Ich und die Menschen
Roman. Deutsche Erstausgabe
Andrew Martin, Professor für Mathematik in Cambridge, wird aufgegriffen, als er nackt eine Autobahn entlangwandert. Andrew ist nicht mehr er selbst, denn ein Wesen mit überragender Intelligenz hat von ihm Besitz ergriffen. Und der neue Andrew mag...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ich und die Menschen “
Andrew Martin, Professor für Mathematik in Cambridge, wird aufgegriffen, als er nackt eine Autobahn entlangwandert. Andrew ist nicht mehr er selbst, denn ein Wesen mit überragender Intelligenz hat von ihm Besitz ergriffen. Und der neue Andrew mag die Menschen eigentlich nicht.
Ein brillanter, witziger, emotionaler Roman über die alltäglichen und die ganz großen Dinge im Leben - kurz gesagt, über das Menschsein!
Ein brillanter, witziger, emotionaler Roman über die alltäglichen und die ganz großen Dinge im Leben - kurz gesagt, über das Menschsein!
Klappentext zu „Ich und die Menschen “
In einer regnerischen Freitagnacht wird Andrew Martin, Professor für Mathematik in Cambridge, aufgegriffen, als er nackt eine Autobahn entlangwandert. Professor Martin ist nicht mehr er selbst. Ein Wesen mit überlegener Intelligenz und von einem weit entfernten Stern hat von ihm Besitz ergriffen. Dieser neue Andrew ist nicht begeistert von seiner neuen Existenz. Er hat eine denkbar negative Meinung von den Menschen. Jeder weiß schließlich, dass sie zu Egoismus, übermäßigem Ehrgeiz und Gewalttätigkeit neigen. Doch andererseits: Kann eine Lebensform, die Dinge wie Weißwein und Erdnussbutter erfunden hat, wirklich grundschlecht und böse sein? Und was sind das für seltsame Gefühle, die ihn überkommen, wenn er Debussy hört oder Isobel, der Frau des Professors, in die Augen blickt?
Lese-Probe zu „Ich und die Menschen “
Ich und die Menschen von Matt Haig Vorwort zur terrestrischen Ausgabe
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Hallo, Mensch. Wie geht es dir?
Du siehst gut aus. Ja, wirklich, trotz der Nase.
Anscheinend möchtest du wissen, was für ein Buch du vor dir hast, bevor du zu lesen anfängst. Das ist sehr vernünftig. Wenn ich früher unser Pendant zu euren Buchhandlungen besuchte, war es kein Problem für mich, mir vierzig Bücher - vielmehr Wortkapseln - pro Minute zu Gemüte zu führen.
Versuch dir das vorzustellen. Stell dir vor, du könntest in einen Bonbonladen spazieren und statt Lakritz und sauren Drops Sturmhöhe und Krieg der Welten kaufen, sie in den Mund stecken und wärst noch im selben Moment bereichert.
Bücher aber musst du lesen. Und das dauert. Ich konnte es kaum glauben, als ich neu hier war und begriff, dass ihr euch hinsetzen und jedes einzelne Wort, eins nach dem anderen, lesen müsst. Sogar ich brauchte für ein langes Buch - so etwas wie Krieg und Frieden oder Philosophie des Abendlandes oder Don Quijote - volle zwanzig Minuten. Zusammen eine Stunde, die ich nie zurückbekommen werde. Eine Stunde!
Verständlicherweise also willst du wissen, was für ein Buch du vor dir hast, denn Zeit ist Geld, und Geld kostet Zeit, und was du heute kannst kaufen und die ganzen Sprüche. Du willst wissen, ob es eine Liebesgeschichte ist. Oder ein Krimi. Oder eine Geschichte über Aliens. Oder vielleicht eine Kriegsgeschichte, verwunderlich wäre das ja nicht.
Es gibt noch andere Fragen. Zum Beispiel, ist dies eins der Bücher, die du liest, um dich intelligent zu fühlen, oder eins von denen, die du heimlich liest, damit keiner an deiner Intelligenz zweifelt? Wird es dich zum Lachen oder zum Weinen bringen? Oder nur dazu, aus dem Fenster zu starren und den Lauf der Regentropfen zu verfolgen? Ist es eine wahre Geschichte? Oder eine falsche? Ist es eine Geschichte, die aufs Gehirn zielt oder eher auf die unteren Regionen? Ist es eins der Bücher, die religiöse Anhänger mobilisieren, oder eins von denen, die von ihnen verbrannt werden? Ist es ein Buch über Mathematik oder liegt diese ihm nur - wie allem anderen im Universum - zugrunde? Und natürlich die letzte, wichtigste Frage: Kommt ein Hund darin vor?
Ja, es gibt viele Fragen. Und noch mehr Bücher. Du hast mein aufrichtiges Mitgefühl.
Ihr Menschen habt auf eure typisch menschliche Art viel zu viele Bücher geschrieben, als dass einer von euch sie je alle lesen könnte. Und so landet das Lesen auf dem großen Haufen der Dinge - zusammen mit Arbeit, Liebe, sexueller Leistungsfähigkeit, Fernsehgewohnheiten, Online-Profil, Sport, Kindererziehung, gesunder Ernährung, den Worten, die man nicht gesagt hat, als man sie hätte sagen sollen -, die den Menschen ein schlechtes Gewissen machen.
Aus diesem Grund willst du dich vorher informieren. So wie du bei einem Vorstellungsgespräch gern erfahren möchtest, ob der Job, für den du dich bewirbst, dich mit neunundfünfzig Jahren in den Wahnsinn treiben und dazu bringen wird, aus dem Bürofenster zu springen. Oder ob der Mensch, der bei eurer ersten Verabredung so witzig von seinem Jahr in Kambodscha erzählt, dich eines Tages wegen einer Jüngeren namens Francesca sitzen lassen wird, die ihre eigene PR-Firma hat und Sachen wie »kafkaesk« sagt, ohne je Kafka gelesen zu haben.
Du willst wissen, ob du lieber Alles zerfällt von Chinua Achebe oder Jenseits des Horizonts von Danielle Steel lesen solltest.
»Hätte ich nur nicht«, willst du später nicht sagen müssen, »dreihundert Sekunden meines Lebens an dieses verdammte Buch verschwendet.«
Es kann schon sein, dass du das sagen wirst. Ja. Durchaus. Vor allem, falls ich dir nicht verrate, was dies für ein Buch ist, hier an der Stelle, wo es gesagt werden müsste, gleich am Anfang.
Na gut.
Hol tief Luft.
Also, zweibeinige Lebensform von mittelmäßiger Intelligenz, ich werde es dir sagen.
Dieses Buch, das Buch, das du in Händen hältst, spielt genau hier, auf der Erde. Es handelt vom Sinn des Lebens und von überhaupt nichts. Es handelt davon, was passieren muss, damit man auf die Ewigkeit verzichtet und sich der Sterblichkeit überlässt. Es handelt von Liebe und toten Dichtern und Erdnussbutter mit ganzen Nüssen. Es handelt von Materie und Antimaterie, von allem und nichts, von Hoffnung und Hass. Es handelt von einer 41-jährigen Historikerin namens Isobel und ihrem 15-jährigen Sohn Gulliver und dem klügsten Mathematiker der Welt.
Es handelt davon, wie man ein Mensch wird.
Kurz gesagt, in diesem Buch geht es um dich. Um all das Katastrophale, Sterbliche, Wunderbare, das dich ausmacht.
Es besteht aus Wörtern, vielen, vielen Wörtern. Zweiundsiebzigtausendneunhundertfünfzig davon.
Und keine Sorge, ein Hund kommt auch darin vor.
Vorwort
(Eine unlogische Hoffnung trotz erdrückender Widrigkeiten)
Liebe Vonnadorianer,
ich weiß, mancher von euch ist überzeugt, die Menschen seien ein Mythos, doch ich kann bezeugen, dass es sie wirklich gibt. Für die, die es nicht wissen sollten: Menschen sind eine reale, zweibeinige Lebensform von mittelmäßiger Intelligenz, die von Illusionen geprägt auf einem kleinen, wasserreichen Planeten in einer sehr einsamen Ecke des Universums existiert.
Für die anderen unter euch und die, die mich geschickt haben: In vielerlei Hinsicht sind die Menschen genauso seltsam, wie wir erwartet haben. Auf jeden Fall trifft es zu, dass der erste Anblick ihrer körperlichen Gestalt verstörend wirkt.
Ihre Gesichter bestehen aus einer Reihe von hässlichen Auswüchsen. Ein weit ausladendes zentrales Riechorgan, dünnhäutige Lippen, primitive externe Hörorgane, die sich »Ohren« nennen, winzige Augen und unfassbar überflüssige Augenbrauen. Die mentale Verarbeitung und Akzeptanz dieser Eigentümlichkeiten nimmt nicht wenig Zeit in Anspruch.
Auch das Verhalten und die soziale Interaktion der Menschen sind zunächst mehr als rätselhaft. Selten sprechen sie über die Themen, die sie tatsächlich interessieren. Und ich könnte siebenundneunzig Bücher über körperliche Scham und Kleidungsetikette schreiben, bevor ihr auch nur ansatzweise begreifen würdet, worum es geht.
Ach, nicht zu vergessen: Die Dinge, die sie tun, um glücklich zu werden, sind in Wirklichkeit oft Dinge, die sie unglücklich machen. Die Liste ist unendlich. Dazu gehören: Shopping, Fernsehen, beruflicher Aufstieg, der Umzug in größere Behausungen, das Verfassen semiautobiographischer Romane, Kindererziehung, Hautpflege mit angeblich verjüngenden Produkten und der vage Wille zu glauben, hinter allem stecke letztendlich doch irgendein Sinn.
Ja, diese Dinge sind amüsant, wenn auch auf etwas schmerzhafte Art. Doch ich habe auf der Erde auch die menschliche Dichtung entdeckt. Mit Abstand die Beste unter ihren Dichtern (eine Frau namens Emily Dickinson) hat einmal gesagt: »Ich lebe in der Möglichkeit.« Gönnen wir uns also den Spaß und tun es ihr nach. Öffnen wir unseren Geist weit, denn um zu verstehen, was ihr hier lesen werdet, müsst ihr alle Vorurteile beiseiteschieben, die ihr vielleicht hegt.
Versuchen wir uns einmal vorzustellen: Was, wenn es wirklich einen Sinn im Leben der Menschen gäbe? Und - nur mal theoretisch - was, wenn das Leben auf der Erde nicht nur lächerlich und aggressiv wäre, sondern auch etwas Kostbares? Was dann?
Manche von euch wissen inzwischen vielleicht, was ich getan habe, aber keiner von euch kennt den Grund dafür. Dieses Dokument, diese Einführung, dieser Reisebericht - nennt es, wie ihr wollt - soll Aufklärung bringen. Ich bitte euch, dieses Buch mit völliger Unvoreingenommenheit zu lesen und für euch selbst zu entscheiden, was der wahre Wert des menschlichen Lebens ist.
Friede im All.
TEIL I Ich nahm die Kraft in meine Hand
Der Mann, der ich nicht war
Also.
Um mit dem Offensichtlichen zu beginnen: Ich war kein Mensch. In jener ersten Nacht - in der Kälte, der Dunkelheit und dem Wind - war ich weit davon entfernt, ein Mensch zu sein. Und bevor ich an der Tankstelle die Cosmopolitan las, hatte ich auch diese geschriebene Sprache noch nie gesehen. Wobei mir klar ist, dass dies möglicherweise auch für euch das erste Mal ist. Um euch zu zeigen, wie die Leute hier Geschichten konsumieren, habe ich dieses Buch so aufgebaut, wie es ein Mensch tun würde. Die Wörter, die ich benutze, sind menschliche Wörter, getippt in menschlicher Schrift, aneinandergereiht im Stil der Menschen. Aufgrund eurer Fähigkeit, selbst die fremdartigsten und primitivsten linguistischen Formen so gut wie unmittelbar zu übersetzen, kann ich darauf vertrauen, dass mangelndes Sprachverständnis hier nicht das Problemsein wird.
Also, noch einmal. Ich war nicht Professor Andrew Martin. Eigentlich war ich wie ihr.
Professor Andrew Martin war nur eine Rolle. Eine Verkleidung. Jemand, der ich sein musste, um eine Aufgabe zu erfüllen. Eine Aufgabe, die mit seiner Entführung begonnen hatte, gefolgt von seinem Tod. (Ich weiß, das bringt jetzt einen düsteren Ton hier herein - ich verspreche, den Tod nicht mehr zu erwähnen, jedenfalls nicht auf dieser Seite.)
Ich war also kein 43-jährigerMathematiker, der an der Cambridge University lehrte und die letzten acht Jahre seines Lebens der Lösung eines mathematischen Problems gewidmet hatte, das als unlösbar galt. Ich hatte keine elegante, um mich besorgte Ehefrau namens Isobel, die eine anerkannte Historikerin war, oder einen 15-jährigen Sohn mit Namen Gulliver, der mit Aggressionszuständen zu kämpfen hatte.
Bevor ich auf die Erde kam, hatte ich kein mittelbraunes Haar und auch keinen natürlichen Seitenscheitel. Ich hatte keine Meinung zu den Planeten von Holst oder zum zweiten Album der Talking Heads. Und wie hätte ich zu der Ansicht gelangen sollen, australischer Wein sei automatisch schlechter als der Wein irgendeiner anderen Region des Planeten, wenn ich nie etwas anderes als flüssigen Stickstoff getrunken hatte?
Genauso wenig war ich ein gleichgültiger Ehemann, der ein Auge auf eine seiner Studentinnen geworfen hatte, und ich benutzte auch nicht meinen Springer-Spaniel - das ist ein Vertreter der Kategorie behaarter Hausgötter, die sie »Hund« nennen - als Vorwand, um so oft wie möglich aus dem Haus zu kommen. Ich hatte keine Bücher über Mathematik geschrieben oder darauf bestanden, dass mein Verlag ein Autorenfoto verwendete, das fast fünfzehn Jahre alt war.
Nein, ich war nicht dieser Mann.
Und ich hatte auch keinerlei Gefühle für diesen Mann, der fünf Minuten vor Mitternacht an seinem Schreibtisch gesessen, seinen Computerbildschirm angestarrt und schwarzen Kaffee getrunken hatte (keine Sorge, Kaffee und meine damit Zusammenhängenden Missgeschicke werde ich in Kürze erklären). Ein Erdbewohner, der von seinem Stuhl aufgesprungen sein mag oder auch nicht, als ihm der Durchbruch gelang - als sein Denken einen Ort erreichte, den kein menschlicher Geist je bereist hatte, den äußersten Rand des Wissens.
Und irgendwann kurz nach seinem Durchbruch hatten ihn die Moderatoren entführt. Meine Arbeitgeber. Ich hatte ihn noch kennengelernt, für den Bruchteil einer Sekunde. Lange genug, um den Scan durchzuführen - der leider unvollständig war. Physisch war er vollständig, aber nicht mental. Man kann das menschliche Gehirn klonen, aber nicht das, was darin gespeichert ist, zumindest nicht sehr viel davon, also musste ich vieles selbst erlernen. Ich war ein 43-jähriger Neugeborener auf dem Planeten Erde. Später fand ich es sehr schade, dass ich ihn nicht richtig kennengelernt hatte, denn das wäre mir eine enorme Hilfe gewesen. Er hätte mir zum Beispiel von Maggie erzählen können. (Hätte er mir doch nur von Maggie erzählt!)
Aber ganz gleich, wie viel Wissen ichmitbekommen hatte, es änderte nichts an der simplen Tatsache, dass ich den Fortschritt aufhalten musste. Deswegen war ich hier. Um alle Spuren des Durchbruchs zu beseitigen, der Professor Andrew Martin gelungen war. Spuren, die nicht nur in Computern, sondern auch in lebendigen Menschen zu finden waren.
Ja.
Um zu schützen, muss man manchmal zerstören. (Wenn ihr mir nicht glaubt, fragt das Universum.) Es war eine ganz einfache Mission - oder wäre es gewesen, wenn ich mich nicht hätte hineinziehen lassen.
Aber auch das ist eine alte Wahrheit: Alles ist irgendwie mit allem verbunden. Man kann diese Verbindungen manchmal ignorieren. Doch hin und wieder ziehen sie dich in ganz unerwarteter Weise hin zum Unmöglichen.
Zur Empathie.
Zur Liebe.
Und zu all den anderen schrecklichen Dingen, mit denen ich nichts zu tun haben wollte.
Also, wo fangen wir an?
Ich denke, es gibt nur eine Stelle. Nämlich da, wo ich von dem Auto angefahren wurde.
Übersetzung: Sophie Zeitz
© 2014 der deutschsprachigen Ausgabe: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
Hallo, Mensch. Wie geht es dir?
Du siehst gut aus. Ja, wirklich, trotz der Nase.
Anscheinend möchtest du wissen, was für ein Buch du vor dir hast, bevor du zu lesen anfängst. Das ist sehr vernünftig. Wenn ich früher unser Pendant zu euren Buchhandlungen besuchte, war es kein Problem für mich, mir vierzig Bücher - vielmehr Wortkapseln - pro Minute zu Gemüte zu führen.
Versuch dir das vorzustellen. Stell dir vor, du könntest in einen Bonbonladen spazieren und statt Lakritz und sauren Drops Sturmhöhe und Krieg der Welten kaufen, sie in den Mund stecken und wärst noch im selben Moment bereichert.
Bücher aber musst du lesen. Und das dauert. Ich konnte es kaum glauben, als ich neu hier war und begriff, dass ihr euch hinsetzen und jedes einzelne Wort, eins nach dem anderen, lesen müsst. Sogar ich brauchte für ein langes Buch - so etwas wie Krieg und Frieden oder Philosophie des Abendlandes oder Don Quijote - volle zwanzig Minuten. Zusammen eine Stunde, die ich nie zurückbekommen werde. Eine Stunde!
Verständlicherweise also willst du wissen, was für ein Buch du vor dir hast, denn Zeit ist Geld, und Geld kostet Zeit, und was du heute kannst kaufen und die ganzen Sprüche. Du willst wissen, ob es eine Liebesgeschichte ist. Oder ein Krimi. Oder eine Geschichte über Aliens. Oder vielleicht eine Kriegsgeschichte, verwunderlich wäre das ja nicht.
Es gibt noch andere Fragen. Zum Beispiel, ist dies eins der Bücher, die du liest, um dich intelligent zu fühlen, oder eins von denen, die du heimlich liest, damit keiner an deiner Intelligenz zweifelt? Wird es dich zum Lachen oder zum Weinen bringen? Oder nur dazu, aus dem Fenster zu starren und den Lauf der Regentropfen zu verfolgen? Ist es eine wahre Geschichte? Oder eine falsche? Ist es eine Geschichte, die aufs Gehirn zielt oder eher auf die unteren Regionen? Ist es eins der Bücher, die religiöse Anhänger mobilisieren, oder eins von denen, die von ihnen verbrannt werden? Ist es ein Buch über Mathematik oder liegt diese ihm nur - wie allem anderen im Universum - zugrunde? Und natürlich die letzte, wichtigste Frage: Kommt ein Hund darin vor?
Ja, es gibt viele Fragen. Und noch mehr Bücher. Du hast mein aufrichtiges Mitgefühl.
Ihr Menschen habt auf eure typisch menschliche Art viel zu viele Bücher geschrieben, als dass einer von euch sie je alle lesen könnte. Und so landet das Lesen auf dem großen Haufen der Dinge - zusammen mit Arbeit, Liebe, sexueller Leistungsfähigkeit, Fernsehgewohnheiten, Online-Profil, Sport, Kindererziehung, gesunder Ernährung, den Worten, die man nicht gesagt hat, als man sie hätte sagen sollen -, die den Menschen ein schlechtes Gewissen machen.
Aus diesem Grund willst du dich vorher informieren. So wie du bei einem Vorstellungsgespräch gern erfahren möchtest, ob der Job, für den du dich bewirbst, dich mit neunundfünfzig Jahren in den Wahnsinn treiben und dazu bringen wird, aus dem Bürofenster zu springen. Oder ob der Mensch, der bei eurer ersten Verabredung so witzig von seinem Jahr in Kambodscha erzählt, dich eines Tages wegen einer Jüngeren namens Francesca sitzen lassen wird, die ihre eigene PR-Firma hat und Sachen wie »kafkaesk« sagt, ohne je Kafka gelesen zu haben.
Du willst wissen, ob du lieber Alles zerfällt von Chinua Achebe oder Jenseits des Horizonts von Danielle Steel lesen solltest.
»Hätte ich nur nicht«, willst du später nicht sagen müssen, »dreihundert Sekunden meines Lebens an dieses verdammte Buch verschwendet.«
Es kann schon sein, dass du das sagen wirst. Ja. Durchaus. Vor allem, falls ich dir nicht verrate, was dies für ein Buch ist, hier an der Stelle, wo es gesagt werden müsste, gleich am Anfang.
Na gut.
Hol tief Luft.
Also, zweibeinige Lebensform von mittelmäßiger Intelligenz, ich werde es dir sagen.
Dieses Buch, das Buch, das du in Händen hältst, spielt genau hier, auf der Erde. Es handelt vom Sinn des Lebens und von überhaupt nichts. Es handelt davon, was passieren muss, damit man auf die Ewigkeit verzichtet und sich der Sterblichkeit überlässt. Es handelt von Liebe und toten Dichtern und Erdnussbutter mit ganzen Nüssen. Es handelt von Materie und Antimaterie, von allem und nichts, von Hoffnung und Hass. Es handelt von einer 41-jährigen Historikerin namens Isobel und ihrem 15-jährigen Sohn Gulliver und dem klügsten Mathematiker der Welt.
Es handelt davon, wie man ein Mensch wird.
Kurz gesagt, in diesem Buch geht es um dich. Um all das Katastrophale, Sterbliche, Wunderbare, das dich ausmacht.
Es besteht aus Wörtern, vielen, vielen Wörtern. Zweiundsiebzigtausendneunhundertfünfzig davon.
Und keine Sorge, ein Hund kommt auch darin vor.
Vorwort
(Eine unlogische Hoffnung trotz erdrückender Widrigkeiten)
Liebe Vonnadorianer,
ich weiß, mancher von euch ist überzeugt, die Menschen seien ein Mythos, doch ich kann bezeugen, dass es sie wirklich gibt. Für die, die es nicht wissen sollten: Menschen sind eine reale, zweibeinige Lebensform von mittelmäßiger Intelligenz, die von Illusionen geprägt auf einem kleinen, wasserreichen Planeten in einer sehr einsamen Ecke des Universums existiert.
Für die anderen unter euch und die, die mich geschickt haben: In vielerlei Hinsicht sind die Menschen genauso seltsam, wie wir erwartet haben. Auf jeden Fall trifft es zu, dass der erste Anblick ihrer körperlichen Gestalt verstörend wirkt.
Ihre Gesichter bestehen aus einer Reihe von hässlichen Auswüchsen. Ein weit ausladendes zentrales Riechorgan, dünnhäutige Lippen, primitive externe Hörorgane, die sich »Ohren« nennen, winzige Augen und unfassbar überflüssige Augenbrauen. Die mentale Verarbeitung und Akzeptanz dieser Eigentümlichkeiten nimmt nicht wenig Zeit in Anspruch.
Auch das Verhalten und die soziale Interaktion der Menschen sind zunächst mehr als rätselhaft. Selten sprechen sie über die Themen, die sie tatsächlich interessieren. Und ich könnte siebenundneunzig Bücher über körperliche Scham und Kleidungsetikette schreiben, bevor ihr auch nur ansatzweise begreifen würdet, worum es geht.
Ach, nicht zu vergessen: Die Dinge, die sie tun, um glücklich zu werden, sind in Wirklichkeit oft Dinge, die sie unglücklich machen. Die Liste ist unendlich. Dazu gehören: Shopping, Fernsehen, beruflicher Aufstieg, der Umzug in größere Behausungen, das Verfassen semiautobiographischer Romane, Kindererziehung, Hautpflege mit angeblich verjüngenden Produkten und der vage Wille zu glauben, hinter allem stecke letztendlich doch irgendein Sinn.
Ja, diese Dinge sind amüsant, wenn auch auf etwas schmerzhafte Art. Doch ich habe auf der Erde auch die menschliche Dichtung entdeckt. Mit Abstand die Beste unter ihren Dichtern (eine Frau namens Emily Dickinson) hat einmal gesagt: »Ich lebe in der Möglichkeit.« Gönnen wir uns also den Spaß und tun es ihr nach. Öffnen wir unseren Geist weit, denn um zu verstehen, was ihr hier lesen werdet, müsst ihr alle Vorurteile beiseiteschieben, die ihr vielleicht hegt.
Versuchen wir uns einmal vorzustellen: Was, wenn es wirklich einen Sinn im Leben der Menschen gäbe? Und - nur mal theoretisch - was, wenn das Leben auf der Erde nicht nur lächerlich und aggressiv wäre, sondern auch etwas Kostbares? Was dann?
Manche von euch wissen inzwischen vielleicht, was ich getan habe, aber keiner von euch kennt den Grund dafür. Dieses Dokument, diese Einführung, dieser Reisebericht - nennt es, wie ihr wollt - soll Aufklärung bringen. Ich bitte euch, dieses Buch mit völliger Unvoreingenommenheit zu lesen und für euch selbst zu entscheiden, was der wahre Wert des menschlichen Lebens ist.
Friede im All.
TEIL I Ich nahm die Kraft in meine Hand
Der Mann, der ich nicht war
Also.
Um mit dem Offensichtlichen zu beginnen: Ich war kein Mensch. In jener ersten Nacht - in der Kälte, der Dunkelheit und dem Wind - war ich weit davon entfernt, ein Mensch zu sein. Und bevor ich an der Tankstelle die Cosmopolitan las, hatte ich auch diese geschriebene Sprache noch nie gesehen. Wobei mir klar ist, dass dies möglicherweise auch für euch das erste Mal ist. Um euch zu zeigen, wie die Leute hier Geschichten konsumieren, habe ich dieses Buch so aufgebaut, wie es ein Mensch tun würde. Die Wörter, die ich benutze, sind menschliche Wörter, getippt in menschlicher Schrift, aneinandergereiht im Stil der Menschen. Aufgrund eurer Fähigkeit, selbst die fremdartigsten und primitivsten linguistischen Formen so gut wie unmittelbar zu übersetzen, kann ich darauf vertrauen, dass mangelndes Sprachverständnis hier nicht das Problemsein wird.
Also, noch einmal. Ich war nicht Professor Andrew Martin. Eigentlich war ich wie ihr.
Professor Andrew Martin war nur eine Rolle. Eine Verkleidung. Jemand, der ich sein musste, um eine Aufgabe zu erfüllen. Eine Aufgabe, die mit seiner Entführung begonnen hatte, gefolgt von seinem Tod. (Ich weiß, das bringt jetzt einen düsteren Ton hier herein - ich verspreche, den Tod nicht mehr zu erwähnen, jedenfalls nicht auf dieser Seite.)
Ich war also kein 43-jährigerMathematiker, der an der Cambridge University lehrte und die letzten acht Jahre seines Lebens der Lösung eines mathematischen Problems gewidmet hatte, das als unlösbar galt. Ich hatte keine elegante, um mich besorgte Ehefrau namens Isobel, die eine anerkannte Historikerin war, oder einen 15-jährigen Sohn mit Namen Gulliver, der mit Aggressionszuständen zu kämpfen hatte.
Bevor ich auf die Erde kam, hatte ich kein mittelbraunes Haar und auch keinen natürlichen Seitenscheitel. Ich hatte keine Meinung zu den Planeten von Holst oder zum zweiten Album der Talking Heads. Und wie hätte ich zu der Ansicht gelangen sollen, australischer Wein sei automatisch schlechter als der Wein irgendeiner anderen Region des Planeten, wenn ich nie etwas anderes als flüssigen Stickstoff getrunken hatte?
Genauso wenig war ich ein gleichgültiger Ehemann, der ein Auge auf eine seiner Studentinnen geworfen hatte, und ich benutzte auch nicht meinen Springer-Spaniel - das ist ein Vertreter der Kategorie behaarter Hausgötter, die sie »Hund« nennen - als Vorwand, um so oft wie möglich aus dem Haus zu kommen. Ich hatte keine Bücher über Mathematik geschrieben oder darauf bestanden, dass mein Verlag ein Autorenfoto verwendete, das fast fünfzehn Jahre alt war.
Nein, ich war nicht dieser Mann.
Und ich hatte auch keinerlei Gefühle für diesen Mann, der fünf Minuten vor Mitternacht an seinem Schreibtisch gesessen, seinen Computerbildschirm angestarrt und schwarzen Kaffee getrunken hatte (keine Sorge, Kaffee und meine damit Zusammenhängenden Missgeschicke werde ich in Kürze erklären). Ein Erdbewohner, der von seinem Stuhl aufgesprungen sein mag oder auch nicht, als ihm der Durchbruch gelang - als sein Denken einen Ort erreichte, den kein menschlicher Geist je bereist hatte, den äußersten Rand des Wissens.
Und irgendwann kurz nach seinem Durchbruch hatten ihn die Moderatoren entführt. Meine Arbeitgeber. Ich hatte ihn noch kennengelernt, für den Bruchteil einer Sekunde. Lange genug, um den Scan durchzuführen - der leider unvollständig war. Physisch war er vollständig, aber nicht mental. Man kann das menschliche Gehirn klonen, aber nicht das, was darin gespeichert ist, zumindest nicht sehr viel davon, also musste ich vieles selbst erlernen. Ich war ein 43-jähriger Neugeborener auf dem Planeten Erde. Später fand ich es sehr schade, dass ich ihn nicht richtig kennengelernt hatte, denn das wäre mir eine enorme Hilfe gewesen. Er hätte mir zum Beispiel von Maggie erzählen können. (Hätte er mir doch nur von Maggie erzählt!)
Aber ganz gleich, wie viel Wissen ichmitbekommen hatte, es änderte nichts an der simplen Tatsache, dass ich den Fortschritt aufhalten musste. Deswegen war ich hier. Um alle Spuren des Durchbruchs zu beseitigen, der Professor Andrew Martin gelungen war. Spuren, die nicht nur in Computern, sondern auch in lebendigen Menschen zu finden waren.
Ja.
Um zu schützen, muss man manchmal zerstören. (Wenn ihr mir nicht glaubt, fragt das Universum.) Es war eine ganz einfache Mission - oder wäre es gewesen, wenn ich mich nicht hätte hineinziehen lassen.
Aber auch das ist eine alte Wahrheit: Alles ist irgendwie mit allem verbunden. Man kann diese Verbindungen manchmal ignorieren. Doch hin und wieder ziehen sie dich in ganz unerwarteter Weise hin zum Unmöglichen.
Zur Empathie.
Zur Liebe.
Und zu all den anderen schrecklichen Dingen, mit denen ich nichts zu tun haben wollte.
Also, wo fangen wir an?
Ich denke, es gibt nur eine Stelle. Nämlich da, wo ich von dem Auto angefahren wurde.
Übersetzung: Sophie Zeitz
© 2014 der deutschsprachigen Ausgabe: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
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Autoren-Porträt von Matt Haig
Haig, MattMatt Haig wurde 1975 in Sheffield geboren und hat bereits eine Reihe von Romanen und Kinderbüchern veröffentlicht, die mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet und in über 30 Sprachen übersetzt wurden. In Deutschland bekannt wurde er mit dem Bestseller 'Ich und die Menschen'.
Zeitz, Sophie
Sophie Zeitz übersetzt seit über zwanzig Jahren aus dem Englischen, unter anderem die Bücher von Joseph Conrad, John Green, Marina Lewycka, Matt Haig, Jilliane Hoffman und Leanne Shapton. Sie glaubt fest an die Wechselwirkung zwischen Metrik und Psyche und lebt mit ihrer vielsprachigen Familie und einem völlig unbegabten Hund in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Matt Haig
- 2014, 3. Aufl., 352 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung:Zeitz, Sophie
- Übersetzer: Sophie Zeitz
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423260149
- ISBN-13: 9783423260145
- Erscheinungsdatum: 01.04.2014
Rezension zu „Ich und die Menschen “
'Ich und die Menschen' ist ein phantasievoller Roman, immer superkomisch, wenn außerirdisches Ungeschick auf menschliche Macken trifft - immer aber auch fein philosophisch.
Stefan Sprang HR 1 20140507
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