alles zu klettern, was sein Gewicht trägt, mit gespieltem Grimm seine beiden arglosen (und viel, viel größeren) Schwestern zu boxen und im Sonnenlicht zu schlummern, das kurz vor Sonnenuntergang ins Wohnzimmer fällt. Unglücklich ist er, wenn er als Letzter einen Logenplatz neben Mama auf dem Sofa ergattert, wenn sein Katzenklo nicht tadellos sauber ist und wenn er wieder einmal nicht auf unseren Balkon darf (blinde Katze, große Höhe - es ist eine einfache Rechnung). Außerdem hasst er das Wort Nein.
In meiner Fantasie ist Homer überlebensgroß, und ich stelle mir seine Geschichte oft als Epos vor. Er ist die Katze, die lebte - ein verwaister, halb verhungerter Streuner, der eine Krankheit überstand, die so ernst war, dass sie ihm im Alter von zwei Wochen das Augenlicht raubte, und das niemand haben wollte, als feststand, dass er durchkommen würde. Er ist Daredevil, der berühmte Held der Marvel-Comics, der sein Sehvermögen bei einem Unfall verlor, als er einen Blinden rettete, wonach seine anderen Sinne eine übermenschliche Schärfe entwickelten. Wie bei Daredevil grenzt Homers Gehör ans Übernatürliche, ebenso sein Geruchssinn und seine Fähigkeit, alle Hindernisse in einem unbekannten Raum, den er nur einmal durchquert hat, zu erinnern und zu überwinden. Er ist ein Kater, der ein winziges Stück Thunfisch aus drei Zimmern Entfernung riechen, gut anderthalb Meter aus dem Stand hochspringen und eine summende Fliege in der Luft fangen kann. Jeder Sprung von einer Stuhllehne oder von einem Tisch ist Vertrauenssache und gleicht einem Sprung in den Abgrund. Jede Jagd nach einem Ball im Flur setzt großen Mut voraus. Jeder Vorhang, auf den er klettert, jede freundliche Begrüßung einer unbekannten Person, jeder Schritt nach vorn ohne Führung, hinein in die dunkle Leere seiner Umwelt, ist ein Wunder an Tapferkeit. Er hat keinen Blindenhund, keinen Stock, keine Sprache, in der man ihn aufmuntern oder ihm Form und Natur der vor ihm liegenden Hürden erklären könnte. Meine anderen Katzen können aus dem Fenster schauen, darum kennen sie die Grenzen ihrer Welt. Aber Homers Welt ist grenzenlos und letztlich unerkennbar. Jeder Raum, in dem er sich befi ndet, enthält alles, was ist, und ist daher unendlich. Obwohl er mit Zeit und Raum nur eine äußerst flüchtige Beziehung hat, transzendiert er beide.
Anfangs kam Homer zu mir, weil ihn niemand sonst haben wollte. Darum bin ich immer wieder erstaunt darüber, wie fasziniert die Leute sind - sogar jene, die sich nicht sonderlich für Katzen interessieren -, wenn sie ihm begegnen oder auch nur von ihm hören. Niemand bringt ein Gespräch so schnell in Gang wie er. Das hatte ich nicht erwartet, als ich ihn aufnahm. 90 Millionen Katzen im Land - das sind mindestens 90 Millionen Katzengeschichten. Aber - auf die Gefahr hin, unerträglich voreingenommen zu klingen - mir ist noch keine Katze begegnet, die so einzigartig ist wie Homer. Mindestens einmal in der Woche, in jeder Woche der vergangenen zwölf Jahre, tut er etwas, was mich amüsiert, wütend macht oder einfach verblüff t - und am erstaunlichsten ist er, wenn ich ihn wieder einmal mit den Augen eines anderen betrachte, als wäre er neu für mich.
Ach, wie traurig!, ist oft das Erste, was die Leute sagen, wenn sie hören, dass Homers Augen entfernt wurden, als er zwei Wochen alt war. Meist erwidere ich dann: »Zeig mir einen Kater auf der Welt, der glücklicher und ausgelassener ist - ich gebe dir 100 Dollar, wenn ich ihn nur einmal kurz anschauen kann.« Wie bewegt er sich?, fragen dann viele. »Mit den Beinen«, sage ich, »wie jede andere Katze auch.«
Manchmal, wenn er besonders ausgelassen spielt, höre ich einen dumpfen Ton, weil er mit dem Köpfchen an eine Wand gestoßen ist oder an ein Tischbein, das er vergessen hat. Das bringt mich immer zum Lachen, und gleichzeitig spüre ich den vertrauten Schmerz in meinem Herzen. Ich lache, weil jeder, der eine Katze beim fröhlichen Spiel, beim Runterfallen vom Sofa oder beim Zusammenstoß mit einer geschlossenen Glastür beobachtet hat, einfach kichern muss. Und mein Herz bricht, weil, wenn man Homer in der besten aller möglichen Welten eine Woche früher gefunden hätte, seine Infektion dann vielleicht schwer gewesen wäre, ihn aber nicht die Augen gekostet hätte.
Doch natürlich wäre Homer in dieser perfekten Welt mit großer Wahrscheinlichkeit nie in mein Leben getreten.
Mein Lieblingsmoment während der Feierlichkeiten zum Passahfest - es erinnert daran, dass Gott die Israeliten und Moses aus der ägyptischen Knechtschaft befreite und ins Gelobte Land führte - ist immer das Dajenu, ein fröhliches Lied, das laut gesungen wird, begleitet von Händeklatschen und Stampfen. Dajenu bedeutet auf Hebräisch »es hätte genügt«. Das Lied berichtet von den Wundern, die Gott für die Israeliten bewirkte, und von denen jedes Einzelne »genügt hätte«: Wenn er uns aus Ägypten geführt und den Ägyptern keine Plagen auferlegt hätte, dajenu! Wenn er ihnen Plagen gesandt, aber das Rote Meer nicht vor uns geteilt hätte, dajenu! Wenn er für uns das Meer geteilt, uns aber 40 Jahre lang in der Wüste versorgt hätte, dajenu!
Und so weiter.
Nach zwölf gemeinsamen Jahren mit Homer habe ich mein eigenes Dajenu gedichtet. Hätte Homer es nur geschaff t, länger als zwei Wochen zu leben, es hätte genügt. Hätte er nur gelernt, seinen Futternapf und sein Katzenklo allein zu finden, es hätte genügt. Wenn er nur gelernt hätte, in unserer Wohnung ohne Führung von einem Zimmer ins andere zu gehen, es hätte genügt. Wenn er nur gelernt hätte, zu laufen, zu hüpfen, zu spielen und furchtlos all das zu tun, was er ersten Prophezeiungen nach nie hätte tun können, es wäre genug gewesen. Hätte er mich nur dazu gebracht, mehr als ein Jahrzehnt lang jeden Tag laut zu lachen, es hätte genügt.
Und wenn er nichts weiter getan hätte, als eine der treuesten, liebevollsten und tapfersten Quellen der Freude und Inspiration zu werden, die ich je gekannt habe ... nun ja, das wäre mehr als genug gewesen.
Wenn kein vernünftiger Mensch in einer scheinbar hoff - nungslosen Situation irgendetwas Gutes erwarten kann und dann trotzdem alles Gute geschieht, sprechen wir von Wundern. Nur wenige von uns haben das Glück, solche Wunder im Alltag zu erleben.
Darum ist dieses Buch für Menschen bestimmt, die so sind wie ich, aber auch für jene, die nicht mehr an alltägliche Wunder und Helden glauben können. Ich habe es für Menschen geschrieben, die Katzen lieben, und für solche, die sich für überzeugte Katzenfeinde halten, für jene, die glauben, normal und ideal seien dasselbe, und für alle, die wissen, dass wir unser ganzes Leben bereichern können, wenn wir bisweilen einen kleinen Schritt von der Mitte weg tun, aus der Normalität heraus.
Ihnen allen stelle ich hiermit Homer, die Wunderkatze, vor.
Dajenu!
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Autoren-Porträt von Gwen Cooper
Gwen Cooper ist bereits Autorin eines Romans. Die in Miami geborene Cooper arbeitete fünf Jahre lang für eine Non-Profit-Organisation. Gwen lebt heute in Manhattan zusammen mit ihrem Ehemann und ihren drei perfekten Katzen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gwen Cooper
- 2011, 1, 334 Seiten, Maße: 13,3 x 19,1 cm, Flex. Einband
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868006532
- ISBN-13: 9783868006537
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