Verloren im Land der roten Dünen (ePub)

Immer wenn ich ein Buch von Maxi Hill lese, glaube ich, sie hat das alles selbst erlebt. Ihre Erfahrungen mit dem südlichen Afrika stammen aber aus einer Zeit, als noch kein Tourist – wegen der andauernden Kriege - diesen Teil des Kontinents betreten hat.
Nun ist es Namibia, das eine Rolle spielt. Doch es ist weit mehr, als ein Buch über den fernen Kontinent. Maxi Hill verknüpft auf ihre bewährte Art die Gegebenheiten unserer Zeit mit den schier endlosen Menschheitsproblemen. Da gibt es die alten Fehden zweier Schwestern, die nie aufhören wollen. Da kommt ein Student aus dem nördlichen Afrika und wird zur Stütze der Protagonistin Sina bei ihrer selbstauferlegten Pflicht, ihre ungeliebte, aber todkranke Schwester zu betreuen. Da gibt es den Journalisten, Sten, der ins ferne Land geht, um dort jene Menschlichkeit zu leben, die ihm hier versagt blieb. Da gibt es diesen Himba-Jungen, der es „geschafft“ zu haben scheint, weil er aus der sogenannten Rückständigkeit Zugang zur Bildung nach unserer Denkart bekommen hat. Und es gibt das selbstbewusste Mädchen Lynn, das beherzt eingreift, wenn Unrecht geschieht.
Das alles wird reflektiert durch die Protagonistin Sina, die einmal Stens Geliebte war, bevor er ihre Schwester heiratete. Aber Sina erkennt „aus altem Groll und neuen Zweifeln“ lange nicht, was wirklich geschehen ist mit ihrer Nichte Lynn …
Was sie im Land der roten Dünen auch anstellt, sie kann ihr Versprechen nicht halten, Lynn zu ihrer todkranken Mutter zurückzubringen. So nah bei Sten fühlt sie sich ebenso verloren, wie sie Lynn verloren glaubt.

Das Buch überrascht. Es beginnt im „Land der roten Dünen“, Namibia, und man ahnt schon, dass die Dramatik ihren Lauf nimmt. Aber dann erzählt die Protagonistin Sina erst einmal, wie sie in diese Lage gekommen ist. Erschreckend und zutiefst nachempfindbar die Sache mit Sinas Schwester Gabi, die an der tödlichen Schlafkrankheit leidet. Darin eigebettet erfährt der Leser bereits viel über das Land Namibia, das die Austauschschülerin Lynn in ihren Mails an zu Hause sehr leidenschaftlich beschreibt. Die eigentliche Dramatik aber liegt im Aufenthalt von Sina in Namibia, wohin sie völlig umsonst gereist zu sein scheint, weil sie keinen Kontakt zu Lynn bekommt, die sie ja eigentlich zu ihrer sterbenden Mutter zurückbringen wollte. Verwoben zwischen altem Fehlverhalten, neuen Fehleinschätzungen und bewundernswerter Haltung der jungen Lynn zu alten Menschheitsproblemen, entblättert sich die Geschichte vor dem Hintergrund einer faszinierenden Natur und einer Gesellschaft, die ihre Jahrhunderte alten Fehden noch immer nicht zu beherrschen vermag. Sehr lesenswert.